Das VII. Capitel.

Lycogenes läßt das Armbandt welches dem Poliarchus solte ge- schickt werden vergifften: Deß Lycogenes List hinter deß Königs Anschlag zukommen. Sein Schreiben an den Poliarchus.

Das VII. Capitel.

ERistenes geriethe entweder durch sein nachforschen/ oder durch das Glück/ welches dem Meleander noch nicht günstig war/ in die Mutmassung/ daß eine Absendung an den Poliarchus fortgehen würde. Man hat dafür gehalten/ als sey der Anfang solchen Arg- wohns von seinem Weib herkommen/ welche stets mit der Argenis vnd Selenissen vmbzugehen hat pflegen/ vnd offtmals wegen deß Arsidas von weitem allerley Reden sol auffge-[226]worffen haben; wie sie dann ein verschlagenes Weib/ vnd auff Art jhres Mannes ab- gerichtet gewesen ist. Nach dem auch der König bey solchem Man- gel der Kammer das Armbandt zu kauffen befohlen hat/ ist er in seiner Meinung also gestärcket worden/ daß er dem Lycogenes baldt zugeschrieben/ er befohre sich/ man würde durch solches Ge- schencke den Poliarchus wieder zum Freunde machen wöllen. Er aber/ der vmb ein Schelmstücke vnbekümmert war/ nebenst dem daß jhn Oloodemus/ der sich damals bey jhm befandt/ auch ver- mahnete/ antwortete jhm Schrifftlich in solcher Meinung; Es sey nichts rathsamer/ als daß selbiges Armbandt/ weil es Eristenes in Verwahrung hielte/ vergifftet wurde. Wann es Poliarchus emp- + + +

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fienge/ würde er es ohn Zweiffel vmbmachen/ vnd durch seine Hitze die Gifft in die edelsten Gliedmassen ziehen. Gebe es aber der König der Argenis/ so müste man auff die Zeit achtung haben. Dann die Gifft schade nicht alsbald von der berührung/ derowegen könten sie hernach vnter einer Beschönung vor der anfallenden Seuche so darinnen steckte warnen/ vnd das Lob einer grossen Trew darvon bringen/ wann sie alle Schuldt auff den Kauffman legten. Eristenes hatte solche Gifft bey sich/ welche von Ephyreern zube- reitet worden jhre Feinde entweder mit vergifftung der Becher oder Pfeile hinzurichten; wie sie dann mit dergleichen Sachen son- derlich können vmbgehen. Diese als sie in Sicilien sich niederge- lassen/ [227] vnd Siracuse darinnen gebawet haben/ ist zugleiche die schändliche Kunst von jhnen vnter die Sicilier gestrewet wor- den. Meleander were jhr selber nicht entgangen/ wann nicht die grosse Auffacht der seinigen gethan hette/ welche Speisen vnd Klei- der mit fürsichtiger Sorge verwahreten. Diese Gifft war von solchen Kräfften/ daß sie nicht allein dieselben tödete welche sie in dem Mundt bekamen/ sondern auch auß steter Berührung in die Haut drang/ wann sie von Erhitzung eröffnet wardt. Eristenes nahm zu solcher Vergifftung niemanden zu hulffe; sondern tauchte das in- wendige deß Armbandes/ welches wegen der gewirckten Seide weich war/ weil es auff den Arm kommen mußte/ in die zerlassene Gifft/ vnd als er vermeinete/ es hette genugsam an sich gezogen/ trug er es in einer Schachtel zum Könige; der von solcher Vbelthat nicht wuste/ vnd nach Abtrettung aller außgenommen der Argenis/ den Timonides heimlich für sich forderte/ mit vermahnen/ daß er der Trew/ welcher wegen man jhn lobete/ wolte nachkommen. Hernach offenbarte er jhm zu was er solte gebraucht werden/ gab jhm den Brieff an den Arsidas/ welchen er mit eigener Handt also geschrie- ben: Arsidas/ ich habe den Timonides wie jhr sehet zu euch abge- sendet. Demselben wollet jhr also Glauben beymessen/ als wann ich selber mit euch redete. Was er sagen vnd handeln wirdt/ wil ich für genehm halten. Wisset aber so viel/ daß [228] je ehe jhr mit ewerm Freunde werdet ankommen/ je mehr werdet jhr willkommen seyn. Gott befohlen. Argenis nam mit fleiß auß ihrem langen Rock eine Schachtel/ vnd/ dieses Armbandt/ sagte sie/ Timonides/ nemmet mit euch zum Poliarchus/ vnd vbergebt es jhm von meinetwegen/ wie dann auch diß Schreiben/ das andere aber dem Arsidas. Also gab sie jhm den Brieff/ nicht aber den jenigen welchen sie dem Me
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leander gezeiget hatte/ weil derselbe viel zu schlecht war in Anse- hung jhrer Freundschafft mit dem Poliarchus. Sie hatte jhn vnter dem siegeln leichtlich verwechselt/ vnd einen andern der jhrer Liebe gemäß war an die stelle genommen. Weil aber deß Timonides Abreisen in Italien nicht konte verborgen bleiben/ damit gleichwol durch Verbergung der Argwohn nicht vermehret würde/ sprengte er auff deß Königs Angeben bey den seinigen auß/ er hette Vrlaub vom Hofe bekommen/ sich in Italien vnd Africa vmbzuschawen. Er war jung/ vnd es begab sich zu gutem Glücke/ daß er längst zu- vor von seiner Begier vber Meer zu reisen hin vnd wider bey seinen Freunden gesagt hatte.

Aber Eristenes/ der auff alles genawe Achtung gab/ wuste viel Sachen/ vnd kam jm alles vordächtig für. Derhalben als er jhm einbildete/ daß dieser auff den Poliarchus zu würde/ erdachte er eine solche List. Es war vnter seinen Leuten ein junger Mensch/ [229] der newlich vom Lande kommen/ vnd bey Hofe noch nicht bekandt war. Er hatte aber wol an jhm gespüret/ daß er listig vnd zu allem was jhm befohlen würde vnverdrossen were. Diesem schaffte er/ daß er dem Timonides/ wann er verreisete/ auff der Post solte nachreiten/ vnd fürgeben/ als ob jhn der König schickte/ daß er jhn ja fleissig warnen solte/ damit er in Sicilien keinem Men- schen etwas von dem Armbande eröffnete. In dem jhr aber redet/ sagte er/ so gebet auff sein Gesichte fleissig Achtung. Wirdt er ewre Worte annehmen/ oder auß sehen als ob er zweiffelte/ so thut jhr als jhr das ewerige verrichtet hettet/ vnd kehret alßbaldt vmb. Wirdt er nicht wissen wor von jhr redet/ welches jhr leichtlich werdet erkennen/ so fragt jhn/ gleichsam als jhr im Zweiffel stün- det/ wie er heisse. Wirdt er sagen/ Timonides/ so bittet jhn vmb Verzeihung; dann jhr sollet einen andern suchen: vnd machet euch/ wo jhr könnet/ also von jhm hinweg/ daß er nicht wisse auff welche seiten jhr zugeritten. Wirdt er mit der Antwort jnne halten/ weil er euch nicht kennet/ vnd fragen/ wer jhr seyet/ so saget daß jhr der Selenissen mit Blutfreundtschafft zugethan/ vnd erst newlich nach Hofe kommen weret; Ihr könnet euch aber den ersten Namen ge- ben der euch einfält. Dieser kam seinem Befehl trewlich nach/ feh- + + +

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lete weder am Fleisse/ noch am Glücke. Dann als Timonides von dem Armbande gehöret/ welches er für die geheimeste Sache [230] hielte/ warff er auff den Menschen keinen Verdacht: Derhalben hieß er jhn vmbkehren/ vnd dem Könige vermelden/ er solte gantz vn- besorget bleiben: dann er liesse jhm diese vertrawte Sachen wol angelegen seyn.

Als Timonides also herumb geführet/ vnd deß Königs Anschlag außgeforschet worden/ schrieb Eristenes in eyll dem Lycogenes alles zu/ damit jhm die Zeit/ entweder den Timonides zu fangen/ oder sonsten auff etwas zu gedencken/ nicht entgienge. Lycogenes wußte lang nicht was er thun solte/ weil er den König nicht so verächtlich hielte/ als zuvor/ in dem er sahe/ daß er nicht mehr so nachlässig/ sondern auff allerley Rahtschläge bedacht were. Letztlich befandt er für nötig zuseyn/ daß er einen newen Betrug herfür suchte/ damit er alle Schuldt so von jhm verdienet auff den König bringen möch- te. Derowegen/ welches kein Mensch gedacht hette/ entschloß er sich deß Poliarchus Freundschafft zu begehren/ vnd jhm dieses Schrei- ben zusenden. Lycogenes wündschet dem Poliarchus alle Wolfahrt. Dieser Tag wirdt euch offenbahren/ wie sehr jhr in Erwehlung ewerer Freunde vnd Feinde gejrret habet. Wolte Gott jhr hettet mich nicht als einen Widersacher verfolget/ vnd dem Meleander mehr vertrawet als billich gewesen. Aber was geschehen ist/ mag seinen weg haben. Dann es were vnfreundlich/ wann ich mich vber euch an jetzo/ da jhr vorhin [231] in Widerwärtigkeit stehet/ be- klagen wolte: vnd ich bin auch nicht in solchem Zustande/ da ich vonnöthen habe/ mich hoch zuentschuldigen. Ich wil lieber daß jhr es auß der That selber/ als auß den Worten erfahret/ auff welchem vnter vns beyden die Vrsache der alten Verbitterung beruhe. Als Meleander nach ewerer Vertreibung ewern Haß vnd Rache geförch- tet/ hat er vnerbare Künste für die Hand genommen/ vnd ist auß einem Könige ein Giffteingeber worden/ in dem er euch/ gleich- samb als zu bekennung seiner Busse/ vnd zu Widerruffung deß Vnrechts/ ein tödliches Armband vbersendet. Hütet euch daß jhr es nicht traget: dann jhr möchtet eweren Todt an statt deß Bandes vmb die Hand machen. Ich frage nichts nach/ ob jhr mir schon nicht glaubet/ biß jhr solches erfahret. Wann jhr einen leibeigenen Vbelthäter habt/ oder/ welchs barmhertziger gehandelt ist/ ein + +

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Pferd oder Hund daran wagen wöllet/ so bindet jhm diß Geschenck auff die blosse Haut. Wo er jnnerhalb vier Tagen nicht stirbt/ so haltet mich nicht für werth zu leben. Wo jhr witzig seyd/ so zwingt den Timonides/ von dem jhr die schöne Verehrung zu empfangen habt/ daß er jhm selber den Todt anbinde/ welchen er euch mit Wil- len vnd Wissen bringet. Ich habe euch solchen Betrug/ wiewol ich dessen lieber hette wöllen vberhaben seyn/ zu entdecken keinen vmbgang nehmen können/ damit ein Mann von solcher Natur als jhr seyd/ so schändlich nicht [232] vmbkomme/ oder die Schuld ewers Endes auff mich geleget werde. Dann wer würde von den Feinden nicht vielmehr außgeben/ daß ich/ vnd nicht Meleander/ euch auß dem Wege geräumet hette? Im vbrigen möget jhr mir dancken/ wie euch geliebet. Werdet jhr fortfahren mich zu verfol- gen/ so wil ich mich offentlich an euch rechen: Dann es mir an Waffen/ Rahtschlägen vnd Kräfften nicht mangelt. Die Götter billichen selbst meine Sach. Wird euch deß Meleanders Vntrew/ die euch genugsamb entdecket ist/ was bessers an die Hand geben/ daß jhr solches Vnrecht zu straffen ewere Macht bey der meinigen zu- setzen werdet/ so verheisse ich/ daß es euch/ so lang ich lebe an einem Bruder/ vnd (wegen deß Alters in dem ich bin) an einem Vatter nicht gebrechen sol.

Solchs verwegne Schreiben gab er einem seiner trewen Diener/ mit Befehl/ seine Reise also abzutheilen/ daß er nicht ehe als acht Tage nach dem Timonides zum Poliarchus angelangete. Welches dann nicht schwer zuthun were. Er köndte zu Messine oder zu Rhe- ge vnter anderer beschönung/ in dem Hafen oder in der Statt von deß Timonides Ankunfft Nachfrage halten. Die Vrsach solcher schändlichen List war diese/ daß Poliarchus/ im Fall er diese Acht Tage vber das Armbandt getragen/ vnter dessen dadurch vmbkom- men köndte. Wann nun die Schreiben erst nach seinem Tode dahin gebracht würden/ [233] was für einen bösen Namen solte Melean- der hierdurch bekommen? Hette aber Poliarchus sich deß Arm- bandes noch nicht gebraucht/ so würde er dem Lycogenes hoch ver- bunden seyn/ der jhn für zustehendem Vnglück gewarnet hette; vnd hergegen wider den Meleander sich hefftig ergrimmen/ auff wel- chem die Schuldt dieses betrieglichen Trawerspieles fallen mußte. +

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Er durffte auch von dem Könige vbel reden: weil die Schreiben dem Poliarchus vor der Zeit auff welche die Rebellion von den Zusam- men geschworenen bestimmet war/ kaum zukommen kundten.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),