Der König kömpt in Gefahr deß Lebens. Archombrotus rettet jhn. Eristenes ersticht deß Königes
Kutscher. Der Argwohn den man auff jhne geworffen.
Das II. Capitel.
DIeser Tagen begab sich Argenis jres Vattern Befehl nach mit dem
Iburranes/ der damals etzlicher Geschäffte halben bey Hofe war/
nach Epeircte. Vnd als Meleander kurtz hernach auch dahin ver- reisete/ kam er
vnterwegs in grosse Lebensgefahr/ entweder auß Boßheit der seinigen/ oder auß
Göttlicher Vorsehung/ welche dem Archombrotus hierdurch Mittel vnd Wege zu der [193] Gunst vnd Gnade machen wolte. Es hatte ein See welches
im Vmbkreiß nicht weiter als ein vierthel Wegs war/ zwar stille vnd seichte
am Vfer/ hernach aber sehr tieff vnd sumpfficht am Boden. Gegen demselben
wandte sich deß Königs Kutscher/ gleichsamb als wolte er besser im
Schatten fahren. Weil viel Wägen daselbst gegangen/ vnd ein
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richtiges Gleiß gemacht hatten/ meineten sie/ man hette sich
nichts zu förchten. Aber deß Königs Pferde/ entweder daß sie von sich
selber schew/ oder von den Mücken gestochen/ oder durch Verräthe- rey
deß Knechts angereitzet worden/ lehneten sich empor/ vnd rannten mit
vollem Lauff auff die See hinein. Alle die den König begleiteten erhuben zwar
ein forchtsames Geschrey/ aber wenig lieffen zu hülffe; ob sie vielleicht
jhrer mehr als sich damals ge- bührete schoneten/ oder wegen grossen
Schreckens vber solchem vnversehenen Vnglück verstarreten/ vnd jhrer Kräfften
nicht mächtig waren. Von denen die dem Wagen/ der eine vnwegsame
Strasse vnterhin schosse/ trewlich nachlieffen/ eylete niemandt mehr als
Archombrotus. Bald schrie er auff den Kutscher/ daß er die Roß
besser anhielte/ bald warnete er den König/ daß er in das Wasser springen
solte/ welches noch keines Manns tieff were. Vnter dessen rannte der
Wagen fort/ vnd das Wasser bedeckte allbereit die fördern Räder. Da
vnterstundt sich Archombrotus einer mann- lichen That/ vnd weil sein Pferd von
wegen verhinderung der Flut auffgehalten ward/ so [194]
sprang er hienein/ eilete auff den Wagen zu/ vnd erwüschte den
Meleander zu seinem Glück eben damals/ als Wagen vnd
Pferd von einer tieffe der See zugleich verschlungen worden. Die schwere deß
Königs/ welcher auß dem Wagen auff den Archombrotus gefallen war/ hatte jhn vbel getroffen: so war
auch der feiste Schlam sehr schlüffrig/ vnd die Macht deß reissen- den
Wassers reichete jhm biß an die Achseln. Der König hatte nicht weniger
zu schaffen/ damit er möchte stehen bleiben. Also hieng einer an dem andern
wie zwene Ringer; in dem sie das Wasser bald vmbgerissen hette/ wann die
geschwindesten von jhren Freunden nicht weren zur Rettung kommen.
Als Meleander an das Vfer gelanget/ stalte er vnd jederman jhm die schreckliche Gefahr erst recht für Augen. Dieses vermehrete
aber jhre Entsetzung sonderlich daß er als der nicht schwimmen kundte
ohn allen Zweifel ersauffen müssen/ wann nicht Archom- brotus/ hindan gesetzt
sein Leben/ die Gefahr auff sich gewendet hette; vnd als man erfuhr/ daß er
gleichfals keinen Schwimmer gebe/ fiengen sie an sich noch hefftiger
zu verwundern/ daß er zu rettung des Königes sich so geringe gehalten; ein
junger Mensch/ ein Frembder/ vnd der weder durch Gutthat noch Vnterthänigkeit
hierzu verbunden gewesen: da so viel andere Angesessene vnd ver-
pflichtete Leute solchen Spott auff sich ersitzen/ vnd den König in
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Gefahr gelassen. Der König wardt durch solche Wolthat/ wie
es auch seyn solte/ hertzlich bewe-[195]
get/
vmbpfieng jhn/ der vber dem Lobe das jhm gegeben wardt erröthete: vnd wie er
wegen sei- ner herrlichen Natur anlas bekommen jhn vorhin schon zu lieben/
also war er jetzundt fro/ daß er durch diesen Fall fug ersahe/ jhn
ohn allen Neidt in grössere Gnade zu nehmen/ vnd mit mehrer Ver-
trewligkeit zu vnterhalten. Indessen war des Königes Kutscher den Wellen
entronnen/ vnd stieg mit einem scheutzlichen Gesichte an den Randt. Eristenes
aber/ nach dem er lange jhn mit harten Wort- ten angegriffen/ zohe
seinen Degen auß/ vnd sties jhn/ des Königes Gefahr zu rechen/ ehe sich
dessen jemandt versehen/ darnieder. Er fiel stracks in das Wasser/ mit
sonderlichem frolocken aller Ju- gendt/ so daselbst zu gegen war. Von
Verständigern aber wardt es nicht für gut gesprochen. Dann im fall die Schuld
deß Kutschers nicht gewesen/ was hat man jhn so jämmerlich dörffen
hinrich- ten? Hat er es aber verdient/ warumb ist er nicht befraget/ nicht zu
eröffnung derer auff welcher Anschlag er solches gethan gezwun- gen/ vnd
mit einem viel zu leichten Tode der gebürlichen Straffe ent- riessen worden?
Ob dann niemandt sey der den König so sehr lie- bete als Eristenes/
welcher sich einer dermassen geschwinder Ra- che vnterfangen? Darüber
gerhieten jhrer viel in Gedancken/ der Kutscher hette von des Lycogenes Leuten sich bestechen lassen/ vnd den König auff
diese weise vmbringen wollen: weil aber die böse That aus sonderlicher
Schickung nachblieben were/ hette
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jhn deß Lycogenes Freund Eristenes erstochen. Aber die Ge- walt deß
Eristenes vnd die Zeit so zur Rache noch nicht reiff war/ zwangen Meleandern sich eines so freyen vnd gütigen Gesichts an-
zunemmen/ daß es auch Eristenes nicht gewar worden/ daß er in Verdacht
gerahten.
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),