Das V. Capitel.

Deß Königs Anschlag sich nach Epeircte zu begeben. Beschreibung deß Orts. Der Selenissen Verrätherey wider die Timoclee.

Das Erste Capitel.

NAchdem Lycogenes den Poliarchus auß Sicilien gebracht/ hielte er darfür/ als hette er hierdurch einen stattlichen Sieg wider den Mele- ander erlangt. Weil diser junger wackerer vnd im rathgeben ver- ständiger Mensch mit seiner hohen Natur deß Königes Theil nicht wenig geholffen/ vnd die Auffwiegler durch seinen Todt/ oder zum wenigsten durch sein Abwesen/ böses zuverüben bessern fug be- kommen. Die Meinung welche man seines Todtes [184] halben hatte/ werete nicht lang; sondern/ es sey nur auß blossem Verdacht/ oder von denen die hierumb gewußt/ hergerührt/ so ward nur vnver- holen gesagt/ daß jhn Arsidas in einem Schiff geflüchtet hette. Vnd dieses war deß Lycogenes erste Lästerung wider den König; in dem er Leute bestellte/ welche bey dem Volck ein Geschrey außbringen solten/ Meleandern were weniger zu trawen als einem Könige zu- stünde. Dann Poliarchus hette auff seinen Befehl die Gesandten vmbgebracht/ jhm dem Beklagten heimlich Fürschub gethan; wel- cher nun sicher in Italien lebte/ vnd vielleicht bereitet were derglei- chen Verbrechen mehr zuverüben. Solches sagte Lycogenes mit ge- nugsamer Sittsamkeit/ vnd nur bey denen welche dem Meleander feind waren: aber die andern seine Creaturen schmäheten den Kö- nig vngeschewet. Dann sie suchten alle gelegenheit zu newem Auff- stande: es waren auch etliche/ welche dem Meleander den Vrsprung solcher Empörung zumessen dörfften. Aber er nam sich mit fleiß der Gestalt seiner alten Lindigkeit an/ auff daß der Schein der vn- achtsamkeit/ welcher jhm zuvorhin geschadt/ an jetzo seine Feinde

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betriegen möchte. So ward auch seine Hertzhafftigkeit/ vber der Boßheit deß Lycogenes/ vnd die Gefahr deß allgemeinen Wesens/ durch die mannliche Beständigkeit der Argenis nicht wenig ent- zündet: bey welcher er sich beklagte/ daß sie die Opfferung verlas- sen/ vnd durch gegebenen Argwohn den Lycogenes zu newer Auff- ruhr geleitet; Wann [185] hierinnen/ gab sie zur Antwort/ etwas gesündiget ist worden/ so habt jhr euch vber die Götter allein zube- klagen. Diesen jhren gewaltigen Antrieb/ Herr/ habe ich weder außschlagen noch verbergen können. Im vbrigen so verwundern sich jhrer mehr daß jhr den Frieden eingegangen seid/ als daß ich vnd die Götter vns davon entäussert haben. Verzeihet meiner Frey- heit zu reden/ welche ewre Gütigkeit mir gibet: vielleicht were es besser mit ritterlichen Thaten ein mal sterben/ als so vielen Schimpff erdulden/ vnd nur auß Vergunst eines andern regieren. Der König ward vber dem mehr als weiblichen grossen Gemüte beweget/ vnd entschloß sich hierüber den längst bey sich fürgesetzten Rath seines Ernstes für die Handt zu nehmen. Derentwegen befandt er für nötig/ sein Hofflager zu Epeircte zuhalten/ welche zum Kriege vnd zur Flucht wol gelegen war/ vnd darein er schon vorlängst/ vnter dem Schein anderer Notwendigkeit/ alles das was zu gesagten bey- den Sachen gehörig/ verschaffet hatte. Epeircte ist ein Berg an den Palermischen Grentzen/ etliche Meil wegs im Vmkreiß: dessen Fuß mit scharffen vnd abgehawenen Felsen erhaben ist: Nachmals wann der Berg mit den vnwegsamen Klippen etwas höher worden/ seyn die seiten gemach vnd gemach flächer/ biß man auff die Spitze kompt/ welche ein zimbliche breitte/ vnd zugleich einen bequemen Hügel hat/ der scheinet als sey er von der Natur ein Schloß darauff zu bawen gemacht worden. Diese Höhe hatten die [186] Könige be- festiget: der vbrige Platz wardt von einer schönen Statt/ vnd an- deren lustigen Gebäwen eingenommen. Auff der seiten des Berges gegen der See zu/ war ein Port jnner den Felsen/ darein aller Art Schiffe einlauffen möchten; weit im Eingange/ tieff vnd wegen vmb- ringung deß Gebirges vor Vngewitter gantz befreyet. Diesem Ha- fen lag die Stadt dermassen wol gegen vber/ daß weder den Schiffen ohne der Innwohner Willen an zu lencken/ noch denen so auff den engen Weg/ der vom Meer auff die Höhe deß Berges gieng/ steigen + +
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wolten/ fort zukommen möglich war. Die andere seite deß Berges belangendt/ so gegen der Insel zu von der See nicht vmbringet wirdt/ kan man nur auff zweyen Wegen/ welche gleichsfals sehr vbel zu gehen sindt/ hienauff gelangen. Es kömpt auch denen zu Epeircte sehr zustatten/ daß allenthalben wo es vngebawet ist fruchtbare vnd feiste Weide für das Vieh wächset. Vber diß machen die Menge der Brunnen vnd der gesunde Lufft in welchem keine gifftige Thiere leben können/ daß dieser Ort für eine sonderliche Wolthat der Göt- ter mag gehalten werden. Auff dem Eingange der Strassen welche von dem Hafen gieng war der Ceres Bildnüß mit jhrem Krantze von Aehren/ vnd dem Wagen sampt den geflügelten Schlangen/ welche die hinauff steigenden zur Andacht leitete/ damit sie die Göttinn vn- geehret/ vnd den Felsen vnbegrüsset nicht liessen.

[187] Meleander hatte längst zuvor im Gebrauch sich daselbst zu- erlustigen/ gleichsam als ob er solches wegen Anmutigkeit deß Orts/ vnd auß Liebe zu der Jagt/ welche er in der Nachbarschafft haben kundte/ zuthun pflegte. Die Statt war mit seinen trewesten Soldaten besetzet. Vber diß/ wann ja das Glück zu rück schlüge/ daß die Ge- legenheit zu fliehen doch nicht abgeschnitten wurde/ so ließ man vnter allerhandt scheine die Königlichen Galeren in den Port setzen. Man ersahe auch Gelegenheit allen Schatz/ den voriger Zeit Könige gesamblet/ auff die Burgk zu bringen. Es fandt sich eine grosse menge Perlen/ vnd mancherley Corallenäste/ welche sie auß der benachbarten See geholet: item sehr viel Purpur auß frembden Ländern/ der von langen Zeiten her der Gütigkeit halben den le- bendigen Glantz seiner Farben behalten: gülden vnd silbern Ge- schirr/ von denen kaum etzliche newlich mit sonderer Kunst auß- gearbeitet/ die meisten aber/ so schlecht vnd rawe/ wegen Ehrerbie- tung gegen vergangenen Zeiten sonderlich auffgehaben waren. Deß geprägten Geldes war nicht vbrig viel; weil die Kammer durch Frey- gebigkeit deß Königes/ welche er erst nun auß Betrachtung künffti- ger Dinge abstellete/ erschöpffet worden.

Der König eröffnete seinen Fürsatz niemanden als der Argenis: daß er nämblich gesonnen were/ die Ehr seines Königreichs zu rechen; vnd den Lycogenes sampt seinem fürnämsten Anhang/ wann er sie vnter [188] dem Scheine allerhand Angelegenheiten nach Hofe bringen köndte (dann sie hatten sich schon an vnter- schiedene Oerter begeben) für Gerichte/ vnd zur Straffe zuziehen. Epeircte sey hierzu am bequemesten; als darauß man das vmbliegen

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de Land bezwingen/ vnd das Meer in Gehorsam halten könne. Es kan wol kommen/ sagte er/ daß solcher Ernst den andern/ welche auß mißbrauchung meiner Güte sündigen/ jren Muth brechen möchte. Im fall sich aber der Krieg hefftiger entzünden/ vnd der außgang dem Rahtschlage nicht zusagen wirdt/ so wil ich das vn- danckbare Land verlassen/ vnd mit euch sampt dem Schatze auff Africa zu segeln/ da ich Leute genugsam weiß/ die mich Flüch- tigen werden auff- vnd annemmen. Vnd auff solche weiß werden wir das Glück besänfftigen/ ich wegen meines hohen Alters vnd jhr wegen der Blume ewrer Jugend/ welche solche Widerwärtigkeit noch nicht verdienet hat. Wo selbiger vbeler Zustandt sich bege- ben wirdt/ wil ich bloß den Eurimedes zu Epeircte lassen; die er mit den besten Soldaten auff das eusserste beschützen mag. Auff solche weiß/ meine Tochter/ werden wir an Sicilien/ welches voll schwerer Verbitterung vnter den Auffrührern seyn wird/ wol gerochen wer- den/ vnd der gemeine Pöfel wirdt nach ablegung deß Irrthumbs mit trawrigen Gedancken erwegen/ wer diese seynd/ vnd wer wir ge- wesen. Dann sie werden sich wegen Außtheilung deß Lohnes für jhre Vbelthat in ewigkeit nicht vergleichen/ vnd nicht alle auff des Lycoge-[189]nes seiten verbleiben: dann jhrer viel begehren zwar meiner Gefahr/ aber nicht meines Vntergangs. So daß bey solcher Trennung das eine Theil alle zeit auff vns wirdt sehen: Vnd möch- ten wir wol vnsere Zurückkunfft nachmals eben denen zu dancken haben/ deren Vntrew vns flüchtig zu werden verursacht hette. In dessen/ Argenis/ begebt jhr euch in diese Festung: dann ich befahre mich/ daß wir nicht eher als wir meinen vns zubeschützen/ oder den Feind anzugreiffen/ möchten gezwungen werden. Dieses seidt beynebenst erinnert/ daß jhr mit vielem Frawen Zimmer/ derer Trew jhr nicht vorsichert seidt/ Gemeinschafft nicht machet. Es ist genug/ meine Tochter/ daß die Männer vns betriegen.

Argenis wundtschte dem Vatter zu solchem großmütigen Rhat- schlage Glück/ vnd vermahnete mit newem Kriege sein Heil zu versuchen. Vber dis/ sagte sie/ daß sie sich allezeit bißher für Wei- bern/ vmb die sie nicht gewust/ fürgesehen hette. Als sie aber von einander kommen/ gedachte sie hefftig nach/ für welchem Weibe sie der König doch gewarnet habe/ vnd welche vmb sie were die jhm nicht gefiele. Alß baldt darauff gieng sie zu der Selenisse/ vnd fragte hierumb; vnwissendt/ daß sie die jenige were/ durch welche die Timoclee mit heimlichem Betruge dem Könige verdächtig ge

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macht worden. Damals gab die listige Alte/ wiewol sie sich frewete daß jhre Anschläge von statten giengen/ dannoch für/ als ob sie es Wunder nehme/ wie der Meleander auff sol-[190]chen Argwohn gerahten. Die Vrsach aber/ warumb sie der Timocleen tückischer weise nachgestellet/ war diese: Sie war jnnen worden/ daß Argenis auff Timocleen/ wegen der Wolthat die sie dem Poliarchus erwie- sen/ sonderbare Gnade geworffen/ vnd stundt in forchten/ daß nicht diese Fraw/ wegen der Newigkeit der Freundschafft/ welche allzeit eine sonderliche Annehmligkeit in sich hat/ jhrer alten Vertrew- ligkeit möchte vorgezogen werden. Als sie derentwegen im Neydt er- soffen/ legte sie sich auff Verleumbdung vnd Feindschafft/ wie bey Höfen bräuchlich ist. Doch sagte sie offentlich wider die Timoclee nichts: dann sie hette mit jhrer List vnd Sache wenig gerichtet/ im Fall Argenis hinder den Betrug gerahten were. Vber diß wußte sie auch/ daß sie dem Weibe mehr Schaden zufügen kundte/ wann sie jhre Feindschafft in geheim hielte. Derentwegen wußte sie viel ein- zuwenden/ warumb Argenis die Gutthaten gegen jhr entweder vn- derlassen/ oder ja verschieben solte. Wöllet jhr/ sagte sie/ daß Timoclee wisse/ solche Wolthat widerfahre jhr/ weil sie den Poliar- chus verborgen habe? Wöllet jhr/ daß die Vnterpfande der heim- lichen Trew zwischen jhm vnd euch sollen offenbahr werden? Ihr könnet warlich viel sicherer gehen/ wann jhr sie gleichsamb auß eigener Bewegnüß in acht nemmet; damit sie glaube/ solche Gnade sey mehr ein Geschenck/ als eine Vergeltung. Sie mag aber in jhrem Hauß verblei-[191]ben. Es würde ohne Argwohn nicht ablauffen/ wann jhr sie in das Frawenzimmer nemmet. Dann gesetzt (welches die Götter auch fügen wöllen) daß es niemals außkommen werde/ daß Poliarchus von jhr sey erhalten worden: was wirdt jhm aber der fromme Archombrotus gedencken? Dieser weiß/ wie wol sie sich vmb jhn verdienet habe; vnd solte es nicht mercken/ wann jhr jhre Trew so geschwinde belohnet?

Mit diesen vnd dergleichen Außflüchten sorgte Selenisse nicht so sehr für die Argenis als für sich selber/ in meinung es were vmb die hohe Gnade darinnen sie war geschehen/ wann neben jhr noch ein andere were welcher alles vertrawet würde. Sie wußte aber jhre Falschheit so artig vnd mit solchen Vmbschweiffen zu treiben/ daß + +

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es schiene/ als ob sie einig vnd allein der Argenis Sorg trüge. Wel- ches dann ein stehtiges vnd hochschädliches Vbel der Fürsten ist/ bey denen/ die so in Gnaden sindt ihren Neyd/ vnter dem Schein zu helffen oder zu warnen/ sättigen/ vnd offtermahls jhre Widersacher loben/ damit man jhnen hernach destoleichter glaube/ wann sie dieselben vbel angiessen. Derentwegen hatte auch Selenisse in ge- heym allerley Verdacht die Timocleen betreffendt außgesprenget/ welche dem Könige zu Ohren kommen: daß sie nämlich für diesem dem Lycogenes beygepflichtet/ vnd jhr auch noch jetzundt nicht zu trawen were; vnnd dannoch von der Argenis vnbehütsamb geliebet wür-[192]de. Hergegen sagte sie bey der Argenis alles gutes von die- ser Matron/ lobte sie/ vnd stalte beynebenst die Gefahr für Augen/ welcher man sich zubefürchten hette/ wann sie dieselbte höher erhübe. Weil sie auch zum theil war redete/ brachte sie es darzu/ daß Timoclee von der Argenis wenig besser gehalten wardt/ außge- nommen daß sie zuweilen/ wann sie jhrem Gebrauch nach sie zu besuchen kam/ etwas freundlicher mit jhr vmbgieng/ vnd sie/ durch allzeit bequem gesuchte Gelegenheit zur Freygebigkeit/ bey jhrem Abschiede mit etwas beschenckete.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),