Deß Eristenes Anschlag wider den König Meleander: Deß Archom- brotus Vnruhe. Von den Geschencken
welche dem Poliarchus sol- ten vbersendet werden.
Das VI. Capitel.
Lycogenes hatte jhm alle Sachen schon richtig gemacht/ vnd den
Tag zu seinem Anschlage bestimmet/ mitten im Frühling/ den ze- henden
deß Monats/ welcher Targelion genennet ward. Eristenes besaß nicht weit
von Epeircte ein Gut mit einem Walde/ welcher we- gen langer
hegung voll Wildes war. Dieser war auff erwehneten Tag den
Meleander dahin einzuladen gesonnen/ Ob jhm vielleicht der
Vorsatz gerahten wolte/ den Meleander vnd die Argenis/ gleich- samb zur beschawung der
Bilder vnd Tafeln/ mit wenigen in einen verborgenen Ort deß Hauses
zuführen/ vnd durch die hinder Thür dem Lycogenes alsbald zuvberlieffern. Wann Meleander sich zur Wehr gestellt/ oder auff Hülffe
geruffen hette/ war er entschlossen jhn vmbzubringen: [219] dann es sey genug/ wann sie die Argenis darvon brächten. Im
Fall aber böse Zeichen oder vnpaßligkeit Meleandern selbigen Tag in Epeircte auffhielte/ als solte Lycogenes
jhn mit einem geschwinden Heerzuge vberfallen: Dann sie hatten sich also vereiniget/ daß er gleich auff diesen Tag sich nebenst den
andern seinen Mitgenossen solte zu Syracuse befinden/ daselbst vn-
ter dem Namen der fürnembsten Häupter vnd Stätte einen Tumult zu
erwecken/ vnd sich dem gemeinen Wesen zum besten für einen Obristen
auffwerffen deß Krieges wider den König. Hierzu köndte sich auch
Oloodemus mit etlichem Volck finden/ solche Newerung durch seine Stimme
vnd Gewalt zu bekräfftigen. Man hielte dafür es würden viel Oerter von dem
Könige abfallen/ weil sie theils das Exempel vorigen Krieges für Augen
hatten/ theils vmb den Betrug der Verwalter vnd Beampten/ die sie
allbereit bestochen hatten/ vnd vmb die Gemüter/ so von sich selber
zum Auffruhr geneiget wa- ren/ gute Wissenschafft trugen.
Als der Rhat auff solche weise geschlossen war/ hatte Lycogenes
Willens den Meleander vnd dieser jhn zuvberfallen. Aber Argenis war
beydes deß Poliarchus vnd deß gemeinen Wesens halben sorg- fältig/ vnd bemühete sich auff das euserste/ damit das jenige was
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[Druckausgabe S. 139]
die Freunde dem Könige gerahten möchte vollzogen werden.
Man solte Geschenck für den Poliarchus auffbringen/ den Arsidas zu rück [220]
fordern/ vnd
auff einen trewen Menschen sinnen/ dem man solches zu verrichten möchte
anbefehlen. Niemand ohn den Archombrotus/ vermerckte der Princessin heimliches Anliegen:
welcher Fürnehmen jhm darumb nicht kondte verborgen seyn/ weil jhn
die Liebe durch jhr vnauffhörliches Wüten fast zu einer Ver- zweiffelung
leitete/ vnd er auff eine jegliche der Argenis bemühung deß Poliarchus wegen mit vngewöhnlichem Eyfer achtung gab. Für allen dingen klagte er sich selber an/ daß er den König zum ersten
vberredet den Poliarchus wider zu fordern/ so daß er auch bißweilen
gesonnen war/ Meleandern heimlich anzusprechen/ vnd jhn auff das
Widerspiel zu leiten. Aber Schande wegen/ vnd der Argenis Zorn
zuvermeiden/ satzte er solchen vnbillichen Rahtschlage zu rücke. Es
trug sich ohngefehr zu/ daß er den König antraff/ als er mit seiner
Tochter von Widerkunfft des Arsidas Gespräch hielt. Er war der Argenis dazumal lieb/
der Wolthat halben so er jhr new- lich wegen guter Erwehnung deß Poliarchus beym König erwiesen. Derowegen sahe sie jhn als
einen Beschützer jrer Sache/ mit fröli- chem Gesichte an/ vnd
grüßte jhn freundlicher dann sie sonsten im Gebrauch hatte. Archombrotus der nicht wußte wannher solche Liebkosung
käme/ ward dermassen durch so vnvorsehene Frewde bestürtzt/ daß er wider
zu sich selber zukommen so baldt er kundte in die Kammer mußte abtretten.
Als er daselbst wegen der vber- mässigen/ vnd doch nicht genugsam
ver-[221]
sicherten Frew- den in grosser
vngewißheit war/ fieng er endlich also an wider sich selbst zureden: Ists
möglich daß du so glückselig bist? sol dir die Liebe so günstig seyn? Wie?
hastu dann auff der Princessin Ant- litz vnd Augen nicht achtung gegeben?
Wie du bist hinein getret- ten/ hat sie nicht gar auffgehüpffet? O
ich Vnglückseliger? Wie thöricht thue ich/ daß ich meiner Hoffnung so viel
einräume? Die Götter lassen ein solch grosses Glück nicht so leichtlich
hin. Ge- meine Heyrathen werden durch Widerwärtigkeit nicht verworren/
vnd durch seltzame Fälle nicht beruffen gemacht. Das Glück mi- schet sich in Liebe fürnehmer Personen ein/ daß sie durch Mühe vnd
Arbeit denen/ welche sie suchen/ desto angenehmer werden. Helffen
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[Druckausgabe S. 140]
die Götter daß ich jrre/ vnd daß nit die Begrüssung/ vnd
das an- mutige Gesicht der Argenis/ welches mir jetzundt ein solches Hertz
macht/ eine Anzeigung meines Vntergangs sey. Wie elend bin ich doch?
(welches ich kaum zu gedencken vermag!) Diese Zeichen deß geneigten
Willens solten sie nicht wol wegen der Liebe des Po- liarchus herrühren?
hat sie mich nicht darumb so freundtlich an- gesehen/ daß ich jhm bey dem
Könige wol an Worten gewesen? Oder hat sie mich hiedurch nicht mit
stillschweigen gebeten/ daß ich meine Fürbitte wiederholen solte? Die
Freundtschafft muß sich so weit nicht erstrecken; gewiß nicht: ich
schwere bey der Argenis. Ich wil auch nicht daß ich dem Poliarchus der Argenis Gunst we- gen/ noch daß mir
Ar-[222]
genis deß Poliarchus wegen zu dancken habe. Soll ich mich mir selber
zum Feinde machen/ damit ich einem andern zu seiner Glückseligkeit möge
behülfflich seyn? Sol ich als ein verachteter Mensch knechtischer
Dienste halben geliebet wer- den/ vnd die Argenis einem andern vbergeben?
Du jrrest aber/ Archombrotus/ im fall du mit Gewaldt verfahren wilst. Die Liebe
muß man mit bitten/ Gedult vnd Gehorsamb vberwältigen. Wilst du der
Argenis dienen oder gebieten? Wie vnverschämet würde diese Rede
seyn? Ich wil nicht daß du den Poliarchus lieb habest? Ein ernster Vatter gebraucht sich
kaum solches Befehles. Es ist eine nicht werth daß sie geliebet werde/
wann sie nicht denselbigen lie- bet den sie für den Fürtrefflichsten helt.
Du must mit dem Poliar- chus mit Tugendt/ Ehre/ vnd gutem Gerüchte
streiten. Es ist dir selber daran gelegen/ daß er zu rück gelange:
dann wir pflegen den Abwesenden allezeit hertzlicher/ vnd mit einem
Erbarmen günstiger zu seyn. Wie er der Argenis durch seine Gegenwart
gefallen kan/ so kan er jhr auch durch einen Widerwillen oder Eckel
mißfallen. Du must erfahren warumb er geliebet wirdt/ damit du dich
gleichsfals mit ebenmässiger Tugent der Princessin angenem machest.
Was er auch thun wirdt/ das wirst du mit deiner Zuneigung vbertreffen:
vnd wo alles andere nicht wirdt von statten gehen/ so ist der nechste
Weg daß du jhn niederstossest. Du kanst leichtlich Vrsache zu Zancke
vnd Schlagen finden. Vnd ob [223]
er auch von grosser
Stärcke ist/ so ist die Liebe doch stärcker/ welche meine Hand
führen wird. In dessen aber daß wir von seiner Widerkunfft
han-
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[Druckausgabe S. 141]
deln/ wirdt
gelegenheit genugsamb seyn mit der Argenis zu reden. Sie wirdt gewohnen
mich zu hören/ vnd mir zu glauben. Offtmals aber wann solche Freundschafft
eingewurtzelt ist/ so dienet sie zu vielen andern Sachen/ als warumb man
sie hat angefangen.
Nachdem Archombrotus sein widerspänstiges Gemüthe auff sol- che
Meinung gebracht hatte/ gieng er widerumb zum Meleander/ da er einen newen Anlaß fand zu trawren. Dann
Cleobulus hatte den König vberredet/ daß alle Verehrungen
welche er dem Poliar- chus schickte/ jhme im Namen der Argenis vberreicht
würden. Sie/ sagte er/ hat sein theil an dem Fehler/ daß er auß
Sicilien hat entwei- chen müssen. Nechst euch aber hat sie sich der Sorgen
für das Kö- nigreich anzumassen. So wird er vber diß auch wol spüren/ daß
ewere Bitte vnter der jhrigen begriffen sey: vnd da er sich sonsten
gegen vns was härter stellen möchte/ so wirdt er sich doch mit einer Jungfrawen in keinen Streitt einlassen. Meleandern gefiele dieser Anschlag trefflich wol; Vnd/ Es
mangelt nun nichts/ sagte er/ als daß wir das Geschencke/ vnd einen der es
vbergebe außlesen. Ti- monides war ein hurtiger junger Edelmann/ vnd den
man wußte deß Poliarchus grossen Freundt zu seyn. Denselben bestimmete [224] der König/ auff Vorschlag der Argenis/ zu
solcher heim- lichen Absendung. Wie dieses also beschlossen war/
beriethen sie sich auch deß Geschencks wegen. Es hatte ohngefehr ein
Kauffmann auß Arabien vnd Syrien viel schöne Sachen gebracht/ so zwar
meh- rentheil zu nichts als zum Pracht vnd Eytelkeit dieser Welt
dienen. Vnter andern war ein Armbandt von gestickter Seyden/ mit
allerley edelen Steinen von vnterschiedenen Farben also versetzet/ daß
sie eine Jagt machten der ergrimmeten oder flüchtigen Thiere/ welchen
die Jäger mit jhren Bogen nacheileten/ oder mit den Spiessen einen
Fang gaben. Die Perlen vnd Kunst waren hoch am Kauffe: dann sie bey Funffzig Talent machten. Dieses Armbandt haben viel Sici-
lier beschawet. Meleander/ Argenis vnd Cleobulus hielten darfür/ daß es gar bequem were dem
Poliarchus zur Verehrung zu vber- senden/ weil man es
leichtlich verbergen könte; vnd die Sache heimlich muste gehalten
werden. Dann wann man jhm Waffen vnd Rosse zuschickete/ so
würden sie von den Feinden vngesehen nicht bleiben. So sey auch dieses
in etlichen Ortten so wol eine Ziehr der Männer als der Frawen. Vnd
möchte es derentwegen ein Frawen zimmer einer Mannes Person wol
verehren. Der König hatte es zwar zuvor in deß Kauffmans Händen
gesehen/ weil er aber
grös[Druckausgabe S. 142]
sere
Sorgen gehabt/ hat er fast nie achtung darauff gegeben.
Nichts desto weniger schickte er nach dem Eristenes als dem Obristen
Cammermei-[225]ster/ vnd ließ es die Jubilierer
besichtigen ob es werth were daß es vom König gekaufft würde. Damals
aber/ damit sich niemandt verwunderte/ daß er es so bald zu sich
lösete/ be- gehrte der König die Würffel/ spielte mit der Argenis
drümb/ vnd verlohr gutwillig. Nachmals ruffte er dem Eristenes/
gleichsamb als sie vmd das Armband geworffen hetten/ vnd befahl daß er
es in rechtem Werthe für die Argenis einkauffen solte.
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),