66. Sz 55 1624 Buch von der Deutschen Poeterey
Erstdruck A: In einem zusammengesetzten Rahmen von ± 169 × 119 mm Außen- und 145 × 100 mm Innenmaß: MARTINI | OPITII | Buch von der Deutschen | Poeterey. | In welchem alle jhre eigen- | schafft vnd zuegehör gründt- | lich erzehlet/ vnd mit exem- | peln außgeführet wird. | [rechteckige Verzierung 11 × 22 mm] | Gedruckt in der Fürstlichen | Stadt Brieg/ bey Augustino | Gründern. | In Verlegung David Müllers Buch- | händlers in Breß- law. 1624.
4°: A–I, K2, L2. Benutzte Exemplare: Breslau 4 V 645; Gö 8 Poet. Germ. I,5; U. B. Kiel; Wolfenbüttel; Yale University, F. du F. 203 (Mikrof.) und Exemplar im Besitz des Hrsg.
Der Rahmen des Titelblattes wurde aus auch sonst häufig ver- wendetem ornamentalen Kleinmaterial aus Typenguß herge
Die Kustoden nehmen (wie in andern Drucken dieser Zeit) häu- fig nur einen Teil des Anschlußwortes voraus. Unregelmäßig sind folgende Kustoden: [F2b] werd. [F3a] werde. [F4a] mag/ [F4b] mag. Die Kustoden fehlen auf Bl. [I2b] und [K2b]. Kolumnen- titel und Pagination sind nicht vorhanden. Peinlich wirkt es, daß ein Teil der Überschrift (nämlich Das V. Capitel.) des auf [C4a] beginnenden neuen Abschnittes noch als letzte Zeile von Bl. [C3b] erscheint. Einen ähnlich ungeschickten Eindruck macht die An- gabe Das VIII. Capitel. | Beschluß dieses buches. am Fuße von [I4a], worauf der Text des neuen Abschnittes auf [I4b] anfängt.
Der Druck ist keineswegs sorgfältig. Für mangelhafte oder gänzlich fehlende eigene Korrekturlesung macht Opitz [L1a] seine Abwesenheit verantwortlich. Für die knappe Errataliste wurde ein Halbbogen verwendet, dessen übriger Platz mit Ver- legenheitsmaterial in großer Schrift (Fibel- oder Donatschrift) ausgefüllt wurde. Die Größe des Druckspiegels (ohne die Signatur- zeile) schwankt in der Höhe zwischen 15,1 bis 16 cm bei konstan- ter Breite von 10,2 cm. Die Normalseite enthält im Widmungsteil 28 Zeilen (aus der Tertiafraktur), im Hauptteil 32 Zeilen (Mittel- fraktur) und im Nachwort 20 Zeilen. Tertiafraktur und die ent- sprechende Antiquagröße werden im Hauptteil als Zitiertype und für die Anfangszeile jedes Kapitels benutzt; Donatschrift und Tertiafraktur finden auch als Kapitelüberschriften Verwendung.
Laut Angabe auf [J4b] ist die Poeterey in fünf Tagen vollendet worden; das wäre nicht möglich gewesen, wenn Opitz nicht mit bereits vorhandenen Notizen und Exzerpten gearbeitet hätte. Auf Bl. [A2] spricht er von der »enge der zeit« und »sonsten allerley vngelegenheiten«, die ihn verhindert hätten, »weitleufftiger vnd eigentlicher zue schreiben.« Das Manuskript wird gegen Ende September 1624 fertig geworden sein: die hier wiederholte Ode zur Hochzeit Nüßler–Gierlach deutet auf dies Datum, und Witk. Arist. 37, Anm. 5, gibt weitere Anhaltspunkte aus dem Alexan- drinergedicht ›An Nüßlern‹, Nr. 72.56; siehe auch die Einleitung zu Nr. 63. Zuerst erwähnt wird das »unbedeutende Büchlein« von der deutschen Poeterei im Breslauer Brief vom 5. Okt. 1624 an Buchner; es ist der Brief, worin Opitz sich der Straßburger Samm- lung gegenüber distanziert: »Nullum libellum de re poetica Ger- manorum, quo de accentuum nostrorum, syllabarum et carminum ratione disserui, typographis transmisi« (Geiger, Mitth. 32). Der Druck hat sich dann ziemlich lange hingezogen, wozu die in [L1a] erwähnte Abwesenheit des Autors, die Entfernung zwischen Au- tor und Drucker, Differenzen zwischen Verleger und Drucker über den Umfang etc. mit beigetragen haben dürften. Am 6. Nov. schrieb Opitz aus Liegnitz an Zincgref, das Werk sei unter der Presse und werde in den nächsten Tagen erscheinen (Rei 151,16); aber noch am 28. Dez. macht er dieselbe Mitteilung aus Bunzlau an Lingelsheim (Rei 156,30). Er verspricht, beiden Freunden ein Exemplar zu schicken, aber erst am 16. Feb. 1625 sendet er eins an Buchner (Geiger, »Ungedr. Briefe« 340). Etwa neun Monate später (Straßburg den 12. Nov. 1625, Rei 182,44) berichtet Bernegger, er habe vor kurzem die Trojanerinnen wie auch die Poeterey durch Vermittlung des Buchhändlers (Zetzner) erhalten. Im Frankfurter Meßkatalog wird das Werk im Frühjahr 1625 als verkaufsbereit angezeigt; auf demselben Blatt, E1, stehen Opitz’ Achtbücher [!] Teutscher Poematum und die Trojanerinnen sowie Barths Teutscher Phoenix.
Während für die Veröffentlichung von Gelegenheitsschriften und kleineren literarischen Erzeugnissen (z. B. Aristarchus) die
Der Hauptanlaß für die Ausarbeitung der Poeterey war Opitz’ Befürchtung, daß sein dichterischer Ruf unter der Veröffentli- chung der Straßburger Sammlung mit ihren »vielfältigen män- gel[n] vnd irrungen« (Poeterey D3a) leiden würde. Ferner wollte Opitz aber, wie es eine Anzahl von Dichtern und Theoretikern in andern Sprachen getan hatten, seine Theorien darbieten, damit andere die deutsche Dichtung in der neuen Art und Weise weiter- führen könnten. »Juventuti consulere animus fuit et ostendere, quam levi opera linguae nostrae decus instaurari possit,« schreibt er in dem schon erwähnten Brief vom 16. Feb. 1625 an Buchner. Daß Opitz in dieser Hinsicht erfolgreich war, ist durch die vielen Nachahmungen der in der Poeterey gebrachten Mustergedichte, durch Anklang an Opitzische Formulierungen in den zahlreichen späteren Poetiken, und nicht zuletzt durch die vielen Neuauflagen der Buches von der Deutschen Poeterey hinlänglich erwiesen. Merk- würdigerweise kümmerte Opitz sich in keiner Weise um diese Drucke, änderte nichts, fügte nichts hinzu. Für die Gründe dieser Vernachlässigung eines seiner einflußreichsten Werke sind wir auf Vermutungen angewiesen. In der Korrespondenz wird die Poeterey nach 1625 nicht mehr erwähnt.
Unter Anschluß an die Siglen in Witk. Arist. 77–80 seien die Neuauflagen sowie die kritischen Ausgaben in chronologischer Folge angeführt. Der Titel der Drucke B bis N beginnt mit den wahrscheinlich nicht von Opitz stammenden Worten Prosodia Germanica (B nennt erst den Namen des Autors mit Adelsprädi- kat), worauf leicht variierte Formulierungen der deutschen Komponente des Titels folgen; Einzelheiten bei Witk. Arist. 77–80; die Formate sind: B bis H, K sowie N bis S 8°; I, L und M 12°, bei T ist Formatangabe bedeutungslos; siehe auch die Ein
Erwähnt sei noch die Exzerptausgabe Compendium ex Martini Opitii Prosodia ... in usum olim privatum excerptum a B. A. C. p[iae]. m[emoriae]. Joh. Haken, Wittenberg 1646, 8°, 7 Bl. (Alewyn in Ausgabe S, S. viii).
Von den älteren Arbeiten über die Poeterey sind mit gewissen Einschränkungen immer noch wichtig: Joh. Heydtmann, Über Enoch Hanmanns Anmerkungen zu M. O.ens Buch ..., Diss., Rostock 1882; Otto Fritsch, M. O.ens Buch ..., Diss., Halle 1884; ders., »Zu Opitzens Deutscher Poeterey«, PBB X (1885), 591–98; Karl Borinski, Die Poetik d. Renaissance u. die Anfänge d. lit. Kritik in Deutschl., Berlin 1886, bes. S. 56–114; Christian W. Berghoeffer, M. O.’ Buch ..., Diss., Göttingen 1888; die schon oben als R erwähnte Ausgabe Witkowskis, Leipzig 1888; G. Wen- deroth, »Die poet. Theorien d. frz. Plejade in M. O.’ dt. Poeterei«, Euphorion XIII (1906), 445–68; K. Burdach, »Zur Geschichte d. nhd. Schriftsprache«, in dess. Vorspiel, Bd. I, Teil 2, Halle 1925, S. 34–69; A. Heusler, Dt. Versgeschichte, Bd. III, Berlin 1929 (Re- print 1956), bes. § 935 u. § 969–85; Bruno Markwardt, Geschichte d. dt. Poetik, Bd. I, Berlin, bes. S. 29–46 u. 361–66. Siehe ferner Rudolf Drux, M. O. u. s. poet. Regelsystem, Bonn 1976, passim, und R. D. Hacken, The Relig. Thought of M. O., Stuttgart 1976, S. 19–32.
Ronsard wird zitiert nach Œuvres complètes, hg. von Paul Laumonier in der Serie Soc. des textes français modernes, Paris, Hachette 1914ff. (= L). S bezeichnet die Ausgabe Les Œuvres de Ronsard, Texte de 1587, hg. von Isidore Silver, Chicago, University of Chicago Press, 1966–70.
[A1a]Titel; siehe
Einleitung.
[A1b]
Horatius ad Pisones:
Descriptas servare vices operumque coloresTitel; siehe Einleitung.
Cur ego si nequeo ignoroque poeta salutor?
Cur nescire pudens prave quam discere malo?

Denen Ehrenvesten/ Wolweisen/ Wolbenambten vnd | Wolgelehrten HErren Bürgermeistern | vnd Rathsverwandten der Stadt Buntz- | law/ seinen günstigen Herren vnd | beförderern.
EHrenveste/ Wolweise/ Wolbenambte vnd Wolgelehrte insonders günstige HErren/
Was bißanhero von einem vnnd dem andern/ auch vornemen
Leuten/ zum offteren an mich ist begehret worden/ das ich nem- lich von vnserer Deutschen Poeterey/ derselben art vnd
zuegehör/ etwas richtiges auffsetzen möchte/ habe ich vorwichene
tage zue wercke gebracht.
Zwar erstlich/ solchem ehrlichen begehren wie billich zue
verhengen: nachmals aber/ die jenigen vor derer augen diese vorneme
wissenschafft ein grewel ist zue wiederlegen/ vnd die/ so
sie als ein leichte ding vor handen zue nemen vnbedacht sich
vnterstehen/ ab zue halten/ die gelehrten aber vnd von natur hier-
zue geartete gemüter auff zue wecken/ mir/ der ich dißfals bey
weitem nicht genung bin/ die hand zue bitten/ vnd den weg so ich
allbereit vmb etwas eröffnet vollendts zu bähnen. Weitleufftiger
vnd eigentlicher zue schrei- [A2b] ben hat mich nicht allein
die enge der zeit/ sondern auch sonsten allerley vngelegenheit ver-
hindert/ die mir von denen zuegefüget wird/ welche/ wann es bey
jhnen stünde/ wünschen wolten/ das auch das gedächtniß der
Poeterey vnnd aller gutten Künste vertilget vnd außgerottet würde.
Ob mich nun wol dergleichen vnbilliche Wiederwertigkeit/
die ich ohne meinen verdienst tragen muß/ offtermals kaum nicht
zwinget wie Nero zue sagen; Vellem nescire literas
: jedoch habe
+
+
+




E. E. W.
Dienstwilligster
Martin Opitz.
+AD DN. MARTINUM OPITIUM
Poesin Germanicam aedentem, Parodia ex Carm. II. Lib. II.
Horat.
Nullus argento color est, &c.
INgenI nullus decor est, ineptisIllitae chartis inimice venae
Martie Opiti, nisi patriae aptos
Vernet in usus.
5 Vivet extento venerandus aevo
Heinsius

Illum aget prora metuente sisti
Gloria ad Indos.
Altius scandes patria canendo
10 Barbyto, quam si Latium peritae
Atticae jungas Syriaeque Peithus
Noveris artem.
Carminis multos cacoethes urit
Nec scit expelli, nisi mille vulgo
15 Finxerit versus peregrina jactans
Gutture verba.
Conditam Almanis numeris poesin
Exterae distans solio polorum
Inseret Phoebus populumque vernis
Instruet uti
Vocibus, laudem et sine nube nomen
Deferens illi viridemque laurum,
Teutonae ingenteis repolit loquelae
Quisquis acervos.
Augustinus Iskra Siles:


MARTINI OPITII Buch von der Deutschen
Poeterey.
Das I. Capitel. Vorrede.
WIewol ich mir von der Deutschen Poeterey/ auff
ersuchung vor- nemer Leute/ vnd dann zue beßerer fortpflantzung
vnserer spra- chen/ etwas auff zue setzen vorgenommen; bin ich doch
solcher gedancken keines weges/ das ich vermeine/ man könne
iemanden durch gewisse regeln vnd gesetze zu einem Poeten machen.
Es ist auch die Poeterey eher getrieben worden/ als man je
von derselben art/ ampte vnd zuegehör/ geschrieben: vnd haben die
Gelehrten/ was sie in den Poeten (welcher schrifften auß einem
Göttlichen antriebe vnd von natur herkommen/ wie Plato hin vnd wieder hiervon redet) auffgemercket/ nachmals durch richtige
verfassun- gen zuesammen geschlossen/ vnd aus vieler
tugenden eine kunst gemacht. Bey den Griechen hat es Aristoteles vornemlich gethan; bey den Lateinern
Horatius; vnd zue vnserer Voreltern zeiten
Vida
vnnd Scaliger so außführlich/ das weiter etwas darbey zu
thun vergebens ist. Derentwegen ich nur etwas/ so ich in gemeine
von aller Poeterey zue erinnern von nöthen zue sein
erachte/ hier- vor setzen wil/ nachmals das was vnsere deutsche
Sprache vornem- lich angehet/ etwas vmbstendtlicher für augen
stellen.
Das II. Capitel Worzue die Poeterey/ vnd wann sie erfunden worden.
DIe Poeterey ist anfanges nichts anders gewesen als eine
ver- borgene Theologie/ vnd vnterricht von Göttlichen sachen. Dann
weil die erste vnd rawe [B1b] Welt gröber vnd vngeschlachter war/ als
das sie hette die lehren von weißheit vnd himmlischen dingen recht
fassen vnd verstehen können/ so haben weise Männer/ was sie zue
erbawung der Gottesfurcht/ gutter Sitten vnd wandels er- funden/ in
reime vnd fabeln/ welche sonderlich der gemeine pöfel zue
hören geneigt ist/ verstecken vnd verbergen mussen. Denn das man
jederzeit bey allen Völckern vor gewiß geglaubet habe/ es sey ein
einiger vnd ewiger GOtt/ von dem alle dinge erschaffen worden vnd
erhalten werden/ haben andere/ die ich hier nicht mag außschreiben/
genungsam erwiesen. Weil aber GOtt ein vnbegreiff- liches
wesen vnnd vber menschliche vernunfft ist/ haben sie vor- gegeben/
die schönen Cörper vber vns/ Sonne/ Monde vnd Ster- nen/ item
allerley gutte Geister des Himmels wehren Gottes Söhne vnnd
Mitgesellen/ welche wir Menschen vieler grossen wolthaten halber
billich ehren solten. Solches inhalts werden vieleichte die Bücher des Zoroasters/ den Man für einen der eltesten Lehrer der
göttlichen vnd menschlichen wissenschafft helt/ gewesen sein/
welcher/ wie Hermippus bey dem Plinius im ersten Capitel des 30. Buches bezeuget/
zwantzig mal hundert tausendt Verß von der Philosophie hinterlassen
hat
. Item was Linus/ wie Diogenes
Laertius erwehnet/ von erschaffung der Welt/ dem lauffe der
Sonnen vnd des Mondens/ vnd von erzeugung der Früchte vorge-
geben hat. Dessen werckes anfang soll gewesen sein:
+ + +
Hier alle ding’ erschaffen worden sein.

Neben diesem haben Eumolpus/ Museus/ Orpheus/ Homerus/ Hesiodus
vnnd andere/ als die ersten Väter der Weißheit/ wie sie Plato nennt
/ vnd aller
gutten ordnung/ die bäw- [B2a] rischen vnd fast viehischen Menschen zue einem
höfflichern vnd bessern leben angewiesen. Dann inn dem sie so viel
herrliche Sprüche er- zehleten/ vnd die worte in gewisse reimen vnd
maß verbunden/ so das sie weder zue weit außschritten/ noch zue
wenig in sich hatten/ sondern wie eine gleiche Wage im reden
hielten/ vnd viel sachen vorbrachten/ welche einen schein
sonderlicher prophe- ceiungen vnd geheimnisse von sich gaben/
vermeineten die ein- fältigen leute/ es müste etwas göttliches in
jhnen stecken/ vnd liessen sich durch die anmutigkeit der schönen
getichte zue aller tugend vnnd guttem wandel anführen. Hat
also Strabo vrsache/ den Eratostehnes lügen zue heissen
/ welcher/ wie viel vn- wissende leute heutiges
tages auch thun/ gemeinet/ es begehre kein Poete durch
vnterrichtung/ sondern alle bloß durch ergetzung sich angeneme zue
machen. Hergegen/ spricht er Strabo im ersten
Buche
/ haben die alten gesagt/ die Poeterey sey die erste
Philosophie/ eine erzieherinn des lebens von jugend auff/ welche
die art der sitten/ der bewegungen des gemütes vnd alles thuns vnd
lassens lehre. Ja die vnsrigen (er verstehet die Stoischen) haben
darvor gehalten/ das ein weiser alleine ein Poete sey. Vnd
dieser vrsachen wegen werden in den Griechi- schen städten die
Knaben zueföderst in der Poesie
vnterwie-
+
+


Das III. Capitel. Von etlichen Sachen die den Poeten vorgeworffen werden; vnd derselben entschuldigung.
AVß oberzehlten sachen ist zue sehen/ wie gar vnverstendig die je- nigen handeln/ welche aus der Poeterey nicht weiß ich was für ein geringes wesen machen/ vnd wo nicht gar verwerffen/ doch nicht sonderlich achten; auch wol vorgeben/ man wisse einen Poeten in offentlichen ämptern wenig oder nichts zue gebrauchen; weil er sich in dieser angenemen thorheit vnd ruhigen wollust so ver- teuffe/ das er die andern künste vnd wissenschafften/ von welchen man rechten nutz vnd ehren schöpffen kan/ gemeiniglich hindan setze. Ja wenn sie einen gar verächtlich halten wollen/ so nennen sie jhn einen Poeten: wie dann Erasmo Roterodamo von groben leuten geschahe. Welcher aber zur antwort gab: Er schätzte sich + +






















10 Nulla valere diu nec vivere carmina possunt,
Quae scribuntur aquae potoribus.
Mecenas/ wilt du mir vnd dem Cratinus gleuben/
Der der da wasser trinckt kan kein guet carmen schreiben;
als Pindarus/ der stracks im anfange
seiner bücher saget: [C1a]
Ἄϱιστον μὲν ὕδωϱ, Das Wasser ist das
beste das man findt. Mit welchem es Alceus/ Aristophanes/ Alcman/ Ennius vnd andere nicht gehalten hetten; auch
Eschilus nicht/ dem Sophocles
vorgeworffen/ der wein hette seine Tragedien gemacht/ nicht er
. Vnd zum theile thut auch zue dem etwas nachleßigen
wandel man- cher Poeten nicht wenig die gemeinschafft
etlicher alten/ die jhre reine sprache mit garstigen epicurischen
schrifften
besudelt/ vnd sich an jhrer eigenen schande
erlustiget haben. Mit denen wir aber
+
+
+
+


Quand le pied me portoit où libre ie voulois!
Ah! que ie te regrette! helas, combien de fois
Ay-ie rompu le ioug, que maulgré moy ie porte!
5 Puis ie l’ay rattaché, estant nay de la sorte,
Quand ie suis amoureux i’ay l’esprit et la vois,
L’inuention meilleure et la Muse plus forte.
Il me faut donc aimer pour auoir bon esprit,
10 Afin de conceuoir des enfans par escrit,
Prolongeant ma memoire aux despens de ma vie.
+

Ie le croy: ie perdroy d’escrire toute enuie:
Le bon nom qui nous suit est nostre reconfort.
Du güldne Freyheit du/ mein wünschen vnd begehren/
Wie wol doch were mir/ im fall ich jederzeit
Mein selber möchte sein/ vnd were gantz befreyt
Der liebe die noch nie sich wollen von mir kehren/
5 Wiewol ich offte mich bedacht bin zue erweren.
Doch lieb’ ich gleichwol nicht/ so bin ich wie ein scheit/
Ein stock vnd rawes bley. die freye dienstbarkeit/
Die sichere gefahr/ das tröstliche beschweren
Ermuntert meinen geist/ das er sich höher schwingt
10 Als wo der pöfel kreucht/ vnd durch die wolcken dringt/
Geflügelt mitt vernunfft/ vnd mutigen gedancken/
Drumm geh’ es wie es wil/ vnd muß ich schon darvon/
So vberschreit’ ich doch des lebens enge schrancken:
Der name der mir folgt ist meiner sorgen lohn.

[C2a] Welchen namen wenn die Poeten nicht zue gewarten het- ten/ würden viel derselben durch die boßheit der Leute/ die sie mehr auß neide alß billicher vrsache verfolgen/ von jhrem löbli- chen vorsatze zuerücke gehalten vnd abgeschreckt werden. Es wird aber bey jhnen nicht stehen/ vnd ich bin der tröstlichen hoffnung/ es werde nicht alleine die Lateinische Poesie/ welcher seit der ver- triebenen langwierigen barbarey viel große männer auff geholffen/ vngeacht dieser trübseligen zeiten vnd höchster verachtung gelehr- ter Leute/ bey jhrem werth erhalten werden; sondern auch die Deutsche/ zue welcher ich nach meinem armen vermögen all- bereit die fahne auffgesteckt/ von stattlichen gemütern allso auß- gevbet werden/ das vnser Vaterland Franckreich vnd Italien wenig wird bevor dörffen geben.


Das IIII. Capitel. Von der Deutschen Poeterey.
VOn dieser Deutschen Poeterey nun zue reden/ sollen wir
nicht ver- meinen/ das vnser Land
vnter so einer rawen vnd vngeschlachten Lufft
liege/ das es nicht eben dergleichen zue der Poesie tüchtige
ingenia könne tragen/ als jergendt ein anderer ort
vnter der Sonnen. Wein vnnd früchte pfleget man zue Loben von dem
orte da sie herkommen sein; nicht die gemüter der Menschen. Der
weise Anacharsis ist in den Scitischen wüsten gebohren worden.
Die Vor- nemsten Griechen sind in Egypten/ Indien vnd
Franckreich ge- reiset/ die weißheit zue erlernen. Vnd/ vber diß
das wir so viel Vorneme Poeten/ so heutiges tages bey vns erzogen
worden/ vnter augen können stellen/ erwehnet Tacitus von den Deutschen in dem buche das er von
jhnen geschrieben/ das ob wol weder Mann noch Weib vnter
jhnen zue seiner zeit den freyen künsten ob zue liegen
pflegeten
/ faßeten sie
doch alles was sie im [C2b] gedächtniß be- halten wolten in gewisse reimen vnd
getichte
. Wie er denn in ei-
nem andern orte saget/ das sie viel von des Arminius seinen thaten zue singen
pflegeten
. Welches
sie vieleichte den Frantzosen nach- gethan haben/ bey denen/
wie Strabo im fünfften buche anzeiget
/
Dreyerley Leute waren/ die man in sonderlichen ehren hielt:
+


Laudibus in longum vates demittitis aevum,
Plurima securi fudistis carmina, Bardi.
Das ich der meinung bin/ die Deutschen haben eben dieses
im gebrauche gehabt/ bestetiget mich/ vber das was Tacitus meldet/ auch der alten Cimbrer oder Dänen ebenmäßiger gebrauch/ die von
jhren Helden schöne vnd geistreiche Lieder ertichtet haben/ deren
nicht wenig von alten jahren her in Dennemarck noch ver- handen
sind/ vnd von vielen gesungen werden. So ist
auch Hiar- nes
bey jhnen einig vnnd alleine deßentwegen zum Königreiche
kommen/ weil er dem vorigen Könige zue ehren ein solch
grab- getichte gemacht/ das vor allen andern den preiß
behalten.
[C3a] Vnd vber diß/ sind doch eines vngenannten Freyherrens + +

Das wir mit deiner suͤssen fuͤchte ein duͤrres hertze erlaben.
Vnkristenlichen dingen ist al al dui kristenheit so vol/
Swa kristentum ze siechhus lit da tut man jhm nicht wol.
5 Ihn duͤrstet sehre
Nach der lehre
Als er von Rome was gewon/
Der jhn da schancte
Vnd jhn da trancte
10 Als é da wurde er varende von.
Swas im da leides je gewar
Das kam von Symonis gar.
Vnd ist er da so fruͤndebar
Das er engetar



Kristentum vnd Kristenheit
Der disuͤ zwei zusamne saeit
Gelih lanc/ gelih breit/
Lieb vnd leit
20 Der wolte auch das wir truͤgen
In kriste Kristenliches leben
Sit er vns vf eine gegeben
So suln wir vns nicht scheiden/ &c.
Das nun von langer zeit her dergleichen zue vben in
vergessen gestellt ist worden/ ist leichtlicher zue beklagen/ als
die vrsache hiervon zue geben. Wiewol auch bey den
Italienern
erst Petrarcha
die Poeterey in seiner Muttersprache getrieben hat/ vnnd nicht sehr vnlengst Ronsardus; von deme gesaget wird/ das er/ damit
er sein Frantzösisches desto besser außwürgen köndte/ mit der
Griechen schrifften gantzer zwölff jahr sich vberworffen habe;
als
+
+
+
+
+
+
+
+
+

Das V. Capitel.
[C4a]Von der zuegehör der Deutschen Poesie/ vnd erstlich
von der invention oder erfindung/ vnd Disposition oder
abtheilung der dinge von denen wir schreiben wollen.
WEil die Poesie/ wie auch die Rednerkunst/ in dinge vnd
worte abgetheilet wird; als
wollen wir erstlich von erfindung vnd ein- theilung der
dinge
/
nachmals von der zuebereitung vnd ziehr der worte/ vnnd endtlich
vom maße der sylben/ Verse/ reimen/ vnnd vnterschiedener art
der carminum vnd getichte reden.
Die erfindung
der dinge ist nichts anders als eine sinnreiche
faßung aller sachen die wir vns einbilden können/ der Himlischen
vnd jrrdischen/ die Leben haben vnd nicht haben/ welche ein
Poete jhm zue beschreiben vnd herfür zue bringen vornimpt: dar- von in seiner Idea
Scaliger außfürlich berichtet. An dieser er-
findung henget
stracks die abtheilung/ welche bestehet in einer
füglichen vnd artigen ordnung der erfundenen sachen. Hier mußen
wir vns besinnen/ in was für einem genere carminis vnd art der getichte (weil ein jegliches seine
besondere zuegehör hat) wir zue schreiben willens
sein.
Ein Heroisch getichte (das gemeiniglich weitleufftig ist/ vnd von
hohem wesen redet) soll man stracks von seinem innhalte vnd der
Proposition anheben; wie Virgilius in den büchern vom Acker- bawe
thut:
Vertere, Maecenas, ulmisque adiungere vites
Conveniat, quae cura boum, qui cultus habendo
Sit pecori, atque apibus quanta experientia parcis,
Hinc canere incipiam.
Vnd ich (wiewol ich mich schäme/ das ich in
mangel ande- [C4b] rer deutschen exempel mich meiner eigenen gebrauchen
soll/ weil mir meine wenigkeit vnd vnvermögen wol bewust ist) in
dem ersten buche der noch vnaußgemachten Trostgetichte in
Wiederwertig- keit des Krieges:
Vnd das Gott nicht vmbsonst so hefftig angezündet
Den eifer seiner macht/ auch wo in solcher pein
Trost her zue holen ist/ soll mein getichte sein.
Nachmals haben die heiden jhre Götter
angeruffen/ das sie jhnen zue vollbringung des werckes beystehen
wollen: denen wir Christen nicht allein folgen/ sondern auch an
frömigkeit billich sollen vber- legen sein. Virgilius spricht
weiter an gedachtem orte:
Vos, o clarissima mundi Lumina, labentem coelo quae ducitis annum, Liber et alma Ceres &c.
Vnd ich:
Diß hab ich mir anjetzt zue schreiben fürgenommen.Ich bitte wollest mir geneigt zue hülffe kommen
15 Du höchster trost der welt/ du zueversicht in not/
Du Geist von GOtt gesandt/ ia selber wahrer GOtt.
Gieb meiner Zungen doch mit deiner glut zue brennen/
Regiere meine faust/ vnd laß mich glücklich rennen
Durch diese wüste bahn/ durch dieses newe feldt/
20 Darauff noch keiner hat für mir den fuß gestelt.

Wiewol etliche auch stracks zue erste die anruffung setzen. Als Lucretius:
Aeneadum genetrix, hominum divumque voluptas, Alma Venus &c.
Vnd Wilhelm von Sallust in seiner andern woche:
Descouure son berceau, monstre-moy son enfance,
Pourmeine mon esprit par les fleuris destours
Des vergers doux-flairans, où serpentoit le cours
5 De quatre viues eaux: conte-moy quelle offence
Bannit de deux Edens Adam et sa semence.
Gott/ der du mich der welt geburt hast sehen lassen/
Laß mich nun jhre wieg’ vnd kindheit jetzt auch fassen/
Vnd meinen Geist vnd sinn sich in dem kreiß’ ergehn
Der gärte vol geruchs/ hier wo vier flüsse schön’
5 Hinrauschen mitten durch: erzehl’ vmb was für sachen
Sich Adam vnd sein sam’ auß Eden muste machen.

Doch ist/ wie hier zue sehen/ in der anruffung allzeit die pro-
position zuegleich begrieffen. Auff dieses folget gemeiniglich die
dedication; wie Virgilius seine Georgica dem
Keiser Augustus zue- geschrieben
. Item die vrsache/ warumb man eben
dieses werck vor sich genommen: wie im dritten buche vom
Ackerbawe
zue sehen:
Omnia jam vulgata; vnd wie folget. Dem ich in den Trostge-
tichten
auch habe nachkommen wollen:
15 Der blinden jugendt lust? wer hat noch nie gehört
Wie der Poeten volck die grossen Herren ehrt/
Erhebt sie an die lufft/ vnd weiß herauß zue streichen
Was besser schweigens werth/ lest seine Feder reichen
+
20 Macht also das die welt mit blossen lügen prangt?
Wer hat zue vor auch nicht von riesen hören sagen/
Die Waldt vnd Berg zuegleich auff einen orth ge- tragen/
Zue stürtzen Jupitern mit aller seiner macht/
Vnnd was des wesens mehr? nun ich bin auch bedacht
25 Zue sehen ob ich mich kan auß dem staube schwingen/
Vnd von der dicken schar des armen volckes dringen
So an der erden klebt. ich bin begierde voll
Zue schreiben wie man sich im creutz’ auch frewen soll/
Sein Meister seiner selbst. ich wil die neun Göttinnen/
30 Die nie auff vnser deutsch noch haben reden können/
Sampt jhrem Helicon mit dieser meiner handt
Versetzen allhieher in vnser Vaterlandt.
Vieleichte werden noch die bahn so ich gebrochen
34 Geschicktere dann ich nach mir zue bessern suchen/
Vnd die gewündschte rhue zue Land vnd Meer gehegt.
Das getichte vnd die erzehlung selber belangend/ nimpt sie
es nicht so genawe wie die Historien/ die sich an die zeit vnd alle
vmbstende nothwendig binden mußen/ vnnd wiederholet auch
nicht/ wie Horatius
erwehnet/ den Troianischen krieg von der Helenen vnd jhrer brüder geburt an: lest viel außen
was sich nicht hin schicken wil/ vnd setzet viel das
zwar hingehöret/ aber

Die Tragedie ist an der maiestet dem Heroischen getichte ge-
meße/ ohne das sie selten leidet/ das man geringen standes per- sonen vnd schlechte sachen
einführe: weil sie nur von König- lichem
willen
/
Todtschlägen/ verzweiffelungen/ Kinder- vnd Vätermörden/ brande/
blutschanden/ kriege vnd auffruhr/ kla-
[D2b] gen/ heulen/
seuffzen vnd dergleichen handelt. Von derer
+
+

Die Comedie
bestehet in schlechtem wesen vnnd personen: redet
von hochzeiten/ gastgeboten/ spielen/ betrug vnd schalck- heit der knechte/ ruhmrätigen Landtsknechten/ buhlersachen/
leichtfertigkeit der jugend/ geitze des alters/ kupplerey vnd sol-
chen sachen/ die täglich vnter gemeinen Leuten vorlauffen. Haben
derowegen
die/ welche heutigen tages Comedien geschrieben/
weit geirret/ die Keyser vnd Potentaten eingeführet/ weil solches
den regeln der Comedien schnurstracks zuewieder
laufft.
Zue einer Satyra
gehören zwey dinge: die lehre von gueten sitten vnd
ehrbaren wandel/ vnd höffliche reden vnd schertzworte. Ihr
vornemstes aber vnd gleichsam als die seele ist/ die harte ver-
weisung der laster vnd anmahnung zue der tugend: welches zue vollbringen sie mit allerley stachligen vnd spitzfindigen
reden/ wie mit scharffen pfeilen/ vmb sich scheußt. Vnd
haben
alle Satyri- sche scribenten zum gebrauche/ das sie
vngeschewet sich vor feinde aller laster angeben/ vnd jhrer besten
freunde ja jhrer selbst auch nicht verschonen/ damit sie nur andere
bestechen mögen: wie es denn alle drey Horatius/ Juuenalis vnnd Persius meisterlich an den tag gegeben.
Das Epigramma setze ich darumb
zue der Satyra/ weil die Satyra ein lang Epigramma/
vnd das Epigramma eine kurtze Satyra ist: denn die kürtze
ist seine eigenschafft/ vnd die spitz-
findigkeit
gleichsam seine seele vnd gestallt; die sonderlich an dem ende erscheinet/ das allezeit anders als wir verhoffet
hetten gefallen soll: in welchem auch die spitzfindigkeit
vornemlich be- stehet. Wiewol aber das Epigramma
aller sachen vnnd wörter fähig ist/ soll es doch lieber in
Venerischem wesen/ vberschrifften der begräbniße vnd gebäwe/ Lobe
vornemer Männer vnd Frawen/ kurtzweiligen schertzreden vnnd
anderem/ es sey was [D3a] es wolle/ bestehen/ als in spöttlicher hönerey vnd
auffruck anderer leute laster vnd gebrechen. Denn es ist eine
anzeigung eines vnver- schämten sicheren gemütes/ einen jetwedern/
wie vnvernünfftige thiere thun/ ohne vnterscheidt
anlauffen.
Die Eclogen
oder Hirtenlieder reden von schaffen/ geißen/ seewerck/
erndten/ erdgewächsen/ fischereyen vnnd anderem feldwesen; vnd
pflegen alles worvon sie reden/ als von Liebe/ heyrathen/
absterben/ buhlschafften/ festtagen vnnd sonsten auff jhre
bäwrische vnd einfältige art vor zue bringen
.
In den Elegien
hatt man erstlich nur trawrige sachen/
nach-
+
+
+



Das ich der Echo oder des Wiederruffes zue ende der wörter
ge- dencke/ thue ich erstlich dem Dousa
zue ehren/ welcher mit et- lichen solchen getichten
gemacht hat/ das wir etwas darvon hal- ten; wiewol das so Secundus
geschrieben (wie alle andere seine sachen) auch sehr artlich
ist
: darnach
aber/ weil ich sehe/ das sie bey den Frantzosen gleichfalls im
gebrauche sein
; bey denen man sich ersehen kan. So sind jhrer auch
zwey in meinen deutschen
Poematis, die vnlengst zue Straßburg auß gegangen/ zue finden
. Welchen buches halben/ das zum
theil vor etlichen jahren von mir selber/ zum theil in
meinem abwesen von andern vngeordnet vnd vnvbersehen zuesammen
gelesen ist worden/ ich alle die bitte denen es zue gesichte kommen
ist/ sie wollen die vielfältigen mängel vnd irrungen so darinnen
sich befinden/ beydes meiner jugend/ (an- gesehen das viel darunter
ist/ welches ich/ da ich noch fast ein knabe gewesen/
geschrieben habe) vnnd dann denen zuerechnen/ die auß keiner bösen
meinung meinen gueten namen dadurch zue
+
+
+


Hymni
oder Lobgesänge waren vorzeiten/ die sie jhren Göttern vor
dem altare zue singen pflagen/ vnd wir vnserem Gott singen sollen.
Dergleichen ist der lobgesang den Heinsius vnserem erlö- ser
/ vnd der den ich auff die
Christnacht
geschrieben habe. Wie- wol sie auch zuezeiten was
anders loben
; wie bey
dem Ronsard
ist der Hymnus der Gerechtigkeit/ Der Geister/ des Himmels/ der
Sternen/ der Philosophie/ der vier Jahreszeiten/ des
Goldes
/ &c.
Sylven oder wälder
sind nicht allein nur solche carmina, die auß geschwinder anregung vnnd hitze ohne
arbeit von der hand weg gemacht werden/ von denen Quintilianus im
dritten Capitel des zehenden buches
saget: Diversum est huic eorum vitium, qui
primum discurrere per materiam stylo quam velocissimo volunt, et
sequentes calorem atque impetum ex tempore scribunt: Hoc sylvam
vocant; vnd wie an den schönen sylvis die
Statius
ge- schrieben zue sehen ist/ welche er in der
Epistel für dem ersten
+
+


Die Lyrica
oder getichte die man zur Music sonderlich ge- brauchen kan/ erfodern
zueföderst ein freyes lustiges gemüte/ vnd wollen
mit schönen sprüchen vnnd lehren häuffig geziehret
[D4a] sein: wieder der
andern Carminum gebrauch/ da man son- derliche masse wegen der
sententze halten muß; damit nicht
der gantze Cörper vnserer rede nur lauter augen zue
haben scheine/ weil er auch der andern glieder nicht
entberen kan. Ihren inhalt be- treffendt/ saget Horatius
:
Et pugilem victorem et equum certamine primum,
Et iuvenum curas et libera vina referre.
Er wil so viel zue verstehen geben/ das sie
alles was in ein kurtz getichte
kan gebracht werden beschreiben können; buhlerey/
täntze/ banckete/ schöne Menscher/ Gärte/ Weinberge/ lob der
mässigkeit/ nichtigkeit des todes/ &c. Sonderlich aber
vermah

Ode.
Ich empfinde fast ein grawenDas ich/ Plato/ für vnd für
Bin gesessen vber dir;
Es ist zeit hienauß zue schawen/
5 Vnd sich bey den frischen quellen
In dem grünen zue ergehn/
Wo die schönen Blumen stehn/
Vnd die Fischer netze stellen.
Worzue dienet das studieren/
10 Als zue lauter vngemach?
Vnter dessen laufft die Bach
Vnsers lebens das wir führen/
Ehe wir es innen werden/
15 Dann kömpt (ohne geist vnd sinn)
Dieses alles in die erden.
Hola/ Junger/ geh’ vnd frage
Wo der beste trunck mag sein;
Nim den Krug/ vnd fülle Wein.
20 Alles trawren leidt vnd klage/
Wie wir Menschen täglich haben
Eh’ vns Clotho fortgerafft
Wil ich in den süssen safft
Den die traube giebt vergraben.
25 Kauffe gleichfals auch melonen/
Vnd vergiß des Zuckers nicht;
Schawe nur das nichts gebricht.
Der bey seinem Gold vnd Schätzen
30 Tolle sich zue krencken pflegt
Vnd nicht satt zue bette legt;
Ich wil weil ich kan mich letzen.
Bitte meine guete Brüder
Auff die music vnd ein glaß
35 Nichts schickt/ dünckt mich/ nicht sich baß
Als guet tranck vnd guete Lieder.
Laß ich gleich nicht viel zue erben/
Ey so hab’ ich edlen Wein;
Wil mit andern lustig sein/
40 Muß ich gleich alleine sterben.
Das VI. Capitel. Von der zuebereitung vnd ziehr der worte.
NAch dem wir von den dingen gehandelt haben/ folgen
jetzund die worte; wie es der natur auch gemeße ist. Denn es muß ein Mensch jhm erstlich etwas in seinem gemüte fassen/ hernach das was er
gefast hat außreden. Die worte bestehen in dreyerley
; inn der ele- gantz oder
ziehrligkeit/ in der composition oder
zuesammensetzung/ vnd in der dignitet vnd ansehen.
Die ziehrligkeit erfodert das die worte reine vnd deutlich
sein. Damit wir aber reine reden mögen/ sollen wir vns
befleissen deme welches wir Hochdeutsch
nennen besten vermögens nach zue kommen/ vnd nicht
derer örter sprache/ wo falsch geredet wird/ in vnsere schrifften
vermischen: als da sind/ es geschach/ für/ es geschahe/ er sach/
für/ er sahe; sie han/ für sie haben
+
+
+
+
Der einen schaden krieget hot.

So stehet es auch zum hefftigsten vnsauber/ wenn allerley Latei- nische/ Frantzösische/ Spanische vnnd Welsche wörter in den text vnserer rede geflickt werden; als wenn ich wolte sagen:
Nemt an die courtoisie, vnd die deuotion,Die euch ein cheualier, madonna, thut erzeigen;
10 Ein’ handvol von fauor petirt er nur zue lohn/
Vnd bleibet ewer Knecht vnd seruiteur gantz eigen.
Wie seltzam dieses nun klinget/ so ist nichts desto weniger die thorheit innerhalb kurtzen Jharen so eingeriessen/ das ein jeder/ [E1b] der nur drey oder vier außländische wörter/ die er zum off- tern nicht verstehet/ erwuscht hat/ bey aller gelegenheit sich be- mühet dieselben herauß zue werffen/ da doch die Lateiner eine solche abschew vor dergleichen getragen/ das in jhren versen auch fast kein griechisch wort gefunden wird/ das zwar gantz griechisch ist. Dann Juuenalis setzet in einem orte ξωὴ καὶ φυχή, eben die- + + + + + +



vnd nicht/ des Jouis. Item/ der Venus pfeile/ nicht
Veneris. Wie es denn auch die Römer mit den griechischen wörtern
machen. Die Frantzosen gleichfals. Bartaß in seinem buche/ dem er den titel die
Herrligkeit
gegeben:
Item die Hollender. Als Heinsius:
van daer is zij gegaenBy Thetis haer vrindin/ en sprack Neptunus aen.

Doch können wir anfanges/ weil es in vielen ohren noch etwas harte lautet/ etliche lateinische endungen noch gebrauchen/ biß +

mag ich wol setzen:
[E2a] O Rom/ des Martis kind/ sey sehr gegrüßt von mir; den im fall ich spreche/ O Rom/ du kind des Mars/ möchte es vielen zu anfange seltzam vorkommen.
Die diphthongi oder
doppeltlautenden Buchstaben/ weil sie bey vns nicht vblich/ dürffen nur mit dem
selblautenden buchstaben geschrieben werden/ dessen thon sie
haben; als Enéas/ Eschylus/ Mecenas &c.
Newe wörter/ welches gemeiniglich epitheta, derer wir bald ge- dencken werden/ vnd von andern
wörtern zuesammen gesetzt sindt/ zue erdencken/ ist Poeten nicht
allein erlaubet/ sondern macht auch den getichten/ wenn es
mässig geschiehet/ eine son- derliche anmutigkeit. Als wenn ich die
nacht oder die Music eine arbeittrösterinn/ eine kummerwenderinn/
die Bellona mit einem dreyfachen worte
kriegs-blut-dürstig
/ vnd so fortan nenne. Item den
Nortwind einen wolckentreiber/ einen felssen stürmer vnd meerauffreitzer: wie jhn Ronsardt (denn die Frantzosen nechst
+
+
+
+

Le chasse-nue et l’esbransle-rocher,
5 L’irrite-mer.
Welches auß dem
Ovidio
genommen ist.
Hac freta concutio, nodosaque robora verto.
Solches stehet auch an seinem orte bey den Lateinern nicht vbel; als da Catullus saget in seinem vberauß schönen getichte vom Atys:
Ubi cerva sylvicultrix, ubi aper nemorivagus
vnd Publius
Syrus
von dem storche:
Avis exulhiemis.
[E2b] In welchen
erfindungen Joseph Scaliger
zue vnserer zeit meines bedünckens alle andere/ auch
die alten selber/ vber- troffen.
Darbey aber vns Deutschen diß zue mercken ist/ das
das nomen verbale, als treiber/ stürmer/
auffreitzer/ &c. allzeit/ wie bey den Lateinern/ muß
hinten gesetzt werden; wieder der Frantzosen
gebrauch/ derer sprache es nicht anders mit sich bringt. So
Hein- sius in dem Lobgetichte des
Weingottes
/ welches er auch zum theil von dem Ronsardt entlehnet:
Goet-geuer/ Minne-vrient/ Hooft-breker/ Leeuwendwinger/
Hert-vanger/ Herßen-dief/ Tong-binder/ Schudde-bol/
Geest-roerder/ Waggel-voet/ Staet-kruijßer/ Altijdt-vol.
Vnd nach meiner verdolmetschung:
Guet-geber/ Liebes-freundt/ Haupt-brecher/ Löwen- [zwinger/
Hertz-fänger/ Hertzen-dieb/ Mund-binder/ Sinnen-toll/
Geist-rhürer/ wackel-fuß/ Stadt-kreischer/ Allzeit-voll.
Wie denn auch sonsten die epitheta bey vns gar ein vbel auß- sehen haben/ wenn sie hinter jhr substantiuum gesetzet werden/ als:
Das mündlein roht/ der Weltkreiß rund/ die hände
fein; für: das rothe mündlein/ der [E3a] runde Weltkreiß/ die
feinen hände/ &c. wiewol bey vnsern reimenmachern nichts gemeiner ist.
So bringen auch die Frantzosen newe Verba
herfür/ welche/ wenn sie mit bescheidenheit gesetzet
werden/ nicht vnartig sind. Als Ronsardt brauchet in einer Elegie an die Caßandra/ das
wort
Petrarquiser, das ist/ wie Petrarcha buhlerische reden brauchen:

+ + + + +
Vnd ich habe es jhm mit einem anderen worte nachgethan/ da ich die Leyer anrede:
Jetzt solt du billich mehr als wol/O meine lust/ Pindarisiren.

Ich darff aber darumb nicht bald auß dem Frantzösischen sagen: approchiren, marchiren; oder auß dem Lateine: dubitiren, serui- ren; gaudiren, wie zwar die zue thun pflegen/ die eher jhre Mutter- sprache verterben/ als das sie nicht wollen sehen laßen/ das sie auch was frembdes gelernet haben.
Wie nun wegen reinligkeit der reden frembde wörter vnnd der- gleichen mußen vermieden werden; so muß man auch der deutlig- keit halben sich für alle dem hüten/ was vnsere worte tunckel vnd vnverstendtlich macht. Als wann ich sagen wollte: Das weib das thier ergrieff. Hier were zue zweiffeln/ ob das weib vom thiere/ oder das thier vom weibe were ergrieffen worden: welches die Griechen eine ἀμφιβολίαν nennen.
Der πλεονασμός, da etwas vbriges gesaget wird/ verstellet auch die rede zue weilen nicht wenig. Als wann ich spreche:
Ein schwartzes Kind das nicht war weiß;weil es sich wol ohne diß verstehet. So wie
Pansa
sagete: Das Kind were von der Mutter zehen monat im
leibe getragen worden: fragete Cicero: ob andere weiber die kinder im rocke
trügen
. Doch hilfft bißweilen das was vbrig hinzue
gesetzet wird auch zu
[E3b] auffmutzung der
rede. So saget Virgilius:
Mit meinen ohren hab’ ich es vernommen;
zue mehrer bestetigung deßen das er erzehlet.
+ +Die ἀναστϱοφή oder verkehrung der
worte
stehet bey vns sehr garstig/ als: Den sieg die Venus
kriegt; für: Die Venus kriegt
den sieg. Item: Sich selig dieser schätzen mag
; für: Dieser mag sich selig schätzen. Vnnd so offte
dergleichen ge- funden wird/ ist es eine gewiße anzeigung/
das die worte in den verß gezwungen vnd gedrungen sein.
Auff die außlesung der worte/ sagen wir nun billich auch von jhrer zuesammensetzung; wie wir nemlich die buchstaben/ sylla- ben vnd wörter aneinander fügen sollen.
Weil ein buchstabe einen andern klang von sich
giebet als der andere/ soll man sehen/ das man diese zum offteren
gebrauche/ die sich zue der sache welche wir für vns haben am
besten schicken. Als wie
Virgilius von dem berge Etna redet/ brauchet er alles harte vnd
gleichsam knallende buchstaben:
Flammarumque globos liquefactaque volvere saxa

wie Etna/ wenn er strewet
Die flammen in die lufft/ vnd siedend’ hartz außspeyet/
Vnd durch den holen schlund bald schwartze wolcken bläßt/
20 Bald gantze klüfften stein’ vnd kugeln fliegen lest.
Heinsius saget:
+Een grondeloose zee van vlammen in de wolcken.

So/ weil das L vnd R fließende buchstaben sein kan ich mir [E4a] sie in beschreibung der bäche vnd wäßer wol nütze machen/ als:
5 Der klare brunnen quilt mitt lieblichem gerausche &c.Wie nun bißweilen eine solche zuesammenstoßung der buchsta- ben recht vnd guet ist; soll man sie doch sonsten mitt einander so wißen zue vermengen/ das nicht die rede dadurch gar zue raw oder zue linde werde. Eben dieses ist es auch/ wann eine syllabe oder wort zue offte wiederholet wird; als: Die die dir diese dinge sagen.
Item/ Es siehet nicht wol auß/ wenn ein Verß in lauter
eynsylbi- gen wörtern
bestehet. Deßen exempel Ronsard giebet:
Wiewol wir deutschen/ wegen der menge der
einsylbigen wörter die wir haben/ es zuezeiten kaum vermeiden
können.
Hergegen sollen die verß/ sonderlich die Masculini (wie
wir sie im folgenden Capitel nennen werden) sich nicht mit viel
sylbigen wörtern enden.
Zue dienste sein/ Hertzlieb/ bey der gelegenheit.
+
〈Was〉 das ansehen vnd die dignitet der
Poetischen rede anlangt/ bestehet dieselbe in den tropis vnnd schematibus, wenn wir nemb-
lich ein wort von seiner eigentlichen bedeutung auff eine andere
ziehen. Dieser figuren abtheilung/ eigenschafft vnd
zuegehör all- hier zue beschreiben/ achte ich darumb vnvonnöthen/
weil wir im deutschen hiervon mehr nicht als was die Lateiner zue
mercken haben/ vnd also genungsamen vnterricht hiervon neben den
exempeln aus Scaligers
vnnd anderer gelehrter leute büchern nemen
können. Dessen wil ich nur erinnern/ das für allen dingen nötig
sey/ höchste möglichkeit zue versuchen/ wie man die epi-
theta, an denen bißher bey vns grosser mangel
ge- [E4b] wesen/
sonderlich von den Griechen vnd Lateinischen abstehlen/ vnd vns
zue nutze machen möge: Dann sie den Poetischen sachen einen solchen glantz geben/ das Stesichorus
für den anmutigsten Poeten ist gehalten worden/ weil
er derselbigen zum füglichsten sich gebraucht hat.
Sie mussen aber so gemacht werden/ das sie entweder die
dinge von denen wir reden von andern vnterscheiden; als
da der Poet spricht: nigra hirundo, die schwartze Schwalbe/ oder sie vermeh- ren/ als: frigida
bello Dextera, eine handt die im kriege nicht viel
außrichtet.
Sie mussen auch wahrhafftig sein/ vnd etwas nicht anders
be- schreiben als es ist. Zum exempel: florida Hybla; weil viel Blu- men darauff wachsen
sollen: Parnassia laurus
, aestuosa Cala-
bria
, vnd dergleichen.
Strabo rhümet den Homerus/ das er die eigenschafft eines/
ietwedern dinges sehr genaw in acht genom- men/ vnd jhm vnfehlber
sein gehöriges epitheton allzeit gegeben
habe
. Die
Poeten/ denen mehr freyheit als den Oratoren einge- räumet ist/
können auch wol den schnee weiß/ vnnd den wein feuchte nennen: wie
Aristoteles im dritten buche der Rhetoric
vnnd Quintilianus im sechsten Capitel des achten
buches
saget. Wiewol Virgilius nicht ohne vrsache
setzet:

Denn in dem er spricht/ das man in den Mitternächtischen Ländern den gefrorenen Wein/ der doch von natur sonst naß ist/ mit äxten zuehawen muß/ macht er das man desto mehr der vngewöhnlichen kälte nachdenckt.
Letztlich haben wir in vnserer sprache dieses auch zue
mercken/ das wir nicht vier oder fünff epitetha
zu einem worte setzen/ wie die Italiener thun/ die
wol sagen dürffen:
Du schönes/ weisses/ englisches/ glückhafftes/ edles bildt;
+ + +
Dieses sey nun von der allgemeinen zuegehör der Poetischen rede: weil aber die dinge von denen wir schreiben vnterschieden sind/ als gehöret sich auch zue einem jeglichen ein eigener vnnd von den andern vnterschiedener Character oder merckzeichen der worte. Denn wie ein anderer habit einem könige/ ein anderer einer priuatperson gebühret/ vnd ein Kriegesman so/ ein Bawer anders/ ein Kauffmann wieder anders hergehen soll: so muß man auch nicht von allen dingen auff einerley weise reden; sondern zue niedri- gen sachen schlechte/ zue hohen ansehliche/ zue mittelmässigen auch mässige vnd weder zue grosse noch zue gemeine worte brau- chen.
In den niedrigen
Poetischen sachen werden schlechte vnnd ge- meine
leute eingeführet; wie in Comedien vnd Hirtengesprechen. Darumb tichtet man
jhnen auch einfaltige vnnd schlechte reden an/ die jhnen gemässe
sein: So Tityrus bey dem Poeten/ wenn er seines Gottes erwehnet/
redet er nicht von seinem plitze vnd donner/ sondern
20 Ludere quae vellem calamo permisit agresti.
Du siehst/ er leßt mein Vieh herumb gehn ohne ziehl/
Und mich auff meiner flöt’ auch spielen was ich wil.
Wie Theocritus sonsten inn dem paß wol jederman vberlegen/
so weiß ich doch nicht wie sein Aites mir sonderlich behaget: in-
massen ich denn auch halte/ das Heinsius gleichfals grossen gefal- len daran
treget/ der dieses Idyllion Lateinisch vnnd Hollendisch gegeben. Weil ich jhm aber im deutschen
nachgefolget/ vnd den
+
+
+

Theocriti Aites.
Bist du gekommen dann/ nach dem ich nun gewachtNach dir/ mein liebstes Kind/ den dritten tag vnnd Nacht?
Du bist gekommen/ ja. doch wer nicht kan noch mag
Sein lieb sehn wann er wil/ wird alt auff einen tag.
5 So viel der Früling wird dem Winter vorgesetzt/
Vor wilden pflaumen vns ein Apffel auch ergetzt/
Das Schaff mit dicker woll’ ein Lamb beschämen kan/
Die Jungfraw süsser ist als die den dritten Man
Bereit hat fort geschickt; so viel als besser springt
10 Ein rehbock als ein Kalb/ vnd wann sie lieblich singt
Die leichte Nachtigall den Vogeln abgewint/
So ist dein beysein mir das liebste das man findt.
Ich habe mich gesetzt bey diesen Buchbawn hin/
Gleich wie ein Wandersman thut im fürüber ziehn/
15 In dem die Sonne sticht. ach/ das die liebe doch
Vns wolte beyderseits auch fügen an jhr ioch/
An jhr gewündtschtes Joch/ vnd das die nach vns sein
Von vns mit stettem rhum erzehlten vberein:
Es ist ein liebes par gewesen vor der zeit/
20 Das eine freyte selbst/ das ander ward gefreyt:
Sie liebten beyde gleich. ward nicht das volck ergetzt
Wie liebe wiederumb mit liebe ward ersetzt!
Ach Jupiter/ vnd jhr/ jhr Götter/ gebt mir zue/
25 Das ich erfahren mag/ das dem der mich jtzt liebt
Vnd meiner trewen gunst ein jeder zeugniß giebt;
Doch mehr das junge volck. nun diß muß nur ergehn/
Ihr Götter/ wie jhr wolt. es pflegt bey euch zue stehn
Doch lob’ ich dich zwar hoch/ so hoff’ ich dennoch nicht
30 Das jrrgend jemand ist der etwas anders spricht.
+
So machst du es hernach doch doppelt wieder gut.
O volck von Megara/ jhr schiffer weit bekandt/
Ich wündsche das jhr wol bewohnt das reiche landt
35 Vnd vfer bey Athen/ weil jhr so höchlich liebt
Dioclem der sich auch im lieben sehr geübt:
Weil allzeit vmb sein grab sehr viel liebhaber stehn/
Die lernen einig nur mit küssen vmb recht gehn/
Vnd streiten gleich darumb/ vnd wer dann Mundt an mundt
40 Am aller besten legt/ dem wird der krantz vergunt/
Den er nach hause dann zue seiner Mutter bringt.
Ach/ ach/ wie glücklich ist dem es so wol gelingt
Das er mag richter sein. wie offte rufft er wol
Das Ganymedes jhm den Mund so machen sol
45 Als einen Stein durch den der goldschmiedt vrtheil spricht
Ob auch gewiß das Goldt recht gut sey oder nicht.
[F2b] Hergegen in wichtigen
sachen/ da von Göttern/ Helden/ Königen/ Fürsten/ Städten vnd
dergleichen gehandelt wird/ muß man ansehliche/ volle vnd
hefftige reden vorbringen/ vnd ein ding
nicht nur bloß nennen/ sondern mit prächtigen hohen worten vmbschreiben
.
Virgilius sagt nicht: die oder luce sequenti; son-
dern:
Extulerit Titan radiisque retexerit orbem.

Wann Titan morgen wird sein helles liecht auffstecken/
10 Vnd durch der stralen glantz die grosse welt entdecken.
Die mittele
oder gleiche art zue reden ist/ welche zwar mit jhrer
ziehr vber die niedrige steiget/ vnd dennoch zue der hohen
an

Das VII. Capitel. Von den reimen/ jhren wörtern vnd arten der getichte.
EIn reim ist eine vber einstimmung des lautes der
syllaben vnd wörter zue ende zweyer oder mehrer verse/ welche
wir nach der art die wir vns fürgeschrieben haben
zuesammen setzen. Damit aber die syllben vnd
worte in die reimen recht gebracht werden/ sind nachfolgende
lehren in acht zue nemen.
Erstlich/ weil offte ein
Buchstabe eines doppelten lautes ist/ soll man sehen/ das er in
schliessung der reimen nicht vermenget
[F3a] werde.
Zum exempel: Das e in dem worde ehren wird wie ein
griechisch ε/ in dem worte nehren wie
ein η außgesprochen
: kan ich
also mit diesen zweyen keinen reim schließen. Item/ wenn ich
des Herren von Pybrac Epigramma
wolte geben:
20 Dieu en courant ne veut estre honoré,
D’vn ferme coeur il veut estre adoré,
Mais ce coeur là il faut qu’il nous le donne.
+ +
Denn GOtt wil auff der flucht nicht angeruffen sein:
Er heischet vnd begehrt ein starckes hertz’ allein;
Das hat man aber nicht/ wann er es nicht bescheret.
Hier/ weil das e in lehret wie ε/ das in bescheret wie η ge-
lesen wird/ kan ich vor bescheret das wort verehret setzen. So
schicken sich auch nicht zusammen entgegen vnd pflegen; ver-
kehren vnd hören weil das ö von vnns als ein ε/ vnnd 〈die〉 mitlere sylbe in
verkehren wie mit einem η gelesen wirdt. So
kan ich auch ist vnd bist wegen des vngleichen lautes
gegen einander nicht stellen.
Das e/ wann es vor einem andern selblautenden
Buchstaben zue ende des wortes vorher gehet/ es sey in
wasserley versen es wolte/ wird nicht geschrieben vnd
außgesprochen/ sondern an seine statt ein solches
zeichen’ darfür gesetzt. Zum exempel wil ich nach- folgendes
Sonnet
setzen/ weil diese außenlaßung zue sechs malen
darinnen wiederholet wird:
Die mein’ ergetzung ist/ mein trost/ mein weh vnd leiden
Doch macht mein starckes hertz’/ vnd jhre grosse ziehr/
5 An welcher ich sie selbst dir/ Venus setze für/
+ + +
So lange sich dein Sohn mit threnen wird be- weiden/
Wil ohne wancken stehn/ vnd halten vber jhr.
Kein menschlich weib hat nicht solch gehn/ solch stehn/ solch lachen/
10 Solch reden/ solche tracht/ solch schlaffen vnnd solch wachen:
Kein Waldt/ kein heller fluß/ kein hoher Berg/ kein Grundt
Beherbrigt eine Nymf’ an welcher solche gaben/
Zue schawen mögen sein; die so schön haar kan haben/
Solch’ augen als ein stern/ so einen roten mund.
Hiervon werden außgeschlossen/ wie auch Ernst Schwabe
in seinem Büchlein erinnert/ die eigenen namen/
als: Helene/ Eu- phrosine; darnach alle einsylbige
wörter
/ als: Schnee/ See/ wie/
die/ &c.
Zue ende der reimen/ wann ein Vocalis den folgenden [F4a] verß anhebet/ kan man das e stehen lassen oder weg thun. Stehen bleibt es:
wie rufft er vor dem endeVns seinen Kindern zue.

Weg gethan aber wird es:
Ihr hölen voller moß/ jhr auffgeritzten stein’Ihr felder/ &c.



Wann auff das e ein Consonans oder mitlautender Buchstabe folget/ soll es nicht aussen gelassen werden: ob schon niemandt bißher nicht gewesen ist/ der in diesem nicht verstossen. Ich kan nicht recht sagen:
Die wäll der starcken Stadt vnnd auch jhr tieffe Graben; Weil es die Wälle vnd jhre Graben sein soll. Auch nicht wie Melißus:
Rot rößlein wolt’ ich brechen/
für/ Rote rößlein.
Gleichfals nicht:
Nemt an mein schlechte reime/für: Meine.
Es soll auch das e zueweilen nicht auß der mitten der
wörter ge- zogen werden; weil durch die zuesammenziehung der
sylben die verse wiederwertig vnd vnangeneme zue lesen
sein. Als/ wann ich schriebe:
So thets meinm hertzen wol vnd würde frisch vnd gsundt.
Welchem die reime nicht besser als so von
statten gehen/ [F4b] mag es künlich bleiben lassen: Denn er
nur die vnschuldigen wörter/ den Leser vnd sich selbst darzue
martert vnd quelet. Wie- wol es nicht so gemeinet ist/ das man
das e niemals aussenlassen möge: Weil es in Cancelleyen (welche
die rechten lehrerinn der reinen sprache sind
) vnd sonsten vblich/ auch im
außreden nicht verhinderlich ist. Vnnd kan ich wol sagen/ vom
für von dem/ zum für zue dem/ vnd dergleichen. So ist es auch
mit den
verbis. Als:
Vom Meere pflegt die lufft auch zue getruncken werden/
Die Sonne trinckt das Meer/ der Monde trinckt die Sonnen;
Wolt dann/ jhr freunde/ mir das trincken nicht vergonnen?

Hier/ ob gleich die wörter/ trincket/ pfleget/ wollet inn eine sylbe gezogen sind/ geschiehet jhnen doch keine gewalt. Hiesige verß aber sindt in Griechischen bey dem Anacreon:
,,
,
,
5 .
,
;

Welche oden ich sonst auch in ein distichon gebracht; weil ich zue den lateinischen Anacreonten weder lust noch glück habe.
Aequor Sol, Solem Luna; nec ipse bibam?
Stehet das h zue anfange eines wortes/ so kan das e wol geduldet werden; als:


Alle die es hören loben/
Du hergegen/ o mein licht/
Die ich lobe/ hörst es nicht?

Oder auch aussen bleiben; als:
Ferner soll auch das e denen wörtern zue welchen es nicht ge- höret vnangehencket bleiben; als in casu nominatiuo:
Der Venus Sohne. Item/ wie Melißus sagt:10 Ein wolerfahrner helde.

Vnd:
Dir scheint der Morgensterne;
Weil es Sohn/ Held/ Stern heisset.
Vber diß/ die letzte sylbe in den männlichen/ vnd letzten zwo inn den weiblichen reimen (wie wir sie bald abtheilen werden) sol- len nicht an allen Buchstaben gleiche sein; als/ in einem weiblichen reime:
Wir sollen frembdlingen gar billich ehr’ erzeigen/Vnd so viel möglich ist/ ein willig hertze zeigen.
Es ist falsch; weil die letzten zwo sylben gantz eines sindt: kan aber so recht gemacht werden:
Wir sollen frembdlingen gar billich ehr’ erzeigen/Vnd/ wann es müglich ist/ die Sonn’ auch selbst zueneigen.
Wiewol es die Frantzosen so genaw nicht
nemen. Dann in
[G1b] nachfolgender Echo/ welche vom tantze redet/ alle verß gleiche
fallen:
Qui faict souuent aux nopces residence? Dance.
Qui faict encor filles en abondance? Dance.
Qui faict sauter fols par outrecuidance? Dance.
5 Qui est le grand ennemy de prudence? Dance.
Qui met aux frons cornes pour euidence? Dance.
Qui faict les biens tomber en decadence? Dance.

Gleichfals begehet man einen fehler/ wann in dem rythmo foeminino die letzte sylbe des einen verses ein t/ des andern ein d hat; weil t harte vnd d gelinde außgesprochen wird. Als im 23. Psalme:
Auff einer grünen Awen er mich weidet/Zum schönen frischen wasser er mich leitet.

So auch/ wann das eine u ein selblautender/ das andere ein dop- peltlautender Buchstabe ist/ vnd fast wie ein i außgesprochen wird. Als in 42. Psalme:
Bey jhm wird heil gefunden/Israel er von sünden.
Dann in dem worte sünden ist das u ein
diphthongus.
Vnd letzlich wird der reim auch falsch/ wann in dem einen verse das letzte wort einen doppelten consonantem; vnnd das in dem an- dern einen einfachen hat; als: wann der eine verß sich auff das wort harren; der andere auff das wort verwahren/ oder der eine + + + +
[G2a] Das wir nun weiter fortfahren/ so ist erstlich ein jeglicher verß/ wie sie die Frantzosen auch abtheilen/ (denn der Italiener zarte reimen alleine auf die weibliche endung außgehen) entweder ein foemininus, welcher zue ende abschiessig ist/ vnd den accent in der letzten sylben ohne eine hat/ Als:
10 Er hat rund vmb sich her das wasser außgespreitet/Den köstlichen pallast des Himmels zue bereitet;

Oder masculinus, das ist/
männlicher verß/ da der thon
auff der letzten sylben in die höhe steiget; als:
15 Ost/ Norden/ Sud vnd West in seinen dienst bestelt.

Nachmals ist auch ein jeder verß entweder ein
iambicus oder
trochaicus; nicht zwar das wir auff art
der griechen vnnd lateiner eine gewisse grösse
der sylben können inn acht nemen; sondern das
wir aus den accenten vnnd dem thone
erkennen/ welche sylbe hoch vnnd welche niedrig gesetzt
soll werden. Ein Jambus ist die- ser:

Der folgende ein Trochéus:
+ +
Dann in dem ersten verse die erste sylbe niedrig/ die andere hoch/ die dritte niedrig/ die vierdte hoch/ vnd so fortan/ in dem anderen verse die erste sylbe hoch/ die andere niedrig/ die dritte hoch/ &c. außgesprochen werden. Wiewol nun meines wissens noch niemand/ ich auch vor der zeit selber nicht/ dieses genawe in acht genommen/ scheinet es doch so hoch von nöthen zue sein/ als hoch von nöthen ist/ das die Lateiner nach den quantitatibus oder grössen der sylben jhre verse richten vnd reguliren. Denn es gar einen übelen klang hat:
[G2b] Venus die hat Juno nicht vermocht zue obsiegen;weil Venus vnd Juno Jambische/ vermocht ein Trochéisch
wort sein soll: obsiegen aber/ weil die erste sylbe hoch/ die
andern zwo niedrig sein/ hat eben den thon welchen bey den
lateinern der
dactylus hat/ der sich zueweilen (denn er
gleichwol auch kan ge- duldet werden/ wenn er mit vnterscheide
gesatzt wird) in vnsere sprache/ wann man dem
gesetze der reimen keine gewalt thun wil/ so wenig zwingen
leßt/ als castitas, pulchritudo vnd
dergleichen in die Lateinischen haxametros vnnd pentametros zue bringen
sind. Wiewol die Frantzosen vnd andere/ in den
eigentlichen na- men sonderlich/ die accente so genawe nicht in
acht nemen wie ich dann auch auff art des Ronsardts in einer Ode
geschrieben:
Als Stesichór vnd Simonídes/
25 Als Antimáchus vnd Bion/
Als Phílet oder Bacchylídes?
Doch/ wie ich dieses nur lust halben gethan/ so bin ich der ge- dancken/ man solle den lateinischen accenten so viel möglich nach- kommen.
+ + + + +Vnter den Jambischen versen sind die zue föderste zue setzen/
welche man Alexandrinische/ von jhrem ersten erfinder/ der ein
Italiener soll gewesen sein/ zue nennen pfleget/ vnd werden an statt der
Griechen vnd Römer heroischen verse gebraucht
: Ob gleich Ronsardt die
vers communs
oder gemeinen verse/ von denen wir stracks sagen
werden/ hierzue tüchtiger zue sein vermeinet; weil
die
Alexandrinischen wegen jhrer weitleufftigkeit der
vnge- bundenen vnnd freyen rede zue sehr ähnlich sindt/ wann
sie nicht jhren mann finden/ der sie mit lebendigen farben
herauß zue strei- chen weiß. Weil aber dieses einem
Poeten zuestehet/ vnd die vber welcher vermögen es ist nicht
gezwungen sind [G3a] sich darmit zue ärgern/ vnsere sprache auch ohne
diß in solche enge der wörter wie die Frantzösische nicht kan
gebracht werden/ mussen vnd können wir sie an statt der
heroischen verse gar wol behalten: inmassen dann auch
die Niederländer zue thun pflegen.
Der weibliche verß hat dreyzehen/ der männliche zwölff
sylben; wie der iambus trimeter. Es muß
aber allezeit die sechste sylbe eine caesur oder abschnitt haben/ vnd masculinae
terminationis, das ist/ entweder ein einsylbig
wort sein/ oder den accent in der letzten sylben haben; wie auch
ein vornemer Mann/ der des
+
+
+

Vnd würd’ auch jetzt ein Schwan wann dich kein schwan gebohren/
Du heissest Helena/ vnd bist auch so geziehrt/
Vnd werest du nicht keusch/ du würdest auch entführt.

Hier sind die ersten zweene verß weibliche/ die andern zweene männliche: Denn mann dem weiblichen in diesem genere carminis gemeiniglich die oberstelle leßt; wiewol auch etliche von den männ- lichen anfangen.
Bey dieser gelegenheit ist zue erinnern/ das die caesur der sech- sten syllben/ sich weder mit dem ende jhres eigenen verses/ noch des vorgehenden oder nachfolgenden reimen soll; oder kürtzlich; es soll kein reim gemacht werden/ als da wo er hin gehöret: als:
Ein guet gewissen fragt nach bösen mäulern nicht/Weil seiner tugend liecht so klar hereiner bricht
Als wie Aurora selbst/ &c.
Dann solches stehet eben so vbel als die reimen der
lateini- [G3b] schen verse; deren exempel zwar bey den gutten
Autoren wenig zue finden/ der Mönche bücher aber vor etzlich
hundert Jahren alle voll sindt gewesen.
So ist es auch nicht von nöthen/ das der periodus
oder sententz allzeit mit dem verse oder
der strophe sich ende: ja es stehet zier-
lich/ wann er zum wenigsten biß zue des andern/
dritten/ vierdten verses/ auch des ersten in der folgenden
strophe caesur behalten wird. Zum exempel:
Nicht vom studiren nur/ so bleibt doch wie vorhin
Mein vorsatz vnbewegt; 2. ich wil mein glücke tragen
So lang’ ich kan vnd mag; wil setzen auff den wagen
5 Der grawen ewigkeit durch meiner Leyer kunst
Die braune Flauia

Ist jhrer augen glut: 4. das sternenliechte fewer
Kömpt/ wie der schöne Nort den Schieffen/ mir zue stewer

Item:
1. Ja wir gedencken vns wie meister fast zue werdenDes grossen Jupiters/ vnd donnern auff der erden
Durch des Geschützes plitz; 2. die Berge zittern auch/
Die wolcken werden schwartz von vnsers Pulvers rauch’/
5 Vnd lauffen schneller fort. 3. verhaw’ vns zue dem strande
Des meeres weg vnd steg/ wir segeln auch zue lande/
Vnd schiffen ohne see. 4. veriag’ vns aus der welt/
Nicht minder häuffig ist. 5. wilt du vnns gifft beybringen/
10 Die Porcellane wird vns in der hand zuespringen/

Vnd sagen was du thust. 6. wie schlecht die Bügel sein/
So setzen wir vns doch mit jhnen fester ein/
Vnd lassen vnns so bald nicht auß dem sattel heben.
7. Es pflegt die Sonnenvhr vns vnterricht zue geben
15 Vmb welche zeit es sey. 8. Der köstliche Magnet
Zeigt wo das schwache Schiff auch bey der nacht hin- geht/
Vmbringt mit wind’ vnnd flut. 9. wir kennen hier von fernen
Durch eines glases liecht den Monden vnnd die Sternen/
20 Vor einem einfall auch viel mehr als sonst befreit.

Die reimen deren weibliche verß eilff sylben/ vnd die
männlichen zehen haben/ nennen die Frantzosen
vers communs
oder gemeine verse/ weil sie bey jhnen sehr im brauche
sind. Wie aber die Alexandrinischen verse auff der sechsten
sylben/ so haben diese auff der vierdten jhren
abschnitt. Als:
So laß den leib in dem du bist gefangen/
Auff/ auff/ mein Geist/ vnd du mein gantzer sinn/
Wirff alles das was welt ist von dir hin.

Weil die Sonnet vnnd
Quatrains
oder vierversichten epi- [G4b]
grammata fast allezeit mit Alexandrinischen oder
gemeinen versen geschrieben werden/ (denn sich die andern fast
darzue nicht schicken) als wil ich derselben gleich hier
erwehnen.
Wann her das Sonnet bey den Frantzosen seinen namen
habe/ wie es denn auch die Italiener so nennen/ weiß ich
anders nichts zue sagen/ als dieweil Sonner klingen oder wiederschallen/ vnd
sonnette eine klingel oder schelle heist/ diß
getichte vielleicht von wegen seiner hin vnd wieder
geschrenckten reime/ die fast einen andern laut
als die gemeinen von sich geben/ also sey ge- tauffet
worden. Vnd bestetigen mich in dieser meinung etzliche
Holländer/ die dergleichen carmina auff
jhre sprache
klinc-
+

Ein jeglich Sonnet aber hat viertzehen verse/ vnd
gehen der erste/ vierdte/ fünffte vnd achte auff eine endung
des reimens auß; der andere/ dritte/ sechste vnd siebende
auch auff eine. Es gilt aber gleiche/ ob die ersten vier
genandten weibliche termination haben/ vnd die andern viere
männliche: oder hergegen. Die letzten sechs verse aber mögen
sich zwar schrencken wie sie wollen; doch ist am
bräuchlichsten/ das der neunde vnd zehende einen reim machen/
der eilffte vnd viertzehende auch einen/ vnd der
zwölffte vnd drey- zehende wieder einen. Zum
exempel mag dieses sein/ welches ich heute im spatzieren gehen/
durch gegebenen anlaß/ ertichtet.
Sonnet.
Du schöne Tyndaris/ wer findet deines
gleichen/
Vnd wolt’ er hin vnd her das gantze landt
durch-
ziehn?
Dein’ augen trutzen wol den edelsten
Rubin/
4 Vnd für den Lippen muß ein Türckiß auch ver-
bleichen/
Der Mund ist Himmelweit/ der halß sticht Att-
stein hin.
Wo ich mein vrtheil nur zue fellen würdig bin/
Alecto wird dir selbst des haares halber weichen/
Der Venus ehemann geht so gerade nicht/
10 Vnd auch der Venus sohn hat kein solch scharff
gesicht;
+

nen.
Weil man dan denen auch die vns gleich nicht sindt
wol/
Geht es schon sawer ein/ doch guttes gönnen
soll/
So wündtsch’ ich das mein feind dich möge lieb
gewinnen

Oder/ im fall dieses jemanden angenemer sein möchte;
Welches
zum theil von dem Ronsardt entlehnet ist:
Ihr/ Himmel/ lufft vnnd wind/ jhr hügel voll
von schatten/
Ihr hainen/ jhr gepüsch’/ vnd du/ du edler
Wein/
Ihr frischen brunnen/ jhr/ so reich am wasser
sein/
Ihr wüsten die jhr stets mußt an der Sonnen
braten/
5 Ihr durch den weissen taw bereifften schönen
saaten/
Ihr hölen voller moß/ jhr auffgeritzten
stein’/
Ihr felder welche ziehrt der zarten blumen
schein/
Ihr felsen wo die reim’ am besten mir
gerhaten/
können/
10 Muß geben guete nacht/ vnd gleichwol muth vnnd
sinnen
Sich fürchten allezeit/ vnd weichen hinter sich/
So bitt’ ich Himmel/ Lufft/ Wind/ Hügel/
hainen/ Wälder/
Wein/ brunnen/ wüsteney/ saat’/ hölen/ steine/
felder/
Vnd felsen sagt es jhr/ sagt/ sagt es jhr vor mich.
Item diß/ von gemeinen versen:

Au weh! ich bin in tausendt tausendt
schmertzen/
Vnd tausendt noch! die seufftzer sind
vmbsonst
Herauff geholt/ kein anschlag/ list noch
kunst
Verfängt bey jhr. wie wann im kühlen
Mertzen
5 Der Schnee zuegeht durch krafft der Himmels
kertzen/
Vnd netzt das feldt; so feuchtet meine
brunst
Der zehren bach/ die noch die minste
gunst
Nicht außgebracht: mein’ augen sind dem
hertzen
Ein schädlich gifft: das dencken an mein
liecht
10 Macht das ich irr’ vnd weiß mich
selber nicht/
Macht das ich bin gleich einem blossen
scheine/
Das kein gelenck’ vnd gliedtmaß weder
krafft
Noch stercke hat/ die adern keinen safft
Noch blut nicht mehr/ kein marck nicht die
gebeine.
Vnd letzlich eines/ in welchem die letzten sechs verse
einer umb
den andern geschrencket ist:
Ich machte diese verß in meiner Pierinnen
Sein mörder selbst zuesein/ da herdt vnd auch altar
In asche ward gelegt durch trawriges beginnen
5 Der blutigen begiehr/ da gantzer völcker sinnen
Vnd tichten ward verkehrt/ da aller laster schar/
Mord/ vnzucht/ schwelgerey vnd triegen gantz vnd
gar
Den platz der alten ehr’ vnd tugendt hielten innen.
Damit die böse zeit nun würde hingebracht/
10 Hab’ ich sie wollen hier an leichte reime wenden.
Mars thut’s der liebe nach das er der threnen lacht:
Mein krieg ist lobens werth/ vnd seiner ist zue
schenden:


Den andern können auch viel tausend noch nicht
enden.
Quatrains
oder quatrini, wie auß dem
namen zue sehen/ sind
vierverßichte getichte oder
epigrammata; derer hat der Herr von
Pybrac
hundert vnd sechs vnd zwantzig im Frantzösischen ge-
schrieben; von welchen ich nur dieses setzen wil:
5 En bonne part ce qu’on dit tu dois prendre,
Et l’imparfaict du prochain supporter,
Couurir sa faute, et ne la rapporter:
Prompt à louër, et tardif à reprendre.
Was man dir sagt solt du zum besten
wenden/
10 Vnd wie du kanst des nechsten seine
schuldt
Beseite thun/ vnd tragen mit gedult:
Zum loben schnell’/ vnd langsam sein zum
schenden.
[H2b] Hier reimen sich der
erste vnd letzte verß so weiblich sind
zuesammen/ vnd die
mitleren zwey männlichen deßgleichen zue-
sammen. Wiewol
man auch einen vmb den andern schrencken
mag/ oder lauter
männliche oder weibliche setzen:
Als:
An meine Venus.
Du sagst/ es sey der Spiegel voller list/
20 Vnd zeige dich dir schöner als du
bist:
Komm/ wilt du sehn das er nicht lügen
kan/
Vnd schawe dich mit meinen augen an.
+
+
Welch epigramma im
lateinischen bey dem
Grudio,
sonsten
einem bösen Poeten/ wiewol er eines
gueten Poetens bruder ist/
gefunden wird.
Die andern verse
mag ein jeder mit sieben/ acht/ fünff/
sechs/ auch vier vnd drey sylben/ vnd entweder die männlichen
oder die weiblichen lenger machen nach seinem
gefallen.
Die reimen der ersten strophe sind auch zue schrencken
auff
vielerley art/ die folgenden strophen aber mussen wegen
der Music/
die sich zue diesen generibus carminum am besten schicken/ auff
die erste
sehen. Ein exempel einer Trocheischen
Ode oder Liedes
ist in dem fünfften Capitel zue
finden. Wil ich
derhalben einen
Jambischen gesang hieher schreiben.
Ode.
Derselbe welcher diese nacht
Erst hat sein leben hingebracht/
Ist eben auch wie die gestorben
Die lengst zueuor verbliechen sein/
5 Vnd derer leichnam vnd gebein
Vor vielen Jharen sind vertorben.
Der Mensch stirbt zeitlich oder spat/
10 Vnd legt sich zue der langen rhue.
Wenn Ohr vnd Auge schon ist zue/
Wer ist der an die Welt gedencket?
Die Seele doch allein vnd bloß/
Fleugt wann sie wird des Cörpers loß/
15 Zum Himmel/ da sie her gerhüret.
Was diesen schnöden leib betrifft/
Wird nichts an jhm als stanck vnd gifft/
Wie schön’ er vormals war/ gespüret.
Es ist in jhm kein geist mehr nicht/
20 Das fleisch felt weg/ die haut verbricht/
Ein jeglich haar das muß verstieben;
Vnd/ was ich achte mehr zue sein/
Die jenige kömpt keinem ein/
Die er für allem pflag zue lieben.
25 Der todt begehrt nichts vmb vnd an:
Drumb/ weil ich jetzt noch wündtschen kan/
So wil ich mir nur einig wehlen
Gesunden leib vnd rechten sinn:
Hernachmals/ wann ich kalt schon bin/
30 Da wil ich Gott den rest befehlen.
Homerus/ Sappho/ Pindarus/
Anacreon/ Hesiodus/
Vnd andere sind ohne sorgen/
35 So/ sagt man nun gleich von mir viel/
Wer weiß geschieht es vber morgen.
Wo dient das wündtschen aber zue/
Als das ein Mensch ohn alle rhue
Sich tag vnd nacht nur selbst verzehret?
40 Wer wündtschet kränckt sich jeder zeit/
Wer todt ist/ ist ohn alles leidt.
O wol dem/ der nichts mehr begehret.
Zue zeiten werden aber beydes Jambische vnd Trocheische verse

Ihr schwartzen augen/ jhr/ vnd du/ auch schwartzes
Haar/
Der frischen Flavia/ die vor mein hertze
war/
Auff die ich pflag zue richten/
Mehr als ein weiser soll/
5 Mein schreiben/ thun vnd tichten/
Gehabt euch jetzundt wol.
Nicht gerne sprech’ ich so/ ruff’
auch zue zeugen an
Dich/ Venus/ vnnd dein kindt/ das ich gewiß
hieran
Die minste schuldt nicht trage:
10 Ja alles kummers voll
Mich stündlich kränck’ vnd plage
Das ich sie lassen soll/ &c.
Die Saphischen gesänge belangendt/ bin ich des
Ronsardts mei- nung/ das sie/ in vnseren sprachen sonderlich/
nimmermehr kön- nen angeneme sein/ wann sie nicht mit
lebendigen stimmen [H4a] vnd in musicalische instrumente eingesungen werden/
welche das leben vnd die Seele der Poeterey sind. Dann ohne
zweiffel/ wann Sappho hat diese verse gantz verzucket/ mit
vneingeflochtenen fliegenden haaren vnnd lieblichem anblicke
der verbuhleten au- gen/ in jhre Cither/ oder was es
gewesen ist/ gesungen/ hat sie jhnen mehr anmutigkeit gegeben/
als alle trompeten vnd paucken den mannhafftigen vnnd kühnen
versen/ die jhr Landtsmann Alcéus/ als er ein
Kriegesoberster gewesen/ ertichtet hat. Zum
+
+
Belle dont les yeux doucement m’ont tué,
Par vn doux regard qu’au cœur ils m’ont
rué,
5 Et m’ont en vn roc insensible mué
En mon poil grison:
Que i’estois heureux en ma ieune saison
Auant qu’auoir beu l’amoureuse poison!
Bien loin de souspirs, de pleurs et de prison
10 Libre ie vivoy, &c.
Eine ander solche Ode hebet er also an:
Mon âge et mon sang ne sont plus en vigeur:
Les ardents pensers ne m’eschauffent le cœur,
Plus mon chef grison ne se veut enfermer
15 Sous le ioug d’aimer, &c.
In den Pindarischen Oden/ im fall es jemanden sich daran zue
machen geliebet/ ist die στϱοφή frey/
vnd mag ich so viel verse vnd reimen darzue nemen als ich wil/
sie auch nach meinem ge- fallen eintheilen vnd schrencken:
ἀντιστϱοφή aber muß auff die
στϱοφήν sehen/ vnd keine andere ordnung
der reimen machen:
ἐπῳδός ist wieder vngebunden. Wan wir dann mehr
strophen tichten wol- [H4b] ten/ mussen wir den ersten in allem nachfolgen:
wiewol die Gelehrten/ vnd denen Pindarus bekandt ist/ es ohne
diß wissen/ vnd die andern die es aus jhm nicht wissen/ werden
es auß diesem berichte schwerlich wissen lernen. Ich vor
meine person/ bin newlich vorwitzig gewesen/ vnd habe mich
vnterwinden dürffen auff Bernhardt Wilhelm Nüßlers
/
meines gelehrtesten freundes/
+
+
Στϱοφὴ α. Du güldne Leyer...
[= Nr. 63.3, S. 321 oben; auf
Bl. I3a
folgt] Trawerliedt vber
das absterben Herren Adams von Bibran/ auff Profen vnd Damßdorff
.
Ex Italico summi viri Abrahami Bibrani, Adami fratris, quamuis
paullo liberius, translatum.
STRO. I.
O Die selig’ edle Seele/
Die sich in die wahre rhue
Nach dem hohen Himmel zue
Auß des Leibes finstern höle
5 Frewdig hat hienauff gemacht;
Da sie dann/ wie bey der nacht
Vor den andern kleinen Sternen
Phebe selber/ gläntzt von fernen/
Da sich Gott jhr vmb vnd an
10 Zeigt zue sehn vnd zue geniessen/
Das gestirne tretten kan.
ANTISTRO. I.
Wie die vlmen durch die reben
Mehr als sonsten lieblich sein;
15 Wie der Lorbeerbawm den schein
Seinen wäldern pflegt zue geben/
+
Pallas weinet für vnd für/
Ceres voll von weh vnd zehren
20 Leget jhren krantz von ähren
Vnd die sichel hinter sich:
Profen/ deine lust vnd frewde
Lieget gantz vertiefft im leide/
Vnd gedencket nur an dich.
EPOD. I.
25 Das auch betrübte graß beklagt dich bey den
brunnen/
Für das reiche korn
Wächset tresp’ vnd dorn;
Es trawret selbst das große radt der
Sonnen/
Vnd hüllet vmb sich her der wolcken schwartzes
kleidt;
30 Tranck vnd eßen
Wird vergeßen
Von aller herd’ vnd vieh’ ohn
vnterscheidt.
STRO. II.
Berg’ vnd thäler hört man ruffen
Bibran/ Bibran/ tag vnd nacht;
Aber nein/ des todes macht
35 Lest sie gantz vergebens hoffen.
Wird der klee zue winterszeit
Durch das eiß gleich abgemeyt/
Sehen wir jhn doch im Lentzen
40 Täglich fellt die Sonn’ in’s meer/
Scheinet aber morgen wieder:
Legt ein mensch ein mal sich nieder
Er kömpt nimmer zue vns her.
ANTISTRO. II.
Wil derwegen vns gebühren
45 Wie es möglich nur mag sein
+
+
Allenthalben außzueziehren
Mit dem frembden tulipan
Tausendtschön vnd maioran/
50 Mit violen vnd narcißen/
Vnd den blumen bey den flüssen
Die vom Mertzen sind genannt.
Sonderlich soll jhm sein leben
Auff das newe wiedergeben
55 Der Poeten weise handt.
EPOD. II.
Ihr keuschen Lorbeersträuch’/ an denen
gäntzlich lieget/
Das ein mensch der schon
Muß allhier darvon
Doch in der grub’ ein ewiges lob
kriget/
60 Schawt das jhr für den todt dem edlen
cörper hier
Gleichfalls rahtet/
Vnd vmbschatet
Mit grüner lust sein’ asche für vnd
für.
+
Das VIII. Capitel Beschluß dieses buches.
[I4b] SO viel ist es/ was ich
von vnserer Poesie auffsetzen wollen. Wiewol ich keinen zweiffel
trage/ es sey noch allerseits eines vnd das andere zue
erinnern/ welches nicht weniger notwendig seyn mag/ als etwas von
denen sachen/ derer ich erwehne. Es kan auch wol sein/ das mir in
dem eilen (denn ich vor fünff tagen/ wie meine freunde wissen/ die
feder erst angesetzt habe) diß vnd jenes mag
einkommen sein/ das entweder gar außengelassen/ oder ja im minsten verbeßert sollte werden. Ich hoffe aber/ es wird mir
der guethertzige Leser/ in betrachtung der kurtzen zeit so ich
hierbey verschloßen/ etwas vbersehen/ vnd bedencken/ Rom sey nicht
+


Es ist ein Geist in vns/ vnd was von vns geschrieben/
Gedacht wird vnd gesagt/ das wird durch jhn getrieben.
Wo diese natürliche regung ist/ welche Plato einen Göttli-[K1a]
chen furor
nennet/ zum vnterscheide des aberwitzes oder blödig- keit/ dürffen weder erfindung noch worte gesucht werden;
vnnd wie alles mit lust vnd anmutigkeit geschrieben wird/ so wird
es auch nachmals von jederman mit dergleichen lust vnd anmutigkeit
gelesen. An den andern wollen wir zwar den willen vnd die be-
mühung loben/ der nachkommenen gunst aber können wir jhnen nicht verheißen.
Wiewol wir die vbung vnd den fleiß nicht verwerffen: dann im fall dieselbigen mit der natur vereiniget werden/ muß etwas folgen das böse mäuler leichtlicher tadeln können als nachmachen.
Eine
guete art der vbung aber ist/ das wir vns zueweilen auß
den
+



25 XIII · ROMAE · CERTAMINE ·
IOVIS · CAPITOLINI · LVSTRO ·
SEXTO · CLARITATE · INGENI ·
CORONATVS · EST · INTER ·
+ + +
SENTENTIIS · IVDICVM ·

Plinius der Jüngere/ welcher vber alle seine sachen
gelehrter freunde guet achten erfodert/ saget in der 17. Epistel
des 7. Bu- ches/ das jhn diese gewohnheit gar nicht rewe.
Denn er bedächte/ welch ein grosses es sey/ durch der leute hände
gehen/ vnd könne jhm nicht einbilden/ das man dasselbe nicht solle
mit vielen vnd zum offtern vbersehen/ was man begehret/ das es
allen vnd immer gefallen solle.
Welches denn der grösseste lohn ist/ den die Poeten zue gewarten haben; das sie nemlich inn königlichen vnnd
fürst- lichen Zimmern platz finden/ von grossen vnd verständigen
Män- nern getragen/ von schönen leuten (denn sie auch das Frawen-
zimmer zue lesen vnd offte in goldt zue binden pfleget) geliebet/
in die bibliothecken einverleibet/ offentlich verkauffet vnd von
jeder- man gerhümet werden. Hierzue kömpt die hoffnung
vieler künffti- gen zeiten/ in welchen sie fort für fort grünen/
vnd ein ewiges ge- dächtniß in den hertzen der nachkommenen
verlassen. Diese glück- seligkeit erwecket bey auffrichtigen
gemüttern solche wollust/ das Demosthenes sagete/ es sey jhm nichts angenemers/ als
wenn auch nur zwey weiblein welche wasser trügen (wie zue
Athen bräuchlich war) einer den andern einbliesse: Das ist
Demosthenes
. Welcher
ob er zwar als der vornemeste redener in hohen ehren
gehalten worden/ ist doch der rhum nicht geringer denn Homerus erlanget.
+
+
+








Nebenst dieser hoheit des gueten namens/ ist auch die vnver- gleichliche ergetzung/ welche wir bey vns selbst empfinden/ wenn wir der Poeterey halben so viel bücher vnnd schrifften durch



An den Leser Günstiger Leser/ weil ich bey verfertigung des Büchleins nicht gewesen/ ist es/ sonderlich was die Griechischen wörter betrifft/ etwas falsch gesetzet worden; dessen ich auch hiermit erinnern wollen.
Lit. A. fac. 8. inimice venae.
B. f. 2. .
f. 3. heutiges tages f. 5. ἰδιότητα. ibid. Manilius.
C. f. 1. μὲν. ib. genawe. ib. d’escorte. f. 6. habe
D. f. 4. die kürtze.
E. f. 2. Ζωὴ και. f. 3. nechst. ib. L’irrite-mer.
f. 7. Ie vy le ciel. ib. auff eine andere. f. 8. abstehlen.
ib. machen möge.
F. f. 7. stehen lassen. f. 8. ϑάλασσα. ib. ϑάλασσα. ib.
distichon. ib. anacreonten.
G. f. 3. das die Lateiner nach. f. 4. Lateinischen haxametros.
ib. vers communs oder. f. 7. jhren abschnitt.
H. f. 1. der mundt ist Himmelweit. ib. In summa.
I. f. 6. STRO. II.
K. f. 1. ἐγκϱίνεσϑαι.
Das vbrige/ dessen ich vieleichte nicht gewahr worden; wollet jhr vnbeschweret selber zu rechte bringen.
[L1b] Hierneben habe ich auch
nicht sollen vnerwehnet lassen/ das mir vnlengst eines gelehrten
mannes in der frembde schreiben
zuekommen/ welcher der meinung ist/ wann wir
die eigentlichen namen der Götter vnd anderer sachen/ als Jupiter/
Orpheus/ Phe- bus/ Diana vnnd dergleichen in vnsere sprache
brächten/ würde sie nicht von allen verstanden werden/ vnd solte
man sich dieselben Deutsch zue geben befleissen. Wie aber solches
vnmöglich ist
/ vnd
+
+
+
