Acht Bücher Deutscher Poematum (Sammlung B)

[Druckausgabe S. 524]

72. Sz 62. 1624Acht Bücher Deutscher Poematum (Sammlung B)

Kupfertitel: [Hauptfeld] MARTINI OPITII | Acht Bücher, | Deutscher Poematum | durch Ihn felber heraus gege- | ben / auch also vermehret vnnd | vberfehen / das die vorigen | darmitte nicht zu uergleichen findt. | Inn Verlegung Dauid | Müllers Buchhand- lers | Inn Breßlaw, | [Schnörkel, der sich bis hinunter in die Mitte der Jahreszahl zieht] | 16 25. [Zu den Inschriften in der bildlichen Darstellung siehe die Beschreibung.]

40: a–c2, A–Vv. Exemplare: Yale Univ. Library (FdF 204, Film); 2 Staatsbibl. Preuß. Kulturbes. (Yh 9406 u. Yh 9406a); S. u. UB. Göttingen; 2 im Privatbesitzt des Hrsg.s.

Gliederung: [a1] Titelblatt; Rückseite leer. [a2a] bis [b3a] Widmung an Ludwig von Anhalt; Kolumnentitel: Vorrede. [b3b] bis [c1a] Lat. Empfehlungsgedichte und frz. Brief. [c1b] bis [c2a] An den Leser. (= Errataliste). [c2b] leer. [A1a] Sondertitel: Erstes Buch der Poetischen Wälder. [A1b] leer. [A2a] bis [A4b] Präliminarien, [B1a] bis [D3a] Opitz’ Lobgesang über den ... Geburtstag ... Christi und die Anmerkungen dazu. [D3b] bis [F2a] Texte einzelner Gedichte. [F2b] leer. [F3a] Zwischentitel von Heinsii Lobgesang Christi. [F3b] bis [G2a] Präliminarien, [G2b] bis [K3a] (verdruckt als K2) Opitz’ Über- setzung von Heinsii Lobgesang Christi. [K3b] leer. [K4a] Sondertitel: Anderes Buch... [K4b] bis [L3a] Präliminarien, [L3b] (= S. 1) bis [P1b] (= S. 29) Zlatna und die Anmerkungen dazu. [P2a] (= [S. 30]) Zwischentitel: Lob des Felddlebens. [P2b] leer. [P3a] (= S. 31) bis [P4b] (= S. 34) Widmung an Teubner, [Q1a] (= S. 35) bis [Q3b] (= S. 40) Lob des Felddlebens. [Q4] Zwischentitel: Heinsii Lobgesang Bacchi; Rückseite leer. [R1] (= S. 41/42) Widmung an Geisler, [R2a] (= S. 43) bis [T4b] (= S. 64) Lobgesang Bacchi. [V1] Sondertitel: Drittes Buch...; Rückseite leer. [V2a] (= S. 65) bis [Aa4a] (= S. 101) Gedichte von »allerhand Sachen«. [Aa4b] leer. [Bb1] Sondertitel: Vierdtes Buch...; Rückseite leer. [Bb2a] (= S. 102) bis [Ee1b] (= S. 125) Hochzeitsgedichte. [Ee2] Sondertitel: Fünftes Buch...; Rück- seite leer. [Ee3a] (= S. 126) bis Ff1a] (= S. 130) Präliminarien, [Ff1b] (= S. 131) bis [L12b] (= S. 173) Amatoria

[Druckausgabe S. 525]
und weltl. Gedichte. [Ll3a] Sondertitel: Oden und Gesänge (= Buch 6). [Ll3b] (= S. 174) bis [Ll4a] (= S. 175) Lat. Wid- mungsgedicht an Huebner. [Ll4b] (= S. 176) bis [Pp2b] (= S. 204) mit dem bis Ende des Bandes laufenden Kolumnentitel Der Poetischen Wälder | Fünfftes Buch. Texte der Oden. [Pp3a] Son- dertitel: Sonette (= Buch 7). [Pp3b] (= S. 205) Lat. Prosawid- mung an Lingelsheim. [Pp4a] (= S. 206) bis [Ss1b] (= S. 225) Sonette. [Ss2a] Sondertitel: Deutsche Epigrammata. (= Buch 8); Rückseite leer. [Ss3a] (= S. 227) bis [Vv3b] (= S. 244) die Epi- gramme und zuletzt einige längere Gedichte, die eigentlich »zu ende des dritten Buches« (A.d.L.) gehören. [Vv4] leer.

Kupfertitel: Der oben angegebene Wortlaut des Titels steht im rechteckigen Mittelfeld (65 × 56 mm) zwischen zwei kantigen Säulen eines reichverzierten Portals. Zuoberst über dem sich oberhalb des Mittelfeldes befindlichen Giebelfelde reitet Amor (Lorbeerkranz in der Rechten, Köcher auf dem Rücken, in der Linken den Bogen) auf einem Adler mit gespreizten Flügeln. Im Giebelfeld selbst, in einem Rahmen von 21 × 51 mm Innenraum, erscheint eine Landschaft mit Gebäuden und, links vom Be- schauer, einem Röhrenbrunnen. Im Vordergrund ruht ein unbe- kleideter Jüngling. Unterhalb einer abgeflachten Maske in der Mitte des unteren Bildrahmens und in ihrem eigenen Rechteck liest man die Inschrift: ET SECURA QUIES ET NESCIA FALLERE VITA, ein Zitat aus Verg. Georg. II, 467. Amor und Landschaftsbild befinden sich zwischen zwei architektonischen Voluten mit Blattwerk; vor jeder Wölbung erhebt sich eine steile Pyramide, die mit vier Kugeln auf den Säulen des Portals ruht.

Vor jeder Säule steht eine durch Sockelinschrift identifizierte üppige Figur: links Germania, rechts Fama. Beide tragen wal- lende Gewänder und sind gerüstet. Germanias Haupt ist mit einem Lorbeerkranz geziert; mit der Rechten hält sie einen an ihre rechte Schulter gelehnten Helm. Die geflügelte Fama stützt ihre Linke auf eine Fanfare, deren Trichter links unten hinter ihr sichtbar wird. Mit der Rechten hält sie ein einmal gewundenes, trompeten- ähnliches Horn an den Mund.

Unter dem Titelfeld, zwischen zwei verzierten Sockelvorbauten, in einem Rechteck von 21 × 56 mm, vor einer hügeligen Flußland- schaft stützt sich ein bärtiger, nur mit einem Lendenumwurf be- kleideter, laubgekrönter Flußgott mit dem linken Arm auf ein

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getriebenes Metallgefäß, aus dem sich ein Wasserstrom ergießt. Die Parallele dieser Gestalt mit der des Jünglings im obersten Felde ist unverkennbar. Unter dem Landschaftsbilde im Rahmen erscheint die Inschrift VIADER (= die Oder). Die Bildfläche des gesamten Titels mißt 159 × 127 mm, die Platte 162 × 131.

Obige Beschreibung berücksichtigt bei weitem nicht alle dar- gestellten Einzelheiten. Der Kupferstich macht den Eindruck eines barocken Bildes, im Gegensatz zum Kupfertitel der Samm- lung A, der einfacher und renaissancehaft wirkt. Auch die Er- scheinung des Buchinneren ist bedeutend abwechslungsreicher als die von A.

Zur Typographie und Ausstattung: Wir wissen nicht, bei wel- chem Leipziger Drucker der Verleger dies Werk in Auftrag gab; Müller ließ um diese Zeit u.a. bei Johann Albrecht Mintzel arbei- ten. Wer immer es war, seine Offizin war der Aufgabe nicht ganz gewachsen und Opitz’ Acht Bücher ist ein Werk mit mehr Fehlern, als handwerksüblich war. Die Ausstattung ist aufwendiger als die von A: Abwechslung der Typen nach Art und Grad, Zierate, Sonder-, Zwischen-, Kopf- und Kolumnentitel fallen ins Auge. Das Papier ist beim Gros der Auflage allerdings von geringer Qualität und heute stark gebräunt; ein Wasserzeichen ist nicht festzustellen. Exemplare mit besserem, hellerem Papier kommen vor.

Die Kolumnentitel lauten: von Bl. b4a bis c1a Vorrede.; sodann, ab B1a bis Vv3b (= S. 244) Der Poetischen Wälder | Erstes (Anderes, Drites, Vierdtes, Fünfftes) Buch. Erwartungs- gemäß erscheinen Kolumnentitel nur auf vollen Textseiten, d.h. nicht auf Seiten mit Kopftiteln. Da die Bücher 6 bis 8 auf den Sondertiteln nicht spezifisch mit Buchzählung bezeichnet waren, blieb der falsche Kolumnentitel ... Fünfftes Buch. stehen. In einer qualitätsbewußteren Offizin wären auf S. 244 beide Teile des Kolumnentitels in kleinerem Schriftgrad in einer Zeile ver- wendet worden.

Die Seitenzählung beginnt fehlerhaft erst auf Bl. L3b; zwölfmal steht die Zahl in der Mitte über der Kolumne; sonst erscheint sie in der linken, bzw. rechten oberen Ecke. Seitenzahlen sind ver- druckt auf S. (recte) 37 (als 39); 175 (als 176); 324 (als 134) und 240 (als 140). Zählung oder Nichtzählung bei Sonder- und Zwi- schentiteln wird im folgenden jeweils angegeben. Kopfleisten

[Druckausgabe S. 527]
finden sich auf Bl. a2a, A2a, B1a, F3b; sowie auf S. 1, 31, 35, 41, 43, 65, 102, 126, 174, 206 und 239. Die Signaturbezeichnung K3 ist (als K2) verdruckt.

Zahlreiche Unstimmigkeiten zwischen Kustos und Anfangs- wort sind vorhanden, doch sind die Unterschiede mechanischer Art: die Schreibung ist leicht abgewandelt, Zeichensetzung bleibt unbeachtet, Typenart oder -grad wechselt usw. – alles in Grenzen des damals Üblichen. Zu verzeichnen wäre: C3b Streit] fälschlich als Kustos gesetzt; C4a mit; 144 Von] 145 Vom. Fehlende und (anscheinend) übersprungene Kustoden werden hier nicht auf- gezählt.

Als Hauptzierat dient eine rechteckige Arabeske von 29 × 68 mm; sie erscheint auf Bl. c2a, A1a, F2a, K3a, und auf S. 40, 42, 64, 101 und 225. Eine kleine, rechteckige Arabeske von 7 × 32 mm befindet sich auf Bl. Q4a, eine dreieckige (34 × 36 mm) auf A4b. Kleine Ornamente aus drei Eicheln um (o) gruppiert erscheinen auf D3a, G2a, L3a, S. 29, 97, 125, 173, 175, Bl. Pp3a und S. 205.

Größere Anfangsbuchstaben sind zahlreich vorhanden; Ini- tialen oder sogenannte »musizierte« Buchstaben finden sich jedoch nur auf Bl. a15 (ein mus. B, 25 × 24 mm), A25 (D mit Laub u. Früchten, 22 × 22), S. 1 u. 35 (mus. W, 21 × 20), S. 41 (S mit drei Putten, der rechte Rand abgesägt, 30 × 28); womöglich auch B1a u. S. 102 (mus. I), S. 31 u. 65 (mus. A) usw. Üblicherweise wurde der Anfangsbuchstabe eines Gedichts oder Prosatextes in einem größeren Schriftgrad gesetzt, der zweite als Versalie der verwen- deten Normalschrift. Gelegentlich wird die erste Zeile auch noch durch die Zitiertype hervorgehoben; so auf Bl. a2a (mit Aus- zeichnung durch größere Type am Ende, bei der Unterschrift), c1b, A2a, G1b, L3a, S. 35 u. 43.

Zeilenzählung, nötig wegen der Anmerkungen, findet sich nur beim Lobgesang über den ... Geburtstag ... Christi und bei Zlatna; jede vierte Zeile ist beziffert.

Bei normalem Typengrad enthält die Seite meist 32 Zeilen plus Kolumnentitel und Signaturzeile. Der Satzspiegel ist maximal 157 × 108 mm (inklusive Kolumnentitel und Signaturzeile/Ku- stoden). Abweichender, kleinerer Schriftgrad zeigt sich bei der Vorrede und bei Inhalt vnd Nutz vor Heinsii Lobgesang Christi. Größere Schrift weisen auf: die Vorrede vor Zlatna; die Widmung vor Lob des Feldlebens; das Gedicht .36, Venators

[Druckausgabe S. 528]
Liminärgedicht i; ferner .50 (dt.) und .56a (lat.). Außer durch Größe der Typen bei Texten und besonders bei Überschriften wurde noch durch Sperrung und mittels Verwendung der Schwa- bacher Variante der deutschen Schrift differenziert. Vorliegende Ausgabe vereinfacht überall: Typengrade wurden tunlichst auf zwei Größen, 9 und 10 Punkt, reduziert, Schwabacher wurde nicht, Sperrung fast nie wiedergegeben. Die verschieden lang gehaltenen Zeilen der Zwischentitel und Überschriften sind um die Mittelachse der Kolumne arrangiert. Am Ende eines Werkes finden sich Spitzkolumnen auf Bl. A4b, D3a, F3b, F4b und G2a. Die zwei letztgegannten Arrangements sind in vorliegender Aus- gabe weitgehend erhalten geblieben; Veränderungen werden durch Vertikalstrich angezeigt.

Über die Entstehung der Sammlung und ihres Druckes liegen folgende Nachrichten vor: In einem Brief vom 6. Nov. 1624 aus Bunzlau an Zincgref (Rei 151) teilt Opitz mit, er wolle nicht, daß die Sammlung A (in Straßburg) neu aufgelegt werde; er stehe selbst im Begriff, die Gedichte zu überarbeiten und sie in neuer Anordnung als »quasi opus prorsus novum« herauszubringen. Am 28. Dez. erfährt Lingelsheim, damals in Straßburg (Rei 156), er habe seine Gedichte um mehr als die Hälfte vermehrt und in 3 Bücher Silven, 2 Bücher Oden und 3 Bücher Epigramme ein- geteilt. Im Brief vom 16. Febr. 1625 aus Liegnitz (Archiv f. Lit.- gesch. V, 339) hört Buchner zwar noch nichts über die Neugestal- tung der Sammlung, doch erbittet Opitz sich ein Lobgedicht (‹Epigramma›) »ante instantes nundinas«, er erhielt »Virtute et armis«. Das Manuskript wird bald nach des Dichters Rückkehr aus Wien, also etwa Ende April, fertig geworden sein. Am 10.Mai schreibt Opitz aus Breslau an Venator (Rei 170), die Poemata Germanica seien dem Verleger übergeben worden und sollten zur nächsten Messe vorliegen. Am selben Tage (Geiger, Mittheil., Brief XI mit korrigiertem Datum) bittet Opitz, Buchner möge von Huebner (dem er das Buch der Oden zugeschrieben habe) die Titel und Ehrenbezeichnungen des Hauses Anhalt erfragen, denn er wolle auf Kirchners Rat hin die Sammlung als Ganzes den An- haltinern widmen; zugleich dankt er für das ›Epigramma‹Sachanmerkung.

[Druckausgabe S. 529]

Den Sommer über reiste Opitz in Sachsen und hielt sich, u.a. bis Ende Juli in Wittenberg auf. Daß er sich um den in Leipzig stattfindenden Druck gekümmert hat, ist nicht bezeugt. Bei seiner bekannten Abneigung gegen Korrekturlesen ist es nicht wahr- scheinlich. Am 8. Sept. schreibt er aus Bunzlau an Lingelsheim (Rei 177), die von ihm selbst sorgfältig überarbeitete Sammlung der Gedichte werde neu aufgelegt, der Drucker sei nachlässig ver- fahren, dem pfälzischen Rate habe der Dichter das 6. (recte 7.) Buch gewidmet. Bestürzt teilt Opitz sodann am 11. Okt. aus Dresden dem Freunde Buchner mit (Archiv f. Lit.gesch. V, 343), die ersten fünf Bücher seien schon in Leipzig gesetzt, jetzt fordere der Verleger von ihm die übrigen drei, die er aber in keiner Weise nachliefern könne. Die Meldung erwies sich als irrig. Sicher hatte das Mißverständnis damit zu tun, daß die Kolumnentitel über Buch 6 bis 8 falsch gesetzt worden waren (wie sie ja auch falsch stehenblieben). Die Auslieferung muß kurz nach obigem Datum erfolgt sein. David Müller hatte in den Frankfurter Fasten-Meß- Katalog von 1625 (Bl. E1b) einrücken lassen: »[Martini Opitij] Achtbücher Teutscher Poematum ... in 4«; im Herbstkatalog wird Opitz überraschenderweise gar nicht erwähnt. Am 12. Nov. A B C FI 1 Gruter, Indole — — 2 Bern., Non levis — — 3 Ham., Parce (siehe unten.) (siehe unten.) (siehe in F II.) 4 Ham., Ha, salvete (siehe unten.) (siehe unten.) (siehe in F II.) 5 Barth,Germanae 1 Barth,Germanae 1 Barth,Germanae 1 Barth,Germanae 2. Barth, Potor 2 Buch., Virtute 2 Buch., Virtute 3 Buch., Virtute 6 Zinc., Hactenus 3 Zinc., Hactenus 3 Zinc., Hactenus 4 Zinc.,QualisSachanmerkung 7 Ven., Res est 4 Ven., Res est 4 Ven., Res est 5 Ven., Res est 5 Gruter, Lydius — 8 Grot., O patria 5 Grot., O patria — — 6 Fabr., Brief 6 Fabr., Brief — F II 1 Grot., Quod misisti 7 Grut., Utile 7 Grut., Utile 2 Grut., Utile 8 Ham., Parce 8 Ham., Parce 3 Ham., Parce 9 Ham., salvete 9 Ham., salvete 4 Ham., salvete

[Druckausgabe S. 530]
1625 waren noch keine Exemplare in Straßburg eingetroffen (Berneggers Brief, Rei 182). Die erhaltene Korrespondenz bringt keine weiteren Nachrichten über die Sammlung B.

Zur Neuordnung der Gedichte, die jetzt aus Gründen der Gat- tungszugehörigkeit und des gesellschaftlichen Gefälles eingeord- net wurden, siehe Gellineks Kapitel »Ausgabengestaltung als Ge- halt«, Gel 11–25, besonders 13–15. Die Empfehlungsmaterie er- hielt in B eine Umstellung, die dann im großen und ganzen bis zur Ausgabe letzter Hand beibehalten wurde. Siehe die Tabelle auf S. 529.

[a1a]

Titel; Rückseite leer

[a2a]

Dem Durchleuchtigen / Hochgebornen Fürsten vnd Herren / Herren Ludwigen / Fürsten zu Anhalt; Grafen zu Ascanien vnd Ballenstadt; Herren zu Zerbst vnd Berenburg; Meinem gnädigen Fürsten vnd Herren.Sachanmerkung

GNädiger Fürst vnd Herr / Aus Betrachtung der Zeiten / vnd Ent- gegenhaltung des Verlauffs der Dinge / so sich jemals zugetragen haben / befinden wir / daß wie Regimentern vnd Policeyen / also auch mit jhnen der Geschickligkeit vnnd freyen Künsten jhr ge- Sachanmerkung + + +

[Druckausgabe S. 531]
wisses Ziel vnd Maß gestecket sey / vnnd sie auff ein mal mit ein- ander entweder steigen oder zu Grunde gehen. Welches wie es zwar zuförderst der grössern Gewalt vber vns zugeschrieben wer- den muß; jedoch ist nachmals von denen Vrsachen / die wir Men- schen ergründen mögen / diese wol die fürnembste / daß gelehrter Leute Zu- vnd Abnehmen auff hoher Häupter vnd Potentaten Gnade / Mildigkeit vnnd Willen sonderlich beruhet.

Von den Römern / vnnd zwar jhrer Poeterey alleine / zu sagen / so haben jhre Keyser diese Wissenschafft so lange in jhren Schutz vnd Förderung genommen / so lange jhr Reich vor Einfall barba- rischer Völcker vnnd eigener Nachlessigkeit bey seinen Würden verblieben ist. Der vnüberwindliche Cajus Julius hat das Keyser- thumb vnd die Poeterey (gleichsam als sie beysammen seyn müsten) zu einer Zeit auffgerichtet vnd erhöhet. Seine ReiseSachanmerkung (dessen Namens hat er ein Getichte gemacht) ist von männiglich gelesen [a2b] worden. Daß jhm Euripides muß bekandt gewesen seyn / zeiget sein täglicher Spruch an / den er aus diesem Trawerspiel- schreiber genommen.Sachanmerkung Licinius vnd Catullus / ob sie wol so ehren- rührige vnnd schändliche Verse auff jhn geschrieben hatten / daß wir auch jetzund noch daraus nicht minder des grossen Heldens Vppigkeit / als aus andern Schrifften seine fürtreffliche Thaten sehen können; jedennoch als Calvus durch gute Freunde vmb Aus- söhnung bey jhm anhalten lassen / hat er am allerersten vnnd aus freyem Willen an jhn geschrieben: Catullus aber ist von jhm / eben den Tag als er Abtrag gethan / zur Taffel gezogen / vnd in beharr- licher Gnade gehalten worden.Sachanmerkung Was sein Sohn Augustus für ein artlicher vnd sinnreicher Poet gewesen sey / würden seine Sicilia / + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 532]
Achilles / aus der-See-steigende Venus / vnd andere SachenSachanmerkung er- weisen / wann die Vnbilligkeit der Zeit vns dieselbigen nicht miß- gönnet hette. Darumb ist sein Hoff auch ein Auffenthalt vnd Zu- flucht gewesen aller Poeten. Aus diesen ist sonderlich Mecenas an zu ziehen / deme er / so zu sagen / sein gantz Hertze vertrawet hatte. Item / Alphenus VariusSachanmerkung / PollioSachanmerkung / Cornelius Gallus / wel- cher / vngeachtet seiner geringen Ankunfft / von jhm zum Ver- walter vber Egypten gemacht ist worden.Sachanmerkung Was Virgilius bey jhm gegolten / ist aus diesem abzunehmen / daß er auff instendiges Begehren / er solte jhm dem Keyser nur etwas von seiner fast aus- gefertigten Eneis vberschicken / solches nichts desto weniger hinterzogen / vnd erst lang hernach in seinem vnnd der Octavien Beywesen das andere / vierdte vnd sechste Buch darvon gelesen hat; in welchem letzten vnter andern auch jhr Sohn Marcellus / der im sechzehenden Jahre todes verbliechen / mit solchen Wor- ten berühret wird / daß die Eltern vor grossem weinen den Poeten stille zu schweigen vermahnen musten.Sachanmerkung

Den Horatius betreffende / so haben wir noch etwas von Schrei- ben / darinnen jhn der leutselige Herr zu seinem Secretar be- gehret/ vnnd vnter andern saget/ ob gleich Horatius seine Freund- schafft hoffertiger weise ausgeschlagen hette/ daß er jhm dennoch nicht wolte wieder gram seyn. Sonsten spricht er an einem Orte zu jhm: Wisse/ daß ich mit dir zürne/ weil du meiner in deinen + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 533]
Schrifften nicht zum öfftern erwehnest. Fürchtest du / es [a3a] werde dir bey den Nachkommenen eine Schande seyn / daß du dich so gemeine mit vns gemacht habest?Sachanmerkung

Daß Ovidius / als ein gelehrter höfflicher Edelman / in Gnaden gewesen / ist aus seiner Vngnade zu sehen; Denn er ohne grosse Kundschafft bey Hofe in dieselbte nicht gerathen were.

Im vbrigen / so hat der weise Fürst auch des Apollo vnnd der Musen Tempel bloß darumb auffgebawet / daß die Poeten vnnd Redner darinnen sich vben / vnnd jhre Sachen ablesen köndten.Sachanmerkung Sind derowegen vber die obgenandten / Propertius / BassusSachanmerkung / Tibullus / vnd andere schöne Gemüter hauffenweise herfür ge- brochen / vnd haben die Poeterey so hoch getrieben / daß sie nach- mals entweder also verbleiben / oder nothwendig geringer werden müssen.

Tiberius solte sampt mehren seines gleichen mit stillschweigen vbergangen werden / wann nicht von guten Leuten offte was böses / vnnd von bösen auch was gutes verübet würde.Sachanmerkung Dieser hat Griechische vnnd Lateinische Vers getichtet / vnd ist Poeten so hold gewesen / daß jhm die Gelehrten jhre Sachen in grosser Menge zugeschrieben haben. Griechisch aber vnter Latein zu mischen (wie in vnserer Sprache ein vbeler Gebrauch ist) hat er so sehr vermieden / daß er auch eines / als er etwas auff Römisch zu geben im Rathe nicht vermochte / vmb Verzeihung gebeten / daß + + + + + +

[Druckausgabe S. 534]
er sich eines frembden Wortes gebrauchen muste.Sachanmerkung An welcher Tugend Ewre Fürstl. Gnade jhme so ähnlich ist / als sie jhm vn- ähnlich ist an dem jenigen / was von Regenten fürnemlich erfor- dert wird.

Ferner Claudius war so vnachtsam vnd fast blöde / daß seine Mutter Antonia von jhm gesaget hatte / die Natur hette jhn nicht ausgearbeitet / sondern nur angefangenSachanmerkung; ja daß jhn seine Leute/ wann er zuweilen vber Tische eingeschlaffen ist / mit Oliven- vnnd Daddelkernen geworffen habenSachanmerkung: doch hielt er die Poeten so werth/ daß er/ als er ohn gefehr im Spatzierengehen auff dem Pallaste / laut reden vnd schreyen hörete / vnd jhm gesaget ward / der Nonius lese seine Vers / geschwinde vnd vnversehens hingieng/ vnd einen Zuhörer gabe.Sachanmerkung Zu Lyon in Franckreich stifftete er vnter den Rednern vnd Poeten bey des Augustus Altare eine stattliche Vbung / vnnd satzte vor die so gewinnen oder verlieren würden ge- wisse Verehrung vnd [a3b] Straffen aus.Sachanmerkung Den Homerus wuste er bey aller Gelegenheit her zu sagenSachanmerkung: wiewol er sonsten so vnbe- dächtig vnd vergeßlich war / daß er viel / welchen er zuvor den Kopff nehmen lassen / auff den andern Tag hernach zu der Taffel vnd auff ein Bretspiel begehrete; item als Messalina auff seinen Befehl hingerichtet worden / stracks hernach fragte / wie er sich etwas nidergeleget hatte / warumb doch seine Gemahlin nicht käme.Sachanmerkung Nero war von Art zur Poeterey geneiget / vnnd hat ohn + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 535]
alle Müh einen stattlichen Vers weg gemachtSachanmerkung; wie dann Plinius des Getichtes erwehnet / darinnen er seiner Poppeen Haar gerühmet habe.Sachanmerkung

Darumb hat er viel solcher Leute zu sich genommen / vnnd ist auch Seneca bey jhm angegossen worden / als ob er jhm gleichsam zu trutze / vnd jhn darinnen zu vberwinden / der Poeterey nach- hienge. Ihm hat Lucanus seine Bücher von der Pharsalischen schlacht vbergeben: wie Valerius Flaccus die Argonautica dem Vespasian; welcher gute Poeten soll zu sich erkaufft haben.Sachanmerkung

Sein Sohn Titus hat von der Hand weg geschrieben was jhm be- liebet hat.Sachanmerkung Domitianus richtete Minerven zu Ehren ein Fest an / auff welchem die Poeten vnter einander kempffen musten: von denen Statius vnnd Martialis jhm sonderlich anbefohlen gewesen zu seyn scheinen.Sachanmerkung Nerva war selber ein Poet.Sachanmerkung Trajanus kundte schwerer Kriege halben (wie ich in meinen Büchern von Dacia zu erzehlen gedenckeSachanmerkung) dem Studieren nicht sonderlich obliegen; er ließ jhm aber gelehrte Leute so anbefohlen seyn / daß vnter jhm nicht weniger die Poesie als das Römische Reich auff das newe jhre Kräfften zu rühren / vnnd sich zu verjüngen schiene.Sachanmerkung

Von seinen fürnehmbsten Leuten war Spurinna / der vnter andern löblichen Thaten den König der Bructer / so ohne gefehr vmb die Wetteraw gewohnet / mit Waffen vnd Gewalt eingesetzet / vnd das vnbändige Volck durch blosses Schrecken (welches die schöneste Art zu siegen ist) bezwungen hat.Sachanmerkung

Dessen wenige Vers / so ein vornehmer Mann vor etzlichen + + + + + +

[Druckausgabe S. 536]
Jahren erst heraus gegeben hat / machen daß wir die vbrigen so verlohren sind / mit grösserm Verlangen missen.Sachanmerkung

Den Jüngern Plinius machte Trajanus erstlich zum Bür-[a4a] germeister zu Rom / nachmals zum Verwalter vber eine Provintz am Euxinischen Meer.Sachanmerkung Als er Keyser ward / vnd jhm der bekandte Poet Silius Italicus nur nicht entgegen ziehen mochte / wie breuch- lich war / sondern in Campanien seiner Güter abwartete / vertrug er solches mit so grosser Gedult / als mit grosser Freyheit Silius sich dessen vnterwinden dörffen.Sachanmerkung

Daß Hadrianus ein Poet gewesen / beweisen die Vers an den FlorusSachanmerkung / vnnd die mit denen er seine flüchtige vnd nun abschei- dende bleiche Seele zwar Heydnisch / aber doch sehr artlich ge- segnet.Sachanmerkung Im vbrigen so hat er nicht allein Carmina mit andern in die Wette gemachtSachanmerkung / sondern ist auch des Lobes so begierig ge- wesen / dass er seinen freygelassenen Dienern viel Sachen gegeben hat / welche sie vnter jhrem Namen ausgehen lassen musten.Sachanmerkung

Caracallen schriebe Oppianus die Bücher von der Jagt vnd Fischereyen zu; der jhm zur Belohnung seinen Vatern / welchen Severus nach Malta in das Elend verwiesen hatte / frey liesse vnd sonsten hoch begnadete.Sachanmerkung

+ + + + +
[Druckausgabe S. 537]

Macrinus hat einen feinen Griechischen Vers gemacht.Sachanmerkung

Heliogabalus war so ein Vnmensch / daß es auch ein Laster ist / an seine Laster nur gedencken; noch kan man spühren / daß Terentius jhm ein liebes Buch ist gewesen.Sachanmerkung Alexander Severus hat sich für gelehrten Leuten hefftig gefürchtet / daß sie nicht etwas nachrüchtiges von jhm herfür brächten.Sachanmerkung Diesem war Horatius sehr angenehmSachanmerkung / vnd hat zu sagen pflegen / Virgilius sey der Poeten Plato; dessen Bildnis er neben dem Achilles vnd andern grossen Helden in seine Hauscapelle gesetzet hat.Sachanmerkung So soll er auch die Poeten so man bey seiner Regierung gewust hat / sehr gern vnd offtmals gehöretSachanmerkung / vnd selber der guten Fürsten Leben / als ich vermeyne / mit Grichischen Versen / denn das Latein jhm nicht allermassen abgehen wollen / beschrieben haben.Sachanmerkung

Serenus Sammonicus / dessen Getichte von Artzneysachen noch beyhanden / ist des jüngern Gordianus Lehrmeister gewesen; wel- cher jhn sehr geliebet hat.Sachanmerkung Balbinus war von den fürtrefflichsten Poeten zu seiner Zeit.Sachanmerkung Wie nachmals auch Gallienus / dessen Hochzeitlied auff seiner Brüder kinder hundert andere vbertroffen; [a4b] als aus den vberaus lieblichen Versen / so wir noch darvon haben / leichtlich zu glauben ist.Sachanmerkung Numerian soll auch vber alle Poeten die mit jhm lebten / gewesen seyn: von denen Aurelius + + + + + + +

[Druckausgabe S. 538]
Apollinaris vnd Olympius Nemesianus / der dem Carin sein Buch vom Weidwercke zugeschrieben / sonderlich gemeldet werden. Im vbrigen redete er so wol / daß der Rath sein Bild in die Vlpische Bibliotheck nicht als einem Keyser / sondern als einem vornehmen Redner setzen / vnd darunter schreiben ließ:

NUMERIANO · CAESARI · ORATORI TEMPORIBUS · SUIS · POTENTISSIMO.Sachanmerkung

Julianus war nicht weniger ein guter Poet / als ein KriegsmannSachanmerkung: wie auch hernach Gratianus / dessen Lehrmeister Ausonius gewe- sen.Sachanmerkung Arcadius vnnd Honorius hielten so viel von dem Claudian / daß sie auff den Trajanusmarckt zu Rom / auff welchem vornehmer Helden Tugend durch die Poeten erzehlet vnnd gerühmet ward / sein gehawen Bildnis setzen / vnd mit einem herrlichen Titul zieren liessen.Sachanmerkung

Nach diesem ist auff ein mal die Gewalt vnd Wissenschafft der ewigen Stadt gemach vnd gemach verdorret / vnd sind aus Römi- schen Keysern Gottische Tyrannen / aus Lateinischen Poeten aber barbarische Reimenmacher vnd Bettler worden. Daß man also beydes fast nichts löbliches gethan / vnnd wenig artliches geschrie- ben hat.

Karl der Grosse hat nebenst der Deutschen Regierung auch die Deutsche Poeterey herfür gesuchtSachanmerkung; dem endlich andere Poten- taten vnd grosse Männer so sehr nachgefolget sind / das sie diesel- bige zugleich mit den Ritterspielen allzeit geheget haben. Hiervon + + +

[Druckausgabe S. 539]
werden gelobetSachanmerkung Keyser Heinrich BarbarossaSachanmerkung / Kunrath Römi- scher KönigSachanmerkung / Ewer Fürstlichen Gnaden Vorfahren einer ein Fürst von AscanienSachanmerkung / Marggraff Otto von BrandenburgSachanmerkung / Hertzog Heinrich von BreslawSachanmerkung/ Marggraf Heinrich von MeissenSachanmerkung/ ein Marggraff von HochburgSachanmerkung / Kunrath Graff von Kirchberg / Friedrich Graff von Leiningen / Vlrich Freyherr von Gutenberg / vnd sonsten viel Helden vnd Ritter / derer Sachen wol zum theil noch möchten verhanden seyn / wann man in Klöstern vnd son- sten die Bücher auffschlüge. [b1a] Hat sich also bey der gemeinen Finsternis vnd grossen Verachtung des Studirens doch jmmerzu ein Stral der Wissenschafft blicken lassen; biß hernachmals durch Zuthun hoher Leute (denn ohne dieselbigen dißfals nie etwas aus- gerichtet ist worden) Griechische / Lateinische / vnd andere Poeten sich gefunden / vnd den Alten im minsten nichts nachgege- ben haben.

Die Florentiner / als sie in jhrem Danthes / dem ersten Liechte der Hetrurischen Sprache / so ein edles vnnd grosses Gemüt sahen / erhuben sie jhn zu dem höchsten Ampte; vnnd ob jhn wol nach- mals das vndanckbare Vaterland / welches er die Mutter der Lieb + + + + +

[Druckausgabe S. 540]
nennetSachanmerkung / verstieß / ward er doch hergegen der fürtrefflichen Comedie halben / die er in seinem Elend (wo Ruhm vnd Ehr ein Elend ist) geschrieben / zum Bürger in gantz Italien angenommen.

In was für Ansehen sein Landsmann vnnd Schüler Petrarcha / so den Meister an Wissenschaft vnnd Zierligkeit weit vbertroffen / bey männiglich gerathen / wie man jhm auch auff einen Tag aus Rom vnd Franckreich den Lorberkrantz angetragen / weis Ewre Fürstl. Gnade / vnnd pfleget sich mit der Historien seiner wunder- bahren Krönung sonderlich zu erlustigen.Sachanmerkung Vber wenige Zeit her- nach haben sich / wegen der Vnterdrückung vnnd dienstbaren Joches jhres Vaterlandes viel gelehrte Griechen in Italien begeben / vnd durch sondere Beförderung alle gute Künste vnd Sprachen nicht allein selber getrieben / sondern auch andere schöne Geister neben sich als mit einer heilsamen Gifft angestecket vnd entzündet.

Musurus aus Creta ist sonderlich zu nennen / welcher als er das himmlische Getichte vber den Plato geschrieben / hat jhn der ge- lehrte Fürst Leo der zehende / dessen mehr als Königlicher Frey- gebigkeit wir ein grosses Theil der besten Bücher vnnd Scribenten zu dancken haben / aus keiner andern Vrsache / wie man darvor helt / zum Epidaurischen Ertzbischoffe gemacht.Sachanmerkung Wie zuvor seines Herren Vatern Großvater Cosmus ein Vater aller Poeten / sein Vater aber Laurentius Medices auch selber ein Poet gewesen ist.Sachanmerkung

Diesen haben etzliche Arragonische Könige nichts weichen wollen; Alfonsus sonderlich / zu dem als seiner Hoffleute einer [b1b] sagete / hohen Standes Personen dürfften nicht studieren / gab er zur Antwort / daß solches eines Ochsens / vnnd keines Men- + + +

[Druckausgabe S. 541]
schens Stimme were.Sachanmerkung Bey diesem ist Jovian Pontanus lieb vnnd werth gehalten / bey König Ferdinanden auch nachmals kammer- meister wordenSachanmerkung; wie hergegen König Fridrichen Jacob Sannazar / der gleichsam linckes vnd rechtes die herrlichsten Wellschen vnd Lateinischen Carmina geschrieben hat / sonderlich angenehm ge- wesen.Sachanmerkung

In Vngern war Matthias Corvinus / bey dem Galeottus Martins vnd andere so viel golten / daß er auff jhren Rathschlage vnzehlich viel Bücher / so mit höchstem Verlust bey Einnehmung Ofen in der Türcken Hände sind kommen / aus Griechenland holen vnd zusammen kauffen ließ.Sachanmerkung

In Franckreich regierete Franciscus der Erste / der in seinem Lande den guten Künsten so einen festen Grund gebawet hat / daß sie von selbiger Zeit an die vielfältigen ausländische vnnd Bürger- liche Kriege abzubrechen im wenigsten nicht vermocht haben. Dannhero war ein eyffriger Streit der Gemüter / vnnd wolte sich ein jeder für dem andern herfür thun. Von denen sonderlich sind die zweene Ferrarische Herren Titus Strotza vnnd sein Sohn Hercu- lesSachanmerkung / der sich das hohe Ansehen vnnd Würden an seines Fürsten Hofe von der Poeterey nicht abhalten ließ. Vnnd der Cardinal Bibienna / so die lustige Comedien Caliandra ertichtet hat / wel- + + + + + + +

[Druckausgabe S. 542]
che von dem jungen Römischen Adel des Hertzogs von Mantua Gemahlin Isabellen zu Ehren mit grosser Pracht gespielet ist worden.Sachanmerkung Mehr Balthasar Castilion / den Bapst Clementz an Keyser Carln den Fünfften in Spanien gesandtensweise verschicke- teSachanmerkung / Cardinal Bembus / Cosmus Pactius Leons des Zehenden Basen SohnSachanmerkung / Ludwig Ariost von Ferrar / Marius MolsaSachanmerkung / vnd andere / derer Name so lange bleiben wird / so lange man wird Bücher lesen.

Wie sich dann auch die sinnreichen Frantzosen / Marott / Bellay / BartaßSachanmerkung / Ronsard vnnd nunmehr der von VrfeSachanmerkung vmb jhre Sprache so verdienet gemacht haben / daß sie darumb von [b2a] den Einheimischen billich geliebet / vnd von den Frembden beneidet werden.

Wir Deutschen / wie wir zu dem Latein vnnd Griechischen / nebenst den freyen Künsten / etwas später kommen sind / vnnd doch alle andere Nationen an reichem Zuwachs der gelehrtesten Leute vberholet / vnnd hinter vns gelassen haben / also wollen wir von vnserer eigenen Poeterey ingleichen hoffen / die / vnge- achtetet der nunmehr langwirigen krige / sich allbereit hin vnd wieder so sehr wittert vnd reget / daß es scheinet / wir werden auch dißfals frembden Völckern mit der Zeit das Vortheil ablauffen.

Eine vnd andere Vmbstände zu erzehlen / weis ich nicht / ob + + + + + +

[Druckausgabe S. 543]
Ewre Fürstliche Gnade gnädiges Gefallen daran tragen möchte; das kan ich aber mit Stillschweigen nicht vbergehen / es habe mich die hohe Gunst / mit welcher Ewer Fürstl. Gnade unserer alten / reinen vnnd ansehnlichen Sprache beygethan ist / vornehmlich be- hertzt gemacht / deroselben hiesige meine Getichte in Vnterthänig- keit zu vbergeben. Aber auch dieses nicht zuförderst gesetzt / wem hette ich selbige billicher als Ewer Fürstlichen Gnaden zuschreiben können / weil dero hohe Fürstliche Gaben / Weisheit / Güte vnnd Leutseligkeit / wann sie mir schon gegenwertig nicht were be- kandt worden / so weit in allgemeinem Gerüchte sind / daß ein jeder darvon weis der nach Tugend fraget? Vnnd dann hat nicht Ewre Fürstliche Gnade von geraumer Zeit her jhr die Syrer / Hebreer / Griechen vnnd Lateiner zu Schuldnern gemacht / wel- cher Bücher vnd Künste sie / aus blosser Liebe der Göttlichen vnnd Weltlichen Wissenschaft / vnnd wie die Sonne ins gemeine allen Menschen zu frommen / so vielen Ländern vnd Provintzen mit voller Hand hat ausgetheilet?Sachanmerkung

Daß nun Ewre Fürstliche Gnade auch der Poesie die hohe Gnade vnd Ehre anthut / folget sie dem rühmlichen Exempel oben erzehlter Potentaten so verstorben sind / vnnd giebet selber ein gut Exempel denen die noch leben.

Die Vrsache aber / warumb Ewre Fürstl. Gnade vnnd andere werthe Helden hierzu gleichsam von Natur gereitzet werden / ist vornehmlich die Begiehr der Vnsterbligkeit / welcher die edelsten [b2b] Geister nachhengen / vnnd jhnen den künfftigen Ruhm vnnd Namen als eine Belohnung jhrer Tugenden vnnd Tapfferkeit ohn Vnterlaß für Augen stellen. So legte Alexander seinen Tolch vnnd den Homerus allzeit zusammenSachanmerkung; ohne Zweiffel anzuzeigen / daß seine ritterliche Thaten bald musten verschwiegen bleiben / wann sie nicht durch sinnreiche Schrifften vnnd Zuthun der Poeten erhalten würden.

+ + +
[Druckausgabe S. 544]

Dann weil nicht allein kostbare Palläste / herrliche Begräbnisse / starcke Festungen / vnd Städte entweder durch Brandt oder feind- liche Gewalt / oder / wann schon diß nicht were / durch die Zeit / welche aller Sachen letzter Feind ist / endlich verfallen vnnd vnter- gehen / als gedencket ein auffgewacktes edeles Gemüte jhm in dem Hertzen der Nachkommenen ein ewiges Haus auffzubawen; welches von denen Poeten sonderlich zu erwarten ist. Darumb jhnen auch / was jhre andere Getichte belanget / so von Eitelkeit vnnd vergänglichen Dingen reden / billich etwas nachgesehen vnd verhangen wird. Diejenigen aber / so in guter Leute Gebrechen vnnd Mengel vntersuchen / jhre Tugenden aber nicht kennen / sind den Raben vnnd andern Raubvögeln zu vergleichen / welche die lebendigen gesunden Thiere gehen lassen / vnnd auff ein stin- ckendes Aaß mit vollem Fluge setzen. Sie wissen nicht / vnnd wollen nicht wissen / das in solchen Getichten offte eines geredet / vnnd ein anderes verstanden wird / ja das jhm ein Poet die Sprache vnnd sich zu vben wol etwas fürnimpt / welches er in seinem Ge- müte niemals meynet; wie dann Asterie / Flavia / Vandala vnnd dergleichen Namen in diesen letzten Büchern nichts als Namen sind / vnnd so wenig für wahr sollen auffgenommen werden / so wenig als glaublich ist / daß der Göttliche Julius Scaliger so viel Lesbien / Crispillen / Adamantien / Telesillen / Pasicompsen / vnnd wie sie alle heissen / geliebet als gepriesen habe.Sachanmerkung

Ich will mich aber weder den Neid noch einiger Nachrede von dem guten Vorsatze / nebenst meinem andern Studieren / auch + + + + + + +

[Druckausgabe S. 545]
disfals bestes Vermögens vnnd in grössern Wercken noch weiter zu fruchten nicht hinterziehen lassen angesehen sonder-[b3a]lich das verstendige Vrtheil / so Ewre Fürstl. Gnade hierüber fellet / vnnd die Liebe / welche sie neben vielen grossen vnnd fürnehmen Leuten hierzu treget. Deroselbten vnd dem gantzen Hoch-Fürst- lichen Hause zu Anhalt ich Friedliche Regierung vnnd bestendige Wollfarth von dem Höchsten wüntsche; mit angehenckter demü- tiger Bitte / E. Fürstl. Gnade geruhe mich in beharrlicher Gnade / Schutz vnnd Förderung zu behalten / vnd mein Gnädiger Fürst vnd Herr zu seyn; wie dann ich mich verpflichtet befinde jederzeit zu verbleiben. Ew. Fürstl. Gnaden

Vnterthäniger Diener Martin Opitz.

+ + + +
[b3b]

IN MARTINI OPTII POE- | MATA.

[.a]

»Germanae tubicen novelle ...«, Caspar Barthius = 59.e

[.b] SCAZON.

VIrtute et armis praestat hactenus Teuto,
Et tot meretur laureas triumphosque
Quot fulminante dextera patrat pugnas,
Sachanmerkung Sachanmerkung +
[Druckausgabe S. 546]
Flos praeliorum, Martis igneum germen.
5 At nunc lepores Gratiasque venari
Et vatibus quodcunque Phaebus indulget,
Potenter instans patriae sono linguae –
Quantus futurus? – OpitI docet Musa,
Arguta, docta, dulcis OpitI Musa,
10 Cui tot resultant ora, quot canunt Musae.
Quidquid cothurnus detonat Sophocleus;
Quidquid Maronis entheum sonat carmen,
Et tu, Calabras rite qui moves chordas,
[b4a]
Non-aemulandi vatis aemulus Vates,
15 Divine Horati: tuque, tu, tener Naso,
Cujus venusto vix venustior versu
Amathuntia ipsa est. quicquid uspiam pangunt
Vates Pelasgi, Romulique cantores,
Et vos, Poetae Celticique Tuscique
20 (O rarum! o ingens! o sacrum ingenI monstrum!):
Id omne dulcis OpitI canit Musa.
Quod porro vincas, Teuto, nil tibi restat:
I et supremum gloriae occupa culmen,
Bellator ante, nunc et optimus Vates.

Augustus Buchnerus.

[.c]

»Hactenus incultam pubes ...«, Jul. Guil. Zincgrefius | J.U.D. = 59.f

Es folgen Z. 1–5 von

[.d]

»Res est perfacilis ...«, Balth. Venator = 59.g

Die Zz. 6 bis Ende stehen auf Bl.

[b4b]

Überschr. u. Zz. 1–4

[.e]

›Ad linguam Germanicam‹. »O Patria salve ...«, [Grotius]

Die Zz. 5–11 auf Bl.

[c1a]

Es folgt:

+
[Druckausgabe S. 547]

[.f] Mons. G. Fabr. au. S. V.

VOus m’auez de nouueau obligé par ce bell oeuure Poëtique de Monsieur Opitius, lequel m’a tellement resjoui, que ie n’ay peu attendre, qui’il ait estè reliè pour le lire, comme i’ay desia faict. C’est de uray un oeuure digne de grande lounge, non ob- stant qu’il contienne plusieurs choses, qui ne sont gueres propres pour le temps present. Tant y à, qu’il tesmoigne estre bon Poete et digne d’emporter le Laurier sur tant d’aultres, qui ont escrit en nostre langue Allemande.

Tous ceuxcy ont fort bien rencontré, mais ils n’ont pas obserué l’art Poétique, comme à fait Mr. Opitius. Pleust à Dieu que Plusiers et entre aultres, ceux, qui se delectent en la Poesie, mais principalement les Orateurs, s’estudiassent à maintenir nostre langue Allemande et à conseruer sa puretè, comme fait Mon dit Sieur Opitius; nous n’aurions à craindre, ce qui arriuera infaillible- ment, qu’elle se corrumpra entierement et ce en peu de temps, tant nous flattons les nations estrangeres, qui cependant cherchent nostre ruine, ainsi que ie m’en plains dans mon miroir de la vie humaine.

[c1b]

An den Leser.

FReundlicher lieber Leser / Es hat der Auctor abwesens halben / den Abdruck nicht bald vberlesen können / sind also etzliche Fehler blieben / von denen wir nur die wichtigen setzen wollen: Die vbrigen / als vnter andern / daß offtmals aus einer Syllaben zwey / vnd aus zweyen eine gesetzt worden / Zum Exempel / ruhe für Sachanmerkung + + + + + + +

[Druckausgabe S. 548]
ruh / gehet für geht / tregt für treget / vnd dergleichen werdet jhr vnbeschwert selber in acht nemen: Auff den 6. 7. vnd achten buch stehet die Vberschrifft vnd Titul des fünfften: welches euch nicht jrren sol; denn es nur im setzen versehen ist / vnd sonst nichts mangelt.

Schreibet in der Vorrede: a. 3. fac. 1. entweder also verbleiben / ibid. Daddelkernen / fac. 2. den Homerus / a. 4. fac. 1. noch beyhanden / ist des. b. 1. fac. 1. Schüler Petrarcha / so den / fac. 2. des zehenden Basen Sohn / c. 2. fac. 1. observè l’art. ibid. la vie humaine. Endert weiter A. 2. fac. 1. incomparabili für compara- bili, A. 3. fac. 1. Si licet, Im ersten Lobgesange vers. 6. Wol etwas bessere noch von vns. v. 20. zu einer. v. 160. des Löwens. v. 222. jhr reines. v. 262. sagt ewrer. In den auslegungen / des Lobgesan- ges. Zu dem 160. verß: Des Löwens glantz verbleichet. Zu dem 161. Lerneischen. Zu dem 163. Hesperiden. D. pag. 4. f. 2. das Schloß der sinnen. E. pag. 4. f. 1. wo Libanus. F. pag. 2. f. 1. vnd see verschrenckt. Im andern Buche p. 1. v. 2. an den kalten. p. 3. v. 71. Todtentopff. p. 6. v. 172. so ist es eitel ding. p. 7. v. 210. vnd stellen sich. p. 21. zu dem 60. verß: HERMIAE PROC. p. 22. zum 93. verß / Martiani. pag. 25. zum 242. verß: Antoninus. p. 36. Da als er jhr. pag. 41. Cuius non pia. p. 65. vor zu ziehen seid / [c2a] p. 72. at primum. p. 75. ein werthes band 76. wem Mars. 78. liessen sehn. 79. euch so versuchen. 82. vnd alt gemach. 85. lest häuffig. 86. zeigt zu sehn. 91. Als HErr. 102. Die jhr mit Leib’ vnd. 115. Bis sie euch. 118. Annen Rosinn. 155. Wie hab ich’s dann verdient? 167. Leßbien 168. Toscanien. 170. Des Nordens wird gezwengt. 176. Die er vor so sehr. 177. geschonet. 182. Der wird mir. 203. Wer wündschet kranck. 206. Der feinen. 209. Die lust hieher. 212. du denn den grossen. 215. eh’ ich zu euch. 219. zu mir her. 221. sagt / sagt es jhr vor mich. 223. mir selbst verneine. 224. Die Städt’ aus flüssen macht. 227. des nechsten. 232. So gieb mir sie.

Die Carmina auff dem letzten Bogen / gehören noch zu ende des dritten Buches; wie die Materien selber außweiset. Seidt Gott be- fohlen.

+ + +
[Druckausgabe S. 549]
[c2b]

leer

place="left">[A1a]

MARTINI OPITII Erstes Buch der Poetischen Wälder: Worinnen geistliche Sachen begrief- fen sind.

[A1b]

leer

[.1]
[A2a]–[D3a]
Lobgesang vber den frewdenreichen Geburtstag ... Jesu Christi = 55

[.2]
[D3b]
Auff den Anfang des 1621. Jahres.

WEr dieses alte Jahr wil recht vnd wol vollenden /
Vnd nach dem newen sich zu guter Stunde wenden /
Der lege von sich weg der Eitelkeit Begier /
Die nicht hieher gehört / vnd lobe Gott mit mir.
5 Es schwinge wer da wil die sterblichen Gedancken
Hoch vber seine Krafft: ich wil mit nichten wancken
In dieser grossen Flut; wil preisen eyffers voll
Den / dessen That kein Mensch ergründen kan noch soll.
Er hat aus lauter nichts zum ersten wollen machen
10 Durch seines Wortes Krafft den Vrsprung aller Sachen /
Den Klumpffen der Natur / in dieser schweren Laßt
Lag alles was jetzt ist vermischet eingefaßt.
Die Sonne fuhr noch nicht mit jhren schnellen Pferden /
Der Monde nam nicht ab / der schöne Baw der Erden
15 Hieng noch nicht in der Lufft / vnd das fischreiche Meer
Lieff noch mit seiner Flut nicht vmb die Felder her.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + +

[Druckausgabe S. 550]
as Land lag vnbewohnt / die See war nicht zu schiffen /
Die Lufft stund ohne Liecht / vnd alle Dinge schlieffen:
Es stritten wider sich naß / trucken / warm vnd kalt /
20 Der vngemachte Kloß lag öd’ vnd vngestalt /
Da kam das helle Liecht / ließ nichts nicht mehr verborgen /
Auff Gottes Anbefehl: er hat den klaren Morgen
Vnd Abend abgetheilt / vnd Weiß von Schwartz getrennt.
Das Finsternis die Nacht / das Liecht den Tag genennt.
25 Er hat rund vmb sich her das Wasser ausgespreitet /
Den köstlichen Pallast des Himmels zubereitet /
Den Donner / Reiff vnd Schnee / der Wolcken blawes Zelt /
Ost / Norden / Sud vnd West in seinem Dienst bestellt.
[D4a]
Die strenge Flut der See kam vber einen Hauffen /

30 Durch seiner Stimme plitz gezwungen fort zu lauffen
Auff jhrer Gräntzen Ziel. Das Schloß der Erden stundt
Mit seiner starcken Hand geleget in den Grundt.
Ein jedes that sein Ampt: die Ströme musten fliessen
An jhrem Vfer her / die Bäche sich ergiessen /
35 Der frischen Brunnen Quell’ entspringen vnverhofft
Mit lieblichem Geräusch’ aus tieffer Felsen Klufft.
Die Thäler grüneten / das Erdreich stund vmbgeben
Mit Blumen vnd mit Obst / das Feld trug süsse Reben /
Vnd öl / vnd reiffes Korn / vnd Kräuter mannigfalt;
40 Die Bäume schlugen aus / die Hügel wurden Waldt.
Es wuchse gleichsfals auch tieff in der Schoß der Erden
Das welches halben wir zum meisten feinde werden /
Das Gold der Berge Marck / Stahl / Silber / Kupffer / Bley /
Der köstliche Demant / vnd Steine mancherley.
45 Die Sonne satzte sich auff jhren güldnen Wagen /
Der Monde kam herfür / die Lufft fieng an zu tragen
Das schöne Firmament / die Sternen giengen auff /
Ein jeglicher bekam sein Ziel vnd rechten Lauff.
+ + + + + + + +
[Druckausgabe S. 551]
Das Meer ward auch besetzt / das Heer der Fische schwummen
50 In Wässern klein vnd groß; der Walfisch muste kommen /
Vnd spielen auff der See / der Krebs kroch an das Land /
Der Hecht kam auff den Grund / die Muschel in den Sand.
Der Vögel leichtes Volck fieng gleichfals an zu nisten /
Zu singen in der Lufft / vnd in den stillen Wüsten
55 Ein jeder kam wohin / vnnd brauchte seiner Ruh /
Die Turteltaube flug den Vlmenbäumen zu;
Die Schwalbe war bemüht jhr artlich Haus zu bawen /
Der grüne Papagey sich selber zu beschawen /
Der Adler schwang sich hoch / die schöne Nachtigal
60 Ließ hören jhre Kunst durch Wald / Feld / Berg vnd Thal.
[D4b]
Es giengen Vieh vnd Wild vermischet ohne Schewen /
Das Schaf trat bey dem Wolff / die Gemse bey dem Löwen:
Die Kuh gieng in das Graß / der Hirsch lieff in den Waldt /
Sie lebten allesampt bey vollem Auffenthalt
65 Vnd diß aus Gottes Krafft. Noch ein Thier war zu machen /
Der Vogt / der Oberherr / vnd Pfleger dieser Sachen /
Der Mensch: den schuff er auch sein rechtes Ebenbildt /
Mit aller Herrligkeit vollkommen vnd erfüllt.
Vnd da die andern Thier’ jhr Antlitz nieder drehen /
70 Schuff er den Menschen recht den Himmel anzusehen /
Zu schawen an das Ort / nach dem er trachten soll:
Er stund gerecht für Gott / war aller Weisheit voll.
O welcher Mensch vermag den Menschen zu beschreiben /
Vnd kan so vber hoch die engen Sinnen treiben.
75 Komm du/ vnd leite mich / zu reden mit Bedacht /
O Seele der Natur / du hast jhn auch gemacht.
Du hast das schöne Werck mit deiner Hand geschlossen /
Vnd künstlich auffgeführt / dich selbst darein gegossen:
Er ist durch deine Krafft auff freyem Fuß gestellt /
80 Der Welt berühmte Wirth / ja selbst die kleine Welt /
+ + + + + + + +
[Druckausgabe S. 552]
Die doch der grossen gleicht. Denn was ist nicht darinnen
Das in der grossen ist? das Häupt / das Schloß der sinnen /
Steht hoch / daß der Verstand von dannen recht vnnd wol
Auff das was vnten ist Auffachtung haben soll /
85 Die Glieder vnd den Leib bescheidentlich verwachen /
Die hitzige Begihr zahm vnd gehorsam machen /
Den Zorn / der offtermals den Zaum zureissen wil /
Mit Macht zurücke ziehn von seinem falschen Ziel.
Die Augen müssen auch weit in der Höhe stehen /
90 Sich fleissig vmb zu sehn / dem Vbel zu entgehen /
Das alle Stunden wacht / vnd feyret niemals nicht:
Sie sind der Sinnen Bild / der Spiegel vnd das Liecht /
[E1b]
Darbey die Liebe pflegt jhr Fewer an zu zünden /
Der Weg / durch den sie sich kan in das Hertze finden;
95 Sie werden durch den Wall der Stirnen zugedeckt;
Der Wangen schönes Feld liegt vmb sie her gestreckt.
So ist auch hoch die Ziehr der Nasen zu erheben /
Doch höher auch jhr Nutz; die stette Lufft zu leben
Geht bey jhr aus vnd ein. nechst dieser steht gesetzt
100 Der Mund / durch den der Mensch mit Speisen sich ergetzt;
Die Zähne hinter jhm: die Pforten von Corallen /
Die Lippen / sind geschickt selbst auff vnd zu zu fallen /
Der Zungen beyzustehn. Durch dich du edler Mundt /
Ward erstlich in der Welt die Art zu leben kundt:
105 Du hast die Menschen erst gelehret Städte bawen /
So zuvorhin zustrewt in Wüsten vnd auff Awen
Herumb gelauffen sind / vnd nur sich als das Wildt
Mit Eicheln / wie man sagt / an Brotes statt gefüllt /
Sich auff den Bauch gelegt / getruncken aus den Flüssen:
110 Was nützlich ist von Gott vnd Erbarkeit zu wissen
Hat der Poeten Volck mit dir erst kund gemacht /
Vnd auch den Vnterricht von Weisheit auffgebracht /
Das künstliche Gehör vnd Wunderwerck der Ohren
Nimpt seine Botschafft ein / gleich zweyen schönen Thoren;
+ + + + + + + +
[Druckausgabe S. 553]
115 Auch jhm hat die Natur den hohen Ort gezeigt /
Dieweil der leichte Schall hinauffwarts allzeit steigt.
Die Hände sind bestalt zu trewen Schreiberinnen
Der Sachen / die man denckt / sie bilden ab die Sinnen /
Sie schaffen vns vor Neid’ vnd arger Feindschafft Ruh /
120 Vnd tragen Vorrath auch den andern Gliedern zu.
Die Arme müssen vns mit jhrer Stärcke schützen /
Die Beine minder nicht als steiffe Pfeiler stützen /
Die Füsse machen vns frey hin vnd wider gehn;
Auff diesem Grunde pflegt der gantze Baw zu stehn.
[E1b]
Wil ich dann innerlich das schöne Werck beschawen /
126 Wie hat doch Gott allda so herrlich wollen bawen!
Dem heissen Magen sind zwo Thüren auffgethan /
Die führt die Nahrung aus / vnd jene nimpt sie an.
Dann ist die Leber jhm gleich an der rechten Seiten /
130 Die das Geblüte pflegt zu kochen vnd zu leiten
Den andern Gliedern zu. in jhr steht einverleibt
Die Galle / so den Koth vnd Schleim von dannen treibt.
Zur Lincken ist der Miltz / zu dem das Blut muß schiessen
Das noch nicht sauber ist. er pflegt den Leib zu schliessen
135 Dem welcher sich ergibt in gar zu vieles Leidt /
Die Nieren nehmen weg die grosse Feuchtigkeit.
Das Hertze henget frey muß in der Mitten schweben /
Der Seelen werther Sitz / der Schlüssel zu dem Leben /
Der Vrsprung so zu Lust der Menschen Geist erregt /
140 Das Haus das Gottes Geist selbst zu bewohnen pflegt.
Die weiche Lunge weis die Rede zu versehen /
Zu kühlen die Natur / vnd Lufft jhr zu zu wehen;
Gleich wie der zarte West erfrischt das dürre Feldt /
Vnd vor der grossen Brunst der Sonnen frey behelt.
145 Der Sinnen Haus / das Hirn / die Werckstatt der Gedancken /
Ist zweyfach eingehüllt / so daß es nicht kan wancken /
Wie schwer es jmmer ist. Hier muß ich stille stehn /
Vnd sagen mein Verstand der kan nicht höher gehn. + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 554]

Galenus vnd sein Volck die mögen weiter schreiben:
150 Das ist jhr Thun vnd Ampt. Ich wil es lassen bleiben /
Biß ich der Sterbligkeit in künfftig abgethan
Den Meister vnd das Werck zugleiche schwawen kan.
Diß ist das schöne Haus. Das Leben nun darinnen /
Wie göttlich ist es doch. der mangelt seiner Sinnen /
155 Der seine Sinnen nicht bestürtzt in sich beschawt /
Die Seele / die Gott selbst dem Cörper anvertrawt;
[E2a]
>Der Geist von seinem Geist’ / aus jhm in vns gegossen /

Voll himlischer Natur / im Leibe nicht beschlossen /
Der vber Erd’ vnd Lufft den Weg zum Himmel nimpt /
160 Vnd ausser alle dem was vntergehn muß kömpt.
O edles Wunderthier / zur Weisheit auserkohren /
Voll Geist / voll Lufft / voll Gott / vom Himmel selbst geboren /
Du HErr / du Ebenbild vnd Auszug dieser Welt /
Der vnter sich den Lauff der hohen Sonnen stelt;
165 Du weise Creatur / du hast alsbald erkennet
Geflügel / Fisch’ vnd Wild / ein jedes recht genennet.
Ach hettestu doch nicht so gröblich dich befleckt /
Vnd in der Sünden Wust die hohe Zier versteckt.
Nun hastu / da du jetzt in diesem schnöden Leben
170 Mit deines Leibes Last vnd Kercker gehst vmbgeben /
So fewrigen Verstand / wie wird dein heller Schein
Nach dieser Zeit so hoch / so gantz vollkömlich seyn?
Auff daß auch Adam nicht / beraubt der süssen Liebe /
Das niemand gut kan seyn / in Einsamkeit verbliebe /
175 Kömpt Gott in dem er schläfft erbricht jhm seinen Leib /
Nimpt eine Rippen weg / vnd schafft das schöne Weib.
So wann ein guter Artzt biß in das Fleisch wil schneiden /
Schläfft er den Krancken ein / vnd nimpt alsdann bescheiden
Das Eisen zu der Hand / in dem er liegt in Ruh /
180 Vnd streicht auch vnvermerckt den Schaden wieder zu.
Nach dem der Vater nun beginnet auff zu wachen /
Vnd siht das freundlich sehn / das angenehme Lachen /
+ + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 555]
Der weissen Glieder Schnee / O / spricht er / meine Zier /
Ich kenne dich mein Theil / O Bein vnd Fleisch von mir /
185 O du mein ander ich / O Seele meinem Leben /
O meine Seele selbst / mein Trost mir zugegeben;
Komm / Schwester / liebe Braut / vmbfange deinen Mann;
Ich neme dich / mein Lieb / zu allen Fällen an.
[E2b]
So gieng das newe Par mit solchen hohen Gaben /
190 Mit solcher Herrligkeit / vollkommen vnd erhaben
Vor aller Creatur. ach hette doch nur nicht
Der Fall so gantz verkehrt der grossen Weissheit Liecht!
Das Weib ward durch Betrug der Slangen eingenommen.
Vnd Adam durch das Weib: sie wolten höher kommen /
195 Verlohren aber so / durch Essen von der Frucht /
Das was sie vor gehabt / vnd was sie jetzt gesucht.
Das jmmer grüne Feld in Eden ward verschlossen /
Die Quelle so mit Milch’ vnd Honige vor flossen
Die worden zugestopfft. sie stunden gantz verzagt /
200 Arm / nackend vnd bestürtzt / vnnd worden ausgejagt.
Dann sahen sie den Grimm des HErren sich entzünden /
Dann worden sie gewahr der tieffen See der Sünden /
In welche sie gestürtzt; dann fieng das Elend an /
Dem alle Menschen noch biß jetzt sind vnterthan.
205 Dann ward die Sterblichkeit durch vns in vns erreget /
Der rechte Seelentod die Laster erst geheget:
Der Sinnen Finsterniß verderbte den Verstand /
Die Lust nicht recht zu thun ward gegen Gott gewand.
Noch ließ er doch vns nicht. Dann als des Zornes Flammen /
210 Gesetze / Tod vnd Hell’ vns kamen zu verdammen /
Vnd solte nun ergehn das Vrtheil nach Gebühr /
Schlug seine Güte doch des Weibes Samen für /
Das Lamb von Anbegin der Welt für vns geschlachtet /
Das aller Väter Schar vor langer Zeit betrachtet;
215 Dem Noa sich vertrawt vmbringt mit See vnd Lufft /
Auff welches Abraham vnd Isaac gehofft / + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 556]

Mit welchem Jacob auch der streitbar’ Held gerungen /
Das Josephen bewahrt / daß Pharao bezwungen
Vnd in das Meer versenckt / das krefftig Tag vnd Nacht
220 Die Kinder Israel beschirmet vnd bewacht.
[E3a]
Dem Moses seine Stimm’ erhoben hat zu ehren /
Da er den Himmel jhm begehret zu zu hören /
Vnd selbst den Erdenkreis zu seinen Zeugen nimpt:
Dem Debora jhr Lied so geistreich angestimmt:
225 Das Josua beschützt / das Samson helffen streiten /
Von welchem David schon gespielt auff seinen Seiten /
Vnd sämptlich jung vnd alt ohn allen Vnterscheidt
Mit hertzlicher Begier vorhin gepropheceit.
Biß daß er endlich kam / das Heil von Gott gegeben.
230 Dem soll ein jederman die Stimme nun erheben /
Vnd ernstlich danckbar seyn mit aller Engel Schaar;
So lest man recht das alt’ / vnd nimpt das newe Jahr.

[.3] Auff den ersten Januarij / 1625.

DIe Jahre pflegen zwar jhr rechtes Ziel zu finden /
Vnd werden fortgeführt als eine schnelle Flut /
Die ehe fleucht als kömpt: der Menschen rawer Muth
Wird / ist vnd bleibt verstockt in mehr als tausend Sünden.
5 Der Geist wil offte zwar sich etwas vnterwinden /
Dem Himmel zuzugehn; doch was er macht vnd thut
Ist schwach / vnd wird gehemmt durch vnser fleisch vnd blut.
Der Geist von oben her muß einig vns entzünden
Mit seiner starcken Brunst / muß dempffen vnsern Wahn /
10 Der keine Frömmigkeit vnd Tugend fassen kan.
O Gott /nim mit der Zeit des alten Jahres hin
Mein’ alte grosse Schuld; gib daß ich Rew vnd Schmertzen
Hierüber tragen mag / vnd schicke meinem Hertzen
Mit diesem newen Jahr’ auch einen newen Sinn.
+ + + + + Sachanmerkung + +

[Druckausgabe S. 557]

[.4]
[E3b]
Klagelied bey dem Creutze vnsers | Erlösers.

IHr armen Sterblichen / habt jhr / wann jhr gesehen
Die Sonne liechte seyn / die starcken Winde wehen /
Des Mondes Glantz auffgehn / die Sternen bey der Nacht
Vns leuchten aus der Lufft / auch je bey euch gedacht
5 Daß einer vber vns das grosse rundt verwalte /
Der Himmel / Erd’ vnd See bey jhrem Thun erhalte /
Der durch sein Regiment vnd Scepter für vnd für
Beherrsche dieses Reich / denselben seht nun hier.
Seht ewren Schöpffer an / den Gott von allen Zeiten /
10 Den König der Natur / seht seine weisse Seiten
So jämmerlich durchbohrt / das Haupt / das güldne Haar /
Die Hände / welchen vor das Meer gehorsam war /
Vnd Eolus darzu / den Leib / die zarten Füsse.
Ein jeder mache sich zu vns her / vnd vergiesse
15 Die Zehren / wie er auch vor vns vergossen hat /
Als Blut jhm vor den Schweis auff seine Stirne trat /
Vnd diese gantze Welt / ja das noch mehr zu sagen /
Die Sünden allesampt jhm auff dem Halse lagen /
Vnd druckten jhn für vns. ach Schand’! ach Laster! ach!
20 Der Baw des Himmels knackt / die Wolcken geben nach /
Lufft / Fewer / Erd’ vnd Meer die scheinen auch zu leiden /
Vnd liegen gantz verwirrt / die Sonne selbst muß scheiden /
Vnd kan das Leid nicht sehn. Du wilde Nation /
Ihr teufflisches Geschlecht / ist das nun dessen Lohn /
25 Der aus Egypten dich / o Israel geführet /
Durch Wüsten / da kein Mann vor jemals ward gespühret /
Da nie kein Mensch gewohnt: der dir in deiner Noth
Die Felsen quellen ließ / vnd gab dir Himmels Brot?

[E4a]
Das Antlitz das jhr nicht auff Horeb kundet schawen /
30 Für dem die Cherubin zu stehen nicht getrawen / Sachanmerkung Sachanmerkung + + + +
[Druckausgabe S. 558]

Das speyet jhr nun an. Jehova / den jhr nicht
Auch sonst nur nennen dürfft / die Warheit vnd das Liecht /
Der Löw aus Juda her / wird jetzt von euch vernichtet /
Gehönet / ausgelacht / vnd schendlich hingerichtet /
35 O du verdamptes Volck. soll das dein Gott nicht seyn /
Der so viel Wunder that / macht’ aus dem Wasser Wein /
Ließ in dem Munde schon das Brodt erst grösser werden /
Aß viertzig Tage nicht / gieng wie auff platter Erden
Auff Wässern vberhin. hieß Blinde wieder sehn /
40 Trieb böse Geister aus / vnd was sonst mehr geschehn
Das nicht bey Menschen steht: jetzt kommen sie mit Hauffen
Das heilig’ Osterlamb zu schlachten zugelauffen /
Von Tyrus / von Sidon / von Idumea her /
Vom feisten Syrien / vnd wo das faule Meer
45 Nichts vntersincken lest / wo Sodoma verbrunnen
Dem sie zu gleichen seyn / wo Libanus der Sonnen
Fast in dem Wege steht: daß ja die Tyranney
Nicht deine / Solyma / so gar alleine sey.
Kein Mensch nimpt sich sein an: es ist nun gantz vergessen
50 Die Güte seiner Hand: er gab den Leuten essen /
Jetzt klagt er vber Durst; die Stummen kamen hin /
Vnd wurden redende / nun schreyen sie auff jhn /
Vnd fördern seinen Tod; er hieß die Lahmen gehen /
Die lauffen nun für jhm; hieß Todten aufferstehen /
55 Jetzt tödten sie jhn selbst. ach! ach! das schöne Haar /
Das Haupt / das edle Haupt / das vor gezieret war
Wormit? mit Golde? nein / mit des Gestirnes Krone /
Mit Strahlen voller Glantz. der Leib wird nun zu Hohne /
Den eine Jungfraw trug. der Bart / die starcke Brust /
60 Für der Alcides schwach / sind Eiter / Koth / vnd Wust.
+ + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 559]
[E4b]
Vnd wir sind noch verstockt? was haben wir vor Sinnen /
Daß solche höchste Noth sie noch nicht kan gewinnen?
Welch Tiger ist so grimm? wie wann der grosse Heldt
In dieses Mittel sich nicht hette dargestelt?
65 So krefftig war die Gunst den Menschen zu erhalten /
Der jetzund sein Gemüt’ hergegen leßt erkalten /
Schlegt alles in den Wind. auff / auff doch / vnd erwacht /
Thut weg von euch den Schlaff der allzu sichern Macht /
Ey legt die Faulheit hin. es wird doch nicht begehret /
70 Daß jhr ein sterblich Ding zum Opffer jhm gewehret:
Stecht gar kein Lamb nicht ab / schlagt keinen Ochsen nicht;
Keyn Weyrauch darff hier seyn / kein eingeweihtes Liecht;
Gott siht im Finstern auch; er fraget nach dem Hertzen /
Er fordert einig nur den Sinn / der Rew vnd Schmertzen
75 Vor seine Laster tregt / er wil gebeten seyn
Mit eyffriger Begihr; nur diß gefelt allein
In seinen Augen wol. Diß sind die rechten Gaben /
Das Zeichen wahrer Trew / diß wil er einig haben.
Wie neigt er doch das Häupt so sehnlich zu vns her?
80 Wie freundlich zeigt er doch die Seiten so der Sper
Vns gantz eröffnet hat? wie weiset er die Hände /
So vns durchnagelt seyn / wie rufft er vor dem Ende /
Wie mit den Kindern dann ein Vater sich bespricht /
Wenn jhm nun Atropos die matten Augen bricht /
85 Vnd reißt den Faden ab / wie strecket er die Armen
Nach seinen Söhnen aus? kan da auch sein Erbarmen
Nicht lassen da sich sein kein Mensch erbarmen wil?
Da jhn das Leben leßt / hat doch die Gunst kein Ziel
In die er vns gefaßt. wir aber haben Ohren /
90 Vnd hören gleichwol nicht / wir sind verstockte Thoren /
Vnd dencken gantz nicht nach was künfftig folgen soll /
Wann eben dieser Fürst den anvertrawten Zoll
[F1a]
Des Lebens fodern wird / vnd Rechnung mit vns machen /
Wann dieser schöne Baw wird in der Flamme krachen /
+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 560]
95 Vnd vber Hauffen gehn. Da wird nicht einer seyn
Von denen die verdammt / der in die Glut hienein
Wird können auffrecht sehn. sie müssen alle gehen
Wo Styx der schwartze Fluß pflegt vnbewegt zu stehen /
Vnd wo Cocythus laufft. da wird zu spates Leid
100 Vnd Rew erst bey euch seyn / da wird die rechte Zeit
Nicht mehr zu rücke gehn. jhr werdet gerne wollen
Daß Felsen vnd Gebirg’ euch vberfallen sollen;
Vmb sonst / gewiß vmbsonst. so seht nun / weil jhr lebt /
Vnd das Vermögen ist / daß jhr nur einig strebt
105 Zu bessern ewern Sinn / zu dencken an die Stelle
Der Seelen die Gott liebt / da nichts ist von der Helle /
Da Frewden vbrig seyn. so wird sich Christus auch
Erweisen brüderlich / wie sonsten sein Gebrauch
Gewesen von begin / wird selber in euch wohnen /
110 Vnd nach viel Müh’ vnd Angst euch zieren mit den Kronen
Der alten Ewigkeit / vnd wird euch lassen gehn
Wo das Gestirne soll zu ewern Füssen stehn.

[.5] Auff das Creutze des HErrn.

ISt dieses hier das Holtz / damit wir Christen prangen /
Nach dem der Sünden Last ist von vns abgethan?
Ist diß das Holtz / an dem der rechte Pelican
Vns lebendig gemacht / da als die List der Schlangen
5 Vns sämptlich hatt’ erwürgt? ist dieser hier gehangen /
Der Himmel / Erde / Lufft vnd Meer regieren kan /
Der wider Hell’ vnd Tod schwingt seine Siegesfahn /
Vnd den der vns vor hielt / jetzt selber helt gefangen?
+ + + + + Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 561]
Ists hier wo Gottes Zorn vnd Grimm verloschen sindt /
10 Vnd wo er seine Lieb’ hat wieder angezündt?
[F1b]
Trugst du die edle Last? hat dich das Lamb genetzet /
Das alle Sünden tregt? O grosse Wunderthat!
Geheiligt ist der Walt der dich getragen hat /
Noch heiliger der Berg auff den man dich gesetzet.

[.6] Auff die Weise des hundert vnd vierdten | Psalms.

AVff / auff mein Hertz’ / vnd du / mein gantzer Sinn /
Wirff alles das was Welt ist / von dir hin;
Im fall du wilt / was göttlich ist erlangen /
So laß den Leib / in dem du bist gefangen:
5 Die Seele muß von dem gesaubert seyn
Was nichts nicht ist als nur ein falscher Schein /
Muß durch den Zaum der Tugend dempffen können
Die schnöde Lust der eusserlichen Sinnen.
Ein jeder Mensch hat etwas das er liebt /
10 Das einen Glantz der Schönheit von sich gibt:
Der suchet Geld / vnd trawet sich den Wellen;
Der gräbet fast biß an den Schlund der Höllen:
Viel machen sich durch Krigesthat bekandt /
Vnd stehn getrost für Gott vnd für jhr Land:
15 Der dencket hoch / vnd strebet gantz nach ehren;
Vnd jener leßt die Liebe sich bethören.
In dessen bricht das Alter bey vns ein /
In dem wir bloß vmb nichts geschäfftig seyn;
+ + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + +

[Druckausgabe S. 562]
Eh’ als wir es recht mögen innen werden /
20 So kömpt der Todt / vnd rafft vns von der Erden.
Wer aber gantz dem Leib’ ist abgethan /
Vnd nimpt sich nur der Himmels-sorgen an /
[F2a]
Setzt allen Trost auff seines Gottes Gnaden /
Dem kan noch Welt / noch Tod / noch Teuffel schaden.
25 Den Ancker hat der Noa eingesenckt /
Da als er war mit Lufft vnd see verschrenckt;
Der grosse Trost hat Abraham erquicket /
Als er sein Schwerdt nach Isaac gezücket.
Der Glaube muß von Gott erbeten seyn /
30 Der einig macht / daß keine Noth noch Pein /
Vnd Todes Angst auch den geringsten Schmertzen
Erwecken kan in frommer Leute Hertzen.
Drumb schaw’ / O Mensch / hinauff vnd vber dich /
Nach dem was nicht den Augen zeiget sich /
35 Was niemand kan beschliessen in den Schranken
Der Sterbligkeit vnd flüchtigen Gedancken.
Vollbringst du das / mein Hertz’ / vnd du / mein Sinn /
Vnd legst die Last der Erden von dir hin /
Sagst ab dem Leib’ in dem du bist gefangen /
40 So wird Gott dich / vnd du wirst Gott erlangen.
+ + +

[F2b]

leer

[F3a]

Ganzseitiger Sondertitel

[.7] ... Heinsii Lobgesang Jesu Christi ... = 45

Das Werk endet auf Bl.

[K3a]

(verdruckt als K2)

[K3b]

leer

[Druckausgabe S. 563]
[K4a]

MARTINI OPITII

Anderes Buch Der Poetischen Wälder:

In welchem die Getichte von Ruhe des Gemütes / vnd dem Ackerleben:

Item DANIELSI HEINSII Hymnus auff den Bacchum.

[K4b]–[P1b = S. 29]

[.8] Zlatna = 53

[P2a]

Ganzseitiger Sondertitel:

[.9] Lob des Feldtlebens = 54

[P2b]

leer; das Bl. P2 zählt als S. 30.

Das Werk endet auf Bl. [Q3b = S. 40]

[Q4a]

unpaginiert, ungezählt;

ganzseitiger Sondertitel:

[.10] Heinsii Lobgesang Bacchi = 48

[Q4b]

leer; unpaginiert, ungezählt

Das Werk endet auf Bl. [T4b = S. 64]

[V1a]

unpaginiert, ungezählt

MARTINI OPTIII

drittes Buch Der Poetischen Wälder: Darinnen allerhandt Sachen.

[V1b]

leer

[Druckausgabe S. 564]
[65]

[.11] Vber den Abschied Ihrer

Hochfürstl. Durchlauchtig- | keit / Ertzherzogen Carlens von | Oester- reich Ihrer Keyserl. Ma- | jest. vbergeben.

ALIhier in diese Grufft liegt Karolus gesencket /
Der werthe thewre Heldt / den GOtt der Welt geschencket /
Vnd was jhm ähnlich ist / das Haus von Oesterreich /
Das hochberühmbte Haus / dem nichts auff Erden gleich.
5 Ach / gar zu frü! zu frü! im Lentzen ewrer Jugend /
Vnd in der besten Blüt’ / als nun die grosse Tugend /
Sich heller sehen ließ dann selbst der Sonnen Liecht /
Berufft Gott euch zu sich / vnd gönnt der Welt euch nicht /
Der jetzt verwirrten Welt / von welcher stetem Wancken /
10 Vnd blinden Eitelkeit / die Himmlischen Gedancken
Euch hatten abgeführt; die ewrer Gaben Schar /
Wie weit sie jmmer ist / doch viel zu enge war.
O Spanjen! O
Madrit! wir hören nicht gar gerne
Anjetzund mehr von euch / ob jhr dem Morgensterne
15 An Pracht vnd schöner Zier gleich vor zu ziehen seyd /
Nach dem der beste Rhum / vnd Ehre dieser Zeit
Bey euch verbliechen ist. die Völcker aller Erden /
So durch diß grosse Haus beherrschet müssen werden /
Sind von dem Orient’ erschrocken vnd verzagt
20 Biß in den Niedergang: Iberien beklagt
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + +

[Druckausgabe S. 565]
[66]
Sein’ Vnglückseligkeit; das edle Barcellone
Setzt jetzt Cypressen auff für seine güldne Krone
Vnd kehrt den Scepter vmb: das reiche Portugall /
Vnd auch sein Lisabon / betrawren diesen Fall.
25 Hier wo der Hercules zwo Seulen auffgesetzet /
Vnd wo des Tagus Flut die dürren Felder netzet /
Ist nichts als Klag’ vnd Noth. die Thonaw schwellt sich auff /
Der Wässer Königin / vnd endert jhren Lauff.
Der strengen Multe Strom scheint röter noch zu fliessen
30 Als damals wie man sah’ in solcher Menge schiessen
An seinem Vfer her so vieler Menschen Blut.
Wie weint doch Schlesien / das nun sein höchstes Gut /
Vnd seinen Vater selbst / so schnelle hat verlohren /
Dem er sein Hertze noch zu schicken hat erkohren /
35 Weil er sich selbst nicht schickt? die Felsen in Tiroll /
Vnd Hügel allesampt / sind grossen Trawrens voll.
Ganz Deutschland / welches doch bißher die scharffen schmertzen
So Mars jhm zugeführt / mit fast verstocktem Hertzen /
Wie grimme Löwen thun / in sich gefressen hat /
40 Seufftzt jetzund bitterlich / vnd weis jhm keinen Rath.
Der braune Moor verhüllt das scheutzliche Gesichte /
In sein Bawmwöllin Tuch / vnd gönnt dem Tageliechte
Die weissen Augen nicht. Molucca krencket sich /
Vnnd der Sinnreiche Chin ist trawrig inniglich.
45 Ja mehr noch / eine Welt ist nicht genung zum Klagen:
Man hört mit Kümmernis die böse Zeitung sagen
Im trächtigen Peru; das Schiff kam nicht so weit
Das Magellanen trug als dieses Hertzeleid.
Ach! aber gantz vmbsonst! das für des Todes Stercke
50 Doch keine Sanfftmuth gilt / vnd keine gute Wercke!
Nein / der so vber vns des Himmels Baw regiert
Hat lieber noch als wir den Geist den Tugend ziert.
+ + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 566]
[67]
Es ist ein schöner Ort hoch vber allen Lüfften /

Der vns von fernen hier aus diesen tieffen Klüfften
55 Scheint weiß zu seyn als Milch / in den ein jeder Heldt
Von Gott versetzet wird / nach dem er dieser Welt
Hat gute Nacht gesagt. hier sieht man prächtig stehen
Den grossen Constantin / vnd auff den Sternen gehen
Den gleichfalls grossen Karll / der durch verstand vnd Macht
60 Der alten Römer Reich hat auff vns deutschen bracht.
Doch pfleget sonderlich für allen sehr zu gläntzen
Der Stamm von Oesterreich / der auch der Sonnen Grentzen
Selbst vberschritten hat / vnd in sein Regiment
Beschlossen manches Volck / das niemand von vns kennt /
65 Auch fast am Namen nur. man sah’ hier an der Spitzen
Des weisen Albrechts Sohn / den grawen Rudolph sitzen /
Der dieses weite Reich / das sehr geschwechet war /
Durch Vnrecht vnd durch Recht / vom starcken Ottocar /
Hat zu sich selbst gebracht / vnd jhn mit achtzehn Wunden
70 Geschickt zun meisten hin. auff diesen nachmals stunden
Der sieghafft Albrecht erst / der noch zu Speyer liegt:
Dann Friedrich / der groß Lob von seiner Schönheit kriegt
Vnd lieblichen Gestalt: vnd Albrecht der geehrte /
Der dich / O Amurath / zu rücke weichen lehrte;
75 Vnd / den jetzt Newburg hat / der Friedrich war vnd hieß:
Auch Maximilian / den nie das Glücke ließ /
Daß gleichsam beydes jhm vnd diesem gantzen Samen
Leibeigen ist gemacht: vnd Karll der fünfft’ am Namen /
Der erst’ an Tapfferkeit: auff diesen Ferdinand /
80 Der Wien / das fünfffach ward durch Soliman berannt /
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 567]
Den argen Christenfeind / in Freyheit hat gesetzet:
Vnd der so offt’ vnd viel das gantze Land genetzet
Mit den Beschnittenen / auch Maximilian:
Vnd Rudolph / dessen Lob nicht vntergehen kan
[68]
So lange Sonn’ vnd Mond am Himmel werden schweben:
86 Hernach Bellonen Sohn Matthias / der sein Leben
Fast von der Wiegen an auff Kriegesruhm vnd Ehr’
Hat gantz vnd gar gesetzt; vnd was für Helden mehr
Aus diesen trefflichen Geschlechte sind entsprungen /
90 Die ich zu nennen nur mit Schwachheit meiner Zungen
Gar viel zu wenig bin. der grossen Männer Hauff’ /
Als Karll zu jhnen kam / stund gantz begierig auff /
Vnd nahm jhn herrlich an. sein Vater / der vorzeiten
So löblich hat regiert / satzt’ jhn an seine Seiten
95 Vnd war erfrewt ob jhm. hier wohnt der edle Heldt /
In höchsten Frewden nun / vnd sihet auff die Welt
Vnd auff jhr Thun herab / schawt wie mit hohen Sorgen
Wir sterblichen allhier / wann Phebus auff den Morgen
Das helle Liecht auffsteckt / vnd auff die kühle Nacht
100 Hinweg sich wiederumb mit seinem Wagen macht /
Nach Ruhm’ vnd Ehren stehn. vor anderm aber allen
Leßt er des göttlichen Gesichtes Stralen fallen
Auff dieser Erden Haupt / den grossen Ferdinandt /
Der nun vnd ewig wird von Thaten seyn bekandt.
105 Er wündschet / vnd wir auch / daß Gott das lange Leben /
So jhm genommen ist / dem Keyser wolle geben /
Der zwar an Stärck’ vnd Krafft der Rhum ist dieser Zeit /
Vnd aller Fürsten Fürst / doch mehr an Freundligkeit /
Die Gott am nechsten kömpt. Trajanus der wird bleiben /
110 Der Menschen Lieb’ vnd Lust / so lange man wird schreiben;
Doch nicht so sehr daß er die Parther vberwand /
Vnd den Decebalus schlug mit behertzter Hand / + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 568]

Als daß er gütig war: vmb diese grosse Gaben /
Die euch noch / weil jhr lebt bereit versetzet haben
115 Hin in des Himmels Saal / verhoffen wir die Welt /
Was Thetis weit und breit in jhren Armen helt /
[69]
Ihr anderer Trajan / soll liegen euch zun Füssen /
Der Ister vnter euch biß an Bizantz hinfliessen:
Ihr sollt vns wiederumb / auff diesen langen Streit /
120 Vernewen wie sie war die alte güldne Zeit.
Die Zier der Heldinen / die Mantua gebohren /
Vnd die Natur zum Bild’ vnd Spiegel auserkohren
Der Gaben mannigfalt / die nimmer sterblich seyn /
Ob alles gleich sonst stirbt / soll jhrer Tugend Schein
125 Viel mehr vnnd höher noch erstrecken als die Sonne:
Der zweyen Fürsten Rhum / die ewre Frewd’ vnd Wonne
Vermehren jederzeit / aus derer Augen schon
Anjetzt zu sehen ist der väterliche Thron
Die sollen offenbahrn / daß zwey gefunden werden
130 Die vber alles sind im Himmel vnd auff Erden;
Im Himmel vnser Gott / der nur jhm selber gleich’/
Vnd hier auff dieser Welt das Haus von Oesterreich.

[.12]

Amice lector, extemporaneum hoc carmen, cum Viennae nuper essemus, magni cujusdam in aula viri monitis in Latium eadem facilitate et unius horae spatio transtulimus; quod quamvis, ut fit in tanta festinatione, hiulcum sit et inaequale, juventutis tarnen caussa adjicere libuit, ut cum suis etiam versibus idem facere discat. Isto enim exercitii genere nihil est utilius.

HOc CAROLUS tumulo, patriae spes magna, recumbit,
Pignus dulce. Deus nostris quod cesserat oris,

[70]
Et stirps Austriadum, gens illi proxima, famam
+ + + + + + Sachanmerkung
[Druckausgabe S. 569]
Ingentesque ausus solis quae terminat astris.
5 Heu fati invidiam! tua dum melioribus annis
Vita fluit virtusque novis divina serenat
Has terras radiis, Numen te subtrahit orbi,
Huic ingrato orbi, cujus tu ludicra rerum
Spesque leves nimium es solitus contemnere forti
10 Austriacoque animo et qui te neque, plurima quamvis
Et maria et campos magno concludat inani,
Nec tantae potuit complecti munera laudis.
O tellus Hispana! o urbs infausta Madritum!
O funesta loca! invitis jam nomina vestra
15 Auribus excipimus, licet alti luce nitoris
Aequetis bimaris rara ornamenta Corinthi,
Et Thebas veteres, aevi quia gloria nostri
E vestro correpta sinu nos reddidit orbos.
Quaevis terra gemit: populi qui Solis ad ortum
20 Herculeamque habitant requiem tristantur. Iberus
Deplorat sortem ipse suam, regina coronam
Barcellona levi cupresso mutat, et aureum
Invertit sceptrum, queritur Lisabona, Tagique
Auriferi saltus, fluviorum maximus Ister
25 Sentit jacturam, et solito majoribus undis
Labitur in moestos citra sua littora campos.
Mulda gemit, celsos trepidans Tirolia colles
[71]
Humectat lachrymis, et diva Silesia plorat
Amisso patre, cui cor mittit, pignus amoris
30 Extremum, sed grande, sui. Germania tota,
Hactenus immoto duri quae tela Gradivi
Perpessa est animo, se non capit atque dolorem
Immensum nimis. Aethiopes sua lumina velo
Involvunt ipsis nigriore, Moluccaque luctum
35 Sentit adusta gravem et gens ingeniosa Sinarum.
Quid quod ad hos gemitus unus non sufficit orbis?
Haud nova jam fletu Peruvia plangit amaro,
Et loca quae sollers vix Magellanus adivit,
Mors isthaec adiit. rutili sed Caesar Olympi,
40 Si fas est sic velie loqui, plus diligit alma
Virtute atque suo turgentia pectora cultu.
Est sedes longe in medio pulcherrima coelo
[Druckausgabe S. 570]

Lacteque candidior, jussu quam numinis ordo
Possidet heroum, quos facta potentia dextrae
45 Invictae et pietas ultra mortalia vexit.
Hic Constantinus Magnus sua sidera calcat
Et Magnus Carolus, cui Teuto debet honorem
Imperii atque tuas, audax Romane, curules.
Praesertim flammis tamen undique cincta serenis
50 Austriadum stirps omnis adest. in fronte Rodulphus,
Filius Alberti Prudentis maximus hostis
Ottocari et victor: post hunc Albertus amoenos
[72]
Qui jacet ad Nemetes; pulcher Friedricus ab isto,
Albertusque, et qui Friedricus (o utile nomen!)
55 Dicitur et fuit, hinc Maxaemilianus, amica
Usus fortuna semper dum xivit, et ille,
Quem Quintum dixere, at primum mille trophaeis
Se fecit reliquorum et per quem gloria nostrae
Aucta est Vindobonae, cum Solimannus onustam
60 Vique doloque simul tacito penetraret in urbem.
Nec te praetereo, Maxaemiliane, timorem
Gentis Threiciae, nec te, divine Rodulphe,
Matthiamque simul, propriis quem fulgida mammis
Eduxit medios inter Bellona triumphos,
65 Atque viros quotcunque, deos seu dicere mavis,
Non mortale genus dederat mortalibus auris.
Surrexere omnes Carolo veniente manusque
Cum manibus junxere; parens, mea gloria, fili,
Ad nostrum latus, inquit, ades. jam nobilis heros
70 Humanas spectat sancto de vertice gentes
Incertasque vices. Primos, quos cernit, honores
Ferdinandus habet, patriae pater ille, solique
Delitiae atque caput: vitam, quam dura negarunt
Fata sibi, huic optat nobiscum, gloria cujus
75 Maxima factorum est, melior clementia, divûm
+ + + + +
[Druckausgabe S. 571]
Aemula summorum. Trajanum sera vetustas
[73]
Evehit ad superos, non quod, licet hoc quoque magnum est,
Parthos edomuit rigidos Dacumque ferocem,
Sed quia mitis erat: nec tu, Trajane secunde,
80 Dotibus his minor es, quae te ultra limina coeli
Vexerunt, dum vivis adhuc. te sentiet orbis
Extremi populus, tua Turci castra tyranni
Sacramenta petent, tuus ibit in omnibus oris
Danubius, totasque tibi submittet habenas.
85 Phoebi instar rutili fulgorem sparget amoenum
Vitae vita tuae, quam Mantua protulit orbi.
Augusti juvenes, quibus hoc in flore juventae
Divus in ore pater radiat, sanctaeque secures,
Esse duo ostendent, tellus queis paret et astra;
90 Aequalem sibi nempe Deum, Austriacique potentes
Semideos generis, par nil quibus atque secundum est.

[74]

[.13] An eine Hochfürstliche Person / vber | den von deroselbten gestiffteten Orden oder Gesellschafft der Vertrew- ligkeit.

HErr / wer der auch wird seyn / so künfftig ewer Leben
Der Zeit die nach vns kömpt / wird zu erkennen geben /
Daß ewres Namens Lob berühmbt sey weit vnd breit /
Als wie jhr dann verdient / O Hoffnung vnsrer Zeit;
5 Wird sagen / daß jhr schon im Früling ewrer Jugend
Gewesen seyd ein Bild vnd Spiegel aller Tugend /
Daß ewer grosser Sinn vnnd fewriger Verstandt
Auff nichts was sterblich ist von Kindheit sich gewandt /
Sachanmerkung Sachanmerkung + +

[Druckausgabe S. 572]
Daß wann jhr schon kein Fürst gebohren von Geblüte /
10 So königlich doch ist / jedennoch das Gemüte
Zum Fürsten euch gemacht; wird sagen / daß das Blut /
Wie Göttlich es auch ist / bey euch das minste thut;
Daß jhr / so lang’ jhr nun diß ewer Land regieret /
Es / wie die schöne Sonn’ jhr Firmament / gezieret;
15 Daß vnser Schlesien / so vor wie vogelfrey
Durch Zwietracht worden war / von euch erhalten sey.
Doch wird er sonderlich beyneben andern Schreiben /
Mit Tinten so kein Rost der Jahre soll vertreiben /
Von der Gesellschafft auch der Trew’ vnd Redligkeit /
20 In welcher jhr das Haupt vnd erster Stiffter seyd.
O welch ein schönes Haupt / der gleichfals schönen Glieder /
Des Leibes voller Zier / ein Vater dieser Brüder /
Die zwar in dem vnd dem sonst vnterschieden seyn /
Doch in Vertrewligkeit gantz stimmen vberein.
[75]
O welch ein schönes Haupt vom Himmel selbst entsprossen /
26 Das so ein werthes Band hat vmb sich her geschlossen /
Das Band das fester ist als Eisen vnd Demant /
Den Orden der sich gleicht mit Hertzen / Mund’ vnd Handt.
Der keine Schmincke braucht / nicht diß thut / jenes meynet /
30 Haßt vorwerts wen er haßt / liebt daß es auch erscheinet
Im Werck’ vnd in der That / wil mit der Kriegeskunst
Der Feinde Meister seyn / der Freunde mit der Gunst.
Sieht auff sein Vaterland / ist Gott vnd jhm ergeben /
Leßt / muß es ja so seyn / auch williglich das Leben /
35 Weis daß er nicht allein jhm selbst gebohren sey /
Vnd steht mit Frewdigkeit der guten Sache bey.
Der Orden muß ja Gott vnd Menschen wolgefallen /
Die schließ’ ich einig aus / so voll seyn schwartzer Gallen
Des Neides / welcher doch hier gar nichts richten kan /
40 Vnd greifft sich selber nur in seinem Eyffer an:
+ + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 573]
Die Trew ist vber jhn / vnd vber alles Glücke /
Das von den Menschen sonst von wegen falscher Tücke
So sehr gefürchtet wird: setzt gegen Krieg vnd Streit /
Der fast die Welt erfüllt / den Schild der Einigkeit.
45 O wolte / wolte Gott / daß doch mit gleicher Liebe
Ein jeder deine Sach’ als dieser Orden triebe /
Du werthes Vaterland / der einig ist erdacht /
Daß du doch werdest nur zu deiner Ruh gebracht:
Wir wolten kurtz hernach Schild / Harnisch / Spieß vnd Wehren
50 Mit Frewden in den Pflug / der besser ist / verkehren;
Wir wolten bald die Spinn’ (O der gewündschten Lust!)
Ihr Netze weben sehn vmb einen Helm voll Rost.
Nun euch / jhr edler Fürst / vnd ewren hohen Gaben /
Wird vnser Vaterland sein Heil zu dancken haben /
55 Wird sagen öffentlich / daß jhr sein Vater seydt /
Daß jhr vns wieder bringt die alte güldne Zeit.
[76]
Durch ewer Zuthun wird der Friede wiederkommen /
Von dem wir wenig nun fünff Jahr her schon vernommen;
Die Threnen so man jetzt vergeußt aus Angst vnd Pein /
60 Die werden vberall ein Frewdenzeichen seyn.
Euch wird das grüne Feldt / Thal / Wälder / Berg’ vnd Awen /
Verjüngen jhre Zier; man wird die Städte bawen
So jetzt durch Brand / durch Pest vnd Raub verwüstet stehn;
Euch wird das arme Volck mit Lust entgegen gehn /
65 Vnd ruffen vberlaut: kompt laßt vns den empfangen /
Von welchem wir negst Gott das Leben selbst erlangen.
Wem Mars bewogen ist liegt oben durch den Krieg /
Der fromme Fürst erhelt durch trew seyn seinen Sieg.
Ich auch werd’ ein solch Lied von ewrer Tugend singen /
70 Im fall ich leben soll / das weiter wird erklingen /
+ + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 574]
Als dessen Volckes thon das nie zu kriegen pflegt
Den Geist von oben her der die Poeten regt /
Die Brüder der Natur / ich wil euch edlen Printzen
Groß machen vnd bekandt bey aller Welt Provintzen;
75 Die deutsche Poesie / so ich in schwang gebracht /
Soll bloß vnd einig seyn auff ewer Lob bedacht.
In dessen aber werfft das gütige Gesichte /
So keinen trawrig macht / auff dieses mein Gedichte /
Vnd dencket das bey Gort / an dessen statt jhr sitzt /
80 Auch bloß nur das Gemüt’ vnd guter wille nützt.
+ + + +

S. 77–80

[.14]

Auff den seligen abschied der ... Fürstin Dorotheen Sibyllen, »Wann thewre Heldinnen ...« = 67.2

S. 81–86

[.15]

Auff den tödtlichen Abgang der ... Fürstin Sophien Elisabethen, »O wol dem / welcher noch ...« = 47.1

S. 86–88

[.16]

Vber das Absterben ... Adams von Bibran, »O die selig’ edle Seele ...«; siehe Bl. I3a der Poeterey = 66.

S. 88–91

[.17]

Herren David Reinisches ... Grabeliedt, »Die Threnen voller Angst ...« = 61

S. 91–92

[.18]

Als Herr Elias Hoßmann ... zwei Töchter innerhalb dreyen Tagen ... bestattet, »Nur ein Kind ist zu viel ...« = 71

[Druckausgabe S. 575]

[.19] An Herren JOHANNEM VVESSELIUM, Seinen Schwager / Als derselbe / nach auffgehörter langwiriger Pest | zum Buntzlaw / eine Dancksagung-|Predigt gehalten.

HIlff Gott! hat denn der Krieg nicht Volck genung gefressen /
Von etzlich Jahren her / seit daß wir gantz vergessen
Daß vnser Vaterland feilt in sein eigen Schwerdt /
Vnd wird sein Mörder selbst? Wir werden auch verheert
5 Durch dich / du wilde Pest / vnd Fresserinn der Erden;
Inmassen Buntzlaw denn hat müssen innen werden
So eine lange Zeit / die zwar fast kleine Stadt /
Doch die viel grosser Leut’ in sich erzogen hat.
Welch Jammer war nun da? man sah’ auff allen Gassen
10 In höchster Einsamkeit die Häuser gantz verlassen:
Der Vater ließ sein Kind / das Kind den Vater stehn /
Vnd dorffte sicherlich kein Mensch zusammen gehn.
Die Vögel machten selbst sich in die ferren Wüsten /
Vnd wolten aus Gefahr nunmehr bey vns nicht nisten.
15 Wer aus der Frembde kam / sucht’ eine newe Bahn
Vnd sahe diß Revier nicht ohne Grausen an.
Ein jederman erschrack. Der wunderschöne Brunnen /
Der vns so reichlich tränckt / ist trawriger gerunnen /
Weil vmb sein reines Quell der gelben Leichen Heer
20 In solcher Menge war. Der Bober floß auch schwer /
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 576]
[93]
Vnd war wie gantz verstarrt. Was muste der nun leiden
Der an der Kranckheit lag / eh’ als er kundte scheiden /
Vnd ward des Cörpers loß? das angesteckte Blut
Trat in den gantzen Kopff als eine heisse Glut /
25 Vnd nahm die Augen ein / die voller Fewers stunden.
Der sprachen weg der Schlund ward jämmerlich gebunden /
Die Lunge werthe sich / der gantze Leib lag kranck /
Vnd ließ die Kräfften fort. Ein scheutzlicher Gestanck /
Wie sonst ein faules Aaß auch von sich pflegt zu geben /
30 Roch aus dem Hals’ heraus; das arme schwache Leben
Stund auff der Schwelle schon / vnd sahe hin vnd her /
Ob in der grossen Qual nicht etwan Labsal wer’?
Ach! aber fast vmbsonst. Was satzte nun dem Hertzen /
Das auch voll Flamme war / für Kümmerniß vnd Schmertzen /
35 Für Leid vnd Wehmuth zu / da sämptlich Hand vnd Bein
Ihr Ampt nicht kondten thun? es schwand das Marck aus Pein /
Der heisse Magen sodt / der Mund blieb offen stehen /
Die Zunge litte Durst / der Pulß hub an zu gehen
Geschwinder als zuvor: Viel haben Tag vnd Nacht
40 Nie keinen Schlaff gehabt / vnd gäntzlich sich verwacht /
Der Schweiß war auff der Haut / das Prausen in den Ohren /
Das Klopffen vmb die Brust. Nicht wenig die verlohren
Verstand vnd allen Sinn. Die Kälte trat gemach
Den müden Schenckeln zu / biß sie so nach vnd nach
45 Die Glieder gantz vnd gar mit jhrer Gifft durchfahren /
Die jhnen allbereit nun nicht mehr ähnlich waren:
Der Schlaff ward ausgehölt / die Nase spitz gemacht /
Die Stirne wie gespannt / eh’ als die lange Nacht
Den auch fast todten Geist ließ aus dem Kercker fliegen /
50 In dem er harte lag. Wo war nun Trost zu kriegen?
Wo flohen wir doch hin? Wer nam sich in der Noth
Des armen Volckes an? Du / O du grosser Gott.
+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 577]
[94]
Du hast dich / als wir sind mit hitzigen Gebethen
Vnd Andacht ohne falsch für deinen Thron getreten
55 Gantz väterlich erzeigt / den Eyffer deiner Handt /
Die sonst ergrimmet war / genädig abgewandt /
Vnd deinen Zorn in Güt’ vnd Freundligkeit verkehret /
In Güt’ vnd Freundligkeit / die nun vnd ewig wäret /
Wie sehr wir dich erregt / so hat ein gutes Wort
60 Das recht von Hertzen geht bey dir doch Platz vnd Ort.
Herr Wessel / das habt jhr vnd andere verrichtet /
Geseufftzet Tag vnd Nacht / den schnöden Leib vernichtet /
Die Seele Gott vertrawt / der auff das schwere Leid
Mein werthes Vaterland nun wiederumb erfrewt.
65 Hierumb erhebt jhr jetzt gar recht die ernsten Stimmen /
Vnd laßt sein hohes Lob biß durch die Wolcken dringen.
Der Ruhm / der wahre Danck / der nach dem Himmel steht /
Macht daß man hier der Pest / vnd dort der Hell’ entgeht.

[.20] Vber den Abschied einer Edlen Jungfrawen. Vnter eines andern Namen.

GLeich wie zu Sommerszeit / wann alles frölich blühet /
Vnnd man sich Wald / Feld / Berg vnd Thal verjungen sihet /
Vor aller Blumen Schar / so jrgend mögen seyn /
Die schöne Lilie leßt blicken jhren Schein:
5 Es fliegen auff sie zu die Bienen hauffen weise /
Und saugen mit Begier die angenehme Speise /
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + +

[Druckausgabe S. 578]
Vnd wolgeschmacken Safft; sie steht in höchstem Flor;
Es gläntzt jhr weisses Kleid vor allen Blumen vor:
Ihr lieblicher Geruch erfrewet Hertz’ vnd Sinnen;
10 Man muß jhr günstig seyn / vnd muß sie lieb gewinnen:
[95]
Der schöne Zephyrus wird gegen jhr entzündt /
Vnd weht aus Huld jhr zu den süssen Liebeswind.
Bald kömpt der scharffe Nord gantz vnverhofft gebrauset /
Quer vber Feld daher / pfeifft / heulet / singt vnd sauset
15 Vnd nimpt die Lilie mit Vngestümme hin;
Die liebliche Gestalt bricht nichts nicht seinen Sinn.
Das grüne Feldt beginnt vmb seine Zier zu trawren /
Die andern Blumen auch thut jhre Schwester tawren /
Die Bienen fliegen selbst vor schmertz’ vnd Trawrigkeit
20 Verirrt jetzt hin / jetzt her / vnd tragen grosses Leid.
So bistu auch zuvor / du schöneste / gewesen /
Du stirbst / durch welch’ ich mir verhoffte zu genesen /
O du mein Trost zuvor: jetzt bistu nackt vnd bloß /
Vnd kriegest einen Sarch vor deines Liebsten Schoß.
25 Du weisse Lilie / du Spiegel aller Tugend /
In deiner besten Blüt’ vnd in der grünen Jugend /
Kürtzt dir der grimme Todt dein schnelles Leben ab /
Vnd führet dich behend’ aus dieser Welt ins Grab.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 579]
Doch bistu nun von jhr vnd jhrer Noth gerissen;
30 Ich muß hier ohne dich in Qual vnd Trawren büssen:
Ich wall’ im weiten Meer’ / in Wellen aller Noth.
Du bist todt lebendig / ich bin lebendig todt.

[.21] An Herren Hansen von Landskron / als er von jhm verreiset.

WAnn sich der werthe Gast die Seele nun soll scheiden /
Vnd jhres Leibes Schloß die zarte Wohnung meiden /
Hilff Gott / was hebet sich alsdann für Jammer an?
Wie bitter geht es ein eh’ als man fortziehn kan?

[96]
Wann ein vertrawter Sinn den andern muß verlassen /
6 Was pflegt sie dazumal für Wehmuth zu vmbfassen?
+ + + Sachanmerkung + + + + Sachanmerkung + +
[Druckausgabe S. 580]
Ein Tag ist ein gantz Jahr / die angenehme Nacht
Wird ohne Schlaff mit Leid’ vnd Sorgen weg gebracht.
So wil dein Abschied auch mir nicht so viel vergönnen /
10 Daß ich ein zierlich Lied dir möge tichten können /
Den werthen Lorbeerbaum verfluch’ ich jetzund gantz /
Vnd alle Fröligkeit / Cypressen wird mein Krantz.
Ach daß doch die Natur nicht wollen mir erleuben
Ein liebliches Geticht’ als Naso thet / zuschreiben /
15 Vnd wie der Orpheus vff Hemus Klippen sang /
Daß vberall darvon Wald / Feld vnd Berg erklang:
Ich hiebe dich sehr hoch / du Kron’ vnd Ziehr der Jugend /
Durch die Poeterey and jhre grosse Tugend:
Nun nim diß schlechte Pfand mit guten Willen an /
20 Dieweil ich jetzund ja dich nicht begleiten kan.
Sachanmerkung + + Sachanmerkung + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 581]
Wann wir vns offtermals auff was gewiß gedencken /
So kömpt der so die Welt mit einer Hand kan lencken /
Der streichet einen Strich durch vnser Hertz vnd Sinn /
Vnd führet vnverhofft den gantzen Vorsatz hin.
25 Doch wann du werest gleich da wo die Sonn’ auffgehet /
Vnd ich im Abende wo Hesperus entstehet /
So scheidet vns doch nichts: mein Hertze bleibet dir
In Glück’ vnd in Gefahr; dein Hertze bleibet mir.

[.22] An Herren Caspar Thilo: auff seinen Namenstag.

HErr Thil / wo weis ich wol ein solches Band zu finden / Mit dem ich nach Gebühr euch möge können binden / Der jhr mich euch bißher mit Gutthat so verbunden /

[97]
Daß ich mir loß zu seyn kein einig Mittel funden? Mein Band das ist ein Wundsch: Gott woll’ euch so viel geben Als ich mir selber wündsch’; Heil / Glück’ vnd langes Leben. Ein Bändlein wird geknüpfft zum offtern nur im Schertzen: Wer besser binden wil / der binde mit dem Hertzen.

[.23] Als Herren Kirchnern seine Tochter Maria Theodora gebohren ward.

KOmm/ liebes Kind/ komm/ komm; der Lentz kömpt auch ge-
Der weisse Westwind kömpt / der Erden grünes Kleid gangen /
+ + + + + + + + Sachanmerkung + Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 582]
Macht daß man nun vergißt des grawen Winters Leid;
Die Sonne frewet sich / wird röhter auff den Wangen.
5 Komm / liebes Kind / komm / komm; die Lerche kömpt mit Prangen
Gezogen in die Lufft / vnd singt aus Frölichkeit /
Das Vieh geht wieder aus / die Welt ist gantz erfrewt;
Komm auch / man wartet dein mit sehnlichem Verlangen.
Nun ist es richtig? ja. wilkommen / zwar du Last
10 Der Mutter die dich trug / doch jetzt jhr liebster Gast:
Wirstu die Frömmigkeit / die sie hat / an dir haben /
Des Vaters schönen Geist / mit dem der Himmel jhn
So reichlich ausgeziert / so werden wol forthin
Dir wenig gleiche seyn an allen hohen Gaben.

[.24] An seiner Freunde einen / als derselbte zu Basel Doctor worden.

IN dem der wilde Mars mich hatt des Neckers Reben /
Vnd meine Sylvien verursacht zu begeben /
Die schöne Sylvien / so jetzund wie mir wol
Gesaget werden wil / dem Läger folgen soll;
5 In dem ich jrrender bin hin vnd her gezogen /
Von mancher rauen Lufft / von Schnee vnd See durchflogen /
Da gegen Mitternacht der nimmer stille Belt
Auff seinem kalten Eiß auch Roß vnd Wagen helt:
Sachanmerkung + + Sachanmerkung Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 583]
Seyd jhr bald an dem Rein’ indessen her spatzieret /
10 Bald an der Linden Breusch’ / habt ewer Haupt gezieret
Mit einem Lorberkrantz / als ein Artzt vnd Poet /
Den vnser Cynthius auff beydes recht angeht.
Hilff Gott / der grossen Lust! welch Leben kan auff Erden
Das dem die Wage helt mir nur genennet werden?
15 Was bleibt euch vnerforscht? diß vber grosse Feldt /
Was Thetis weit vnnd breit in jhren Armen helt /
Ist ewer gantzes Buch. was an dem blawen Dache
Des hohen Himmels sey / was Mond vnd Sonne mache /
Wie ordentlich das Heer der Sternen seinen Lauff
20 Vnd Masse halten muß / das merckt jhr sämptlich auff:
Wohnt offtmals in der Lufft / begierig zu erwegen
Wannher des Donners Schall / der angenehme Regen /
Der Wind / des Nebels Dunst / der trawrige Comet /
So niemals ohngefehr gesehen wird / entsteht.
25 Hier vnten aber ist kein Ort der euch nicht dienet /
Was in der Wüsten Heyd’ vnd auff den Wiesen grünet /
Was Berg vnd Thal gebiehrt / was von sich selber kömpt /
Vnd was gezeuget wird / ist alles euch bestimmt.
[99]
Zwar eine Jungfraw tregt mit jhren weichen Händen
30 Von der gemahlten Zier des Lentzens aller Enden
Da blawe / dorte gelb’ / hier weisse Blumen ein /
Setzt sie dem Liebsten auff / wann sie gewunden seyn
Mit jhrem güldnen Haar’ / vnd wil so lassen schawen
Durch dieses kleine Pfand jhr grosses Zuvertrawen;
35 Mehr Nutzens weis sie nicht: jhr ziehet alle Krafft
Von jhren Adern aus. So vieler Kräuter Safft /
So vieler Bäume Frucht muß ewre Wollust mehren:
Wie manches tausend wir Geflügel singen hören /
Wie manches Vieh vnd Wild in grünen Thälern geht /
40 Scheint alles daß es euch zu trewen Diensten steht.
+ + + + + + + +
[Druckausgabe S. 584]
Euch wächset in der Schoß der Erden vnd den Gründen /
Was Geitz vnd Pracht der Welt so embsig sind zu finden /
Das Königliche Goldt / daß Silber / Eisen / Bley /
Der nützliche Magnet / vnd Steine vielerley.
45 Doch sonderlich der Mensch ist ewer eigen Wesen /
Der Mensch das weise Thier / der muß durch euch genesen
Vnd ewre Kunst / nechst Gott: so lieb Gesundheit ist /
So lieb wird auch ein Artzt für andern auserkiest.
Wolan / fahrt tapffer fort; auff daß jhr möget heilen
50 Mit Ehren / Lob’ vnd Ruhm’ auff allen beyden theilen /
Zugleich’ an jung vnd alt / arm vnd reich / Mann vnd Weib /
Als ein Poet den Sinn / vnd als ein Artzt den Leib.

S. 99–101

[.25]

Vber ... Hindenberges ... Zehltisch, »Wer sind die Leute doch ...« = 58A

[Aa4b]

leer, ungezählt

[Bb1a]

ungezählt

MARTINI OPITII vierdtes Buch Der Poetischen Wälder: Von Hochzeitgetichten.

[Bb1b]

leer, ungezählt

[Bb2a = 102]

[.26] Auff Herrn Johann Mayers | vnd Jungfraw Margarethen | Gierlachin Hochzeit.

IHr welche Tag vnnd Nacht mit Hoffnung / Furcht vnd Zagen
Der strenge Wüterich die Liebe pflegt zu plagen /
+ + Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 585]
Die jhr mit Leib’ vnd Sinn der schnöden Eitelkeit /
Den Lüsten ohne Lust / zu Dienst’ ergeben seydt /
5 Seht an die lieben zwey / so weit von allem Schmertzen /
In dem jhr euch befindt / mit vnzertrenntem Hertzen
Nun werden inniglich verknüpfft seyn in ein Bandt /
Das durch den bleichen Tod auch selbst nicht wird zutrannt:
Denckt ewrem Stande nach / erweget ewer Leben /
10 Vnd das in welches sie sich wollen jetzt ergeben:
Wie selig sind sie doch! Ihr aber schifft im Meer
Das keinen Hafen hat / da Vnmuth vnd Beschwer
An statt der Segel seyn / da Klippen / Wind vnd Wellen
Der rasenden Begiehr sich euch zugegen stellen
15 Mit stürmender Gewalt / da gar kein Stewermann
Nicht angetroffen wird auff den man fussen kan.
Die Liebe die euch rhürt ist durch den wahn gebohren /
Der nie sein Meister wird / sie ist ein Witz der Thoren /
Der Weisen Vnvernunfft / ein’ angenehme Noht /
20 Ein wolgeschmackes Gifft / ein eigenwillig Todt /
[103]
Vnd süsse Bitterkeit / ein Hencker der Gewissen /
Dem Jupiter selbselbst auch hat bekennen müssen;
Wie edel / wie gelert wir jmmer mögen seyn /
Jedoch bethört sie vns mit jhrer süssen Pein.
25 Wir lassen ohne Schew Papier vnd Waffen liegen /
Vergessen vnser selbst / beginnen vns zu schmiegen
Vor einer die nicht groß nach vnsern Künsten fragt /
Vnd der viel ander thun als Lob vnd Ruhm verhagt.
Sachanmerkung + + + + + + +
[Druckausgabe S. 586]
Wir jrren noch mit Lust / vnd hören auch die Schande
30 Mit grossen Frewden an / so vns vnd vnsern Stande
Hieraus entstehen muß: vnd sagen offtmals auch
Was nie geschehen ist: (welch schendlicher Gebrauch /
In dem wir mancher so den guten Namen stehlen /
Vnd was sie nie gedenckt / geschweige thut / erzehlen /
35 Nicht recht vnd redlich ist.) man ist nur bloß bedacht
Der Bulschafft lieb zu seyn / erfindet newe Tracht /
Vnd zeucht mit Kleidern auff / die doch bey dem nichts können
Auff daß ein geiles Weib die vngezähmbten Sinnen
Allein zu richten pflegt. Wir lernen leise gehn /
40 Zu mehrer Sicherung / vnd auff die Seiten stehn /
Die Thüren fein gemach mit stiller Hand auffmachen /
Nicht gleiten bey der Nacht / zu rechter Zeit erwachen:
Wir reden ohne Mund / mit Augen / mit der Handt /
Mit greiffen an ein Ohr / vnd was sonst mehr bekandt.
45 Wil vns ein frommes Mensch nicht bald zu willen leben /
So wissen wir gar fein bey jhr dann vorzugeben
Wie jhrer Tugend Liecht vnd grossen Schönheit Pracht
Vns haben gantz vnd gar jhr vnterthan gemacht.
So nehmen wir sie ein durch Dienst vnd stetes Ehren /
50 In dem sie von Natur sich gerne rühmen hören /
Vnd lieben wer sie lobt. Wir geben Heyrath vor /
Vnd wann die Zeit fast kömpt / so suchen wir das Thor.
[104]
Wir schicken Botschafft aus / erdencken kluge Rencke /
Wie beyzukommen sey / verehren viel Geschencke /
55 Vornichten heimlich die so vor am Brete seyn /
Vnd schleichen vnvermerckt in jhre Stellen ein.
Viel tausend Künste mehr sind hier sich einzudringen:
Durch Tantzen / durch den Wein / durch Seitenspiel vnd singen /
Vnd was man sonsten noch für schnöde Sachen übt
60 In welche dieses Volck gar leichte sich verliebt.
Hergegen wer wil doch die tieffe List der Frawen /
Wie wol beredt der sey / zu sagen jhm getrawen?
Ihr gantzes Leben ist gleich einer Zauberey.
(Die keuschen meyn’ ich nicht / das ferne von mir sey.)
+ + + + + +
[Druckausgabe S. 587]
65 Begehrt man jhrer sehr / so soll man jmmer harren;
Fragt man nach jhnen nicht / so heissen sie vns Narren;
Ist einer gar zu gach / so kömpt er gantz nicht ein;
Lest er sie von sich selbst / so muß er fürchtsam seyn;
Ich weis nicht was man thut. Die Männer anzuhetzen
70 Sind sie behender noch als mancher der mit Netzen
Den armen Vogeln stellt. Wie mancherley Manier
Ist vor den schnöden Leib von thewrer Pracht vnd Zier?
Sie spotten der Natur / vnd mahlen sich mit Sachen /
So nur die Haut vnd nicht das Hertze schöner machen /
75 Vermehren jhren Glantz mit Wässern vielerhand;
Ja für jhr Antlitz wird auch Kühmist ausgebrand.
Viel riechen nach Zibeth / jhr ehrliches Gerüchte /
Dem kein Geruch nicht gleicht / hergegen wird zu nichte:
Das muster bleich zu seyn wird jetzt auch auffgebracht /
80 Drumb essen sie nicht satt / verwachen sich bey Nacht /
Ja pflegen offtermals auch Kreide / Kohlen / Aschen /
Kalck / Essig / vnd so fort / wie fast mit Lust zu naschen;
Ich meyne weil die Scham bey jhnen nicht mehr gilt /
Daß auch die Röte nun / der Spiegel vnd das Bild
[105]
Der Scham / verächtlich sey. Ihr Trachten / Sinn vnd Tichten
85 Ist einig vnd allein vns jhnen zu verpflichten.
In jhrem Hertzen ist fast niemals kein Bestand /
Vnd sind gleich wie ein Ball / der bald in diese Hand /
Bald dann in jene kömpt. Viel pflegen sich zu stellen
90 Sie weren noch so fromm; sind niemals bey Gesellen /
Sehn kaum bißweilen auff / gehn selten für die Thür:
Kömpt man zu jhnen heim / so lassen sie nicht für;
Lest man dann jhnen was durch stille Botschafft sagen /
So ist die Antwort schlecht / wann wir von Liebe klagen
95 So lachen sie vns aus; kein Seufftzen hilfft da nicht /
Kein Gruß / kein Hut abziehn / kein schrifftlicher Bericht /
Vnd was man sonsten braucht. So muß die schöne Tugend
Der Schanden Mantel seyn / in dem die blinde Jugend
+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 588]
Durch solchen Schein gereitzt vor Liebe kaum nicht stirbt /
100 Vnd in der ersten Blüt als ein jung Baum verdirbt.
Die aber welche gleich auch jhren Willen büssen /
Vnd allzeit ohne Schew der falschen Lust geniessen /
Was bringen sie darvon? Zu spate Rew vnd Leidt /
Schmach / Vnglimpff / Hohn vnd Spott / Verlust der werthen zeit/
105 Die Gicht/ Geschwulst/ verterb der Augen/ Nierenplagen/
Das Zittern / Seitenweh / den Schwindel / bösen Magen /
Vnd jenes welches man bey vns nach Franckreich heist /
Weil man sich sonderlich daselbst darauff befleist.
Das kan die grimme Brunst / verkehrt vns die Gedancken /
110 Macht von Gesunden kranck / Gesunde von den Krancken /
Von Starcken krumb vnd lahm / die Jungen werden alt /
Die Alten wieder jung / die Schönen vngestalt.
Kein Glück vnd Fortgang ist in allem was wir machen /
Wir sind den Büchern feind vnd andern guten Sachen;
115 Die Kräfften gehen ab / die Schulden nehmen zu /
Ja das Gewissen selbst verleuret seine Ruh.
[106]
Wann einer dann ein Weib jhm nimpt heut’ oder morgen /
So zahlt er doppelt aus das was er vor gieng borgen /
Vnd das mit welchem er so kostfrey pflag zu seyn /
120 Das bringt man wiederumb bey seiner Frawen ein.
Am ärgsten aber ist / daß welcher schon sein Leben
Ein mal nur eigentlich der Venus hat ergeben /
Kömpt leichtlich nicht darvon. Schaw alle Mittel an
Durch welcher Brauch ein Mensch zu rechte kommen kan /
125 Wie nichtig sind sie doch? sie heissen vns zwar fliehen
Der Liebsten Gegenwart / vnd weit von hinnen ziehen;
Je weiter aber wir darvon gereiset sindt /
Je mehr die Flamme sich vermehret vnd entzündt
Der Leib ist von jhr weg / die Liebe steckt im Hertzen /
130 Die folget allzeit nach; kein Brunnen lescht den Schmertzen /
Kein Fluß / kein grünes Thal / kein Berg noch dicker Wald;
Wir zweiffeln wie vns sey; jetzt ist vns heiß / jetzt kalt /
Vnd wissen nicht wohin. im fall wir dann studieren /
Da ist fast gar kein Buch / darinnen nicht zu spüren
+ +
[Druckausgabe S. 589]
135 Die Lust der Liebespein. Was ein Poete sagt
Ist Venus vnd jhr Sohn der vns so hefftig plagt.
In welcher Sprache sind nicht wie fast hohe Schulen
Geschrieben / da man lernt den rechten Grieff zu buhlen /
Der auch sein Vortheil hat? Ja mache was du wilt /
140 So wird doch jmmerzu der allerlibsten Bild
Vor deinen Augen stehn; So daß ich auff der Erden
Kein einig Mittel weis des Vbels loß zu werden;
Denn niemand folget dem / was Crates hat gesagt:
Wann Hunger vnd die Zeit die Liebe nicht verjagt /
145 So sey der beste Trost sich nur bald selber hencken.
Mag also der da liebt hieraus bey sich gedencken /
In was für Noth er sey. Ihr aber die jhr nu /
Weit von der bösen Lust / ergreifft die wahre Ruh /
[107]
Wie wol seyd jhr daran? Ihr werdet ohne Sorgen
150 Jetzt liegen sicherlich biß an den hellen Morgen /
Wann sich in vieler Pracht der güldnen Sonnen Schein
Mit seinen Strahlen dringt zu beyden Fernstern ein.
Nun gute Nacht / schlafft wol / vnd wann jhr werdet geben
Vnd nehmen diese Lust nach der wir alle streben /
155 So sinnet jhm recht nach / wie der doch sey daran /
Der allzeit lieben muß / vnd nie geniessen kan.
+ +

S. 107–108

[.27]

Herren Caspar Kirchnern vnd Jungfrawen Marthen Queisserin. »Es ist in Engelland ...« = 34

S. 109–111

[.28]

Herren Valentin Sänfftleben / vnd Frawen Elisabethen Queisserinn. »So sind denn dieses nun die eisernen Gedancken / ...« = 65

S. 111–112

[.29]

Auff Herren Sebastian Namßlers Hochzeit. »So offt’ ich bey mir selbst (wie ich zu thun dann pflege) ...« = 22

[Druckausgabe S. 590]
S. 113–115

[.30]

Auff Herren Doctor Johann Geißels Hochzeit. »Vnd jhr / Herr Bräutigam / vermeynet frey zu bleiben ...« = 40.2

[.31] Aus dem Niederländischen Dan. Heinsii.

DIe Schiffer so jhr Haus auff blosses Meer hinbawen /
Vnd jhren kühnen Leib den leichten Winden trawen /
Sind kommen an das Land von aller Noth befreyt:
Sie fahren nun zu Port’ in Lust vnd fröligkeit.
5 Der Stand in dem wir sind eh’ als wir vns gesellen /
Ist eine wüste See: die Sorgen sind die Wellen /
Die Lieb’ ist vnser Wind / die Klippen vnd die Stein’
Ist da wir allermeist darauff befliessen seyn

[116]
Die Klippen sind gestellt in vnsers Lebens mitten /
10 Da wird man allerseits durchs wilde Meer bestritten /
Dann kömpt der Westenwind gar sanfft vnd lieblich an /
Der vns in Vngemach sehr leichte stürtzen kan.
Die Sternen die wir sehn das sind der Augen Stralen /
Von denen werden wir verführt zu vielen mahlen /
15 Dann mißt vns der Compaß / dann missen wir die Lufft /
Daß wir in grosse Noth gerahten vnverhofft.
Sachanmerkung Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 591]
Das Ruder ist Verstand / der Ancker Witz der Jugend /
Der Lastsandt gute Zucht / das Schifferseil die Tugend;
Dann der geringste Theil bringt mit glückhaffter Hand
20 Sein vnbewegtes Schiff ohn Anstoß an das Landt.
Doch vnser Bräutigam kömpt von des Schiffes Sande /
Durch Wellen / Wind vnd Stein hoch vber See zu Lande;
Zu Lande kömpt er an / fehrt sicher vnd in Rhu /
Befreyt von aller Last auff seinen Haffen zu
25 Das ist der beste Wundsch: jhr habt das Land nun innen /
Da euch der Ostwind nicht mehr wird verwerffen können.
Nun hier / Herr Bräutigam / solt jhr bestendig seyn;
Versichert ewer Schiff / vnd werfft den Ancker ein.
Wir sind noch in dem Meer’ auff dem wir folgen sollen
30 Wo vns der wilde Wind vnd Wellen haben wollen:
Lebt wol / vnd wann jhr dann in Lust vnd Frewden steht /
So denckt auch wie es noch mit vnsern Schiffen geht.
+ + + + + + + + + + + +

S. 117

[.32]

Auff der Edlen Jungfrawen Annen Marien Gaislerin Hochzeit ..., »Freylich / freylich ist ein Glas ...« = 33.2

[.33]

Katharina Emmrichen ..., »Herr Gottfriedt/ höret doch ...« = 32.2

S. 118

[.34]

Auf Herren Jonas Klimpken / und Jungfrawen Annen Rosinn Hochzeit, »Weil der gewüntschte Lentz ...« = 37.2

[Druckausgabe S. 592]

[.35]
Auff Herren Michael Starckens Hochzeit.

OB wir von Kindheit an fast gantz zugleich’ erzogen /
So hab’ ich doch mit dir jetzt keinen gleichen Stand /
Herr Bräutgam; du bewohnst dein liebes Vaterland /
Mich hat die gute Lust hieraus zu ziehn bewogen.
5 Die Liebe hat bißher noch nicht mich viel betrogen /
Vnd / ist das Glücke gut / so bleib’ ich vnverwandt
Ein alter jung Gesell’ / vnd Weibern vnerkandt.
Cupido / wie ich hör’ / ist bey dir eingezogen /
Giebt dir dein eigen Theil / daß du mit Lust vnd Rhue /
10 (Wo Rhu bey Weibern ist) die Zeit nun bringest zu /
Darffst nicht dich vieler Gunst / das sörglich ist / befleissen.
Nun wol / ich gönn’ es dir; erreich’ auch nur das Ziel /
Daß deine Braut / so jetzt nicht Fraw noch heissen wil /
Sich müsse bald hernach gar lassen Mutter heissen.

Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + Sachanmerkung + +
[Druckausgabe S. 593]

[.36]
[119]
Auff Herren Johann Seylers
Hochzeit.

DI Sonn’ hat sich verkrochen /
Der Tag ist gantz dahin /
Der Mond’ ist angebrochen /
Die Arbeit-Trösterin
5 Die Nacht hat angeleget
Ihr schwartzes Trawerkleid /
Kein Graß ist das sich reget /
Kein Baum nicht weit vnd breit.
Die Welt ist schon zu bette /
10 Vnd hat die Augen zu /
Wir schlaffen in die wette /
Das Meer liegt auch in Rhu;
Nur zweene Geister wachen /
Der Krieg- vnd Liebesgott /
15 Bestellen jhre Sachen
In dem wir seyn als todt.
Wann vns gar sanffte träumet /
Vnd alle sicher seyn /
Ihr keiner derer säumet /
20 Nimpt seine Schantzen ein.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 594]
Soldaten die verlangen
Nach Blute für vnd für;
Der Buhler liegt gefangen
Für seiner Liebsten Thür.
[120]
25 Mars muß sein Läger schlagen
Hier vnters grosse Dach /
Auch Hitz’ vnd Kält’ ertragen /
Trinckt offtmals aus der Bach:
So muß sich auch gewehnen
30 Ein Buhler / lescht vor Wein
Mit vielen heissen Threnen
Den Durst der Liebespein.
Man sieht zu jedermalen
Bey Nachte heller seyn
35 Des Fewers liechte Strahlen /
Als bey der Sonnen Schein’:
Auch damals legt die Liebe
Dem Fewer besser zu /
Wann alles gleich ist trübe /
40 Vnd kränckt vns ohne Rhu.
So wird auch sonst gelesen
Daß Venus bey der Nacht
Des Kindes sey genesen /
Vnd es zur Welt gebracht.
45 Drumb wil sie / daß ingleichen
Der welcher lieben wil
Bey stiller Nacht soll streichen
Auff sein gewüntschtes Ziel.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 595]
Herr Seyler / dieser Sachen
50 Seyd jhr nun gantz befreyt;
[121]
Ihr dörfft alleine wachen
Nach Lust vnd Fröligkeit /
Vnd fahrt in guten Stande
Am sichern Hafen an.
55 Wol dem / der so zu Lande
Mit Glücke kommen an.
Sachanmerkung +

S. 121–125

[.37]

Herren ... Nüßlern vnd Jungfrawen Justinen Gierlachin, »Du güldne Leyer/ meine Zier ...« = 63.3

[Ee2a]

unpaginiert, ungezählt,

MARTINI OPITII fünfftes Buch Der Poetischen Wälder: Worinnen Amatoria vnd weltliche Getichte sind.

[Ee2b]

leer, unpaginiert, ungezählt

[Druckausgabe S. 596]

[.38]
[Ee3a = S. 126]
Nobiliss. Clarissimoque Viro CASPARO KIRCHNERO, Sacrae Caesareae Majestati et Illustrissimo Principi Lignicensi a Consiliis, amitino suo, L.M.D.D. MARTINUS OPITIUS.

CUrarum doctam requiem, Kirchnere, mearum
Et quas Vulcani non rapit aestus opes
Accipe: vix alium magis isto munere dignum
Quaerere sol, etiam si velit, ipse queat.
5 Quotquot nubiferum formosi numina Pindi
Culmen amant, artes te docuere suas:
Calliope heroi versus divina cothurnum,
Melpomene tragici, culta Thalia sales,
Uranie coelum, historias et tempora Clio,
10 Et quae tu melius dicere cuncta potes.
Adjice jus dulcis patriae et communia jura
Sanguinis et priscam nostrûm utriusque fidem.
Quare quicquid id est cape, et extra nubila vulgi
Nobiscum in Famae lucida templa veni.

[.g]

Lepidissimo suo Opitio, etc. »Utile qui miscet dulci ...« = Teil der Vorrede von Nr. 45, Bd. I, S. 274. Die letzten zwei Zeilen dieses Gedichts und die Unterschrift JANUS GRUTERUS stehen schon auf der nächsten Seite.

S. 127

[.h]

EIDEM »Parce Venus ...« von Heinricus Albertius Hamilton, Danus. = 59.c

[.i]

ALIUD EJUSDEM, »Ha, salvete ...« = 59.b

Sachanmerkung
[Druckausgabe S. 597]

[.j] BALTH. VENATORIS ad Auctorem Epistola. Ex persona Asteries, cujus in his carminibus saepe fit mentio. Scripta An. M.IƆC.XX.

SI memor ASTERIES alicujus ut antea vivis,
Haec digito Asteries verba notata legas.
Improbe, non memor es, nec sic taciturne sileres:
Non est res mutae conditionis amor.
5 At vocalis eras, tibi cum speciosa videbar
Et tua materies cum mea forma fuit.

[128]
Tunc placuit vultus, longi placuere capilli,
Et fuit Asterie, quod nequit ipsa Venus.
Lacque rosasque meis dicebas cedere malis,
10 Dicebas totam labra bibisse Tyrum.
Et quid non nostro fuerat tibi corpore pulchrum?
Quid simulatoris non valuere doli?
An scripsisse pudet mendaces carmine laudes,
Ceu deceat vultum gratia nulla meum,
15 Inque peregrinis potior stat cura puellis,
Ad quas Asterie forte putatur anus?
At bis septenos nutrix mihi computat annos,
Et me ceu parvam mater amare vetat:
Cum tu me caneres (nec enim potes ista negare),
20 Nondum ego tunc noram, quid puer esset Amor.
Cantabas pharetram, cantabas saepe sagittas;
Non satis adverti, quid pharetra illa foret.
Saepe meae dixi, »quae sunt haec tela?« parenti;
Respondit: »telam non tibi tela dedi«.
25 Attamen, unde mihi deliria tanta venirent,
Quaesivit blandis insidiata modis.
Ut simplex fuerim, nolebam prodere vatem,
Factaque sum propriis officiosa malis.
Jam modo quos dicant video tua carmina divos;
30 Nunc aliquod credo numen habere Paphum. Sachanmerkung Sachanmerkung
[Druckausgabe S. 598]

Et metuis, ne sim primis mutata sub annis?
Sit tua tam constans, quam mea forma, fides.
[129]
Quid si promittant nostrae jurentque puellae,

Mentitam de me nil chelin esse tuam?
35 Cur igitur spernor? vel, si non spernor amanti,
Littera cur a te nulla legenda venit?
Mene latere putas (multi retulere roganti),
Quod tibi jam, dextra Cypride, surgat opus?
Audio Teutonico te laurum quaerere versu,
40 Quas melius nemo triverit ante vias.
Cecropios dicunt tibi se submittere vates,
Et nihil in Latia tale fuisse lyra;
Fama Silesiacum celebrat cantata Maronem,
Nec non Callimachum, Teutonis ora, tuum:
45 Pelignus cepit jam vilior esse poeta,
Et cui non unum Cinthia carmen erat.
Haec mihi laudantur; vestras amo credula laudes.
Ex tamen his ipsis pallor in ora venit.
Nam metuo, ne quam cantes ibi forte puellam,
50 Nostrum quae teneat, non sua regna, locum.
Si memini (meminit, quicquid semel audit amata),
Quandam etiam carmen fertur amare tuum.
O sim, quae fueram: non pugno, semper amabis.
Opto vetus nobis ardeat usque focus!
55 Quodque aliquid timui, veniam largire puellae:
Nulla mala est, quae sic capta puella timet.
Ingenium noram scribatur quale poetis,
Et quam multivolum sint in amore genus.
[130]
Vos docet hoc vester toties mutatus Apollo;

60 Illi jam Daphne, jam Machareis erat.
Ne timeam posthac, ne des alimenta timori,
Scribe: Mea Asterie; mox cadet ille metus.
Nec tamen ille cadet, nisi, quae vocat aurea rumor,
Legero Teutonicis verba ligata modis,
65 Quaeque alias lusit faustis tua pagina Divis,
Ipsi quae cupiant Ausones esse sua. + +
[Druckausgabe S. 599]

Sat scio, quam possis lepidum te reddere verbis;
Sat scio, quam possis cuncta venusta loqui.
Plus tamen experiar: ne lector venerit alter,
70 Qui tua majori sedulitate legat!
Dummodo sola legar, sim dummodo sola poetae:
In regno tali nescio ferre parem,
Nec, precor, inveniam. Quid si constantior esses,
Quam meus id credit suspiciosus amor?
75 Quin sociae, mecum similis quas copulat aetas,
Saepe mihi dicunt: Fidis, amica, parum.
Me simul extollunt, quod sim tam chara poetae,
Cujus amor nunquam nec moriatur honos.
Esse jubent etiam, quae sors sit nostra, superbam;
80 Et fastus, dicunt, te tuus iste decet.
Audio; longinquo sed quae plus gaudet amante,
Huic ego flammiferum credo tepere Deum.
Ergo meos animos reprimo, dum, chare, redibis:
Sat matura venit, spes ubi certa venit.

[.39]
[131]
An die Deutsche Nation.

DEr blinden Venus Werck / die süsse Gifft zu lieben /
Vnd schöne Zauberey / in dieses Buch geschrieben /
Nimb erstlich an von mir du werthes Vaterland;
Nimb an der Liebe Sach’ / als meiner Liebe Pfand.
5 Mein Sinn floch vber hoch: ich wolte dir vermelden
Durch Kunst der Poesie den Lauff der grossen Helden /
+ + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + +

[Druckausgabe S. 600]
Die sich vor dieser Zeit den Römern wiedersetzt /
Vnd in dem stoltzen Blut’ jhr scharffes Schwerdt genetzt.
Apollo nahm mich an in seine Gunst vnd Holde /
10 Vulcanus hatte schon gemacht von gutem Golde
Die Feder meiner Faust: ich war nun gantz bereit
Mit meines Geistes Frucht zu brechen durch die Zeit.
Da kam der Venus Kind / bracht’ einen Kranz von Myrten
Vor meine Lorbeerkron’ / vnd stieß mich zu den Hirten
15 In einen grünen Wald / wieß mir ein schönes Bildt /
Die edle Nymph’ hat mir Gemüt’ vnd Sinn erfüllt.
In jhren Augen hab’ ich alles dieses funden
Was ich mich in diß Buch zu schreiben vnterwunden:
Das jrrdische Gestirn’ hat meinen hohen Geist
20 In dieses enge Meer der Eitelkeit geweist.
In dieses enge Meer / auff welchen meine Sinnen
Nicht als von Freundligkeit vnd Liebe dencken können /
Von Lieb’ vnd Freundligkeit: die bittersüsse Pein
Die muste mir an statt der Heldenthaten seyn.
25 Ich thue / Asterie / nach deinem Wolbehagen /
Vnnd wil dein hohes Lob biß an die Sternen tragen:
So weit der Deutschen Red’ vnd Tugend ist bekandt
Soll auch dein’ Ehr’ vnd Preiß durchdringen alles Landt.
[132]
O hohe werthe Seel’ in Weißheit auserkohren /
30 Zum Spiegel weiblicher vollkommenheit gebohren /
Sey mir mit dieser Gunst vnd trewen Huld bereit;
Komm / komm / vnd laß vns gehn den Weg der Ewigkeit.
Du deutsche Nation / voll Freyheit / Ehr’ vnd Tugend
Nimb an diß kleine Buch / die Früchte meiner Jugend /
+ + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 601]
Biß daß ich höher steig’ / vnd deiner Thaten Zahl
35 Werd’ vnablässiglich verkünden vberall.
Diß Buch ist mein Beginn in Lieb’ vnd auch das Ende:
Ein ander besser Werck / zu dem ich jetzt mich wende /
Das soll mehr als diß Buch so viel mal besser seyn /
Je besser Weisheit ist als Venus süsse Pein.

[.40] An die Jungfrawen in Deutschlandt. Aus dem Holländischen Dan. Heinsii.

IHr liebliches Geschlecht / dem Venus hat gegeben
Den Schlüssel in die Hand zu aller Männer Leben /
Die jhr der Liebe Saat’ aus ewren Augen strewt /
Die vns im Hertzen steht gewurtzelt allezeit /
5 Es ist vmb euch geschehn: ich schwere bey den Händen
Damit der kleine Gott kan vnsre Sinnen wenden /
Ich schwer’ euch auff den Pfeil / der mein Gemüte trifft /
Der mich entzündet hat durch angenehme Gifft.
Es ist vmb euch geschehn / ich schwere bey der Schönen /
10 Der Schönen / von der ich mein Leben muß entlehnen /
Die gäntzlich mich besitzt: ich schwere bey der Pein
Vnd Schmertzen ohne die ich nicht kan frölich seyn.
Ich schwer’ euch auff das Liecht das sie mir pflegt zu geben
Wann jhrer Augen Sonn’ erblickt mein trawrig Leben /
+ + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + +

[Druckausgabe S. 602]
15 Es ist nun mit euch aus / weil jetzt Cupido kömpt /
Vnd von der deutschen Sprach’ aus mir Bericht einnimpt.
[133]
Es ist nicht lange Zeit daß ich die Venus fande /
An einem grünen Ort’ in meinem Vaterlande /
Der silberne Taw fiel / vnd tröpffelt’ hier vnd dar /
20 Wo daß sie gieng vnd stund / von jhrem güldnen Haar’.
Ihr Wille war / jhr Sohn der solte bey mir bleiben /
Vnd vnsre Deutsche Sprach’ auffs best’ ich wüste treiben;
Ich sagte zu / so viel mir möglich / vnd gab für
25 Es wer’ ein junges Kind: Sie ließ es da bey mir.
Er hielt sich bey mir vff; wir liessen nichts erwinden /
Vnnd kondt’ er ohne Müh sich in die Sprache finden.
Ich habe viel vnd offt / wann ich sie liegend fand /
Den Bogen vnnd den Pfeil genommen in die Hand.
Als er nun Abschied nam / an statt mir Danck zu haben /
30 Gab er mir ein Geschenck’ (es sind sein’ alte Gaben)
Er hatt mir einen Pfeil gedrucket in mein Hertz /
Der mich erhalten kan zugleich in Frewd’ vnd Schmertz.
O bittersüsse Pein! der ist es / jhr Jungfrawen /
Der erstlich mich gelehrt auff Eitelkeiten bawen /
35 Der erstlich mich gelehrt / der erstlich mir gezeigt
Des Volckes arge List / das vns so sehr betreugt.
Das Volck / das süsse Volck / das mit den glatten Worten
Vnd grossen Freundligkeit erbricht der Hertzen Pforten;
Das mit den Eugelein vnd klarem Angesicht’
40 Erleuchtet vnsre Seel’ als zweyer Sternen Liecht.
Die Vrsach vnsrer Noth / die Vrsach vnsrer Frewden /
Die Vrsach zu der Lust vnd gleichsfals zu dem Leiden /
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 603]
Die Schreckung des Gemüts / doch die mit Trost erfüllt;
Der Sinnen heisse Brunst / doch die noch wird gestillt.
45 O daß ich Sonne wer / vnd jhren hohen Wagen
Einmal regierete nach meinem Wolbehagen /
Daß ich nur von der Lufft herab recht schawen kündt’
Auff derer Angesicht die mich so sehr verwundt!
[134]
O daß ich Sonne wer’ / ich wolt’ jhr’ Augen machen
50 Zu Sternen in der Lufft sie frölich an zu lachen /
Vnd jederzeit zu sehn: sie solte nahe stehn
Dem Monden vnnd mit jhm doch nimmer vntergehn.
Wie offt hab’ ich gewüntscht / wie offte dörffen sagen /
Daß ich wer’ eine Bien’ / vnd Honig solte tragen
55 Aus jhren rohten Mund’; als er wird auffgethan
Bin ich so froh daß ich mich nicht mehr halten kan.
Alsdann kömpt jhre Seel’ eh’ als ich mich befohre /
Vnd fleugt in meine Seel’ / alsdann macht sie die Thore /
Der Sinnen bey mir auff / denn ist mein brennend Hertz
60 Vmbringt mit seiner Glut / vmbringt durch süssen schmertz.
Ach Amor daß ich möcht’ als eine Fliege werden /
Mich dünckt ich stünde wol am besten hier auff Erden.
Ich wolt’ ein Häussigen auffbauwen bey den Mundt
Der jenen die ich weis / darinn ich wohnen kundt’.
65 Hier were mein Pallast / hier wolt’ ich lesen können
Das süsse Himmelnaß’ / vnd beugen jhre Sinnen:
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 604]
Hier wolt’ ich recht besehn den wunderklaren Schein;
In meinem solt’ jhr Hertz’ / in jhrem meines seyn.
Gleich wie zu Sommerzeit die kleinen Feldhewschrecken
70 Den schönen Morgentaw von süssen Blumen lecken;
So geht es auch mit vns: ohn alle Speis’ vnd Kost
Ernehret vns die Lieb’ / vnd nur von blosser Lust.
Es ist ein süsser Tranck / es ist ein süsser Regen /
Der vnser Hertz’ erquickt / es ist ein süsser Segen;
75 Der Honigthaw der euch aus ewren Augen fleußt /
Ihr schönes Venusvolck vnd reichlich vns begeußt /
Begeußt die truckne Seel’: Als jhr vns wolt begeben /
So dencken wir hinfort nicht weiter an das Leben:
Das Leben mit der Seel’ vnd Hertzen seyn gestellt
80 In ewre gantze Macht: Wir thun was euch gefellt.
[135]
Dann Venus ist ein Weib / sie hat vns auch den Frawen
Gegeben in die Handt / sie allzeit anzuschawen.
Wo stünd’ anjetzt die Welt / wo were wol jhr Grundt /
Wann man das klare Liecht von euch nicht haben kundt’?
85 Es hat der Jupiter / nach dem er alle Sachen
Hier in dem wüsten rund’ hat fertig wollen machen /
Sich drey mal vmbgekert / vnd zu sich selbst geredt /
Es mangel’ ein Ding noch das man vergessen hett’.
Er bracht’ ein Thier hervor so nie sonst war erkennet /
90 Das man bey vns jetzund hier eine Jungfraw nennet:
Als er diß Meisterstück hernachmals ausgemacht /
Vnd jhn das schöne Bild so freundlich angelacht /
+ + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 605]
Hat jhm sein eigen Werck so trefflich wol gefallen /
Daß er der Liebe Brunst empfunden hat vor allen.
95 Wie offtmals ist der Gott / vor dem sich nichts verhelt /
Der mit dem Plitze spielt / vnd schreckt die gantze Welt /
Wie offtmals ist er selbst gemach gezogen kommen /
Wann jhm sein Augentrost den hohen Sinn genommen?
Er ließ das Firmament vnd seinen Himmel stehn /
100 Wann er nur in den Schoß der Liebsten solte gehn.
Ich halte den für todt / für vnweis’ vnd verkehret /
Der eine Jungfraw sieht / vnd jhm doch nicht begehret
Derselben Huld vnd Gunst; er ist ein Klotz vnd Stein /
Den nicht bewegen kan der lieblich’ Augenschein.
105 Solt’ ich den Himmel nur vor Jupiter regieren /
Ich wolt’ jhn gantz vnd gar mit newem Volcke ziehren:
Jungfrawen müsten mir vor andern sonderlich
Am allermeisten seyn: das wer’ ein Volck vor mich.
Das Handwerck so man würd’ in meinem Reiche treiben /
110 Das solte küssen seyn: da wolt’ ich jmmer bleiben /
Vnd ordnen wie man wol recht köndte seyn bedacht /
Daß jmmer mehr vnnd mehr diß Thun würd’ auffgebracht.
[136]
Man müst’ Vneinigkeit / Neid / Zancken / Zorn vnd Hassen
In dieser Bürgerschafft gantz vnterwegen lassen;
115 Kein kriegen würde seyn / als daß so nur betrifft
Genüge / Frewd’ vnd Lust / vnd das die Liebe stifft.
Die Festen wolt’ ich gantz von Myrten lassen weben /
Die vns der Venus Sohn hierzu dann würde geben;
Die Wälle solten seyn von Threnen auffgemacht /
120 Von Threnen so die Braut vergeußt die erste Nacht.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 606]
Es wartet jmmerzu der ein’ aus Venus Knaben /
So bald als sie sie nur zu Rhu geleitet haben /
Der fleissig dann zu sich diß thewre Wasser nimpt /
Weil man es dieser Zeit gar selten gut bekömt.
125 Doch so ich gaar nicht kan zu meinem Wundsche kommen /
So hab’ ich dennoch mir auff dißmal fürgenommen /
Diß Büchlein ewer Lieb’ / als ein gewisses Pfand
Der trewen Huld vnd Gunst / zu geben in die Hand.
Ach laßt doch ewren Glantz drauff fallen / jhr Jungfrawen /
130 Laßt ewrer Augen Liecht diß mein Geschencke schawen /
Vnd wündscht mir / wündscht mir nur / daß mich vor meinen Lohn
Cupido krönen thue mit seiner Ehrenkron.
135 Deß Gottes Himmel ist (ach wer jhn köndt’ ererben!)
In seiner Freundin Schoß vnd zarten Armen sterben:
Des Gottes Himmel ist nur allzeit können seyn
Vmb seiner Liebesten verklärten AugenSchein.

[.41]
[137]
Frülings Klagegetichte.

Einen grossen Theil aus dem Niederländischen: wie auch die nechstfolgenden vier | Carmina.

DIeweil nunmehr der Lentz mit seinen schönen Tagen
Die alte rawe Zeit des Winters wil verjagen /
+ + + + + + + + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 607]
Vnd der Welt grosses Liecht die Erd’ vnd Lufft vernewt /
Vnd alles sich verjüngt / vnd alles sich erfrewt.
Dieweil die Erde sich vermählet vnd ergiebet
Dem schönen Westenwind’ in welchen sie verliebet /
Dadurch so manches Kraut / manch Hügel / Berg vnd stein /
Feldt / Heyde / Laub vnd Graß wie newgebohren seyn.
Dieweil der Vögel Schaar mit schönen tirelieren
Erfrewen Hertz’ vnd Sinn / vnd durch die Lufft spazieren;
Dieweil die Satyren mit lieblichem Gethön’
Vnd schöner Musicke zu jhren Nymphen gehn.
Dieweil die Hirten sich in kühlen Schatten setzen /
Mit jhren Liebesten sich freundlich zu ergetzen /
So sitz’ ich hier vnd klag’ / hier klag’ ich gantz allein /
Vnd habe meine Noth mit niemand nicht gemein’ /
Als nur mit euch jhr Thier’ / jhr die jhr von den jungen /
Vnd sie von euch durch List des Jägers seyn verdrungen /
Die jhr gar hefftig Leid vmb ewre Kinder tragt /
Vnd / wie der Eltern Brauch / sie mehr als euch beklagt;
Biß der gewüntschte Tod euch wird das Leben enden:
So geht es auch mit mir. Ich muß / ich muß mich wenden
Zu Leid’ vnd Trawrigkeit: stimm’ als der weisse Schwan
Mein eigen Grabelied mir jetzund selber an.
[138]
Ihr Nymphen / die jhr auff den schönen Wasserflüssen
Sehr offt aus grosser Lieb’ auch Threnen must vergiessen /
Die jhr beweinet habt mein lindes Seitenspiel /
Wann ich die hohe Noth beklaget offt vnd viel;
Ihr zarten Nymphen / kompt / kompt / O jhr Nymphen / höret /
Wie sehr die Liebe mich auffs newe seufftzen lehret:
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 608]
Kompt / nehmet ab an mir / ob jemals ewer Hertz
Empfunden solche Pein / vnd gar zu bittern Schmertz.
Bringt ewre Krügelein / daß jhr darein könnt fangen
Das Wasser welches laufft von meinen bleichen Wangen /
Vnd tragt es in den Saal / darinnen triumphirt
Cupido der Tyrann / so mir diß Leid gebiehrt.
Vnnd du auch / Zephyrus / der du noch nicht vergessen
Der Flora / welche dich vor langer Zeit besessen /
Nim meine Klage hin / vnd führe der sie zu /
Vmb welcher willen ich leb’ ohne Rast vnd Ruh.
Du Venus auch / die du auff deinem güldnen Wagen
Anchisen schmertzlich suchst / laß ab von deinem Jagen /
Halt doch ein kleines nur die Turteltauben an /
Biß ich dir meine Noth vnd Leiden klagen kan.
Denn ich vor deinem Thron muß schütten meine Zehren /
Weil dein vntrewes Kind die Hand wil von mir kehren /
Vnd hört mein weinen nicht / ob gleich wald / berg vnd thal
Von meiner hellen Stimm’ erschallen vberall.
Ich wüt’ / ich tob / ich schrey / ich such an allen Enden /
Ich renne wie ein Hirsch der aus des Jägers Händen
Entschlüpffet / tödlich ist durch einen Pfeil versehrt /
Erzittert vnd erbebt / so offt’ er rauschen hört
Die Bletter an dem Baum’ / vnd meynt des Jägers Bogen
Sey hinter jhm noch her / vnd wird zur Flucht bewogen
Vnd fleugt da niemand ist der jhm den Tod anthue;
So eyl ich auch nach Hülff’ / vnd trachte nach der Rhue /
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 609]
[139]
Daß ich doch einmal könn’ entkommen meiner Wunden /
Die kein Mensch heilen kan / als bey der ich sie funden;
Daß ich doch einmal könn’ erleschen meine Pein /
Der niemand helffen kan als sie nur bloß allein.
O grimmes Weibesbild / Princessin meiner Sinnen /
Kan dich dann meine Bitt’ vnd Seufftzen nicht gewinnen /
Mein’ vngestalte Farb’ vnd bleiches Angesicht /
So auch noch jetzund ist von Threnen trucken nicht?
Kanst du noch meine Qual vernehmen ohne Weinen /
Vnd also vnbewegt in meiner Noth erscheinen?
Viel härter schätz ich dich als Eisen oder Stein /
Ein wildes Tiegerthier muß deine Mutter seyn.
Daß in die Augen doch nicht die Natur geschrieben
Die grosse Grawsamkeit damit du mich getrieben!
Daß sie doch die Gestalt mit Milde mehr begnügt /
Als dieses Hertzens Sinn das dir im Busen liegt!
O Antlitz welches mich als ein Magnet gezogen?
O klarer Augenglantz der mich so sehr betrogen?
Wer hette doch gedacht daß solcher falscher Schein
In dieses schöne Bild solt’ eingepflantzet seyn?
Wer hette doch geglaubt / wer hette dörffen sorgen /
Daß diese weisse Brust diß Hertz in sich verborgen?
Ich war nicht bey mir selbst / vnd wurde gantz entzückt
Als sie zum ersten mich so freundlich angeblickt.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 610]
Mich daucht’ es solten mich die Götter selber neiden:
Es war doch nur mein’ Angst / es war mein höchstes Leiden.
O freundliches Gesicht / ich bin durch dich verwundt /
Ists dann nicht recht daß ich durch dich auch sey gesundt?
Bistu so zornig dann / daß ich mich so verstiegen /
Gunst deiner trefflichen Vollkommenheit zu kriegen?
Weit fleugt es zwar / doch weil es Fewer ist allein /
Kan es dem Himmel wol zu nahe kommen seyn.
[140]
Ich weis gar gut / mein Lieb wil hoch mit jhren Dingen /
Vnd ich begehre das so schwerlich ab zu bringen;
Doch stehst du / Venus / selbst mir dißfals leichte bey /
Daß meine Liebe wol der Schönheit würdig sey.
So viel als mich belangt / es haben meine Sinnen
Nichts / als was himlich ist / rechtschaffen lieben können:
Wann ich ja fallen soll / so soll mein Fall doch seyn
Von niergend her als bloß vom Himmel nur allein.
Bist du mir hierumb feind / so wil ich doch nicht lassen
Dir Ehr’ vnd Gunst zu thun / ob du mich schon wirst hassen /
Biß sich dein harter Sinn noch endlich zu mir kehrt:
Recht lieben ist gar wol der Gegenliebe werth.
O werthest’ auff der Welt / O schönest’ aller schönen /
Laß meinen trewen Sinn sich doch mit dir versöhnen:
Empfahe meine Gunst / der ich dich würdig acht
In deiner Liebe Band zu geben meine Macht.
Wo aber doch dein Sinn wird vnbeweglich bleiben /
So wil ich allezeit mein sehnlich Klagen treiben;
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 611]
Mit weinen wil ich noch verbringen meine Noth;
Hilffst du mir endlich nicht / so hilfft mir doch der Tod.
So geh’ ich also nun in Einsamkeit alleine /
Vnd niemand höret zu wie ich so sehnlich weine /
Allein’ jhr Göttinnen / die jhr noch seyd betrübt
Vmb des Narcissus Fall / in welchem jhr verliebt /
Als er (O harter Sinn) so schendlich euch verschmähet /
Floh’ in den Wald / auff daß er nicht würd’ ausgespähet /
Da dann sein schöner Leib / den Echo hat begehrt /
In eine Wiesenblum’ erbärmlich war verkehrt.
Ich seufftz’ / O Echo / noch vmb deiner Liebe willen;
Drumb hilffstu mir jetzt auch mein Klagelied erfüllen /
Daß ich mein’ helle Stimm’ erheben kan so sehr /
Biß daß der Himmel auch mein Klagen selber hör’.
[141]
Inmitten in dem Saal / hier wo die Götter leben /
Da steht der Venuskrug / vom Jupiter gegeben /
Darein jhr kleines Volck das Threnen-Wasser geußt /
So aus der weiten Bach der Buhler Augen fleußt.
Von deinentwegen werd’ ich dieses auch gewinnen /
Du strenge Meisterinn / du Zuchthaus meiner Sinnen;
Das ist der reiche Trost so mich zu Frieden stellt:
Kein Thren ist der vmbsonst von Mannes Augen fellt.
Vnd der so vnser Hertz’ hat gantz in seinen Händen /
Cupido / der es kan wohin er Lust hat wenden /
Ist nicht so daß er die / so gern’ vnd mit Gedult
Ihm vnterthänig seyn / so grausam quelen solt’.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 612]
Ich bin doch Vrsach’ an / ich muß es mir zumessen /
Was ich zuvor gelernt / das kan ich nicht vergessen.
Ach daß ich mir doch je in meine Sinnen zoch /
Es were bald gethan vmb dieses leichte Joch!
Das krieg’ ich nun zu lohn’; ich muß ja statlich büssen /
Daß ich mir vorgesetzt mich eilends auß zu schliessen /
Vnd wolte die von mir verweisen gantz vnd gar /
Die doch schon hart vnd fest in mir verschlossen war.
Es ist nur gantz vmbsonst; wohin ich mich wil wenden /
Da seh’ ich auch die Lieb’ an allem Ort vnd Enden:
Bricht kaum der helle Tag im kühlen Morgen an /
Vnd leßt Aurora kaum den alten greisen Mann /
So schnelle kan ich nicht der Stralen Glantz erreichen /
Daß ich den klaren Schein alsbald nicht solte gleichen
Mit jhres Haares Ziehr / so an der Stirn anhebt /
Vnd vmb den schönen Hals vnd zarte Wangen schwebt.
Bricht dann die Sonn’ heraus / wanns auffgehört zu tagen /
Vnd leuchtet durch die Lufft mit jhrem Fewerwagen /
Das Liecht / so jederman erquicket vnd erfrewt /
Macht daß sich meine Noth vnd Wehmuth nur vernewt.
[142]
Was soll die Sonne mir? ist sie doch meine Sonne.
Was soll mir doch das Liecht? sie ist mein Trost vnd Wonne.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 613]
Ach solt’ ich einen Blick von jhr ersehn allein /
Ich wolte williglich ohn’ alle Sonne seyn!
Seh’ ich die Bäume dann mit jhren grünen Zweigen /
Vnd wie die Este sich schön in einander reigen /
Vnd gleichsam als vmbfahn; so fallen bald mir ein
Die Armen welche mir zwey starcke Fässel seyn /
Darinnen offtermals mein Hertze gantz bestritten
Von wiedriger Begiehr / jetzt Furcht / jetzt Trost erlitten /
Wann jhr Gesichte mir geraubet meinen Geist /
Vnd dann jhr Athem jhn hat wieder heim geweist.
Hör’ ich den kühlen Wind in dem Gepüsche prausen /
Mit lufftigem Geräusch’ / vnd durch die Bletter sausen /
So denck’ ich wie sie vor mit höchster Zierligkeit
Der buhlerischen Red’ hatt mein Gemüt’ erfrewt.
Seh’ ich die Blumen stehn bey jhren klaren Flüssen /
So kan ich den Geruch so eilends nicht geniessen /
Daß ich den Athem nicht bedenck’ vnd jhren Mund
Der mich zu gleiche todt kan machen vnd gesund.
Seh’ ich wie sie so schön’ an Farben sind geziehret /
Vnd wie sie die Natur so köstlich hat formieret /
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 614]
Alldann erinnert sich mein Hertz’ auch auff der Statt
Der Röte so mein Lieb in jhren Wangen hat.
Seh’ ich die hohen Berg’ vnd Hügel in der Wüsten;
So ist’s der edele Parnassus jhrer Brüsten.
Schaw’ ich dann in das Thal vnnd blancke weite Feldt /
Das Thal der zarten Schoß wird bald mir fürgestellt.
Wann ich die Nachtigal mit singen höre fliegen
Hin in die hohe Lufft / so laß’ ich mich betriegen /
Vnd meyne / daß daselbst mein Lieb verborgen sey /
Vnd stimme frölich an die schöne Melodey.
[143]
So schmeltz’ ich wie der Schnee / der endlich muß verderben /
Wann jhn die Sonn’ erreicht / vnd bin noch froh zu sterben:
Drumb werden mich gewiß die Nymphen alsobald
Begraben nach dem Tod in diesen grünen Wald.
Die schönen Najades sind fleissig her zu holen
Auff meinen schwartzen Sarg viel Rosen vnd Violen;
Sie lesen vberall die besten Blumen ein /
Daß mein gewüntschtes Grab kan desto schöner seyn.
Darauff dann stehen soll mit jhrer Hand geschrieben:
Hier liegt der zugebracht sein Leben hat mit lieben /
Mit lieben dieses Mensch das allzeit jhn geplagt /
Vnd ist noch endlich doch gestorben vnbeklagt.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 615]

[.42]
Geburtgetichte.

KOmm / schöner Morgenstern / komm / komm / vnd laß es tagen /
Aurora spanne doch die hengste vor den Wagen /
Komm eilends / vnd zieh’ an dein schön rothgelbes Kleid;
Wie lange wirstu dann die Sonne schlaffen lassen?
5 Ey sprich sie solle doch sich mit dem Zügel fassen /
Die Rosse stünden da / es sey schon hohe Zeit.
Drey mal sind jetzund gleich sechs Jahre Weg verlohren /
Daß die durch Gütigkeit des Himmels ward gebohren /
In der ich alle Tag’ auffs newe bürtig bin;
10 Vnd daß in diesem Bild’ all’ jhre hohe Gaben
Die grossen Göttinnen so sehr erschöpffet haben /
Daß jhre Schönheit ist fast vber Menschen Sinn.
Des Jupiters Gemahl vnd Schwester wolt’ jhr geben
Viel Reichthumb / Gut vnd Geld / die Parcen langes Leben;
15 Die zarten Charites verehrten Freundligkeit /
Die Suada Witz vnd List / Minerva Kunst vnd Tugend /
Die Venus machte sie den Spiegel aller Jugend /

[144]
Natura gab mich jhr Sclaven jederzeit.
Sachanmerkung Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 616]
Ey komm / Aurora / komm; komm doch / vnd laß es tagen;
20 Brich durch die späte Nacht: wie kanst du der versagen
Der alle Göttinnen so günstig sich erzeigt?
Ach Phebus / magst du dann die Thetis noch vmbfangen?
Komm doch / wach’ auff / wach’ auff; sieh’ an die roten Wangen /
In denen alle Ziehr vnd ausbund sich eräugt.
25 Richt’ auff dein klares Häupt / laß deinen Glantz erleuchten
Den angenehmen Tag / vnnd weiter nicht befeuchten
Den Perlentaw das Feldt / steig auff des Himmels Saal /
Vertreib der Wolcken Dunst / mach Anstand mit den Winden /
Vnd halt den Regen ab: laß dieses Fest empfinden
30 Den gantzen Erdenkreiß / erquicke Berg vnd Thal.
Heut’ ist mein Augentrost / heut’ ist mein Liecht gebohren /
In der vollkommentlich zusammen sich verschworen
Die Dinge so doch sonst gar selten Freunde sind:
Die Schönheit vnd die Zucht. Ich wil mein Haupt bedecken
35 Mit einem Lorberkrantz’; ich wil viel höher strecken
Die Sinnen / die sie mir / hat gantz vnd gar entzündt.
Verzeihe mir / mein Lieb / daß ich von dir zu schreiben
Mich vnterstehen darff: ich wil dich einverleiben
Durch diese meine Faust der Vnvergänglichkeit.
40 Wann andre Heldinnen forthin genennet werden /
Die durch jhr Lob erfüllt all’ örter dieser Erden /
Wird auch dein hoher Nam’ erschallen weit vnd breit.
Wann gleich auch meine Verß vnd diese schwache Sinnen
Dein’ Hoheit vnd Verdienst nicht vbersteigen können /
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 617]
45 So ist doch Lobens werth mein Will’ vnd bester fleiß.
Ob wol der Phaeton sich allzuhoch vermessen /
So wird doch seiner auch noch jetzund nicht vergessen /
Weil er hat angesteckt den gantzen Erdenkreiß.

[.43]
[145]
Vom Abwesen seiner Liebsten.

WErd’ ich die Zeit wol sehn / daß doch der Tag anbreche /
Darinnen ich mein Lieb noch endlich schawen soll?
Ihr Stunden laufft doch fort / fliegt weg als Wasserbäche:
Weil jhr so langsam seyd / so bin ich trawrens voll.
5 Auff / Morgenröth’ / auff / auff; spann’ an des Phebus Pferde /
Vnd sprich / er solle fort / es sey schon ziemlich spat /
Daß er betrogen werd’ / vnd nahe sich der Erde:
Ach Thetis laß jhn gehn den langen Sommergrad.
Du / Monde / kanstu dich denn also wol verweilen?
10 Wie lange seet doch der Morpheus Schlaff kraut aus?
Sieh’ ob du nicht vermagst die Sonne zu ereilen /
Vnd einzukommen noch in jhr vergüldtes Haus.
Ich muß noch manche stund’ in Sorg’ vnd Kummer schweben /
Muß noch in Angst vnd Noth verbringen lange Zeit /
+ + + Sachanmerkung + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 618]
15 Eh’ als der Tag anbricht / darinnen mich mein Leben
Bescheine durch das Liecht der hohen Freundligkeit.
Ach warumb hab’ ich doch in mein Gemüt’ empfangen
Ihr’ vnerhörte Zier vnd Tugend gantz vnd gar?
Mein Hertze seufftzet stets / vnd brennet mit Verlangen /
20 Vnd macht mir einen Tag noch lenger als ein Jahr.
Als mich das schnöde Glück’ aus jhrer Hand gerissen /
Hat es zugleiche mich gerissen auch von mir:
Ich muß mein Hertze nun mit Threnen stets begiessen;
Ich bin nicht bey mir selbst wann ich nicht bin bey jhr.
25 Ach solt’ ich sehen nur jhr Göttliches Gesichte /
Wie selig weren mir Gedancken / Muth vnd Sinn!
Ein eintzig Augenblick von jhrem hellen Liechte /
Das fast die Sternen trutzt / legt alles Trawren hin.
[146]
Ach kerne doch die Zeit der hochgewündschten Frewden /
30 Daß ich erblickte nur den wunderklaren Schein:
Wann aber ich von jhr mich werde müssen scheiden /
Da wündsch’ ich weiter dann im Leben nicht zu seyn.

[.44]
Newjahrs-Getichte.

DIe Sonn’ hat jhre Reis’ auff dieses Jahr vollendet;
Mein Lieb / du endest noch die harten Sinnen nicht:
Sie hat den klaren Schein nun wieder her gewendet;
Du wendest von mir ab der schönen Augen Liecht.
+ + + + + + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + +

[Druckausgabe S. 619]
5 Was wündsch’ ich dir dann jetzt / mein bester Trost / vor Gaben
Auff dieses newe Jahr? Geld? dieses hastu schon.
Gut Glück? auch das ist hier. Wiltu dann Schönheit haben?
Du hast sie allbereit / vnd weissest wol darvon.
Noch etwas ist in dir / wofern’ ich es mag sagen /
10 Darvon kömpt alles Leid vnd Trawren bey mir her.
Ein grosses Bollwerck steht vmb deinen Sinn geschlagen /
Diß möcht’ ich gerne sehn daß es gefället wer’.
Hier diese Mawer macht / daß meine freye Sinnen /
Mein’ vnverfälschte Lieb’ vnnd trewe Dienste nicht
15 Des Hertzens hohes Schloß vermögen zu gewinnen;
Die Schantz’ ist stärcker noch als daß sie ein Mensch bricht.
Ach wann durch diesen Wall Cupido wolte schiessen;
Wo nicht / so geb’ er mir den Bogen vnd Gewalt;
Ich solt’ ein grosses Loch bald haben durchgerissen /
20 Da ich mein Läger hett’ vnd steten Auffenthalt.
Biß nun mit meinem Schatz’ / O auch mein Schatz / verehret /
Dem Hertzen / das ich dir zu schencken auserkiest;
Verwahr’ es ja mir wol / daß es nicht wird versehret /
Wie vor das alte Jahr / so jetzt vergangen ist.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 620]

[.45]
[147]
An eine Jungfraw.

VMb alles Gut vnd Geld in diesem gantzen Lande
Erzehl’ ich weder euch noch andern was zu Schande /
Vnd weis gewißlich auch / daß niemand sprechen kan /
Ich hab’ aus Feindschafft jhm was Leides angethan.
5 Ihr möget aber doch darneben kühnlich gleuben /
Daß ich / ohn euch / Gott lob / wol werd’ im Leben bleiben /
Wil derenthalben auch mich nimmer vnterstehn
Von wegen ewrer Gunst mit Lügen vmb zu gehn.
Diß alles laß’ ich euch die Hofeleut’ erzeigen /
10 Die sonsten ziemlich hoch mit Reden können steigen /
Vnd jedes Wort auffziehn nicht ohne grossen Schein /
Auff daß sie so bey euch in Gnaden mögen seyn.
Sachanmerkung + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 621]
Sie thun wol einen Eyd / nicht dennoch ohne lachen /
Daß ewer’ Augen auch die Sternen finster machen /
15 Vnd daß sie heller seyn denn alles Firmament /
Ja daß die Sonne selbst auch nicht so hefftig brennt.
Sie schweren hoch vnd sehr / daß Gott euch auserlesen
Vor aller Zierligkeit vnd allem schönen Wesen /
Vnd sagen / selig sey das Jahr vnnd denn die Zeit /
20 In der jhr grosse Ziehr der Welt gebohren seydt.
Sie sprechen wol darbey / daß jhr mit ewren Blicken
Ein härter Hertz als Stein vermöget zu entzücken /
Daß aus America die beste Specerey
Mit ewrem Athem weit nicht zu vergleichen sey;
25 Daß solche Hände nicht gemahlet werden köndten /
Daß gegen jhnen Schnee zu gleichen sey der Tinten /
Daß jedes Zähnlein sey ein köstlicher Demant /
An welches die Natur all’ jhre Kunst gewandt:
[148]
Vnd daß die Lippen auch / so mehr als Rosen blühen
30 Weit seyn den edelsten Corallen vorzuziehen:
Daß Haar (ich glaube nicht daß es von Hertzen kömpt)
Ein jeglicher vor Gold vnd beste Perlen nimpt.
Sie setzen wol hinzu / wenn sie euch reden hören /
Daß auch ein jedes Wort starck sey sie zu versehren /
35 Vnnd daß der starcke Mars durch ewrer Zungen Schein
Die Waffen abzuthun bereitet würde seyn.
Geliebet euch hernach von Venus was zu singen /
Die Winde könnet jhr mit ewrer Stimme zwingen /
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 622]
Vnd wenn jhr weiter auch euch zu der Lauten findt /
40 Ist Orpheus vngelehrt / vnd gegen euch ein Kindt.
Wann jhr zu Felde kompt / wohin man euch sieht gehen
Da sieht man alsobald die schönsten Blumen stehen;
In summa / die Natur hat diß an euch gethan /
Daß ewre Treffligkeit kein Mensch beschreiben kan.
45 Wie möcht’ ich aber wol so falsch erdachte sagen /
Vnd groß’ Auffschneyderey mit Langmut nur ertragen?
Ich glaube wer das Thun nur halb beschreiben wolt’ /
Er Feder vnd Pappier auch schamroth machen solt’.
Vnd was dann mich belangt / bin ich gar nicht der Sinnen
50 Daß ich also die Gunst verhoffe zu gewinnen /
So hat mein Hertz auch jetzt noch einen solchen Wahn /
Daß ich jhm wann ich wil gar leichte wehren kan.
Ich sage freylich wol / vnd weis es war zu machen /
Daß jhr gar rein’ vnd steiff bewahret ewre Sachen /
55 Vnd daß auch sehr viel seyn voll Hoffart / stoltz vnd Pracht
Die jhr gar weißlich doch nicht sonders habt in acht.
Daß ich euch aber auch für göttlich solt’ erkennen /
Man möcht’ es / fürcht’ ich nur / wol Träum’ vnd Lügen nennen:
In ewrem Leichnam ist zwar alle Zierligkeit /
60 Doch auch nicht wenig steht vom Himmel trefflich weit.
+ + + + + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 623]

[.46]
[149]
Echo oder Wiederschall.

DIß Ort mit Bäumen gantz vmbgeben /
Da nichts als Furcht’ vnnd Schatten schweben /
Da Trawrigkeit sich hin verfügt /
Da alles wüst’ vnd öde liegt /
5 Da auch die Sonne nicht hin weichet /
Da gifftig Vngezieffer schleichet /
Da gar kein Wasser sich ergeust /
Als daß aus meinen Augen fleust /
Da gar kein Liecht nicht wird erkennet /
10 Als daß aus meinem Hertzen brennet /
Bedüncket mich bequeme seyn /
Da ich mich klag’ ab meiner Pein /
Ab meiner Pein vnd tieffstem Leiden /
Daß mich jetzund wird von mir scheiden;
15 Doch ehe der gewündschte Tod
Mit Frewden abhilfft meiner Noth /
Wil ich von meiner Liebe klagen /
Vnd / ob schon gantz vergeblich / fragen.
Ist dann niemand der tröste mich /
20 Weil ich so trawer’ inniglich? Ich.
Sachanmerkung + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 624]
O Echo / wirst nur du alleine
Hinfort mich trösten / vnd sonst keine? eine.
Wie soll sie leschen meinen Brandt /
Ist sie mir doch noch vnbekandt? bekandt.
25 Sie wil es aber nicht verstehen /
Lest mich in Angst ohn Ablaß gehen. laß gehen.
Verleuret sich denn ja mein Leidt /
Wem soll ichs dancken mit der Zeit? der Zeit.
[150]
So ist nun Noth daß ich verscharre
30 Das Fewer / vnd der Stund’ erharre? harre.
Wenn ich zu lange harren solt’
Hülff’ etwas meiner Vngedult? Gedult.
Vielleichte möcht’ ich sterben ehe /
Weil ich im höchsten Elend gehe? entgehe.
35 So folg’ ich deinem Rathe schlecht /
Hoff’ alles werde gut vnd recht. recht.
Nun bin ich vieler Noth entbunden /
Vnd habe guten Trost empfunden.
Du vnbewohnte Trawrigkeit /
40 Ihr Hecken voll von meinem Leid’ /
Ihr schwartzen Hölen vnd jhr Wüsten /
Da Eulen / Natern / Schlangen nisten /
Du ödes Ort / gehabt euch wol;
Ich bin für Trawren Frewde voll /
45 Für Finsternüß such’ ich die Sonnen /
Für Threnen einen kühlen Bronnen:
Die so Vertröstung mir gethan /
Gewißlich nicht betriegen kan.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 625]

[.47]
Gedancken bey Nacht / als er nicht schlaffen
kundte.

DEr helle Vesperstern gieng auff kaum vor sechs stunden /
Jetzt hat sich Mitternacht in seinen Ort gefunden /
Vnd in sechs Stunden kömpt die klare Morgenröth’ /
Hernach wird dann die Sonn’ am weitesten erhöht.
5 Wie lang’ jetzt ist es wol / daß in des Herbstes Tagen
Viel öpffel vnd schön Obst bey jhren Bäumen lagen?
Heint’ hat die kalte Lufft des Winters jhr weiß Kleidt
Mit Frost’ vnd scharffen Reiff’ vmbhüllet weit vnd breit.

[151]
Hernach soll wiederumb mit schönen tireliren
10 Der Vögel Companie durch Wald vnd Feldt spatzieren /
So bald der schöne Lentz wird Blumen ohne Zahl
Durch seinen Westenwind außseen vberall.
Ach wie vergänglich ist doch aller Menschen Tichten!
Wie bald verwirret Gott was wir so mühsam richten!
15 Wer weis / da er für sey / ob diese schöne Stadt
Der Krieg in kurtzer Zeit nicht auffgerieben hat.
Wo Schlesien jetzt ist / lag alles vor viel Jahren
Gantz öd’ vnd vnbewohnt; wo damals Wälder waren
Sachanmerkung + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 626]
Ist wolgebawtes Land: jetzt geht manch schönes Bild /
20 Wo nichts zu spüren war als vngezähmtes Wild.
Ich bin so sehr verstürtzt / vnd außer meinen Sinnen
Daß ich gar wol nicht weis was ich fast soll beginnen:
Ich hör’ vnd sehe nichts / ich weis nicht wo ich bin;
Die Eitelkeit der Welt benimpt mir Muth vnd Sinn.
25 Ich hitz’ vnnd bin entzündt wie Etna wenn er strewet
Die Flammen in die Lufft / vnd siedend’ Hartz ausspeyet/
Vnd aus dem holen Schlund’ jetzt schwartze Wolcken bläßt /
Jetzt gantze Klüfften Stein’ vnd Kugeln fliegen leßt.
Ich dencke hin vnd her / was ist doch vnser Leben /
30 Die wir ohn’ End’ vnd Ort in Furcht’ vnd Troste schweben?
Wir wallen in dem See der schändlichen Begiehr /
Vnd streiten mit vns selbst im Hertzen für vnd für.
Was nutzt es dir dann wol von langer Zeit vnd Jahren
Viel Silber / Gold vnd Geld durch Kargen zu erspahren?
35 Die Zeit / die Mörderinn / so alles fressen kan /
Führt vns auch selbst hinweg auff jhrer alten Bahn.
Bekenne / bitt’ ich / mir / warumb doch wilt du prangen
Mit deiner Augen Glantz’ / vnd deinen zarten Wangen;
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 627]
Mit deinem roten Mund’ / vnd deines Leibes Pracht /
40 Mit alle dem was Zucht alleine scheinbar macht?
[152]
Bedenck’ ich vmb vnd vmb die Welt in einer summen /
So muß ich letzlich doch noch auff die Rechnung kommen /
Daß nichts bestendigs sey ohn Erbarkeit vnnd Zucht:
Wer dieses Gut nicht hat / was ist es das er sucht?
45 Du Göttin der Begiehr / hinweg so ferne Westen
Von Osten / vnd das Hauß der Höllen von den Festen
Des hohen Himmels liegt; hinweg aus meinem Sinn’:
Ich habe nichts mit dir du grosse Kupplerinn.
Mein Hertze wündschet nicht den Mägden zu gefallen
50 Die in der Laster Wust’ vnd Vppigkeiten wallen /
Die nur nach grossem Gut’ vnd schnöden Prangen stehn /
Vnnd Erbarkeit darfür stillschweigend vbergehn.
Die von der Jungfrawschafft nichts als den Namen haben /
Vnd ihrer Keuschheit Schloß mit Hoffen vntergraben /
55 Vnd derer Augen nichts als nur ein Irrwisch seyn /
Der vns führt in den Sumpff der harten Liebespein.
Die Rächerinn der Zeit mein’ Hand wird nicht getrieben
Von solcher falschen Lust: ich lasse mir belieben
Der Tugend Gunst die nicht auff Schein sieht noch Gewinn.
60 Ein andrer habe Goldt / ich habe freyen Sinn /
Der keinem dienen kan / der keinem nach kan lauffen /
Vnd wüst’ ich vor ein Wort die gantze Welt zu kauffen:
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 628]
Das Geld vnd Gut so ich vor mich begehr’ ist klein’ /
Vnd habe mehr als die so arm bey Gütern seyn.
65 Ich weis daß Schätze nicht an Land’ vnd Städten liegen /
Vermögend halt’ ich mehr den der sich leßt begnügen /
Er achtet niemand nicht / trotzt alles was da lebt /
Ist Meister seiner selbst / sein grosses Hertze schwebt
Hoch vber Gut vnd Macht / ist allzeit wol zu frieden /
70 Vnd von der Eitelkeit des Volckes weit geschieden /
Verachtet alles das / darnach die Menschen stehn;
Es sey auch was es wil / so muß es doch vergehn.
[153]
Allein ein kluger Geist / gelehrt vnd wol erfahren /
Fleugt den gemeinen Lauff auch in den jungen Jahren;
75 Er achtet den Tod nicht / fehrt fort / vnd muß er schon
Den Pfad den alle gehn / so kömpt er doch darvon.
Diß ist das weise Volck / so Printzen mehrt jhr Leben /
So Königen jhr Lob vnd Ewigkeit kan geben:
Die Strasse kenn’ ich auch / vnd ich verweiß mich hin /
80 Von Leibe zwar nicht groß / doch groß genung von Sinn.
Ich kenne den Weg auch; sehr offt’ hab’ ich gemessen
Den grünen Helicon / bin oben auff gesessen:
Durch mich wird jetzt das thun in Deutschland auffgebracht /
Das künfftig trotzen kan der schönsten Sprachen Pracht.
85 Wer diesen Zweck erlangt darff nicht hier vnten kleben /
Vnd wer’ er zehn mal todt / so soll er dennoch leben:
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 629]
Gott herbergt selbst in jhm / ja was er denckt vnd schafft
Reucht nach vnsterbligkeit / schmeckt nach des Himmels Krafft.
Drumb wird die schnelle flucht der Jahre nicht verderben
90 Was ich beginn’ / vnd diß zu gleiche mit mir sterben.
Ob das so vnten war / solt’ alles oben stehn /
So kan der Weisheit Lob doch nimmermehr vergehn.

[.48]
Elegie.

IN dem die Sonne sich hat in das Meer begeben /
Vnd das gestirnte Haupt der Nacht herausser bricht /
Sind Menschen / vieh vnd Wild wie gleichsam ohne Leben /
Der Monde scheinet auch gar kaum mit halbem Liecht’.
5 Ich / ob schon alles schläfft / muß ohn Auffhören wachen /
Von vielen Tagen her / vnd wallen ohne Rhu:
Ist schon die gantze Welt befreyt von jhren Sachen /
So bring’ ich doch vor Lieb’ vnd Angst kein Auge zu.
Auch dich / Asterie / hat gantz der Schlaff vmbringet /
10 Der Tagesarbeit furth / des Todes Ebenbild;

[154]
Da mir der Zehren Bach aus beyden Augen dringet /
Bist du mit sanffter Rhu auff deinem Bett’ erfüllt.
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 630]
Wie wann sich Delia hat in den Wald verborgen /
Wird durch den Schlaff erwuscht / vnd fellt ins grüne Graß;
15 Vnd wie die Nymphen auch sich legen gegen Morgen /
Nach dem der Nachttantz sie gemacht hat müd’ vnd laß.
Sie ruhen sicherlich bey einem frischen Bronnen /
Die Bäume halten auff der Morgenröthe Liecht;
Daß sie nicht alsobald erwachen von der Sonnen
20 Deckt sie der dicke Wald: Pan aber schläffet nicht.
Er geht / er rufft / er schreyt mit sehnlichem Verlangen /
Daß seine Stimm’ erklingt durch Püsche / Berg vnd Thal /
Vnd sie sind sänfftiglich mit süssem Traum’ vmbfangen;
Dem Pan antwortet nur der blosse Wiederschall.
25 Du auch / mein Leben / schläffst / ich muß in Nöthen wallen;
Du bist in guter Rhu / ich wache für vnd für /
Biß mich der letzte Tod wird endlich vberfallen /
Auff den ich sehnlich wart’ allhier bey deiner Thür.

[.49]
Aus dem ersten Buche
Propertii.
Haec certe deserta loca.

AVff dieser Wüsten Stett’ / in dieser stillen Heyde /
Da niemand innen wohnt / als nur der Westenwind /
Da kan ich vngeschewt genung thun meinem Leide /
Wo auch die Bäume nur still’ vnd verschwiegen sind.
5 Wo heb ich aber an / O Cynthia / zu sagen
Von deinem stoltzen Sinn’ vnd harter Grawsamkeit?
+ + + + + + Sachanmerkung + + + + +

[Druckausgabe S. 631]
Jetzt muß ich vber dich / ich muß gar sehnlich klagen /
Der ich sonst glückhafft war in buhlen vor der Zeit.
[155]
Wie hab’ ich’s dann verdient? was hat dich so verkehret?
10 Was ists womit ich dich so hoch vnd sehr verletzt?
So wahr mein stetes Hertz’ jhm deine Gunst begehret /
Hat keinen Fuß zu mir ein’ andere gesetzt.
Ob ich gleich vber dich mich wol entrüsten solte /
Weil du mir ohne Schuld verursachst diese Pein /
15 Zürn’ ich doch nicht so sehr / daß ich dir gönnen wolte /
Du möchtest jmmerzu in solchem Trawren seyn.
Ists daher / weil ich nicht ohn vnterlaß geschrieben
Von meiner Liebesbrunst / vnd dir hab’ hoch geschworn?
Ihr sollt die Zeugen seyn / wo auch ein Baum kan lieben /
20 Du Buch- vnnd Fichtenbaum / den Pan jhm auserkohrn.
Wie offte höret man hier meine Stimm’ erschallen?
Wo steht nicht Cynthia geschnitzt durch meine Handt?
Ists daher / weil du mir in sachen mißgefallen
Die keinem nicht als mir vnd dir nur sind bekandt?
25 Heiß mich was dir geliebt / ich bins zu thun gesonnen /
Du kanst auch nichts nicht thun das mir zu wieder sey.
Drumb wohn’ ich nun allhier bey diesem schönen Brunnen /
In diesem kühlen Ort vnd stillen Wüsteney /
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 632]
Vnd alles was ich kan vor Klag’ vnd Leid erzwingen /
30 Das muß ich nur erzehln den Vögeln die hier seyn.
Doch sey auch wie du wilt / doch soll mir stets erklingen
Von deines Namens Schall’ Holtz / Wiesen / Thal vnd stein.

[.50]
Nachtklage.
Aus eines andern Erfindung.

JEtzt blicken durch des Himmels Saal
Die güldnen Sternen allzumal /

[156]
Ich bin ohn’ Hoffnung gantz allein /
Ich wach’ / vnd andre schlaffen ein.
5 Du / Jungfraw / liegest in der Rhu /
Vnd hast die stoltzen Augen zu;
Du bläsest durch den rothen Mundt
Das süsse Gifft so mich verwundt.
Du denckest nicht an meine Noth /
10 Noch an den süssen Liebesgott /
Der mein betrübt Gemüt’ hat bracht
In deine Hand vnd grosse Macht.
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 633]
Ich lieg’ an deiner tauben Thür /
Ob ich doch möge kommen für /
15 Vnd diesen vnbewegten Sinn
Durch meine Bitte zu mir ziehn.
Was sonst bey Tag’ jrrt hin vnnd her /
Die schnellen Fisch vnd auch jhr Meer /
Sind sicher / geben sich zu Rhu /
20 Vnd ich nur thu kein Auge zu.
Die Threnen ruff’ ich Zeugen an /
Damit ich dich nicht zwingen kan /
Die Threnen so ich dir zur Schand’
Hier laß’ als meiner Liebe Pfand.
25 Ein jeglich Ding hat seine Zeit;
Wann es gefroren vnd geschneyt /
Macht sich der Westwind auff die Bahn /
Legt allem newe Kleider an.
[157]
Das eine fellt / das andre steht;
30 Wann Phebus auff die Wache geht
Weicht Luna weg; wil sie entstehn /
Muß Phebus dann zu Bette gehn.
Es geht doch alles nach Gebühr;
Zwey Dinge bleiben für vnd für;
35 Dein harter Sinn / vnd meine Pein
Die müssen gantz vnendlich seyn.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 634]
Die Vrsach’ ist mein trewer Sinn /
Weil ich bestendig bey dir bin /
Vnd liebe dich noch diesen Tag
40 So sehr als ich vor lengst schon pflag.
Ich bin kein Schiff nicht in der See /
Das nach des Windes Wellen geh’;
Ich halt’ allein bey dir fest’ an
Mit Glauben der nicht wancken kan.
45 Vnnd diß ist / Jungfraw / meine Schuld:
Wolan / ich gehe mit Gedult /
Vnd such’ ein Ende meiner Pein:
Ich will dir nicht beschwerlich seyn.
Gehab dich wol / ich scheid’ jetzt ab /
50 Gehab dich wol / ich eil’ ins Grab:
Nimb meine Seel’ allein vnd bloß
Zu dir in deine zarte Schoß.
Sonst wird sie Venus auff dem Wagn
So hoch als Sonn’ vnd Monde tragn;
[158]
55 Sonst wird mein’ arme Seele stehn /
Wo jetzund die Gestirn’ auffgehn.
Die Sternen vmb des Himmels Feldt /
So nächtlich leuchten aller Welt /
Die waren Buhler vor der Zeit;
60 Jetzt stehen sie von Noth befreyt.
Sie stehn vnd haben fleissig acht /
Was Pein mir wird von dir gemacht;
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 635]
Durch sie erfehrts der Venus Sohn /
Der wird dir geben rechten Lohn.
65 Die Namen werden auffgesetzt;
Wer denn mit Zehren sich genetzt
Am meisten auff der Welt allhier /
Den zeucht man andern dorte für.
Die beste Stell’ ist wol für mich:
70 Drumb sterb’ ich jetztund williglich;
Da wil ich seyn dein höchster Spott /
Die du mich bringest in den Todt.
Ich gehe nun / vnd laß’ allhier
Die heissen Threnen vor der Thür;
75 Doch soll ich fort / denck’ auch vorhin /
Ob ich des Todes schuldig bin.

[.51]
[159]
An Asterien.

ZWey mal ist jetzund gleich der schöne Früling kommen /
Vnd zweymal hat der Frost des Winters abgenommen
+ + Sachanmerkung + + + + + + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 636]
Der Bäume grünes Kleid / als Venus zu mir kam /
Vnd mich / Asterie / von Phebus Seiten nam /
5 Vnd dir zu gab: vorhin entbrandten meine Sinnen
Durch Durst der Ewigkeit / als ich mich zu gewinnen
Der Tugend schloß befließ: jetzt bin ich / meine Ziehr /
So weit von jhnen ab / so nah’ ich bin bey dir.
Wie offt’ hab’ ich bisher gehoffet frey zu werden /
10 Wie offtmals hatten mich geführet von der Erden
Die Flügel der Vernunfft / wann nicht das weite Meer
Der grossen Freundligkeit in dir gewesen wer’?
Jedoch wird mich vnd dich Thalia nicht verschweigen /
Mein Augentrost / ich geh’ / ich geh’ jetzt zu ersteigen
15 Der Ehren hohes Schloß; ob gleich der schnöde Neid
Den Weg verwachen wird / den Weg der Ewigkeit.
Der schnellen Jahre Flucht / so alles sonst kan tödten /
Hat nicht Gewalt in vns; die trefflichen Poeten
Sind viel mehr als man meynt: jhr hoher Sinn vnnd Geist
20 Ist von des Himmels Sitz’ in sie herab gereist.
Ein frey Gewissen auch ist gar nicht angebunden
An das Geschrey des Volcks / das ähnlich ist den Hunden:
Sie bellen in die Lufft / wo sie nicht können gehn /
Vnd bleiben doch allhier weit von dem Himmel stehn.
25 So bald vns Atropos den Faden abgeschnitten /
So balde haben wir auch vnser Recht erlitten:
Wann vnsre Seel’ vnd Geist des Leibes sind befreyt /
Vnd lassen diese Welt / so lest vns auch der Neidt.
[160]
So ward auch Hercules / der Kern der Helden / inne /
30 Daß niemand weil er lebt die Mißgunst zähmen könne.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 637]
Diß ist der alte Lauff. Ich / den du hier siehst stehn /
Vnd auch dein Lob mit mir / soll nimmer vntergehn.
Es sey daß mir hinfort für andern wird belieben
Was Aristoteles / was Xenophon geschrieben /
35 Was Plato reich von list / was Seneca gesagt /
Was Cato; oder auch es sey das mir behagt /
Ohn einigen Termin die Bücher aller Alten /
So durch des Himmels Gunst bißher sind vorbehalten
Zu schliessen in mein Hertz’ / als wie ein muthig Pferdt /
40 Das sich an keinem Zaum / vnd keine Schrancken kehrt /
Vnd kan nicht stille stehn / begiehrig fort zu lauffen;
Es sey auch wie es wol / so werd’ ich von dem Hauffen
Des Pöfels seyn getrennt; mein Lieb / mit dem bescheid’
Erwart’ ich deiner Huld / vnd Gegenfreundligkeit.
45 Gleich wie ein Tiegerthier / der säuglinge beraubet /
Jetzt dort’ / jetzt dahin laufft; es wütet / tobet / schnaubet /
Es heulet daß die Berg’ vnd aller Wald erschallt;
So schrey ich auch nach dir mein bester Auffenthalt.
Ergib dich daß du nicht / wann ich dir bin genommen
50 Dürffst sagen allererst: Ach möchtstu wieder kommen /
O Philomusus werth / O edeler Verstand;
Wie hertzlich wolt’ ich doch dir bieten meine Hand /
Dir bitten meine Lieb’ vnd rechte wahre Trewe:
Dann wird vergeblich seyn / O Jungfraw / deine Rewe /
55 Dann wird vergeblich seyn dein Weinen / Klag’ vnd Leidt;
Das Korn wechst gar nicht mehr / ists einmal abgemeyt.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 638]
Wer wird hernach / mein Lieb / wer wird hernach dich preisen /
Wann diß mein jrrdin Faß dann wird die Würme speisen?
Drumb komm / O Schöne / komm / eh’ es zu langsam ist /
60 Komm / laß vns gehn den Weg / den ich mir auserkiest.
[161]
Schaw’ / O Asterie / die Meisterinn der Zeiten
Das ewige Geschrey / die Hand nach dir ausbreiten /
Vnd dir geneiget seyn: nimb sie von Hertzen an /
Die ewig deine Ziehr / vnd dich erhalten kan.

[.52] An eine Jungfraw im Reiche.

VNd du wirst auch bey meiner Buhlschafft stehen /
O Delia / du Bildnüß aller Ziehr:
Ich wil auch dich durch meine Verß’ erhöhen;
Ich wil dein Lob erweitern für vnd für.
5 Sey nicht erzürnt / Asterie / mein Leben /
Weil ich anjetzt so sehr weit von dir bin /
Daß ich mich hab’ in andre Huld ergeben /
Vnd frembde Gunst mir kommen in den Sinn.
+ + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + +

[Druckausgabe S. 639]
Ich habe dich in jhren Augen funden:
10 Dein Angesicht’ vnnd rosenrother Mund /
Dein schönes Haar ist so in jhr verbunden /
Daß ich sie nicht für dir erkennen kundt’.
Ich fandt in jhr / was ich bey dir verlassen;
Ich fand in jhr dich so gebildet ein /
15 Daß ich vermeyn’ ich könne sie nicht hassen
Ich müsse denn auch dir zu wieder seyn.
O Delia / du Spiegel meiner Frewden /
Du Ebenbild der schönsten in der Welt /
Vergönne doch daß sich mein’ Augen weiden /
20 Weil deine Ziehr mein Leben in sich helt;
Weil jhr Gesicht’ ist so in dich geschrieben /
Daß sie jhr selbst nicht ähnlicher seyn kan /
Wie wolt’ ich dich / mein’ Augenlust / nicht lieben?
Ach nimb mich doch von jhrentwegen an.
[162]
25 So wil ich auch mit steten Versen ehren
Dein’ hohe Ziehr / vnd edlen Augenschein.
So lange man von Liebe nur wird hören /
Wird man zugleich’ auch deiner inndenck seyn.

[.53]
Ausonii gecreutzigter Cupido.

AVff der betrübten Statt der schwartzen Trawerfelder /
Von denen Maro sagt / da grosse Myrtenwälder
+ + + + + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 640]
Die armen Buhlerinn vmbringen mit der Nacht /
Sah’ ich die Heldinnen die selbst sich umgebracht.
5 Ich sah’ ein’ jegliche dasselbe thun vorgeben /
Wie sie jhr vor der Zeit genommen hett jhr Leben;
Der dicke wüste Waldt war Sonn’ vnnd Mondens bloß /
Das trübe Hellensee stund schwartz vnd bodenloß:
An dessen stiller Bach man kaum herfür sieht schiessen
10 Die Hiacynthenblum’ / vnd flüchtigen Narcissen /
Adonis Purpurfarb’ vnnd Crocus gelbes Kleid /
Auch Aeas stund alldar verhüllt mit Trawrigkeit.
Die Sorgen ohne Rhu / voll Zehren / Leid vnnd Krencken /
Bewegen wiederumb die Heldinnen zu dencken
15 Was sie zuvor allhier in solche Noth gestürtzt /
Daß sie mit eigner Hand jhr Leben abgekürtzt.
Die Semele beklagt wie Juno sie betrogen /
Daß sie durch falsch Geschenck’ im Fewer auffgeflogen /
Als Jupiter zu jhr mit Plitz’ vnd Donner kam /
20 Vnd Bacchum in sein’ Hüfft’ aus jhrem Leibe nahm.
Die Coenis / so zum Mann’ aus einem Weibe worden /
Weint daß sie wiederumb sey in den Frawen-orden.
Die Procris trucknet noch die Wunden / vnd giebt acht
Auff jhren Cephalus / der doch sie vmgebracht.
[163]
Die Hero hat noch jetzt die Lamp’ in jhren Händen /
26 Nach der bey Nachte sich Leander muste wenden:
Man sieht wie Sapho noch vom weissen Felsen springt /
Vnd Eriphila jetzt auch mit dem Tode ringt.
Was Minos hat gethan / wie Creta sey gestanden /
30 Ist alles tunckler weis allda gemahlt vorhanden;
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 641]
Pasiphae die laufft dem weissen Ochsen nach:
Die Ariadne klagt von Theseus Vngemach.
Die Phedra vbersieht die vnglückhafften Schreiben /
Dadurch jhr Stieffsohn sie zur Liebe wolte treiben:
35 Die treget einen Strick; die jhrer Krone Bildt:
Die hat aus grosser Scham jhr Angesicht vmbhüllt /
Daß sie in Dedalus geschnitzter Kuh gestecket:
Laodamia klagt daß sie vom Grab erwecket
Protesilai Geist / vnd jhn auch tod begehrt:
40 Die Thisbe / Canace / vnd Dido führn das Schwerdt /
So jhrem Gaste / Mann’ vnd Vater ist gewesen:
Auch Luna kan noch nicht der Liebesbrunst genesen:
Sie sucht Endimion mit jhrem bleichen Liecht’ /
Vnd ob sie jhn gleich sucht / so findt sie jhn doch nicht.
45 Noch hundert sind alldar / so jhre Liebesflammen
Bald schätzen gut zu seyn / bald wiederumb verdammen;
In deren Mittel kömpt Cupido vnverhofft /
Vnd leutert durch den Glantz die dicke Höllen-lufft.
Sie kandten bald das Kind; ob gleich sein schöner Bogen /
50 Sein Köcher / Pfeil vnd Gurt mit Nebel war vmbzogen /
So kennen sie jhn doch: der frembde werthe Gast
Wird / wie sie vor von jhm / von jhnen angefaßt.
Es steht ein myrtenbaum mit Tunckelheit vmbfangen /
An welchem vor der Zeit Adonis auch gehangen /
55 Als er Proserpinen nicht wieder lieben wolt’ /
Vmb das er nichts begehrt’ als seiner Venus Holdt’.
+ + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 642]
[164]
An diesem haben sie den Amor angebunden /
Vnd billich jhm gethan was sie von jhm empfunden:
Es ward zur rechter Rach’ ein jegliche bewegt;
60 Die warff jhm an den Strick / den sie jhr angelegt:
Die wolte durch das Schwerdt sich rechnen jhrer Nöthen /
Die meynt’ jhn in der See / die in der Glut / zu tödten:
Die Myrrha wirffet jhn mit schönen Brennenstein /
Der von der Threnen Bach jhr soll geflossen seyn.
65 Von andern / denen er fast wiederumb versöhnet /
Wird er vngleicher Art geschertzet vnd verhöhnet /
Die wil das Blut besehn darvon die Rose kam /
Die helt ein Liecht hinzu / beleuchtet seine Scham.
Auch Venus kömpt herbey / sie leßt jhr wol gefallen /
70 Dies’ jhres Sohnes Straff’ / vnd martert jhn vor allen /
Weil er / als Mars bey jhr / die Netz’ herzu gebracht /
Vnd Vrsach’ ist daß auch Priapus wird verlacht.
Sie ist gar sehr ergrimmt / ersihet jhre Schantze /
Vnd schleget auff jhn zu mit einem Rosenkrantze /
75 Auch biß das rote Blut hernacher wird gebracht /
Das Blut das noch viel mehr die Rosen röter macht.
Durch diß wird letztlich doch die Venus auch beweget /
Daß sie den grossen Haß vnd Grimm beseite leget:
Die Heldinnen auch selbst die bitten sie vmb Rhu /
80 Vnd schreiben alles das der Götter Willen zu.
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 643]
Die Mutter danckt hierumb dieweil sie nachgelassen /
Vnd jhn nun weiter nicht / wiewol sie solten / hassen:
Cupido / weil sie gleich in jhren Reden seyn /
Fleucht weg vnd macht sich fort durchs Thor von Helffenbein.

[.54]
[165]
Theocriti vnd Heinsii Aites.

BIst du gekommen dann / nach dem ich nun gewacht
Nach dir mein liebstes Kind / den dritten Tag vnd Nacht?
Du bist gekommen / ja. doch wer nicht kan noch mag
Sein Lieb sehn wann er wil / wird alt auff einen Tag.
5 So viel der Früling wird dem Winter vorgesetzt /
Vor wilden Pflaumen vns ein Apffel auch ergetzt /
Das Schaff mit dicker Woll’ ein Lamb beschemen kan /
Die Jungfraw süsser ist als die den dritten Man /
Bereit hat fortgeschickt; so viel als besser springt
10 Ein Rehbock als ein Kalb / vnd wann sie lieblich singt
Die leichte Nachtigall den Vögeln abgewinnt /
So ist dein Beyseyn mir das liebste das man findt.
Ich habe mich gesetzt bey diesen Buchbaum hin
Gleich wie ein Wandersmann thut im fürüber ziehn /
15 In dem die Sonne sticht. ach / daß die Liebe doch
Vns wolte beyderseits auch führen an jhr Joch /
An jhr gewüntschtes Joch / vnd daß die nach vns seyn
Von vns mit stetem Rhum’ erzehlten vberein:
+ Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + +

[Druckausgabe S. 644]
Es ist ein liebes par gewesen vor der Zeit /
20 Das eine freyte selbst / das andre ward gefreyt:
Sie liebten beyde gleich. Ward nicht das Volck ergetzt
Wie Liebe wiederumb mit Liebe ward ersetzt!
Ach Jupiter / vnd jhr / jhr Götter / gebt mir zu /
Wann ich nach langer Zeit schon lieg’ in meiner Rhu /
25 Daß ich erfahren mag / daß dem der micht jetzt liebt
Vnd meiner trewen Gunst ein jeder Zeugnüß giebt;
Doch mehr das junge Volck. nun diß muß nur ergehn /
Ihr Götter wie jhr wolt: es pflegt bey euch zu stehn.
Doch lob’ ich dich zwar hoch / so hoff’ ich dennoch nicht /
[166]
Daß jrgend jemand ist der etwas anders spricht.
31 Denn ob dein Grimm mir schon zuweilen vbel thut /
So machst du es hernach doch duppelt wieder gut.
O Volck von Megara / jhr Schiffer weit bekandt /
Ich wüntsche daß jhr wol bewohnt das reiche Land
35 Vnd Vfer bey Athen / weil jhr so höchlich liebt
Dioclem der sich auch im Lieben sehr geübt:
Weil allzeit vmb sein Grab gar viel Liebhaber stehn /
Die lernen einig nur mit küssen vmb recht gehn /
Vnd streiten gleich darumb / vnd wer dann Mund an Mundt
40 Am aller besten legt / dem wird der Krantz vergunnt /
Den er nach Hause dann zu seiner Mutter bringt.
Ach / Ach/ wie glücklich ist dem es so wol gelingt
Daß er mag Richter seyn. wie offte rufft er wol /
Daß Ganymedes jhm den Mund so machen soll
45 Als einen Stein durch den der Goldschmiedt Vrtheil spricht /
Ob auch gewiß das Gold recht gut sey oder nicht.
+ + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 645]

[.55]
Daß die Poeterey vnsterblich sey.

Was wirffstu / schnöder Neid / mir für die Lust zu schreiben
Von Venus / vnd mit jhr die Jugend zu vertreiben?
Ich achte deiner nicht / du liehest Eitelkeit:
Mein Lob vnd Name wird erklingen weit vnd breit.
5 Cupido führet mich in eine grüne Wüsten /
Da der Poeten Volck / weit von Begiehr vnd Lüsten
Vorzeiten hat gelebt / wie noch die erste Welt
Nichts von den Städten wust’ / vnd wohnet vmb das Feldt.
Die Nymphen werden mir den Lorberkrantz auffsetzen /
10 Mit meinen Versen wird sich Erato ergetzen:
So weit die grüne Lust vnd hohen Wälder gehn /
So weit wird mein Geticht’ an allen Bäwmen stehn.

[167]
Ihr örter voller Frewd’ / jhr Auffenthalt der Hirten /
Ihr Bäch’ / jhr Ahornbäum’ / jhr Quell’ / jhr zarten Myrten /
15 Ihr Thäler / jhr Gebirg’ / jhr Blumen vnd jhr Stein’ /
Ihr Wohnhaus aller Rhu / bey euch wüntsch ich zu seyn;
Sonst nirgends als bey euch: von ewrer Lust besessen
Wil ich des jrrdischen / vnd meiner selbst / vergessen.
Wie Perseus als er erst Andromeden erblickt /
20 Ward mitten in der Lufft durch jhre Ziehr verzückt /
So daß er kaum das Roß vermochte zu regieren:
So soll auch mich von euch kein andre Liebe führen /
Biß mich der letzte Tod hier vnversehens kriegt /
Vnd Venus mich begräbt wo jhr Adonis liegt.

Sachanmerkung + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 646]

[.56]
An Nüßlern.

ISt das der freye Sinn / sind dieses die Gedancken /
Der vnbewegte Muth / so vormals ohne Schrancken /
Voll himmlischer begiehr / den weg der tugend gieng?
Ist das des Phebus Sohn / dem sein gantz Hertze hieng
5 Das Schloß der Ewigkeit in kürtzen zu ersteigen
Durch Arbeit vnd Vernunfft? jetzt muß er stille schweigen /
Muß zähmen seine Lust / muß zwischen Trost vnd Pein
(Die Pein geht für dem Trost) der Liebe Sclave seyn.
Wer hat / O Amor / dir doch die Gewalt gegeben /
10 Daß der Poeten Volck / die sonst am Himmel schweben /
Vnd fast nicht jrrdisch sind / in deiner Dienstbarkeit
Vor allen auff der Welt bestrickt ist jederzeit?
Menandern / dessen Geist so hoch empor gegangen /
Hat das verruchte Weib die Glicera gefangen /
15 Corinnen / wie man weis / die hatte Naso lieb;
Catullus Lesbien; Tibullus was er schrieb

[168]
War nichts als Nemesis; Toscanien wird sagen /
Wie sehr Petrarcha kan von seiner Laura klagen;
Lucretius ward toll’ auff einen Liebestranck;
20 Franciscus Molsa lag an den Frantzosen kranck /
Vnd starb’ auch so dahin; kein Mensch hat je vernommen
Wohin doch Gauricus sey vnterweges kommen /
Als er aus buhlen gieng: der Strozza ward bey Nacht
Aus Eyffer vmb ein Weib erbärmlich vmbgebracht.
Sachanmerkung + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 647]
25 Dem edlen Ariost hat die Begiehr im lieben
Durch Schreiben sein Ferrar zu ziehren angetrieben:
Pontanus / Aretin / Secundus / Sannazar /
Mein Ronsard / Scaliger / Lotich / vnd wie die Schar
Der grossen Leute heißt / die haben jhre Sinnen /
30 Vnd vnerschöpfften Witz / nie höher bringen können /
Als wenn die strenge Brunst / die Kranckheit ohne Rath /
Die Pest der thewren Zeit / sie angesprenget hat.
Mir auch / wiewol ich mich nicht so vor werth erkenne /
Daß ich mich bey der Zahl der hohen Männer nenne /
35 Gefiel Asterie; vnd als ich diese ließ /
Durch Reisen / welches mich von jhrer Seiten rieß /
Kam meine Sylvia / die schon liegt in der Erden /
Vnd nichts mehr von mir weis: die sitsamen Geberden /
Die geile Höffligkeit / der abgeführte Sinn /
40 Vnd was mich sonsten hielt / ist alles mit jhr hin.
Dann hat mich endlich auch in Dacien gefangen /
Die lange Vandala: jetzt nun ich sonst entgangen /
Vnd die Begiehrligkeit mich wenig meistern kan /
Steckt Flavia mich doch als ein new Fewer an.
45 Die wilde Flavia / mit jhren schwartzen Augen /
So mir das Hertze selbst sampt Marck vnd Bein aussaugen /
Vnd bringen gantz mich durch. ach / daß jhr frecher Sinn /
Mich / der ich jhrer Hold gar wol doch würdig bin /
[169]
So wenig gelten lest! ach! ach! daß kein Vergiessen
50 Der Threnen / kein gut Wort / kein Seufftzen kan erschiessen!
Wie kömpt es daß sie nur sich mir so frembde stellt /
Da der vnd jener doch für nicht ertichtet helt
Sie liebe sonst zu viel! ich weis nicht was ich dencke /
So seltzam ist jhr Sinn: Wann ich mich zu jhr lencke /
+ + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 648]
55 So wird sie stoltz darvon: wann ich mich halten kan /
Vnd komme nicht zu jhr / so lockt sie selbst mich an.
O freundlicher Betrug! O vngerechte Liebe!
Ist dieses nun mein Lohn / daß ich mich allzeit vbe /
Cupido / deine Macht / durch meine Poesie /
60 Die nicht vergehen soll zu loben spat vnd frü?
Hab’ ich mich darumb dich zu preisen vnterfangen?
Die Hände / dieser Hals / die Stirn’ vnd diese Wangen /
Diß Mensch soll solche Noth / soll solche grosse Pein
Mir seylen auff den Hals / soll meine Marter seyn?
65 Die Bücher stincken mir: ich fieng schon an zu melden /
Aus Fürstlichem Befehl des vnverzagten Helden
Von Promnitz hohes Lob / das schläfft nun gantz vnnd gar:
Ja / was ich lachen muß / in dem ich embsig war /
Zu schreiben wie man doch die Wollust solle meiden /
70 Nam sie mich selbsten ein mit jhrem süssen Leiden /
Aus Rachgier gegen mir. Den Griffel frist der Rost
Mit dem ich vormals schrieb. die Lauten / meine Lust
Vnd Vnmuth-Trösterinn / weis jetzund nichts zu singen
Als nur von Flavien; mir grawt vor allen Dingen
75 Die sonst die Jugend liebt: der Tantz / das Spiel / der Wein /
Der Freunde Gegenwart / die sonst so lieb mir seyn /
Ist lauter Gall’ vnd Gifft. die Einsamkeit / die Wüsten /
Ein melancholisch Berg / ein Thal / da Eulen nisten /
Ein trüber Fluß / ein Ort da nichts als trawren ist /
80 Diß hab’ ich einig mir zu lieben auserkiest.
[170]
Hier ist mein Auffenthalt: hier jrr’ ich hin vnd wieder /
Vnd rede mit mir selbst: dann setz’ ich bald mich nieder /
Bald steh’ ich wieder auff / vnd wann ich müde bin /
Vom Klagen vnd von Gehn / so streck’ ich dann mich hin
85 Bey einem dicken Bawm / erseufftze mit verlangen /
Biß an statt Flavien mich pfleget zue vmbfangen
+ + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 649]
Der Schlaff des Todes Bildt / des Todes den ich mir /
Gezwungen durch Gewalt der närrischen Begiehr
Von Hertzen wündschen muß. so so pfleg ich zu leben /
90 Der ich der Weisheit vor war gantz vnd gar ergeben /
Schrieb wie im Krieg’ ein Christ sich auff zu richten hat;
Nun mich ein Weib bekriegt / so find’ ich keinen Rath.
Ich förcht’ vnd hoffe doch / ich schweige still’ / vnd bitte /
Ich bin wie kaltes Eiß / vnd brenne gleichwol mitte /
95 Ich lös’ vnd binde mich / ich wüntsche frey zu seyn /
Vnd wann ich dann frey bin / so geh’ ich wieder ein.
Wie einer dem der Trunck den Kopff gantz eingenommen /
Vnd nun nicht ist sein selbst / wann er das Schwerdt bekommen /
Leufft rasend’ in den Feind / vnd fühlt die Wunden nicht;
100 So bin auch ich dem Rath vnd kluger Sinn gebricht.
Ich eil’ / ich wart’ / ich zürn’ / ich weis nicht was ich treibe /
Was mein Begehren ist: zu gleich in einem Leibe
Haß’ ich die Härtigkeit / vnd liebe die Gestalt.
Gleich wie die grüne See / im Fall sie durch Gewalt
105 Des Nordens wird gezwengt / bald jhre trüben Wellen
Biß an die Wolcken führt / bald an den Schlund der Höllen
Das hoffnung-blosse Schiff mit Sturm’ vnd Prausen schlegt:
So wird auch mein Gemüt’ jetzt hin jetzt her bewegt.
Die Leute sehn mir nach / daß ich / in dem ich gehe /
110 Jetzt eile wie der Wind / jetzt wieder stille stehe /
Vnd daß die Röte bald mir vnter Augen steigt /
Bald meine blasse Farb’ an jhre statt sich zeigt.
[171]
Der Leib geht nur allhier: man soll mich vier mal fragen /
Ich werde kaum ein Wort / vnd doch nicht recht noch / sagen;
115 Mir träumet wachende: tobt das Gewissen sehr
Bey welchen es sich regt / die Liebe plagt mich mehr.
+ + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 650]
Ich kan nicht seyn ohn sie / vnd wann ich zu jhr komme /
Mit reden wol gefaßt / so stock ich vnd verstumme /
Die Zunge steht gehemmt / das Hertze gantz verzagt
120 Bebt wie ein äspen Laub / vnd wann es hoch sich wagt /
Wie sein Bedüncken ist / so stihlt es aus der Pforten
Des Mundes einen Kuß / den sie mit solchen Worten
(Ich weis nicht sind sie falsch) hernach zu bessern pflegt /
Daß sich das Blut dadurch in allen Adern regt.
125 Durch solche Freundligkeit vnd süsses Libekosen
Macht sie daß ich mir nicht begehre zu gelosen
Den Kummer der mich krenckt. der Schatten jhrer Gunst /
Ein einig Anblick nur vermehret meine Brunst /
Vnd leßt mich nicht von jhr. so leb’ ich meiner Sinnen
130 Beraubet vnd mein selbst / vnd werde fast nicht innen
Was in der Welt geschieht: in dem der strenge Streit /
Mit welchem Deutschland sich nun plagt so lange Zeit /
Mit solcher Tyranney vnnd Blutvergiessen wehret /
So schreib’ ich wie die Pein der Liebe mich verzehret /
135 Wie Venus mit mir haust: diß treib ich wann die Nacht
Der Sternen Heer auffführt / vnd wann die Sonn’ erwacht.
O Nüßler / meine Ziehr / vnd Kind der Pierinnen /
Vnd zarten Gratien / wie recht ist dein beginnen /
Daß du / wie ich dir dann gantz trewlich darzu rieht /
140 In dem dein alter noch wie eine Rose blüht /
Den Stand der Eh’ ergreiffst. es ist mir recht zu sagen
Vnmöglich wie mich dünckt / was für ein groß behagen
Vnd Lust ich nechst geschöpfft / als die Justine kam /
Dein allerwerthstes Lieb / vnd dich mit Frewden nam
[172]
In jhrer armen Band / vnd warff zu hundert mahlen
145 Mit höchster Freundligkeit auff dich die klaren Stralen
+ + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 651]
Der Augen voller Ziehr / aus welchem schon die Lust
Zu sehen mich bedünckt / die dir wird seyn bewust
Nach einer kleinen Zeit / wann du jhr ab wirst nehmen
150 Mit eusserster Begiehr / inmitten Furcht’ vnd schämen /
Den Raub der Jungfrawschafft / durch den die süsse Nacht
Zwar sie zu einem Weib’ / vnd dich zum Vater macht.
Wie wol wird euch doch seyn / wann euch ohn alle Sorgen
Die Kummerwenderinn die Nacht biß an den Morgen
155 Vollauff ergetzen wird / vnd der nicht harte streitt /
Der Liebe Zweck vnd Ziehl / euch stehlen wird die Zeit
In der man sonsten schläfft. doch ist mit diesem Wesen
Nicht alles noch gethan: wann du wirst Bücher lesen /
Wirst gantz vertieffet seyn zu wissen was die Stadt
160 Der Römer vnd Athen vns hinterlassen hat /
Wirst auch der Poesie zuweilen nicht vergessen /
Vnd schreiben gleich wie ich / so wird dein Weib indessen
Nicht minder embsig seyn / wird dencken wie sie dir
Wann du studieret hast begegne mit Gebühr /
165 Bestelle Küch’ vnd Tisch / vnd kommen etwan Gäste /
Sie erstlich gerne seh’ / alsdenn auch auff das beste
Bewirte / wie sie weiß / vnd einig vnd allein
Sich mühen deine Frewd’ vnd höchster Trost zu seyn.
Wol also dir vnd jhr. wo soll nun ich verbleiben?
170 Soll ich die Ohren dann mit Wachse mir verkleiben /
Zu meiden die Siren? soll ich aus Haß der Pein
Mein Hertz in heisse Glut / mein Haupt in harten Stein /
Die Seufftzer in den Wind / die Augen voller Zehren
In einen Fluß / die Füß’ in einen Stock verkehren /
175 Vnd nicht mehr zu jhr gehn? nein / nein / wie bleich ich bin /
Nicht vom studieren nur / so bleibt doch wie vorhin
[173]
Mein Vorsatz vnbewegt; ich wil mein Glücke tragen
So lang’ ich kan vnd mag / wil setzen auff den Wagen
+ + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 652]
Der grawen Ewigkeit durch meiner Leyer Kunst
180 Die braune Flavia: an statt der Musen Gunst
Ist jhrer Augen Glut / das sternen-liechte Fewer
Kömpt wie der schöne Nord den Schiffern / mir zu stewer.
Auff / Flavia / auff / auff / erwecke meinen Geist /
Der einig deine Huld zu haben sich befleißt /
185 Vnd hat sie auch gewiß: du wirst mein Anbegehren
Nicht lassen / weis ich wol / vnd dessen mich gewehren
Was bloß die Jugend giebt / die jetzund allgemach
Den kürtzern ziehen wil / vnd führet nach vnd nach
Die Schönheit mit sich fort. laß böse Mäuler sagen
190 Was jhnen auch geliebt; zwar mir soll diß behagen
Kein Mensch auff dieser Welt / man spricht gleich was man spricht /
Aus meinem Hertzen thun / der Todt auch selber nicht.
+ + + +

[Ll3a]

unpaginiert, ungezählt

MARTINI OPITII Oden oder Gesänge. [.56 a]
[Ll3b = 174]
Ad Nobilissimum Virum, TOBIAM HÜBNERUM, Consiliarium Dessaviensem, et Praefectum Aulae.

QVis fuit, innocuos qui sola ad rura poetas
Misit et obscuras jussit amare casas?
Hoc nolite dii, a nobis haud posse vigorem
Rerum, qui capimus relliqua cuncta, capi. Sachanmerkung Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 653]

5 Aedibus augustis divini Musa Maronis
Splendorem accepit, nec minus ipsa dedit.
Flaccus agros laudat tenues vallemque reductam;
In Moecenatis sed canit ista domo.
Inter opes dominas Senecae crevere cothurni
10 Et tandem humanos proque Nerone lares.
Caetera non tango: nostros tarnen aspice vates,
Ipsosque in mediis arcibus esse vide.
Regis Hamiltonus Cimbri, Rutgersius, ille
Flos aevi, Sueonis splendida tecta colunt.
15 Kirchnerum Lygius Princeps evexerat; at nunc
Consiliis adhibet Caesar et ipse suis.
Seussiades Dresdae est, Bregae Nüsslerus; egoque
Hactenus aularum pars quotacunque fui.
[175]
Omnes Phoebus amat; qui te mirantur amantque,

20 Hübnere, o patriae lausque decusque tuae.
Tu medios inter strepitus et pondera rerum
Sollicitas Pindi, numina nostra, deas.
Tu mecum instauras charae genitricis honores
Et nostro tandem nos facis ore loqui.
25 Te lecto Celtae mirantur parcius aureos
Bartasii (nam sunt aurea cuncta) modos.
Tam gratus matri nemo est; jam quotquot amamus
Dulce solum hoc gratos nos decet esse tibi.
Posteritas faciet, cum diri fulmine Martis
30 Excusso placidos pax habitabit agros. + + + + + +
[Druckausgabe S. 654]
Nunc ego quod possum, mare paucis augeo guttis, Et tibi rauca meae carmina mitto lyrae. Sed mitto, ut valeas melius cognoscere, quod sit Velle meum, vates optime, posse tuum.

[176]

MARTINI OPITII Oden oder Gesänge.

[.57] I. Galathee.

COridon der gieng betrübet
An der kalten Cimbersee /
Wegen seiner Galathee /
Die er vor so sehr geliebet /
5 Die jhm vor so sehr behagt
Eh’ er ward von jhr verjagt.
Seit daß ich hinweg bin kommen /
Seit daß wir geschieden seyn /
Sang er / hat des Mondes schein
10 Vier mal ab vnd zugenommen:
Galathee / so lange Zeit
Bin ich von dir allbereit.
Nun du wirst dich noch besinnen
Daß ich bey dir gantz vnd gar
15 Fuß zu halten willens war /
Vnd auch kaum gesegnen können:
Sachanmerkung + +

[Druckausgabe S. 655]
Rawe Heidelber mich sehr /
Du viel tausend mal noch mehr.
Galathee / ich were blieben /
20 Vngeschewt der Kriegesnoth;
Der verlacht Gefahr vnd Tod
Welcher trewlich pflegt zu lieben:
Aber es ist dir wol kundt
Daß es gar bey mir nicht stund.
[177]
25 Ich zoh’ hin von meinen Schaffen /
War auch schon biß an den Main;
Doch es wolte gantz nicht seyn /
Ich vermochte nicht zu schlaffen /
Biß ich wieder zu dir kam /
30 Vnd noch einmal Abschied nahm.
Dann must’ ich / was solt’ ich machen?
Wieder auff mein Franckfurt zu:
Tityrus der sprach: wie nu?
Wie steht’s jetzund vmb die Sachen?
35 Mich bedüncket gantz vnd gar /
Daß dir vor viel besser war.
Tityrus ist recht gewesen;
Ich ward jmmer ärger kranck:
Thyrsis gab mir einen Tranck /
40 Ob ich köndte so genesen;
Aber alle Kräuterkunst
War vergebens vnd vmbsunst.
Keiner Müh’ hab’ ich geschonet /
Schifft’ hin in das Niederlandt;
45 Leyden wird die Stadt genandt /
Da der grosse Daphnis wohnet;
Daphnis der berühmbte Mann /
Der so trefflich spielen kan.
Ich kam zu jhm / wolte singen
50 Wie zu Heidelberg vorhin:
+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 656]
Nein / es schlieff mir Muth vnd Sinn;
Alle Worte must’ ich zwingen:
Bloß mein Schatten gieng allhier /
Ich war nirgend als bey dir.
55 Doch er ließ es jhm gefallen /
Sagte: wol mein Coridon /
[178]
Fahre fort; dein guter Thon
Kan noch weit vnd breit erschallen:
Es war aber nicht vor mich;
60 Ich gedachte nur an dich.
Bin ich vnten oder oben /
Es gilt alles eben viel /
Vnd was hilfft es daß mein Spiel
Alle die es hören loben /
65 Du hergegen / O mein Liecht /
Die ich lobe hörst es nicht?
Nachmals kam ich zu den Friesen /
Sah’ jhr schönes Vieh da stehn /
Vnd im feisten Grase gehn /
70 Vnd die Lämmer auff den Wiesen:
O wie wol ist doch daran /
Sprach ich / der so leben kan!
Nun ich will euch gar nicht neiden /
Ja ich wüntsche noch darzu
75 Daß jhr lange Zeit in Rhu /
Lieben Hirten / möget weiden.
Aber ich hier vnbekandt
Flieh’ anjetzt mein Vaterlandt.
Ihr könnt singen bey den Quellen /
80 Daß man höret weit vnd breit
Von der schönsten Freundligkeit
Das gestade Wiederschellen:
Ich muß singen auff der See:
Wo ist meine Galathee?
85 O wie bistu so verdrungen!
Wo ist jetzt die Herrligkeit /
+ +
[Druckausgabe S. 657]
Corydon / wie vor der Zeit?
Nun sing wie du vor gesungen:
[179]
Galathee / bey dir allein
90 Wil ich jetzt vnd jmmer seyn.
Geh’ jetzund hin zu dem Brunnen /
Da des Wolffes strenge Macht
Mutter Jetten vmbgebracht /
Da sich offters durch der Sonnen
95 Heisse Stralen angeregt
Galathee zu dir gelegt;
Da sie dich mit vielen Küssen
In die weissen Armen schloß;
Da du in der zarten Schoß
100 Deine Lust recht kondtest büssen:
Aber jetzt / O Corydon /
Ach wie weit bist du darvon!
Nun wir haben es erlebet /
Was du / Gott / verhangen hast /
105 Daß bey vns ein frembder Gast
Auff den schönen äckern gräbet:
Was wir haben ausgestrewt /
Wird von andern abgemeyt.
Wol dem der sein Feld kan bawen /
110 Lieben Schäffer / gleich wie jhr /
Darff sein Leben nicht mit mir
Nur dem blossen Winde trawen:
Ihr habt ewer Vatergut /
Ich muß auff die wüste Flut.
115 Nach dem hin vnd wieder ziehen /
Kam ich endlich doch hieher /
Galathee / weit vber Meer:
Weiter kan ich nun nicht fliehen;
Weiter fliehen kan ich nicht /
120 Weil mir Wind vnd See gebricht.
+ +
[Druckausgabe S. 658]
[180]
Wo die Schiffe vor geflossen /
Da liegt scharffes Eiß vnd Schnee;
Dieses Vfer da ich geh
Hat den Winter gantz verschlossen:
125 Vor der grünen Felder Lust
Ist hier lauter Reiff vnd Frost.
Nun ich wolte gerne leiden
Was ich jmmer leiden soll;
Ja / mir were gantz so wol /
130 Wann ich dich nicht dörffte meiden:
Alle Trawrigkeit vnd Pein
Fühl ich nur von wegen dein.
Alle Nacht pflegt mir zu träumen
Wie ich bey dem Necker sey /
135 Wie ich aller Sorgen frey
Bey den rauchen Kestenbäumen
Mit dir / liebe Galathee /
Oepffel auff zu lesen geh.
Dein Verstand vnd kluge Sinnen /
140 Die mir meine liessen nicht /
Deiner schönen Augen Liecht /
Die ich muste lieb gewinnen /
Deiner roten Lippen Ziehr
Sind ohn Vnterlaß allhier.
145 Gantz verstarret vnd erfroren
Durch den Schnee vnd strengen Nort
Irr’ ich offters vmb den Port /
Ruffe dir die ich verlohren.
O vergebens / Corydon /
150 Sie ist allzuweit hiervon.
Täglich geht die Sonne nieder
Steht auch täglich wieder auff /
+ + + + + +
[Druckausgabe S. 659]
[181]
Vnd helt jhren alten Lauff:
Aber wann seh’ ich dich wieder?
155 Ach / wie weit ist doch der Tag /
Daß ich dich vmbfangen mag!
Manches Land muß ich noch sehen /
Vnd mich lassen hin vnd her
Durch das weite wilde Meer
160 Manche rauhe Winde wehen /
Eh’ ich / reicht mir Gott die Hand /
Schawen kan mein Vaterland.
Vnterdessen meine Frewde /
Galathee gehab dich wol /
165 Biß ich / wo ich leben soll /
Weit von Trawren vnd von Leide
Bey den meinen vnd bey dir
Bleiben werde für vnnd für.
Dieses Vfer wil ich haben;
170 Galathee in deiner Schoß
Kan ich werden frey vnd loß;
Hier wil ich mein Leid vergraben:
Hier soll weit von Angst vnd Pein
Meiner Reise Ruhstadt seyn.
175 Also sang er / daß die Wellen
Vnd das Vfer an der See
Galathee / O Galathee /
Sämptlich muste wiederschellen /
Biß die Abendröthe kam /
180 Vnd die Nacht den Tag weg nahm.
+ + +

[Druckausgabe S. 660]

[.58] II.

Ist jrgend zu erfragen
Ein Schäffer vmb den Rein /
Der sehnlich sich beklagen

[182]
Muß vber Liebespein /
5 Der wird mir müssen weichen /
Ich weis sie plagt mich mehr:
Niemand ist mir zu gleichen /
Vnd liebt er noch so sehr.
Es ist vorbey gegangen
10 Fast jetzt ein volles Jahr /
Daß Phyllis mich gefangen
Mit Liebe gantz vnd gar;
Daß sie mir hat genommen
Gedancken / Muth vnd Sinn:
15 Ein Jahr ists daß ich kommen
In jhre Liebe bin.
Seyt dem bin ich verwirret
Gewesen für vnd für /
Es haben auch geirret
20 Die Schaffe neben mir;
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 661]
Das Feldt hab’ ich verlassen /
Gelebt in Einsamkeit /
Hab’ alles müssen hassen
Worumb ein Mensch sich frewt.
25 Nichts hab’ ich können singen
Als nur jhr klares Liecht;
Von jhr hab’ ich zu klingen
Die Lauten abgericht;
Wie sehr ich sie muß lieben /
30 Vnd jhre grosse Ziehr
Das hab’ ich fast geschrieben
An alle Bäwm’ allhier.
Kein Trincken vnd kein Essen /
Ja nichts hat mir behagt /
35 Ich bin nur stets gesessen /
[183]
Vnd habe mich beklagt;
In diesem schweren Orden
Verendert alles sich /
Die Herd’ ist mager worden /
40 Vnd ich bin nicht mehr ich.
Sie aber hat die Sinnen
Weit von mir abgekehrt /
Ist gar nicht zu gewinnen /
Als wer’ ich jhr nicht werth;
45 Da doch was ich gesungen
Im Brittenland erschallt /
Vnd auch mein Thon gedrungen
Biß durch den Böhmer Waldt.
So hab’ ich auch darneben /
50 Ich habe was bey mir /
+ + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 662]
Das ich nicht wolte geben
Vmb alles Vieh allhier
Das an das Neckers Rande
Im grünen Grase geht:
55 Mein Lob wird auff dem Lande
Vnd in der Stadt erhöht.
Jedoch nach diesem allen
Frag’ ich nicht sonders viel /
Der Phyllis zu gefallen
60 Ich einig singen wil /
Weil nichts ist das auff Erden
Mir ohne sie gefeilt;
Kan jhre Gunst mir werden /
So hab’ ich alle Welt.

[.59] III.

Wol dem der weit von hohen dingen
Den Fuß stellt auff der Einfalt Bahn;

[184]
Wer seinen Muth zu hoch wil schwingen /
Der stößt gar leichtlich oben an.
5 Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.
Ein hohes Schloß wird von den Schlägen
Des starcken Donners mehr berührt;
+ + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + +
[Druckausgabe S. 663]
>Wer weit wil feilt offt aus den Wegen /
10 Vnd wird durch seinen Stoltz verführt.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.
Auff grosser See sind grosse Wellen /
Viel Klippen / Sturm vnd harter Wind:
15 Wer klug ist bleibet bey den Quellen /
Die in den grünen Wäldern sind.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.
Hat Phyllis gleich nicht Gold vnnd Schätze /
20 So hat sie doch was mir gefeilt:
Wormit ich mein Gemüt’ ergetze /
Wird nicht gekaufft vmb Gut vnd Geldt.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.
25 Man steht bey reicher Leute Pforte
Sehr offt / vnd kömpt doch selten ein:
Bey jhr bedarff es nicht der Worte;
Was jhr ist / ist nicht minder mein.
Ein jeder folge seinem Sinne /
30 Ich halts mit meiner Schäfferinne.
Glentzt sie gleich nicht mit thewren Sachen /
So gläntzt doch jhrer Augen Liecht:
Gar viel muß Hoffart schöne machen /
Ihr schlechter Schein betreugt mich nicht.
[185]
35 Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.
Ist sie gleich nicht von hohem Stande /
So ist sie dennoch aus der Welt:
Hat sie gleich keinen Sitz im Lande /
+ + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 664]
40 Sie selbst ist mir ein weites Feldt.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.
Wer wil mag in die Lüfften fliegen /
Mein Ziel erstreckt sich nicht so weit:
45 Ich lasse mich an dem begnügen
Was nicht bemüht / vnd doch erfrewt /
Vnd halt’ es recht in meinem Sinne /
Mit meiner schönen Schäfferinne.

[.60] IV.

Jetzund kömpt die Nacht herbey /
Vieh vnd Menschen werden frey /
Die gewüntschte Ruh geht an;
Meine Sorge kömpt heran.
5 Schöne gläntzt der Mondenschein;
Vnd die güldnen Sternelein;
Froh ist alles weit vnd breit /
Ich nur bin in Trawrigkeit.
Zweene mangeln vberall
10 An der schönen Sternen Zahl;
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + +

[Druckausgabe S. 665]
Diese Sternen die ich meyn’
Ist der Liebsten Augenschein.
Nach dem Monden frag’ ich nicht /
Tunckel ist der Sternen Liecht;
15 Weil sich von mir weggewendt
Asteris / mein Firmament.
[186]
Wann sich aber neigt zu mir /
Dieser meiner Sonnen Ziehr /
Acht’ ich es das beste seyn /
20 Das kein Stern noch Monde schein.

[.61] V.

Kompt laßt vns ausspatzieren /
Zu hören durch den Waldt
Die Vögel musiciren /
Daß Berg vnd Thal erschallt.
5 Wol dem der frey kan singen /
Wie jhr / jhr Volck der Lufft;
Mag seine Stimme schwingen
Zu der auff die er hofft.
Ich werde nicht erhöret /
10 Schrey ich gleich ohne Rhu;
+ + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + +

[Druckausgabe S. 666]
Die so mich singen lehret
Stopfft selbst die Ohren zu.
Mehr wol dem / der frey lebet /
Wie du / du leichte Schar /
15 In Trost vnd Angst nicht schwebet /
Ist ausser der Gefahr.
Ihr werdet zwar vmbgangen /
Doch helt man euch in werth;
Ich bin von der gefangen
20 Die meiner nicht begehrt.
Ihr könnt noch Mittel finden /
Entfliehen aus der Pein;
Sie muß noch mehr mich binden /
Soll ich erlöset seyn.

[.62] VI.

Ach Liebste / laß vns eilen /
Wir haben Zeit:
+ + + + Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 667]
[187]
Es schadet das verweilen
Vns beyderseit.
5 Der edlen Schönheit Gaben
Fliehn fuß für fuß:
Das alles was wir haben
Verschwinden muß.
Der Wangen Ziehr verbleichet /
10 Das Haar wird greiß /
Der Augen Fewer weichet /
Die Brunst wird Eiß.
Das Mündlein von Corallen
Wird vngestalt /
15 Die Händ’ als Schnee verfallen /
Vnd du wirst alt.
Drumb laß vns jetzt geniessen
Der Jugend Frucht /
Eh’ als wir folgen müssen
20 Der Jahre Flucht.
Wo du dich selber liebest /
So liebe mich /
Gieb mir / das / wann du giebest /
Verlier auch ich.
+ + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 668]

[.63] VII. Aus Ronsardts Erfindung.

ALs ich nechst war ausspatzieret
Zu den Hirten in den Waldt /
Vnd mit jhnen musiciret /
Daß der gantze Pusch erschallt /
5 Kam die Venus selbst zu mir /
Bracht’ auch jhren Sohn mit jhr

[188]
Der bey mir verbleiben solte /
Wo ich jhn was lehren wolte.
Alles was du wilt bedingen /
10 Sagte sie / ist dir vergünnt /
Wo du deine Kunst zu singen
Lehren wirst mein kleines Kind:
Wol / ich weis’ jhm gantz bereit /
Was man noch hat dieser Zeit
15 Von den Göttern auffgeschrieben /
Vnd im Hirtenbuch’ ist blieben.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 669]
Wie das Pan auff sieben Röhren
Anzustimmen hat erdacht /
Vnd gantz lieblich anzuhören
20 Einen newen Thon auffbracht:
Wie daß Aristeus weit
Mit dem Bacchus kam in Streit
Ob die Süssigkeit der Bienen
Mehr als Wein vns köndte dienen.
25 Aber nein / der lose Knabe
Machte was er vor gethan;
Wann ich jhm was anders gabe
So hub er von buhlen an:
Allzeit ward von jhm gehört
30 Wie die Lieb’ vns so bethört;
Wie nach seiner Mutter Sinnen
Jederman muß lieb gewinnen.
Solt’ er Lection auffsagen /
Wust’ er lauter nichts darvon /
35 Brachte selbst mir vorgetragen
Eine schwere Lection:
Jetzt ich also nichts mehr weis
Dann von Lieb’ vnd jhrem Preiß’:
[189]
Jetzt ist gäntzlich mir entfallen
40 Was ich kondte vor für allen.
Nun ade jhr Feldgöttinen /
Nun ade du grüne Lust;
Corydon muß jetzt beginnen
Was er vorhin nie gewust:
45 Es ist wo ich geh’ vnd steh’
Alles nichts dann Galathee:
+ + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 670]
In dem strengen Liebesorden
Bin ich durch ein Kind bracht worden.

[.64] An Herren Esaias Sperern / Key- serlichen Majestet vnnd des Hochlöblichen Hauses von Oesterreich / auch Fürst- lichem Lignitschen Ho- fediener.

VIer mal ist der Früling kommen /
Vier mal hat die Winters-Zeit
Von den Wäldern abgenommen
Ihr begrüntes Sommerkleidt /
5 Seyd daß wir gebracht sind worden
In der trewen Freundschafft Orden.
Wie viel Tage sind verflossen
Inner Frewd’ vnd guter Lust /
Wann wir vns den Sinn begossen
10 Mit Lyéus seiner Kost?
Doch nicht wie die rawen Scythen
Die den gantzen Wanst voll schütten.

[190]
Wie ein Schiffer an dem Rande
Seinen krummen Nachen führt /
15 Vnd sich nicht weit helt vom Lande
Wann er starcke Wellen spührt /
So auch muß es seyn im Trincken
Wollen wir nicht vntersincken.
+ Sachanmerkung Sachanmerkung +
[Druckausgabe S. 671]
Sehn wir in der Schale springen /
20 Vngern / deinen klaren Wein /
Können wir vns auch bezwingen /
Daß wir lange nüchtern seyn?
Es muß alles was vns kräncket
In das Weinfaß seyn versencket.
25 Wann wir dann so viel genommen
Daß der angenehme Safft
Etwas in die Stirn’ ist kommen /
Da kriegt Hertz vnnd Zunge Krafft /
Da wird alles ausgelassen
30 Was vns taug vnd was wir hassen.
Warumb dieses sey zu meiden /
Warumb das nicht könne seyn /
Warumb der vnd der vns neiden /
Jener auch nur falschen Schein
35 Des Gemütes von sich giebet /
Hertzlich haßt vnd mündlich liebet.
O jhr Matten / O jhr Wiesen /
Du Gebirge welches wir
Nennen von den alten Riesen /
40 O jhr warmen Bäder jhr /
Ihr Napeen habt vernommen
Was vns offtmals ein ist kommen.
So ergetzt vns hier auff Erden
Ein schön Glaß vnd ein schön Buch.
[191]
45 Biß wir eingehüllet werden
In ein stücke leinen Tuch.
Weil wir mehr nicht miete nehmen /
Sollen wir vns dann viel grämen?
Werden wir auch sonst nichts lassen
50 (Dann sich vmb das Eigenthumb
Niemand schlagen wird vnd hassen)
So bleibt doch ein guter Rhum /
+ + + + +
[Druckausgabe S. 672]
Den der Tod vns nicht kan sterben /
Vnd kein Mensch mit Geld’ erwerben.
55 Du durchrennst mit freyem Zügel
Des geehrten Lobes Pfadt
Durch des hohen Adlers Flügel /
Welcher dich zu diensten hat /
Vnd auch mich wil / wie zu spühren /
60 Mit dem Lorberkrantze zieren.
Was vor dieser Zeit Petrarchen /
Den ich göttlich heissen mag /
Kam vom Celtischen Monarchen
Vnd von Rom auff einen Tag /
65 Das wird mir anjetzt auch eben
Der berühmbte Keyser geben.
Dieses sind die Gifft vnd Gaben /
Die vns vber allen Neid /
Wann wir lange sind vergraben /
70 Heben sollen jederzeit;
Diese Schätz’ vnd Güter machen
Daß wir Hohn vnd Haß verlachen.
Wann die Mißgunst tausend Zungen
Hette feindlich ausgestreckt /
75 Vnd käm’ auff vns zu gedrungen /
Doch so bleiben wir verdeckt
[192]
In der Trew’ vnd Tugend Schatten /
Da kein Neid kan hingerahten.
Nun wolan / mit dem Bedinge
80 Laß vns bleiben wie wir seyn /
Da ich dann darauff dir bringe
Dieses grosse Schiff-voll Wein /
+ + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 673]
Daß dich wol nicht mehr soll dürsten /
Auff Gesundheit vnsers Fürsten.

[.65] IIX. Fast aus dem Holländischen; wie auch das nechstfolgende.

O Du Gott der süssen Schmertzen /
Warumb daß man dich so blind
Vberall gemahlet findt?
Ich befind’ es nicht im Hertzen.
5 Nun du habest kein Gesicht’;
Ich vnd niemand glaubt es nicht.
Siehstu nicht / wie kanst du wissen
Wo dein Pfeil hinfliehen soll?
Blinde sehen sonst nicht wol;
10 Du kanst ziemlich grade schiessen:
Nun du habest kein Gesicht’ /
Ich vnd niemand glaubt es nicht.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + +

[Druckausgabe S. 674]
Die in dicke Püsche ziehen /
Vnd in wüsten Wäldern seyn /
15 Können doch der LiebesPein
Vnd dem Bogen nicht entfliehen:
Nun du habest kein Gesicht’ /
Ich vnd niemand glaubt es nicht.
Die das weite Meer durchjagen
20 Müssen fühlen deine Stärck’:
[193]
Ist das solcher Leute Werck?
Heißt das blind seyn? recht zu sagen:
Nun du habest kein Gesicht’ /
Ich vnd niemand glaubt es nicht.
25 Giengst du nicht die enge Strassen
In das himlische Gebäw
Vnbegleitet ohne Schew /
Dorfftest Jupiter anfassen?
Nun du habest kein Gesicht’ /
30 Ich vnd niemand glaubt es nicht.
Kondtest du den Pluto finden /
Stiegest in der Höllen Schlund
Dorfftest dich auff seinem Grund’
Ihn zu schiessen vnterwinden?
35 Nun du habest kein Gesicht’;
Ich vnd niemand glaubt es nicht.
Du wilst keine Klage kennen /
Keine Bitte nimpst du an /
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 675]
Alles ist vmbsonst gethan:
40 Blinde sind die dich blind nennen;
Dieses geht mir besser ein /
Daß du trefflich taub must seyn.

[.66] IX.

Corydon sprach mit Verlangen
Zu der liebsten Feldgöttin:
Wer’ es Lydia dein Sinn /
Daß du woltest mich vmbfangen /
5 Daß wir möchten noch in Frewd’
Enden vnsre junge Zeit?
Alles Wildniß in den Wäldern
Schmeckt die süsse Liebeskost;
Es gebrauchen sich der Lust

[194]
10 Herd’ vnd Hirten auff den Feldern:
Wollen wir dann ohne Frewd’
Enden vnsre junge Zeit?
Alle Vögel in den Lüfften
Hört man singen für vnd für /
+ + + + Sachanmerkung + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 676]
15 Alle Nymphen da vnd hier /
Sieht man newe Heyrath stifften;
Ey laß vns doch auch in Frewd’
Enden vnsre junge Zeit.
Zwar der Warheit nicht zu schonen /
20 Ich bin nur ein Bawerknecht /
Doch noch eins so fromm vnd recht
Als die in den Städten wohnen;
Drumb so laß vns doch in Frewd’
Enden vnsre junge Zeit.
25 Ich weis gar wol deine Sinnen /
Du vermeynst es were Kunst
Wann du mich durch Liebesbrunst
Würdest gantz verzehren können:
Darumb solln wir ohne Frewd’
30 Enden vnsre junge Zeit.
Nymphe / wilst du mir entgehen /
Weil ich nur vom Dorffe bin?
Schaw auff alle Götter hin
Die nach Bawrenliebe stehen:
35 Können wir dann ohne Frewd’
Enden vnsre junge Zeit?
Venus hat vielmal geschlaffen
Bey Adonis in dem Wald’ /
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 677]
Ob gleich schon sein Auffenthalt
40 Niergend war als bey den Schaffen:
[195]
Wir nur wollen ohne Frewd’
Enden vnsre junge Zeit.
Doch ich wil mich nicht betrüben /
Ich begehr’ es nicht so sehr;
45 Aber dencke / wer dich mehr
Wird als ich so hefftig lieben /
Wann wir jetzund ohne Frewd’
Enden vnsre junge Zeit.

[.67] X.

Allhier in dieser wüsten Heyd’
Ist gar kein Mensch nicht weit vnd breit /
Die wilden Thier allein
Die seh’ ich selbst Mitleiden tragen /
5 Die Vögel trawrig seyn /
Vnd mich mit schwacher Stimme klagen /
Die kalten Brunnen stärcker fliessen /
Viel Threnen gleichsfals zu vergiessen.
Stein / Wälder / Wiesen / Feld vnd Thal
10 Hör’ ich beklagen meinen Fall;
Sie fühlen meine Pein /
Die Schafe wollen gar nichts weiden;
+ + + + Sachanmerkung + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 678]
Du / Delia / allein
Wirst nicht beweget durch mein Leiden /
15 Du Kron vnd Zier der Schäfferinnen /
Du strenge Fürstin meiner Sinnen.
In dich hab’ ich mein Ziel gericht /
Mein einig All / meins Lebens Liecht:
Nun hat des Glückes Neid
20 Von deiner Seiten mich gerissen;
Drumb wündsch’ ich dieser Zeit
Nicht mehr des Lebens zu geniessen;
[196]
Vom Tode nur werd’ ich bekommen
Die Freyheit so du mir genommen.
25 Laß ich gleich aber diese Welt /
Wird meine Trew doch nicht gefeilt;
Die Liebe gegen dir
Hab’ ich an manchen Baum geschnitten;
Da sieht man für vnd für
30 Was ich vor Angst vnd Pein erlitten:
So lang’ Arcadia wird stehen
Soll auch mein Name nicht vergehen.
Es tritt Diana selber hin /
Mein Grab zu machen in das grün;
35 Die Göttin Flora geht
Sich nach Violen vmbzuschawen /
Mein Leichstein ist erhöht /
Darein die Nymphen werden hawen:
Hier hat den Geist dahin gegeben
40 Den seine Liebste bracht vmbs Leben.
+ + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 679]

[.68] XI.

Asterie mag bleiben wer sie wil /
Ich weis nichts mehr von jhr /
Vnd jhrer Huld; ein sehr viel höher Ziel
Hab’ ich anjetzt vor mir:
5 Ich wil mich weiter schwingen
Als durch den Erdenkreiß /
Vnd nur alleine singen
Der Tugend Ehr’ vnd Preiß.
Wie selig ist wer in Vollkommenheit
10 Der Weißheit sich verliebt /
Die süsse Gifft der schnöden Eitelkeit
Ihn nimmermehr betrübt;
Er weichet von den Wegen

[197]
Der Vppigkeit der Welt /
15 Darauff zuvor erlegen
Manch freyer kühner Heldt.
Die Schönheit zwar veracht’ ich gäntzlich nicht /
Weil sie von oben kömpt /
Das sag’ ich nur daß sie gar leichte bricht /
20 Vnnd bald ein Ende nimpt:
Der rote Mund / die Wangen /
Der schönen Augen Glantz /
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 680]
Ja alle Pracht vnd Prangen
Ist wie ein Rosenkrantz.
25 Wer Tugend liebt / der stirbet nimmermehr /
Er dringt durch alle Noth /
Durch alle Welt erklingt sein Lob vnd Ehr /
Er bleibt / vnd lebet todt:
Drumb wil ich nichts mehr schreiben
30 Von zeitlicher Begiehr /
So wird mein Lob bekleiben /
Vnd grünen für vnd für.
Weg / Venus / weg / du Pest der jungen Zeit /
Ich selbst vergesse mein;
35 Ich wil jetzt gehn den Lauff der Ewigkeit /
Vnd auff der süssen Pein
Verwirrten Bahn nicht wallen /
Die Tugend ist mein Ziel;
Asterie sampt allen
Mag bleiben wer sie wil.

[.69] XII.

Mein Nüßler / vnd ist diß dein Rath /
Ich soll die schnöde Wollust hassen /
+ + + + + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 681]
Vnd die so mich bethöret hat /
Die schöne Flavia / verlassen?
[198]
5 Sprich / sagst du / deine Musen an /
Setz’ an die Feder / das zu schreiben
Durch welches dein Gerüchte kan
In Ewigkeit hernach bekleiben.
Laß fahren / die zu wenig ist
10 Daß sie die viel gewüntschten Sachen
Die du zu tichten auserkiest
Soll gantz vnd gar zu Wasser machen.
Denck’ an den Rhum den du nunmehr
Bey grossen Leuten hast erworben:
15 Seit daß du liebst ist schier die Ehr’
In jhrer ersten Blüt’ erstorben.
War ist es / ich bin jetzund fast
Der Bücher ärgster Todfeind worden /
Nun Venus / die gewüntschte Last
20 Mich wieder hat in jhren Orden.
Doch bin ich sehr in Zweiffel noch /
Ob auch des blossen Lobes wegen
Daß Joch / das angenehme Joch /
Sey gantz vnd gar hinweg zu legen.
25 Dieweil ich kürtzlich soll hernach
Die lange Nacht vergraben liegen /
Was hilfft michs durch viel Vngemach
Vnd Müh ein’ Hand voll Ehre kriegen?
Kein Vers / wie künstlich er mag seyn /
30 Der kan mir jetzund Bürge werden
Man werde dieses mein Gebein
Bedecken mit fein leichter Erden.
Doch wol / laß meine Poesie /
Vnd was ich sonsten möchte schreiben /
+ + + + + +
[Druckausgabe S. 682]
35 Als zu Ergetzung meiner Müh /
Ein hundert Jahr vnd lenger bleiben:
[199]
Bin ich mehr als Anacreon /
Als Stesichor / vnnd Simonides /
Als Antimachus / vnd Bion /
40 Als Philet / oder Bacchylides?
Ist aber dir dann nicht bekandt /
Der Griechen schöne Ziehr im Tichten?
Was soll nun diese meine Hand
In deutscher Sprache können richten?
45 Nein / nein / ich lobe meinen Sinn /
Vnd hoff’ es soll mir auch gelingen /
Daß das worauff ich kommen bin
Noch möglich sey mir zu vollbringen.
Das dünckt mich gar viel besser seyn /
50 Als derer Fleiß die nichts erwerben
Durch jhre Reim’ als leichten Schein /
Vnd doch für Hunger kaum nicht sterben.

[.70] XIII.

Ich kan mich zwar zu dir begeben
Jetzt wann ich wil / mein Vaterland /
Nun ich befreyt bin von dem Leben
Bey dem kein Glück ist vnd Bestand;
5 Doch helt mich noch der Liebe Band /
Der ich zu schwach zu widerstreben.
+ + + Sachanmerkung Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 683]
Vor hab’ ich mich zu dir gewendet;
Kein Ort gefiel mir besser nicht:
Nun hat sich alle Lust geendet /
10 Nach dem mich meines Hertzens Liecht /
Was man nur auch darwider spricht /
Mit seiner Anmuth gantz verblendet.
Vor wann die Morgenröhte lachte /
Vnd ließ sich sehn auff jhrer Bahn /
15 So grüßt’ ich sie wann ich erwachte;
[200]
Jetzt ist es alles nun gethan /
Weil ich mein Lieb nur preisen kan /
Vnd allzeit jhre Ziehr betrachte.
Vor hab’ ich zu den kühlen Flüssen /
20 Vnd klaren Brunnen mich gesellt;
Die Rosen / Lilien vnd Narcissen
Liebt ich für alles auff der Welt:
Jetzt weis ich viel ein schöner Feldt /
Vnnd hoffe sein noch zu geniessen.
25 Ihr Bircken vnd jhr hohen Linden /
Ihr Wüsten vnd du stiller Waldt /
Lebt wol mit ewren tieffen Gründen /
Vnnd grünen Wiesen mannigfalt:
Mein Trost vnnd bester Auffenthalt
30 Ist sonstwo als bey euch zu finden.

[.71] XIV.

Ihr schwartzen Augen / jhr / vnnd du / auch schwartzes Haar /
Der frischen Flavien / die vor mein Hertze war /
+ + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 684]
Auff die ich pflag zu richten /
Mehr als ein weiser soll /
5 Mein Schreiben / Thun vnd Tichten /
Gehabt euch jetzund wol.
Nicht gerne sprech’ ich so / ruff’ auch zu Zeugen an
Dich / Venus / vnd dein Kind / daß ich gewiß hieran
Die minste Schuld nicht trage /
10 Ja alles Kummers voll
Mich stündlich kränck’ vnd plage /
Daß ich sie lassen soll.
Ihr Parcen / die jhr vns das Thun des Lebens spinnt
Gebt mir vnd jhr das was ich jhr / vnd sie mir gönnt /
15 Weil ich’s ja soll erfüllen /
Soll zähmen meinen Fuß /
[201]
Vnd wieder Lust vnd Willen
Auch nachmals sagen muß:
Ihr schwartzen Augen / jhr vnnd du auch schwartzes Haar /
Der frischen Flavien / die vor mein Hertze war /
Auff die ich pflag zu richten /
Mehr als ein weiser soll /
Mein Schreiben / Thun vnd Tichten /
Gehabt euch jetzund wol.

[.72] XV.

Ich empfinde fast ein Grawen
Daß ich / Plato / für vnd für
Bin gesessen vber dir;
Es ist Zeit hinaus zu schawen /
+ + + Sachanmerkung Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 685]
5 Vnd sich bey den frischen Quellen
In dem grünen zu ergehn /
Wo die schönen Blumen stehn /
Vnd die Fischer Netze stellen.
Worzu dienet das studieren
10 Als zu lauter Vngemach?
Vnter dessen laufft die Bach /
Vnsers Lebens das wir führen /
Ehe wir es inne werden /
Auff jhr letztes Ende hin
15 Dann kömpt ohne Geist vnd Sinn
Dieses alles in die Erden.
Hola / Junger / geh’ vnd frage
Wo der beste Trunck mag seyn /
Nimb den Krug / vnd fülle Wein.
20 Alles Trawren / Leid vnnd Klage
Wie wir Menschen täglich haben
Eh’ vns Clotho fort gerafft
[202]
Wil ich in den süssen Safft
Den die Traube giebt vergraben.
25 Kauffe gleichfalls auch Melonen /
Vnd vergieß des Zuckers nicht;
Schawe nur daß nichts gebricht.
Jener mag der Heller schonen /
Der bey seinem Gold’ vnd Schätzen
30 Tolle sich zu krencken pflegt /
Vnd nicht satt zu Bette legt;
Ich wil weil ich kan mich letzen.
Bitte meine gute Brüder
Auff die Music vnd ein Glaß:
35 Nichts schickt / dünckt mich/ nicht sich baß
Als gut Tranck vnnd gute Lieder.
+ + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 686]
Laß’ ich gleich nicht viel zu erben /
Ey so hab’ ich edlen Wein;
Wil mit andern lustig seyn.
40 Muß ich gleich alleine sterben.

[.73] XVI.

Derselbe welcher diese Nacht
Erst hat sein Leben hingebracht /
Ist eben auch wie die gestorben /
Die lengst zuvor verbliechen seyn /
5 Vnd derer Leichnam vnnd Gebein
Vor tausend Jahren sind verdorben.
Der Mensch stirbt zeitlich oder spat /
So bald er nur gesegnet hat /
So wird er in den Sand versencket /
10 Vnd legt sich zu der langen Rhu.
Wann Ohr vnd Auge schon ist zu /
Wer ist der an die Welt gedencket?

[203]
Die Seele doch allein vnd bloß
Fleugt / wann sie wird des Cörpers loß /
15 Zum Himmel da sie her geführet.
Was diesen schnöden Leib betrifft /
Wird nichts an jhm als Stanck vnnd Gifft /
Wie schön er vormals war / gespühret.
Es ist in jhm kein Geist mehr nicht /
20 Das Fleisch fellt weg / die Haut verbricht /
Ein jeglich Haar das muß verstieben;
Vnd / was ich achte mehr zu seyn /
+ + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + +
[Druckausgabe S. 687]
Die jenige kömpt keinem ein /
Die er für allem pflag zu lieben.
25 Der Tod begehrt nichts vmb vnnd an:
Drumb / weil ich jetzt noch wüntschen kan /
So wil ich mir nur einig wehlen
Gesunden Leib / vnd rechten Sinn:
Hernachmals / wann ich kalt schon bin /
30 Da wil ich Gott den Rest befehlen.
Homerus / Sappho / Pindarus /
Anacreon / Hesiodus /
Vnd andere sind ohne Sorgen /
Man red’ jetzt auff sie was man wil:
35 So / sagt man nun gleich von mir viel /
Wer weis geschieht es vbermorgen.
Wo dient das Wüntschen aber zu /
Als daß ein Mensch ohn alle Rhu
Sich Tag vnnd Nacht nur selbst verzehret?
40 Wer wündschet kränckt sich jederzeit;
Wer tod ist / ist ohn alles Leid.
O wol dem / der nichts mehr begehret.

[.74] XVII.

[204]

Tugend ist der beste Freundt /
Die vns allzeit pflegt zu lieben /
Wann die schöne Sonne scheint /
Vnd die Wolcken vns betrüben.
+ + + + Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 688]
5 Reisen wir gleich hin vnd her /
Vber Land vnd vber Meer /
Es ist jhr kein Beschwer.
Sie weis nichts von Menschen gunst /
Wie es zwar manch Freund hier machet /
10 Der aus falscher Liebesbrunst
Frölich klagt / vnd kläglich lachet.
Der zwar gut ist vom Gesicht’ /
Vnd sich aller Trew verspricht;
Das Hertze meynt es nicht.
15 Als das leichte Glücke mich
Schien’ ein wenig zu erheben /
Wolte der vnd jener sich
In den Tod auch für mich geben:
Nun ein kleiner rawer Wind
20 Nur zu Wittern sich beginnt /
Ist niemand der sich findt.
Doch wil ich von meinem Muth’
Auch das minste noch nicht schreiten /
Vnd gedencken daß mein Guth
25 Wären wird zu allen Zeiten:
Dann mein Trost in Glück’ vnd Noth /
Hier vnd da / in Ehr’ vnd Spott /
Ist Tugend vnd ist Gott.
+ + + + +

[Druckausgabe S. 689]
[Pp3a]

unpaginiert, ungezählt

MARTINI OPITII Sonnete.

[Pp3b = S. 205]

205 Nobilissimo Amplissimoque Viro,

GEORGIO MICHAELI LINGELSHEMIO,

Hospiti quondam suo et Patrono domestico,

In testimonium veteris erga ilium observantiae et fidei

L. M. Q. D. D. MARTINUS OPITIUS.

[206]

[.75] I. An diß Buch.

SO wiltu dennoch jetzt aus meinen Händen scheiden
Du kleines Buch vnd auch mit andern seyn veracht?
Sachanmerkung Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 690]
Gewiß du weissest nicht wie höhnisch man jetzt lacht /
Wie schwerlich sey der Welt Spitzfindigkeit zu meiden.
5 Es muß ein jeglich Ding der Menschen Vrtheil leiden /
Vnd / ob es tauglich sey / steht nicht in seiner Macht;
Der meiste Theil ist doch auff schmähen nur bedacht /
Vnd denckt was er nicht kan / dasselbe muß er neiden.
Noch dennoch (daß du nicht so offt’ vnd viel von mir
10 Auffs newe dulden dürffst daß ich dich nehme für)
Muß ich dir loß zu seyn vnd aus zu gehn erleuben.
So ziehe nun nur hin / weils ja dir so gefeilt /
Vnd nimb dein Vrtheil an / zieh’ hin / zieh’ in die Welt;
Du hettest aber wol zu Hause können bleiben.

[.76] II. Vber den Thurn zu Straßburg.

PRintz aller hohen Thürn’ / als jemals wird beschawen
Der Sonnen klarer Glantz / vnd vor beschawet hat;
Wie recht / weil Straßburg ist dergleichen schöne Stadt
Hat man dich nur in sie alleine müssen bawen.
5 Du rechtes Wunderwerck bist zierlich zwar gehawen /
Doch noch bey weitem nicht zu gleichen in der That
Der feinen Policey / dem weisen Recht’ vnd Rhat ’/
Der grossen Höffligkeit der Männer vnd der Frawen /
+ + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + +

[Druckausgabe S. 691]
Welch’ vber deine Spitze’ an Lobe zu erhöhen:
10 Kein Ort wird jrgend je gefunden weit vnd breit
Der jhnen gleichen mag an Güt’ vnd Freundligkeit.
[207]
Wie wol giebt die Natur hiermit vns zu verstehen /

Daß / wann die Bäwe gleich mehr steinern sind als Stein /
Der Menschen Hertzen doch nicht sollen steinern seyn.

[.77] III. Vom Wolffesbrunnen bey Heidelberg.

DV edler Brunnen du / mit Rhu vnd Lust vmbgeben
Mit Bergen hier vnd da als einer Burg vmbringt /
Printz aller schönen Quell’ / aus welchem Wasser dringt
Anmutiger dann Milch / vnnd köstlicher dann Reben /
5 Da vnsres Landes Kron’ vnd Häupt mit seinem Leben /
Der werthen Nymph’ / offt selbst die lange Zeit verbringt /
Da das Geflügel jhr zu Ehren lieblich singt /
Da nur Ergetzlichkeit vnd keusche Wollust schweben /
Sachanmerkung + + + + Sachanmerkung + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 692]
Vergeblich bist du nicht in dieses grüne Thal
10 Beschlossen von Gebirg’ vnd Klippen vberall:
Die künstliche Natur hat darumb dich vmbfangen
Mit Felsen vnd Gepüsch’ / auff daß man wissen soll
Daß alle Fröligkeit sey Müh’ vnd Arbeit voll /
Vnd daß auch nichts so schön / es sey schwer zu erlangen.

[.78] IV. Vber den Queckbrunnen zum Buntzlaw in Schlesien.

DV vnerschöpffte Lust / du Wohnhaus aller frewden /
Du Bad der Najaden / du köstliche Fonteyn /
So lieblich als von dir entspringe Milch vnd Wein /
Bey dessen grüner Lust die Schafe sicher weiden /
5 Laß mich / den Vberfluß der Eitelkeit zu meiden /
Bey deinem Quell’ allhier von Sorgen ledig seyn /
Daß dich ja nimmermehr der Sonnen heisser Schein /
Noch deine klare Bach was trübes thu beleiden.

[208]
Bey dir wüntsch ich zu seyn / bey dir / mein Vaterland /
10 Hieher nun hab’ ich gantz den Muth vnd Sinn gewandt /
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + +
[Druckausgabe S. 693]
Mir ist die gantze Welt bey deinen schönen Flüssen;
Drumb soll dich auch hinfort erheben meine Handt:
So weit der grosse Rein vnnd Donaw sich ergiessen /
Wirst du / du edler Quall / ingleichen seyn bekandt.

[.79] V. An der Liebsten Vaterland.

DV allerschönster Ort der Flüß vnd kalten Bronnen /
Dahin sich alle Zier vnd Lust hat eingestallt /
Dahin sich alles Gut begeben mannigfalt /
So jemals worden ist beschienen von der Sonnen;
5 Du allerschönste Stadt / du Haus der frewd’ vnd wonnen /
Princessin aller Städt’ an Reichthumb vnnd Gewalt
Doch mehr weil du erzeugt meins Lebens Auffenthalt /
Der keine Schätze nicht vergliechen werden können.
Verzeihe mir du Stadt darinnen ich gebohren /
10 Hier hab’ ich mir zu seyn inkünfftig auserkohren /
+ + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + +

[Druckausgabe S. 694]
Hieher hab’ einig ich mein Hertz’ vnd Sinn gewandt.
Vnd / ob es mir gleich schwer / daß ich dich werde meiden /
Wil dennoch ich von dir als jhr viel lieber scheiden /
Dann wo mein Leben ist / da ist mein Vaterlandt.

[.80] VI. An einen Berg.

DV grüner Berg / der du mit zweyen Spitzen
Parnasso gleichst / du hoher Felß / bey dir
Wündsch’ ich in Rhu zu bleiben für vnd für /
Vnd deine Lust gantz einsam zu besitzen /
5 Weil du mir auch für aller Welt kanst nützen;
Dann wann ich bin auff deinen Klippen hier /

[209]
So seh’ ich stets der jenen Ort für mir /
Die für dem Tod alleine mich kan schützen /
Mein’ höchste Frewd’ vnd meines Lebens Leben:
10 So weis ich auch daß man sonst nirgend findt
Mit solcher Zier ein einig Ort vmbgeben:
Natura hat die Lust hieher gesetzet /
Daß die auff dich mit Müh gestiegen sind /
Hinwiederumb auch würden recht ergetzet.
+ Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + +

[Druckausgabe S. 695]

[.81] VII. An die Bienen.

IHr Honigvögelein / die jhr von den Violen
Vnd Rosen abgemeyt den wundersüssen Safft /
Die jhr dem grünen Klee entzogen seine Krafft /
Die jhr das schöne Feldt so offt vnd viel bestohlen /
5 Ihr Feldeinwohnerinn / was wollet jhr doch holen
Das so euch noch zur Zeit hat wenig Nutz geschafft /
Weil jhr mit Dienstbarkeit der Menschen seyd behafft /
Vnd jhnen mehrentheils das Honig musset zohlen?
Kompt / komt zu meinem Lieb’ auff jhren Rosenmund /
10 Der mir mein kranckes Hertz hat inniglich verwundt /
Da sollt jhr Himmelspeis’ auch vberflüssig brechen:
Wann aber jemand sie wil setzen in Gefahr /
Vnd jhr ein Leid anthun / dem solt du starcke Schar
Für Honig Galle seyn / vnd ihn zu Tode stechen.
Sachanmerkung + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 696]

[.82] IIX. An die Augen seiner Jungfrawen. Fast aus dem Holländischen.

LEitsternen meines Haupts / vnd meiner jungen Zeit /
Die als Planeten sind gesetzet meinem Leben /
Ihr Augen / wann ich euch so freundlich sehe schweben /

[210]
So bin ich als entzückt / vnd kenne gantz kein Leid:
5 Dann jhr beschliest in euch ein’ hohe Liebligkeit /
Vnd lieblich’ Hoheit; jhr / jhr könnt alleine geben
Genüge / rechte Lust: wornach wir Männer streben
Das habt jhr / O mein Liecht / vor allem weit vnd breit.
Natura selber liegt im Tunckeln fast begraben /
10 Vnd mangelt jhres Liechts / von wegen jhrer Gaben /
Die gantz versamlet sind in solcher engen statt;
Doch ist sie enge nicht / vnd kan sich weit ergiessen /
Ja were groß genung fast alles einzuschliessen /
Weil sich mein’ arme Seel’ in jhr verirret hat.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 697]

[.83] IX. Auff einen Kuß. Auch zum theil aus dem Holländischen.

AVff alle meine Noth / auff so viel Angst vnd Klagen /
Auff Seufftzen / Ach vnd Weh / auff höchste Trawrigkeit /
Auff das wodurch mein Hertz’ empfandt sein tieffes Leid /
Wird doch mein Lieb bewegt mir eins nicht abzuschlagen.
5 Ich mag gewißlich wol von gutem Glücke sagen;
Sie kam ja endlich noch die sehr gewüntschte Zeit;
Vnd hat mir Hertz vnd Sinn durch einen Kuß erfrewt;
Ich habe diese Gunst doch endlich weg getragen.
Der Thaw / der süsse Thaw / der auff den Lippen schwebt /
10 Der Marck vnd Bein erquickt / dadurch mein Geist noch lebt /
Kan alle meine Furcht’ vnd Trawren von mir scheiden.
Ihr Götter die jhr schawt hier zu vns Menschen her /
Kehrt ja mir diese Frewd’ vnd Trost in kein Beschwer:
Der Kuß ist wol verkaufft vmb solche Noth vnd Leiden.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 698]

[.84]
[211]
X. Einer Jungfrawen Klage vber nahendes Alter.

ACh wo ist nun die Zeit / in der man pflag zu gleichen
Der Rosen schöner Zier mein’ edele Gestalt?
Ja freylich bin ich so / nun ich bin graw vnd alt.
Eh’ als der Sonnen Glantz die Rose kan erreichen
5 So muß sie durch die Lufft der Nacht zuvor verbleichen /
Vnd hat nur von dem Thaw ein wenig Vnterhalt:
So netzen mich jetzt auch die Threnen mannigfalt /
Weil ich die junge Zeit nun habe lassen schleichen.
Geht dann der Morgen an / so wird die Rose roth;
10 Ich werde Schamroth auch / gedenck ich an die Noth.
Doch hab’ ich diesen Trost / daß gleich wie von den Winden
Die Rose / wann der Tag sich neigt / wird abgemeit /
So werd’ auch ich / weil nun mein Abend nicht ist weit /
Kan ja es hier nicht seyn / doch Ruh’ im Grabe finden.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 699]

[.85] XI.

DV schöne Tyndaris / wer findet deines gleichen /
Vnd wolt’ er hin vnd her das gantze Land durchziehn?
Dein’ Augen trutzen wol den edelsten Rubin /
Vnd für den Lippen muß ein Türckis auch verbleichen /
5 Die Zähne kan kein Gold an hoher Farb’ erreichen /
Der Mund ist Himmelweit / der Hals sticht Atstein hin:
Wo ich mein Vrtheil nur zu fellen würdig bin /
Alecto wird dir selbst des Haares halben weichen /
Der Venus Ehemann geht so gerade nicht /
10 Vnd auch der Venus Sohn hat kein solch scharff’ Gesicht’;
In summa / nichts mag dir vergliechen werden können:
Weil man dann denen auch die vns gleich nicht sind wol /

[212]
Geht es schon sawer ein / doch gutes gönnen soll /
So wüntsch’ ich daß mein Feind dich möge lieb gewinnen.

[.86] XII. An seine Threnen. Aus dem Lateinischen Hugonis Grotij.

IHr meiner Augen Bäch’ / jhr angenehme Zehren /
Die jhr in Trawrigkeit mir alle Frewde bringt /
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 700]
Glückselig weret jhr / wann die so euch erzwingt /
Wie ich zu jhr mich / sie zu euch sich wolte kehren.
5 Nun aber / ob auch gleich der Regen wol kan wehren
Der höchsten Härtigkeit / vnd durch die Steine dringt /
Euch dennoch jhren Sinn zu beugen nicht gelingt /
Ob jhr ohn Vnterlaß gleich fliesset mit Beschweren /
So lasset mich doch nicht / so bleibet doch bei mir /
10 O jhr mein bester Trost / jhr heissen Liebes-threnen /
Vnd wann mein Hertz’ vnd ich nach euch sich werden sehnen /
Laßt ewre Brünnelein ja fliessen für vnd für /
Biß mein Lieb sieht daß jhr mehr quellen könnet nicht /
Vnd mir die Seel’ aus fehrt vor jhrem Angesicht.
Sachanmerkung + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 701]

[.87] XIII. Auch aus jhm.

MEin Lieb / so offte mir mein’ arme krancke Sinnen
Dein himlisches vnd mein betrübtes Angesicht’
Entwerffen / wundert mich daß deiner Augen Liecht
Sich nicht erweichen leßt durch meiner Augen Rinnen.
5 Kan aber ich ja nicht dein’ Huld vnd Gunst gewinnen /
Warumb ergeussest du den grossen Zorn doch nicht /
Daß ich durch seine Macht werd’ endlich hingericht /
Auff daß mein’ Augen dich auch nicht mehr sehen können?
Doch gleichwol / ob du schon sie gäntzlich würdest blenden /

[213]
Ob mein Gesichte gleich vertunckelt ganz vnd gar
10 Durch deiner Sonnen Glantz / so weis ich doch fürwar
Daß du je dennoch dich nicht gantz kanst von mir wenden /
Dieweil mein trewes Hertz’ / ist schon das Antlitz blindt /
Dich allezeit in sich fest’ einvorleibet findt.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 702]

[.88] XIV. Zum theil aus dem Niederländischen.

CVpido / so du bist nichts anders als ein Kind /
Wie kömpts daß ich von dir so vielmal sagen hören /
Daß Herrn vnd Könige dich Tag vnd Nacht hoch ehren?
Wie kömpts daß deine Hand so sehr viel vberwindt?
5 Cupido / bist du auch / wie man dich mahlet blindt /
Vnd die Poeten selbst / dein’ eigne Diener / lehren /
Wie kanst du dann dein Reich so mächtiglich vermehren?
Wie daß dein Pfeil so recht mir in mein Hertze findt?
Nein / glaub’ es wer da wil; du kanst mit deinen Händen
10 Der Menschen Stärck’ vnd Krafft nach deinem Willen lenden:
Nein / nein / du bist ein Gott dem alles ist bekandt.
Triff auch der Liebsten Hertz’ / vnd halt es für mich inne /
Daß sie mich / wie ich sie / auch wieder lieb gewinne /
So sag’ ich / du brauchst recht dein Vrtheil vnd Verstandt.

S. 213–214

[.89] XV.

Aus dem Niederländischen, »Was wil ich vber Pusch ...« = 28.2
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + Sachanmerkung
[Druckausgabe S. 703]

[.90] XVI. Francisci Petrarchae.

ISt Liebe lauter nichts / wie daß sie mich entzündet?
Ist sie dann gleichwol was / wem ist jhr Thun bewust?
Ist sie auch gut vnd recht / wie bringt sie böse Lust?
Ist sie nicht gut / wie daß man Frewd’ aus jhr empfindet?
5 Lieb’ ich ohn allen Zwang / wie kan ich Schmertzen tragen?
Muß ich es thun / was hilfft’s daß ich solch Trawren führ’?
Heb’ ich es vngern an / wer dann befihlt es mir?
Thue ich es aber gern’ / vmb was hab’ ich zu klagen?
Ich wancke wie das Graß so von den kühlen Winden
10 Vmb Vesperzeit bald hin geneiget wird / bald her:
Ich walle wie ein Schiff das durch das wilde Meer
Von Wellen vmbgejagt nicht kan zu Rande finden.
Ich weis nicht was ich wil / ich wil nicht was ich weis:
Im Sommer ist mir kalt / im Winter ist mir heiß.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 704]

[.91] XVII. Aus dem Italienischen der edelen Poetin Veronica Gambara; wie auch nechstfolgenden sechse. Sie redet die Augen jhres Buhlen an / den sie vmb- fangen.

SO offt’ ich ewren Glantz / jhr hellen Augen / schawe /
Bin ich in grosser Lust vertäufft so hoch vnd weit /
Daß ich mich frewen muß auch in Trübseligkeit

[215]
Vnd eusserster Fortun / in dem ich auff euch bawe.
5 Hergegen Schätz’ ich mich für die betrübtste Frawe /
Wann jhr nicht wie zuvor geneigt vnd freundlich seyd:
Ich bin mir selber gram / mein Leben ist mir leidt /
Dieweil ich euch nicht hab’ auff die ich einig trawe.
Ihr jrrdisches Gestirn’ / jhr sterblichen Planeten /
10 Ihr meine Sonn’ vnnd Mond’ / jhr / die jhr mich könnt tödten /
Ohn euch ist alle Lust nichts als ein blosses Bild.
Was wundert jhr euch dann / daß ich zu euch muß eilen /
Mein bester Trost? es fleucht ein jeder für den Pfeilen
Des Todes / wider welch’ jhr seyd mein starcker Schild.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 705]

[.92] XIIX. Sie klaget vber Abwesen jhres Buhlen.

WAnn die zwey Augen nicht sich eilends sehen liessen /
Die meines Hertzens Lust sind wider alles Leid /
Die mir in Angst vnd Noth verleihen Sicherheit /
So würde / förcht’ ich nur / mein Leben weg gerissen.
5 Es werden alle Bäch’ ohn einen Tropffen fliessen /
Es wird die gantze Welt zu fallen seyn bereit /
Es wird des Himmels Lauff / der Meister aller Zeit /
Wie Nebel / Wind vnd dampff sein Thun vnd Art beschliessen /
Eh’ als ich ohne sie vermag allhier zu leben.
10 Sie sind mein Auffenthalt / in jhnen lern’ ich eben
Des grossen Himmels Lauff / als eine weise Fraw.
Ihr Sternen die jhr mußt auff vnser Leben sehen /
Wird es / eh’ ich zu euch verreis’ / auch je geschehen /
Daß ich jhn / oder ja den letzten Tod anschaw?

Sachanmerkung + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 706]

[.93] XIX.
[216]
Sie redet sich selber an / als sie bey jhm wieder ausgesöhnet.

DV hochgeborne Fraw / die du so reich gezieret
Bist mit des Himmels Güt’ vnd Gaben mannigfalt /
Der dich verehret hat mit edeler Gestalt /
Daß seine hohe Macht recht werd’ in dir gespühret /
5 Inkünfftig weiter nicht zu klagen dir gebühret;
Es sind hinweg gethan der Haß vnd die Gewalt /
Die zwar bißher dein Feind / doch Trost vnd Auffenthalt /
Mehr als zu lange Zeit hat wider dich geführet.
In einem Huy wird dir das Glücke gantz geneiget;
10 Die Sonne hat sich bloß nur darumb trüb’ erzeiget /
Auff daß sie deinen Sinn recht zu erkennen krieg’.
Jetzt ist der helle Schein / das klare Licht vernewet /
Ihn hat nun gantz vnd gar der Härtigkeit gerewet:
Je grösser Vbel war / je schöner ist der Sieg.
Sachanmerkung + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 707]

[.94] XX. Vber den Ort / da sie jhren Adonis zum ersten vmbfangen.

IHr schönen Wasserbäch’ / jhr Vfer an den flüssen /
Da sich des Himmels Lufft erzeigt sehr hell vnd klar /
Vnd fast an euch erschöpfft die Gaben gantz vnd gar /
Die ander’ örter sonst sehr sparsamlich geniessen.
5 Wann dieses mein Sonnet so wol sich köndte schliessen /
Als es von Hertzen geht / so macht’ ich offenbahr
Durch diese Reimen euch vnd ewrer Gaben Schar;
Man solte weit vnd breit hiervon zu reden wissen.
Nun aber mein Verstand des Ruhmes hohe Zinnen

[217]
Vnnd ewer rechtes Lob nicht wird ersteigen können /
Die Hand ist viel zu schwach / die Zunge steht gebunden;
Doch hab’ ich grosse Frewd’ vnnd Lust bey euch empfunden
Vor die wil ich hernach euch rühmen weil ich bin.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 708]

[.95] XXI. An jhres Liebsten Augen / als sie jhn küsset.

IHr Wohnhaus vnd Losier der Liebe / laßt empfinden
Mich ewren schönen Glantz / zu euch mein Firmament /
Zu euch / jhr Augen / ich mein Hertz’ vnd Sinnen wend’ /
Auff daß mein Finsterniß kan durch diß Liecht verschwinden.
5 Wann sich der helle Glantz vnd güldnen Stralen finden /
Alsbald wird meine Klag’ vnd alle Noth geendt;
Mein Hertze wird so froh daß es sich selbst nicht kennt /
Kein Trawren darff bey mir zu seyn sich vnterwinden.
Von euch / jhr Quell der Lieb’ / jhr meine beste Rhu /
10 Kömpt alle Lebenslust vnd alles Gut mir zu /
Was mir in dieser Welt verehren kan das Glücke:
Seyd derentwegen mir gewogen vnd geneigt /
Vnd durch die Treffligkeit die sich bey euch erzeigt
Zieht mein betrübtes Hertz aus Todesnoth zu rücke.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 709]

[.96] XXIII. An den Westwind 〈.〉

DV West der auff den Lentz die Lust der Felder heget /
Den Venus ausgeschickt biß an das schwartze Meer /
Sag’ hast du keinen Staub gebracht mit dir anher /
Den mein geliebter Buhl an seinen Füssen treget?
5 Ach hast du / wann sein Hertz’ aus Liebe sich beweget /
Nicht seines Athems was gefangen ohngefehr /

[218]
Vnd jhn durch deine Lufft geraubt / als du vnd er /
Der Venus den Geruch der Liebligkeit erreget?
Viel mehr wird Spanien von mir als Rom geschätzt /
10 Ist es mit Blute gleich durch grimmen Krieg genetzt:
Mein Buhl ist jetzund da / so muß ich es erhöhen.
Ach Westwind / hole mir ein Stäublein dieser Stund’ /
Ein eintzig Säufftzerlein aus seinem roten Mund’:
Hier thue es in den Brieff darauff die Reime stehen.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 710]

[.97] XXIII. Warumb sie nicht mehr von Buhlerey schreibe.

IN vppiger Begiehr / in vnbedachtem Sinn /
Vnd zwischen furcht’ vnd trost’ hab’ ich bisher gestrebet /
Jetzt trawrig / jetzt in Lust vnd Fröligkeit gelebet /
Weil ich des Glückes Spiel vnd Ball gewesen bin.
5 Bald hab’ ich nur in Angst gesucht Frewd’ vnd Gewinn/
Vnd in der Threnen Bach ohn’ Vnterlaß geschwebet;
Bald hab’ ich wiederumb an Vppigkeit geklebet:
So floß die junge Zeit gemählich von mir hin.
Nun aber ich jetzt bin auff anders was bedacht /
10 Sag’ ich: jhr liebsten Verß / ich geb’ euch gute Nacht /
Ich wil mich künfftig gantz zu schweigen vnterfangen.
Doch kömpt mich bald die Lust zu schreiben wieder an /
So daß ich meine Hand nicht länger halten kan /
Wann mir das Thun einkömpt das ich zuvor begangen.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 711]

[.98] XXIV. Fast aus dem Griechischen.

DV Biene / welche du zunechst den kühlen Flüssen
Den wolgeschmacken Klee vnnd güldner Rosen Zier
Hinweg zu rauben pflegst / vnd bringest so herfür

[219]
Das Honig dessen dann wir Menschen sehr geniessen:
5 Fleug hin zur Vandala / die ich sehr lasse grüssen /
Vnd sag’ jhr in ein Ohr: derjene welche dir
Nun gantz ergeben ist / der wartet mit begiehr /
Vnd hoffet diese Nacht noch seine Lust zu büssen;
Du aber schläffest schon / vnd denckest nicht daran.
10 Zieh’ hin vnd melde diß. doch schaw’ auch daß jhr Mann
Nicht etwan werd’ erwackt wann du es jhr wirst sagen.
Bringst du sie zu mir her / so soll des Löwen Haut
Den Hercules erschlug dir werden anvertrawt /
Ja seine Käule selbst die solst du künfftig tragen.

[.99] XXV.

ALs Momus gantz nicht kundt’ an Venus etwas sehen
Das eines Tadels werth / weil jhre Zierligkeit
Weit vber alle war / vnd vber seinen Neid /
So hub er jhre Schue doch endlich an zu schmähen.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 712]
5 Wie wann sie barfuß gieng’? als damals soll geschehen
Nicht weit von Cypern seyn / da sie vor langer Zeit
Gewachsen aus der See. diß pflag man weit vnd breit
Von Momus vnd von jhr vorweilen zu verjähen.
Du weissest bessern Rath / gehst ausser aller List
10 Wie die Natur dich ziehrt / vnd wie du selber bist /
Hast vmb vnd an an dir nichts von der Kunst erbeten.
Ihr zarten Waden jhr / jhr Fuß’ als Helffenbein /
Ihr Schenckel weis vor Schnee / wie glückhafft kan ich seyn
Wann ich euch küssen mag; mehr wann jhr mich wolt treten.

Ita fere Epistola Philostratis amatoria.

[.100] XXVI. Aus dem Frantzösischen.

IHr kalten Wasserbäch’ / jhr Hölen vnd jhr Steine /
Ihr grünen Eichenbäum’ / jhr schönsten in dem Wald’ /

[220]
Ach höret / höret doch / wie seufftz’ ich mannigfalt;
Schreibt auff mein Testament jhr vnbewohnten Haine;
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + +
[Druckausgabe S. 713]
5 Seyd Secretarien / wie hefftiglich ich weine /
Grabt’s in die Rinden ein / auff daß es dergestalt
Wachs’ jmmer fort wie jhr: ich aber sterbe bald /
Beraubet meiner selbst / vnnd ähnlich einem Scheine.
Ich sterb’ aus Tyranney der schönen Grawsamkeit
10 Der Liebe die ohn sich vnd mich ist jederzeit /
Die als ein Tigerthier mein Blut hat saugen können.
Ihr Wälder / gute Nacht / vnd du / du grüne Lust /
Ihr / denen Venus Sohn vnd sie nicht ist bewust /
Die auch die Weisesten berauben jhrer Sinnen.

[.101] XXVII.

AV weh! ich bin in tausend tausend Schmertzen
Vnd tausend noch! die Seufftzer sind vmbsunst
Herauff geholt; kein Anschlag / List noch Kunst
Verfengt bey jhr. wie wann im kühlen Mertzen
5 Der Schnee zugeht durch Krafft der Himmel-kertzen /
Vnd netzt das Feld; so feuchtet meine Brunst
Der Zehren Bach / die noch die minste Gunst
Nicht ausgebracht. mein’ Augen sind dem Hertzen
Ein schädlich Gifft: das Dencken an mein Liecht
10 Macht daß ich jrr’ / vnd weis mich selber nicht /
+ + + + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + +

[Druckausgabe S. 714]
Macht daß ich bin gleich einem blossen Scheine /
Das kein Gelenck’ vnd Gliedmaß weder Krafft
Noch Stärcke hat / die adern keinen Safft
Noch Blut nicht mehr / kein Marck nicht die Gebeine.

[.102]
[221]
XXVIII.

Ich muß bekennen nur / wol tausend wündschen mir /
Vnnd tausend noch darzu / ich möchte die doch meiden
Die mein’ Ergetzung ist / mein Trost / mein Weh vnd Leiden.
Doch macht mein starckes Hertz’ / vnd jhre grosse Zier /
5 An welcher ich sie selbst dir / Venus / setze für /
Daß ich / so lang’ ein Hirsch wird lieben Püsch’ vnd Heiden /
So lange sich dein Sohn mit Threnen wird beweiden /
Wil ohne Wancken stehn / vnd halten vber jhr.
Kein menschlich weib hat nit solch gehn / solch stehn / solch lachen /
10 Solch Reden / solche Tracht / solch Schlaffen vnd solch Wachen;
Kein Waldt / kein heller Fluß / kein hoher Berg / kein Grund /
Beherbrigt eine Nymph’ an welcher solche Gaben
Zu schawen mögen seyn; die so schön Haar kan haben /
Solch’ Augen als ein Stern / so einen roten Mund.
+ + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + +

[Druckausgabe S. 715]

[.103] XXIX.

Ihr / Himmel / Lufft vnd Wind / jhr Hügel voll von Schatten /
Ihr Hainen / jhr Gepüsch’ / vnd du / du edler Wein /
Ihr frischen Brunnen jhr so reich am Wasser seyn /
Ihr Wüsten die jhr stets müßt an der Sonnen braten /
5 Ihr durch den weissen Thaw bereifften schönen Saaten /
Ihr Hölen voller Moß / jhr auffgeritzten Stein’ /
Ihr Felder welche ziert der zarten Blumen Schein /
Ihr Felsen wo die Reim’ am besten mir gerathen /
Weil ich ja Flavien / das ich noch nie thun können /
10 Muß geben gute Nacht / vnd gleichwol Muth vnd Sinnen
Sich förchten allezeit / vnd weichen hinter sich /
So bitt’ ich Himmel / Lüfft / Wind / Hügel / Hainen / Wälder /
Wein / Brunnen / Wüsteney / Saat / Hölen / Steine / Felder
Vnd Felsen sagt es jhr / sagt / sagt es jhr vor mich.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + +

[Druckausgabe S. 716]

[.104] XXX.

Ich wil diß halbe mich / was wir den Cörper nennen /

[222]
Diß mein geringstes Theil / verzehren durch die Glut /
Wil wie Alcmenen Sohn mit vnverwandtem Muth’
Hier diese meine Last / den schnöden Leib / verbrennen /
5 Den Himmel auff zu gehn: mein Geist beginnt zu rennen
Auff etwas bessers zu. diß Fleisch / die Hand voll Blut /
Muß ausgetauschet seyn vor ein viel besser Gut /
Das sterbliche Vernunfft vnd Fleisch vnd Blut nicht kennen.
Mein Liecht entzünde mich mit deiner Augen Brunst /
10 Auff daß ich dieser Haut / des finstern Leibes Dunst /
Des Kerckers voller Wust vnd Grawens / werd’ entnommen /
Vnd ledig / frey vnd loß / der Schwachheit abgethan /
Weit vber alle Lufft vnd Himmel fliegen kan
Die Schönheit an zu sehn von der die deine kommen.

[.105] XXXI.

Inmitten Weh vnd Angst / in solchen schweren Zügen /
Dergleichen nie gehört / in einer solchen Zeit
Da Trew vnd Glauben stirbt / da Zwietracht / Grimm vnd Neidt
Voll blutiger Begiehr gehäufft zu Felde liegen
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 717]
5 Da vnverfänglich ist Gericht’ vnd Recht zu biegen /
Da Laster Tugend sind / wie bin ich doch so weit
In Thorheit eingesenckt? der Liebsten Freundligkeit /
Ihr blüendes Gesicht’ / jhr angenehmes Kriegen /
Ihr Wesen / Thun vnnd Art / das ist es was ich mir
10 Bloß eingebildet hab’ / vnd rühme für vnd für.
Solch Leid / solch Jammer sehn / vnd dennoch nichts als lieben?
Noch klügere dann ich schleußt man in Clausen ein.
Ihr Musen laßt mich gehn: es muß doch endlich seyn
Was anders oder ja gar nichts nicht mehr geschrieben.

[.106] XXXII.

Ich gleiche nicht mit dir des weissen Mondens Liecht:
Der Monde fellt vnd steigt; du bleibst in einem Scheine:
Ja nicht die Sonne selbst: die Sonn’ ist gantz gemeine /

[223]
Gemein’ auch ist jhr Glantz; du bist gemeine nicht.
5 Du zwingst durch Zucht den Neid / wie sehr er auff dich sticht.
Ich mag kein Heuchler seyn / der bey mir selbst verneine
Das was ich jetzt gesagt: es gleichet sich dir keine /
Du bist dir ähnlich selbst; ein ander Bild gebricht
Das dir dich zeigen kan; du bist dein eigen Glücke /
10 Dein eigenes Gestirn / der Schönheit Meisterstücke.
Du hettest sollen seyn wie noch die Tugend war
Geehret als ein Gott / in der Welt ersten Jugend /
So were wol gewiß gewesen deine Tugend
Dir Kirch’ vnd Opfferung / der Weyrauch vnd Altar.
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + +

[Druckausgabe S. 718]

[.107] XXXIII.

DV güldne Freyheit du / mein wündschen vnd begehren /
Wie wol doch were mir / im fall ich jederzeit‘
Mein selber möchte seyn / vnd were gantz befreyt
Der Liebe die noch nie sich wollen von mir kehren /
5 Wiewol ich offte mich bedacht bin zu erwehren.
Doch / lieb’ ich gleichwol nicht / so bin ich wie ein Scheit /
Ein Stock / vnd rawes Bley. die freye Dienstbarkeit /
Die sichere Gefahr / das tröstliche Beschweren /
Ermuntert meinen Geist / daß er sich höher schwingt
10 Als wo der Pöfel kreucht / vnd durch die Wolcken dringt /
Geflügelt mit Vernunfft vnd muthigen Gedancken.
Drumb geh’ es wie es wil / vnd muß ich gleich darvon /
So vberschreit’ ich doch des Lebens enge Schrancken:
Der Name der mir folgt ist meiner Sorgen Lohn.

[.108] XXXIV.

EIn jeder spricht zu mir / dein Lieb ist nicht dergleichen
Wie du sie zwar beschreibst: ich weis es warlich nicht /
Ich bin fast nicht mehr klug; der scharffen Sinnen Liecht
Vermag gar kaum was weiß vnnd schwartz ist zu erreichen.

[224]
5 Der so im lieben noch was weis heraus zu streichen /
Durch vrtheil vnd verstandt / vnd kennt auch was gebricht /
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + Sachanmerkung
[Druckausgabe S. 719]
Der liebet noch nicht recht. Wo war ist was man spricht /
So hat der welcher liebt der sinnen gar kein zeichen /
Vnd ist ein lauter Kind. Wer Schönheit wehlen kan /
10 Vnd redet recht darvon / der ist ein weiser Mann.
Ich weis nicht wie ich doch die Fantasie gelose /
Vnd was die süsse sucht noch endlich aus mir macht:
Mein wissen ist dahin / der Tag der ist mir Nacht /
Vnd eine Distelblüt’ ist eine schöne Rose.

[.109] XXXV.

O Tonaw / sey gegrüst / du König aller Flüsse /
Dem Nilus selber weicht / vnd du / du edles Wien /
Du Zaum des Mahomets / in das ich kommen bin /
Ich weis gewiß nicht wie. Doch daß ich dich jetzt grüsse /
5 Vnd deiner wie ich wil vnd wollen soll geniesse /
Das macht mein bester Freund: je dennoch steth mein sinn
Vnd vngewündschter wundsch zu der noch alzeit hin /
Vmb derer willen ich so lange zeit nun büsse.
Du Wien bist starck genung den Türcken zu bestehn /
10 Ich aber viel zu schwach der liebe zu entgehn /
Die hundert mal mich mehr / als du den Bluthund kräncket/
Die beydes Wien vnd dich / O Tonaw / zwingen kan /
Vnd Rom / der Wien vnd du doch waren vnterthan;
Die Städt’ aus Flüssen macht / vnd Städt’ in Flüsse sencket.
Sachanmerkung + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + +

[Druckausgabe S. 720]

[.110] XXXVI.

ICh machte diese Verß in meiner Pierinnen
Begrünten Wüsteney / wie Deutschland embsig war

[225]
Sein Mörder selbst zu seyn / da Herdt vnd auch Altar
In Asche ward gelegt durch trawriges beginnen
5 Der blutigen begier / da gantzer Völcker sinnen
Vnd tichten ward verkehrt / da aller Laster schar /
Mord / Vnzucht / Schwelgerey / vnd triegen gantz vnd gar
Den Platz der alten ehr’ vnd tugend hielten jnnen.
Damit die böse Zeit nun würde hingebracht /
10 Hab’ ich sie wollen hier an leichte Reime wenden.
Mars thut’s der Liebe nach / daß er der Thränen lacht:
Mein Krieg ist lobens werth / vnd seiner ist zu schenden;
Dann meiner wird gestillt / durch zweyer Leute Schlacht /
Den andern können auch viel tausent noch nicht enden.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + +

[Druckausgabe S. 721]
[Ss 2a]

unpaginiert, doch zählt das Blatt als S. 226

MARTINI OPITII

Deutsche Epigrammata.

[Ss 2b]

unpaginiert,

[.111]
[227]
I. Aus dem Herrn von Pybrac.

Zum beten setze dich / wie jener Grieche lehret /
Denn Gott wil auff der Flucht nicht angeruffen seyn:
Er heischet vnd begert ein starckes Hertz’ allein;
Das hat man aber nicht wann er es nicht verehret.

[.112] II. Auch aus demselben.

Was man dir sagt / solt du zum besten wenden /
Vnd wie du kanst des nechsten seine schuld
Beseite thun / vnd tragen mit gedult;
Zum loben schnell’ / vnd langsam seyn zum schenden.
Sachanmerkung + Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 722]

[.113] III. Aus dem Catone. Zu wissen / wie selbige schöne Sprüche gar leicht- lich vmb zu setzen weren.

Ist Gott ein reiner Geist / wie die Poeten lehren /
So solst du gleichfals jhn mit reinem Hertzen ehren.

[.114] IV.

Dich hette Jupiter / nicht Paris / jhm erkohren /
Vnd würd’ auch jetzt ein Schwan / wann dich kein Schwan gebohren:
Du heissest Helena / vnd bist auch so geziehrt /
Vnd wehrest du nicht keusch / du würdest auch entführt.

[.115] V. Aus dem Anacreon.

Die Erde trinckt für sich / die Bäume trincken Erden/
Vom Meere pflegt die Lufft auch zu getruncken werden /
Die Sonne trinckt das Meer / der Monde trinckt die Sonnen /
Wolt dann / jhr Freunde / mir das trincken nicht vergonnen?
Sachanmerkung Sachanmerkung + Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 723]

[.116]
[228]
VI.

Du sagst / es sey der Spiegel voller list /
Vnd zeige dich dir schöner als du bist;
Komm / wilt du sehn daß er nicht liegen kan /
Vnd schawe dich mit meinen Augen an.

[.117] = 28.4 VII. Aus dem Muretus.

Wann nicht die Sonne scheint / vnd netzt vns stets der Regen / ...

[.118] VIII.

Hat dein Gesicht’ / O Lieb / so weit mich mögen bringen /
Wie solte denn wol nicht dein gantzer leib mich zwingen?

[.119] IX.

Du schwartze Nacht / die du die Welt vmbfangen
Hast vberall mit furcht’ vnd tunckelheit /
Schämbst du dich nicht / wann meiner liebsten Wangen
Sich lassen sehn mit jhrer zierligkeit?
Sachanmerkung Sachanmerkung Sachanmerkung Sachanmerkung Sachanmerkung + Sachanmerkung Sachanmerkung + + +

[Druckausgabe S. 724]
5 Ihr Sternen auch / dörfft jhr von oben schawen /
Vnd in der Lufft so gantz stehn vnverwendt;
Wann jhr das Liecht der schönesten Jungfrawen /
So bis zu euch gen Himmel reicht / erkennt?
Wie möget jhr nicht also bald verbleichen /
10 Wann sich der glantz lest sehn mit solcher pracht?
Aurora selbst die pfleget jhr zu weichen /
Daß sie für jhr auch schamrot wird gemacht.

[.120] X.

Ihr Götter / soll mich dann des schnöden glückes neid
Nicht lassen? mus ich mich begeben in den streit?

[229]
Ach last mich / last mich hier: der Krieg ist nicht von nöten:
Laßt mich der Liebsten nur; sie kan mich besser tödten.

[.121] XI.

Warumb wird Amor blos von mahlern fürgestalt?
Je nackter die Lieb’ ist / je minder ist sie kalt.
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + Sachanmerkung Sachanmerkung + +

[Druckausgabe S. 725]

[.122] XII.

Ihr Liechter die man sieht am hohen Himmel schweben /
Rufft auff von jhrem Schlaff’ / erwecket mir mein Leben.
Wolt jhr denn nicht? gewiß / jhr merckt wenn sie erwacht/
Daß jhrer Augen zihr euch gantz zuschanden macht.

[.123] XIII.

Ist schon dein roter Mund den edlen Rosen gleich /
Wird er sich andere zu küssen vnterfangen /
So wündsch’ ich daß er doch dir also sehr verbleich /
Als mir durch liebespein sind worden meine Wangen.

[.124] XIV.

Die Sonn’ / ein Pfeil / der Wind / verbrennt / verwundt / weht hin /
Mit Fewer / schärffe / sturm mein’ augen / Hertze / Sinn.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + +

[Druckausgabe S. 726]

[.125] XV.

Ihr Fackeln dieser Welt / jhr grosses Wolcken fewer /
Ihr Liechter in der Lufft / jhr Himmels äugelein /
Führt mich zur liebsten hin: kompt jhr mir nicht zu stewer /
So wird mein brennend’ Hertz’ an statt der Sternen seyn.

[.126] XVI.

Als newlich ich mein Lieb vmfieng mit vielen küssen /
Erseufftzte sie gar hoch / vnd machte sich betrübt:
Ihr höchster schmertze war / wie die vermutung giebt /
Daß diese schmertzen sich zu balde würden schliessen.

[.127]
[230]
XVII.

Die andern Sternen zwar seh’ ich am Himmel schweben /
Allein an zweyen nur ist gleichwol mangel doch:
Du schöner Morgenstern / weck’ auff / weck’ auff mein Leben;
An jhren äugelein da fehlt es jetzund noch.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + Sachanmerkung + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + +

[Druckausgabe S. 727]

[.128] XVIII.

Sie lockt vnd jagt / sie kömpt vnd fleucht / sie haßt vnd liebet /
Ist bös’ vnd gleichwol gut / sagt zu vnd helt’s doch nicht:
Ich bin wie Tantalus / dieweil man mir nichts giebet
Zu leschen meinen durst / da doch kein Tranck gebricht.

[.129] XIX.

Es streite wer da wil / ich bleibe doch darbey /
Daß der Poeten Fürst Homerus blind gewesen:
Kan man von Venus nicht in seinem Buche lesen /
Daß jhr die Faust verletzt durch Diomeden sey?
5 Er hette ja viel mehr sie sonsten treffen sollen /
Vnd nicht die zarte Faust / so viel zu edel war;
Er hett’ auch ohne Schwerdt gedürfft in die gefahr:
Homerus ist doch blind / sie sagen was sie wollen.

[.130] XX.

Wann deine grosse Macht / O Mars / so viel erleget /
Wo thustu Schild vnd Helm bey deiner Venus hin?
Man darff der Waffen nicht / wo liebe sich erreget /
Denn Venus vnd jhr Mars sind ohne Waffen kühn.
Sachanmerkung + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + +

[Druckausgabe S. 728]

[.131] XXI.

Du wurdest aus befehl der Venus vmbgebracht /
Weil deine zierligkeit sie schamrot hat gemacht.

[.132] XXII. Petronii Afranii.

Ich hab’ in einem Helm’ ein Taubennest gefunden:
Soll Venus dann dem Mars nicht sein mit gunst verbunden?

[.133]
[231]
XXIII.

Den Spiegel send’ ich dir / du Spiegel aller Frawen /
Daß du die Göttligkeit an dir recht mögest schawen /
Ob gleich kein Spiegel ist zu treffen jrgend an /
Der dich du schönes Bild / schnur recht entwerffen kan.
5 Doch soltest gleichwol du erkennen meine Sinnen /
Du würdest dich gewiß leibhafftig sehen können;
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + +

[Druckausgabe S. 729]
Dann wiß’ ich bilde dich mir da so hefftig ein /
Daß du dir auch selbselbst nicht kanst so ähnlich seyn.

[.134] XXIV.

Ein schlauer Vogel muß des Stellers Leim’ entschleichen /
Der Fisch schawt daß er nicht dem Netze nahe geht /
Von wegen seiner Verß ist sicher der Poet /
Soldaten müssen viel der Waffen halben weichen.
5 Dem Scorpione naht man Gifftes wegen nicht /
Man muß sich für dem Fuchs’ vnnd seiner Arglist schewen /
Von wegen grosser Macht vermeidet man den Löwen;
Wer Weiber fliehen wil / flieh’ jhrer Augen Liecht.

[.135] XXV. Vber der Liebsten Bildnüß. Joseph Scaligers.

Ich sehe was ich wil / die Taffel leugt mir nicht;
Sie ist gar recht gemacht mein Leben vnd mein Liecht.
+ + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + +

[Druckausgabe S. 730]
Kömpt sie / so dünckt sie mich jhr schönes Bild zu seyn /
Schaw’ ich das Bild dann an / so feilt mein Lieb mir ein.
5 Ists wunder daß sie mir so grosse Brunst erregt /
Weil bloß jhr Bildniß nur zur Liebe mich bewegt?

[.136] XXVI. Aus dem Griechischen Platonis, lib. VI. tit. ἀπὸ γυναικω̃ν.

Ich Lais / die man ließ die Allerschönste seyn /
Nun meine Jugend weg / brech’ ich den Spiegel ein.

[232]
Dann wie ich vormals war zu seyn kan nicht geschehen;
Wie ich jetzunder bin begehr ich nicht zu sehen.

[137.] XXVII. Aus dem Griechischen.

Cupido / must du ja mit deinen Bogen schertzen /
So triff mich wie du wilt / nur ziehle nicht zum Hertzen.
+ + + + Sachanmerkung + + + + Sachanmerkung + +

[Druckausgabe S. 731]

[.138] XXIIX.

Ists Wunder daß wir dir die Rosen blühen sehen /
Mein Leben / da wir doch im kalten Winter seyn?
Es ist genung daß sie dein Athem an kan wehen /
Vnd deiner Augen Glantz ist jhnen Sonnenschein.

[.139] XXIX.

Im fall die Zeit die Schönheit gantz vertreibet /
So brauche sie weil sie noch ist bey dir;
Verwartet sie vollkommen für vnd für /
So gieb mir sie / weil sie dir gleichwol bleibet.

[.140] XXX. An eine vngestalte Jungfraw.

Aus dem Griechischen
Lucilii; lib. II. Anthol. tit.
εἰς δυσειδει̃ς.
Die Spiegel sind gantz falsch; dann wann sie richtig weren
Du würdest dir zu sehn in keinen nicht begehren.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + Sachanmerkung Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 732]

[.141] XXXI. Aus des Auctorn Hipponacte an Asterien.

Was ist dein schöner Leib / du schnöde blinde Jugend /
Gebricht es jhm an Zier der guten Zucht vnd Tugend?
Die hellen Augen sind ein Fenster böser Lust /
Der Leib ist eine Kist’ erfüllt mit Koth vnd Wust /
5 Der Mund ein Thor daraus sich Schand’ vnd Laster finden /
Der zarten Brüste Quell ein Brunnen aller Sünden /

[233]
Der Frewden Port die Schoß ein Grab der üppigkeit
Vnd Walstadt vnsrer Blüt’ vnd besten Lebenszeit.
Wo aber Zier vnd Scham / zwo edle thewre Kronen /
10 Das selten funden wird / in einem Leibe wohnen /
Da stehet alles wol / da sieht es lustig aus /
Da ist ein schöner Wirth / vnd auch ein schönes Haus.
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 733]

[.142] XXXII. Vber seiner Buhlschaft Bildnüß.

So ist mein Lieb gestallt / so ist jhr Angesicht’ /
Ihr Hals / jhr rother Mund / vnd jhrer Augen Liecht:
Köndt’ jetzt der Mahler auch entwerffen jhre Sinnen /
Nichts schöners würde man auff Erden finden können.

[.143] XXXIII.

Ob wol / du grosser Rein / dir alle Flüsse weichen /
Vnd deine Fruchtbarkeit die schönsten Trauben bringt /
So muß ich dennoch dir diß kleine Wasser gleichen /
Weil Delia offt hier von jhrer Liebe singt.
5 Ja / sprichst du / diese Bach ist kottig / dick’ vnd trübe /
Auch wegen Fäustigkeit gantz wustig vmb vnd an:
Diß ist es / edler Rein / warumb ich mehr sie liebe /
Weil Delia in jhr sich nicht beschawen kan.

[.144] XXXIV.

Als ich dir Delia ein Schreiben zugeschickt /
Daraus du meine Lieb’ vnd grosse Gunst erkennet /
Sachanmerkung + + Sachanmerkung + + + + + + Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 734]
Hast du es ohne Schuld gantz zornig angeblickt /
Vnd / wie mir wird gesagt / aus Eyffer bald verbrennet.
5 Doch wunder’ ich mich nicht / weil du mir feind gewesen /
Daß diese meine Wort in dir den Grimm erweckt;
Diß wundert mich viel mehr / weil du den Brieff gelesen /
Daß deiner Augen Glantz jhn nicht hat angesteckt.

[.145]
[234]
XXXV. Joseph Scaligers.

Die Blumen in den Krantz den ich dir wollen senden /
Hat Amor selbst / mein Lieb / gelesen vmb das Feldt /
Die Venus hat jhn auch gemacht mit jhren Händen /
Die Perlen / Stein’ vnd Seid’ ist aus der newen Welt.
5 Ach dencke nicht daß ich was bessere geben solte /
Ob zwar die Sachen hier gar sehr schlecht für dich seyn:
Dann wann ich was dein werth dir vbersenden wolte /
So köndt’ ich nichts verehrn / als dich nur dir allein.

[.146] XXXVI. Die gewaffnete Venus.

Als Venus Helm vnd Schild hatt’ ohn gefehr genommen /
Sprach Pallas: streit mit mir; jetzund mag Paris kommen.
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 735]
Ich / sagte Venus / darff kein Waffen gantz vnd gar /
Weil ich dich vberwandt / da ich doch nackend war.

[.147] XXXVII.

Gleich wie der Morgenstern dem Menschen giebt das Liecht /
So scheinet jetzt mich an dein klares Angesicht’:
Vnd wie die Mittagszeit der Sonnen Hitz’ empfindet /
So brennet mein Gemüt’ in Liebesbrunst entzündet:
5 Ja wie die kühle Nacht vertreibt der Hitze Noth /
So wird auch meine Brunst nichts leschen als der Tod.

[.148] XXXVIII.

Ihr edlen zarten Brüst’ / jhr Zuflucht meiner Nöthen /
Ihr Lippen wie Corall vnd Rosen ausgeziert /
Könnt jhr mich / da ich doch euch nur beschawet / tödten;
Was soltet jhr wol thun wann ich euch angerührt.

S. 234–35

[.149] = 48.2 u. 59.112 Die trunckene Venus. Aus dem Griechischen Dan. Heinsii.

Die schöne Venus gieng mit jhrem kleinen Sohne / ...
+ Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + +

[Druckausgabe S. 736]

[.150] XL.

Ob du gleich / edles Bild / die Schönste bist auff Erden /
Ob gleich dir alle Zier vnd Gaben vnterthan /
Wüntsch’ ich / Asterie / mir doch nicht du zu werden /
Weil ich kein steinern Hertz’ im Leibe tragen kan.

[.151] XLI. Grabschrift eines Hundes.

Die Diebe lieff ich an / den Buhlern schwieg ich stille /
So ward verbracht des Herrn vnd auch der Frawen Wille.

[.152] XLII. Eines Koches.

Wir wird die Welt doch durch vnd durch verkehret /
Hier hat ein Koch im Grabe seine Rhu.
Der mancherley von Speisen richte zu /
Jetzt haben jhn die Würme roh verzehret.
Sachanmerkung + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + Sachanmerkung + + +

[Druckausgabe S. 737]

[.153]
[236]
XLIII. Eines Blasebälgemachers.

O lieber Mensch dein Leben ja betrachte /
Hier liegt ein Mann der Blasebälge machte /
Jetzt aber nun zu letzt’ es doch sich findt /
Dem Meister dem gebrist noch selber Windt.

[.154] XLIV. Eines Jägers.

In dieser holen Grufft hat jhm gesucht sein Läger /
Ein grawsamer Tyrann vnd Feind der wilden Thier’:
Jetzt hat er wiederumb auch seinen Lohn dafür;
Der Tod der war sein Hund / die Kranckheit war sein Jäger.

[.155] XLV. Eines Schmiedes.

Ihr Freunde glaubet allzumahl /
Köndt’ Eisen / Fewer / Flamm’ vnd Stahl
Des grimmen Todes Macht obsiegen /
Ich wolte wol jetzt hier nicht liegen.
Sachanmerkung + + + Sachanmerkung + + + Sachanmerkung + + Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 738]

[.156] XLVI. Eines Bottens.

Ein Postbott’ hat allhier jhm seine Rhu genommen /
Weil er dem Tode nicht vermochte zu entkommen.

[.157] XLVII. Eines geilen Weibes.

Hier liegt ein höffliches doch geiles Weib begraben /
Wüntscht jhr nicht daß sie Rhu mög’ in der Erden haben:
Sie hat dem Himmel selbst zu gleichen sich geübt /
Vnd nichts als stetige Bewegung mehr geliebt.

[.158] = 28.5
[237]
XLVIII.

Legt vns die Liebe gleich viel Wiederwillen an / ...

[.159] = 48.3 XLIX.

Als er für der Liebsten Vaterland vorüber schiffte ...
Sey sehr gegrüßt / du Stadt / in Holland auserkohren ...
Sachanmerkung + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + +

[Druckausgabe S. 739]

[.160] L. An das Armband.

O Band / O schönes Band / geflochten von den Haaren /
Die auff der Liebsten Haupt’ hievor gestanden waren /
An Gold’ vnd Perlen reich / vmbbunden meiner Hand;
Ein Zeichen jhrer Trew’ vnd jhrer Liebe Pfand:
5 Du hast mir nicht allein die schwache Faust vmbgeben;
Durch dich ist auch bestrickt mein Sinn / mein Hertz vnd Leben.
O werthes edles Pfand / O Bürgin jhrer Hold /
An dir ist vmb vnd vmb geringers nichts als Gold.

[.161] Beschluß-Elegie.

Das blinde Liebeswerck / die süsse Gifft der Sinnen /
Vnd rechte Zauberey hat letzlich hier ein End’:

[238]
Es wird das lose Kind so mich verführen können /
Gott lob / jetzt gantz vnd gar von mir hinweg gewendt.
5 Nun suche wo du wilt dir andere Poeten;
Hier / Venus / hab’ ich mir gesteckt mein eigen Ziel;
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + +
[Druckausgabe S. 740]
Es ist mir deine Gunst jetzt weiter nicht von nöthen;
Ich haß’ all’ Eitelkeit; es liebe wer da wil.
Was meine schwache Hand vor dieser Zeit geschrieben /
10 Durch deinen Geist geführt / das ist der Jugend schuld:
Ich werde weiter nicht von solcher Lust getrieben;
Was dir gehässig ist zu diesem trag’ ich huld.
Wann Vrtheil vnd Verstand bey mir zu rathe sitzen /
So hast du mir zwar von bethört den jungen Sinn:
15 Jetzt seh’ ich daß dein Sohn sey ohne wahn vnd Witzen /
Du aber / Venus / selbst ein’ edle Kuplerin.
Dein wesen ist ein Marck da Leid wird feil getragen /
Ein Winckel da Verdruß vnd Wehmuth innen steht /
Ein’ Herberg’ aller Noth / ein Siechhaus vieler Plagen /
20 Ein Schiff der Pein / ein Meer da Tugend vntergeht.
Wo soll die Schönheit seyn / wann alles wird vergehen /
Die Lippen von Corall / diß Alabaster Bildt /
Die Augen so jhr seht gleich als zwo Sonnen stehen /
Der rote Rosenmund / der weissen Brüste Schild?
25 Sie sollen / vnd wir auch / als Asch’ vnd Staub entfliehen /
Vnd allzugleiche gehn den Weg der Eitelkeit:
Pracht / Hoffart / Gut vnd Geld / vmb das wir vns so mühen /
Wird Wind vnd Flügel noch bekommen mit der Zeit.
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 741]
Ich laß’ es alles stehn: das Ende meiner Jugend /
30 Vnd Frucht der Liebeslust beschließ’ ich gantz hierein:
Ein ander höher Werck / der Anfang meiner Tugend /
Ob diß gleich vntergeht soll nimmer sterblich seyn.

[Zur Erinnerung: Die letzten fünf Gedichte sollte man sich als auf Nr. .25 (S. [101] = S. 584 oben) folgend vorstellen; siehe Hinweis in A.d.L., S. 548, Z. 33f. Der Hrsg.]

[.162]
[239]
Auff Danielis Heinsii Niederländische Poemata.

IHr Nymphen auff der Maas’ / jhr Meer-Einwohnerinnen /
Hebt ewre Häupter auff / erhöhet ewre Sinnen /
Biß froh / du schöner Rein / vnd du gelehrte Stadt /
Die Hungersnoth vnd Krieg zugleich ertragen hat:
5 Der gantze Helicon ist bey dir eingezogen /
Nach dem der hohe Geist von Gent hieher geflogen:
Die Tauben so zuvor dir Zeitung zugebracht /
Hat Venus jetzt auch hier zu Bürgerinn gemacht.
Der edle von der Does hat erstlich sie gelocket /
10 Sein’ Ida gleichsfals offt’ an jhren Mund gedrucket /
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 742]
Sein’ Ida die den Mars so inniglich verletzt /
Daß er sein grimmes Schwerdt mehr als zuvor genetzt.
Die Threnen so vor Lieb’ aus seinen Augen flossen /
Sind in der Feinde Heer vnd Läger auch geschossen;
15 Da ward es gar zu naß. Sie liessen Leiden stehn /
Vnd fürchteten die Flut möcht’ an die Hälse gehn.
So bald das Gegentheil nun Vrlaub hat genommen /
Des Wassers vngewohnt; ist Pallas zu euch kommen /
Vnd Phebus hat mit jhm die Musen hergebracht /
20 Die dann aus Niederland’ Athen vnd Rom gemacht.
Es war noch nicht genung / der Held von Brennus Stamme /
Der grosse Scaliger / stackt ’auff die helle flamme /
Die Franckreich war entführt: Ein Mann / ein einig Mann /
Der Adler in der Lufft / redt’ alle Völcker an.
[240]
Biß jhr auch / Heinsius / jhr Phenix vnsrer Zeiten /
26 Ihr Sohn der Ewigkeit / beguntet auszubreiten
Die Flügel der Vernunfft. Das kleine Vaterland
Trotzt jetzt die grosse Welt durch eweren Verstand.
Was Aristoteles / was Socrates gelehret /
30 Was Orpheus sang / was Rom von Mantua gehöret /
Was Tullius gesagt / was jrgend jemand kan /
Das sieht man jetzt von euch / von euch / jhr Gentscher Schwan.
Die Deutsche Poesie war gantz vnd gar verlohren /
Wir wusten selber kaum von wannen wir gebohren;
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 743]
35 Die Sprache vor der vor viel Feind’ erschrocken sind
Vergassen wir mit Fleiß’ vnd schlugen sie in Wind.
Biß ewer grosses Hertz’ ist endlich ausgerissen /
Vnd hat vns klar gemacht / wie schendlich wir verliessen
Was allen doch gebührt: Wir redten gut Latein /
40 Vnd wolte keiner nicht für Deutsch gescholten seyn.
Der war weit vber Meer in Griechenland geflogen /
Der hatt’ Italien / der Gallien durchzogen /
Der prallte Spanisch her. Ihr habt sie recht verlacht /
Vnd vnsre Muttersprach’ in jhren werth gebracht.
45 Hierumb wird ewer Lob ohn alles Ende blühen /
Das ewige Geschrey von euch wird ferne ziehen /
Von dar die schöne Sonn’ aus jhrem Bett’ auffsteht /
Vnd wiederumb hinab mit jhren Pferden geht.
Ich auch / weil jhr mir seyd im Schreiben vorgegangen /
50 Was ich für Ehr’ vnd Rhum durch Hochdeutsch werd’ erlangen /
Wil meinem Vaterland’ eröffnen rund vnd frey /
Daß ewre Poesie der meinen Mutter sey.
+ + + + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 744]

[.163]
[241]
Antwort auff Herrn Balthasar Vena- | tors Deutsches Carmen | an jhn geschrieben.

WIe ich empfangen ward / wie man mich angenommen /
Als auff den Helicon ich dieser Tage kommen /
Dahin die Venus mich zum Phebus ausgesandt /
Ist mir am besten selbst / vnd mehr als wol bekandt.
5 Ich war den hohen Berg kaum recht hinan gestiegen /
Da sah’ ich vmb mein Häupt mit grossem sturme fligen
Flöt’ / Harffen vnd Pandor: Es ward ein groß Gelauff’ /
Apollo schrie mich an / die Musen stunden auff.
Euterpe sonderlich springt zornig zu dem Brunnen /
10 Den Pegasus gemacht / eh’ ich mich wenden konnen /
Geust heuffig auff mich zu / macht durch vnd durch mich naß /
Daß ich der Musen gern’ vnd fast mein selbst vergaß.
Ich gieng beyseit hinweg / vnd satzt’ aus Scham mich nieder /
Bey einem Lorberbaum / bedachte hin vnd wieder
Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 745]
15 Wie hefftig ich geirrt / daß ich solch Ding begehrt /
Daß keinen vor der Zeit die Musen je gewehrt.
In dem ich also saß in Scham vnd tieffen Sinnen /
Kömpt Meleager her / der Sohn der Pierinnen /
Sagt / daß er jetzund erst vorbey gegangen sey /
20 Vnd heimlich zugehört / das Erato so frey
Für mich geredet hab’ / vnd hefftig sehr gestritten /
Es würde Venus nicht so trewlich für mich bitten
Wann ich es nicht verdient. Darauff hab’ alsobaldt
Apollo sich vnd sie gar wol zur Rhu gestallt.
25 Dem sey nun wie jhm wil: so lieb’ ich doch vor allen
Daß Meleager mich jhm leßt so wolgefallen:
Lobt er vnnd Erato mein newes Seitenspiel /
Der gantze Helicon mag bleiben wer er wil.

[.164]
[242]
In ein Stammbuch.

WO solte doch die Welt vnd all’ jhr Wesen bleiben
Schien’ jhr der schöne Glantz der güldnen Sonnen nicht?
So ist die Freundschafft auch der Menschen klares Liecht /
Mit welcher sie den Lauff der Eitelkeit vertreiben /
5 Vnd sich einander selbst wie gleichsam einverleiben.
Ist also lobens werth daß sich ein Freund verspricht
+ + + + + + + + + + Sachanmerkung Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 746]
Dem andern hold zu seyn / hier durch der Feder Pflicht:
Doch muß man solche Trew’ auch in das Hertze schreiben.
Dann wo der Sinn nicht ist / da bleibet nur die Hand /
10 Der Mund vnd das Gesicht ein vngewisses Pfand:
Rechtschaffen meynen heißt recht födern vnd recht lieben;
Wie Gott vns selber liebt / der auch ein Stammbuch helt /
In welches der so jhn für allem auff der Welt
Von gantzer Seelen ehrt steht oben an geschrieben.

[.165] Als er aus Siebenbürgen sich zurücke anheim begab.

DV schöner Apulus / an dessen grünem Rande
Trajanus vor der Zeit mit einem festen Bande
Ihm dieses Land verknüpfft / da mancher Römer liegt /
Der ritterlich vnd steiff den Völckern angesiegt;
5 Gehabe dich nun wol / sampt deinen frischen Quellen
Die reich von Golde sind / ich werde keine stellen
Bey dir / du helle Bach / mir suchen nach der Zeit /
Daß ich da ruhen mag; mein Sinn steht anderweit.

[243]
Der rawen Menschen Art die jetzund bey dir wohnen /
10 Die aller Tugend Feind / vnd jhr mit Hasse lohnen /
Die zwingt mich daß ich dir muß geben gute Nacht /
Vnd auff mein Vaterland bin wiederumb bedacht.
+ + + + Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + +
[Druckausgabe S. 747]
Ich hatte wol vermeynt / auch schon mir vorgenommen
Zur dir / O Grecien / in kurtzer Zeit zu kommen /
15 Du werthe Nachbarinn: ich dachte gantz auff dich /
Vnd wolte nun dahin wo Hemus vnter sich
Die Wolcken selber leßt / hier da vor alten Zeiten
Der Thracische Poet gespielet auff den Seiten
Daß Wild vnd Wald getantzt / vnd da der Strymon leufft /
20 In den der Kranche Heer die krummen Federn teufft.
Olympus stund mir schon wie gleichsam im Gesichte /
Vnd Ossa vnd sein Thal von dem so manch Getichte
Ist worden auffgesetzt: hier war der Helicon /
Vnd der Parnassus auch; nicht allzuweit darvon
25 Floß vnser Castalis; da kam der Pferdebrunnen
Mit lieblichem Geräusch’ vnd Murmeln hergerunnen.
Ich hette mich auch wol biß auff Athen gewandt /
Vnd auff die Stadt so sonst Zweymeerig wird genandt.
Corinth ich meyne dich. wohin ich nur gesehen
30 Da hett’ ich bald gedacht was da vnd da geschehen:
Hier hat Demosthenes gedonnert vnd geplitzt /
Hier Aristophanes so meisterlich gespitzt /
Hier hat der Socrates vnd Plato hier gelesen;
Hier ist der von Stagir / hier Eschilus gewesen.
35 Diß fiel mir sämptlich ein. mein siech seyn aber macht /
Daß ich mir alles nun muß schlagen aus der acht.
Die Kranckheit lest mich nicht / des Febers kält’ vnd Hitze:
Drumb ist es nur an dem daß ich zu Rosse sitze /
Auff Deutschland wieder zu. jhr Freunde / gute Nacht /
40 Vnd du / O Vandala / mit der ich auch verbracht
+ + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 748]
[244]
Ein Theil der langen Zeit. wolan / du klarer Brunnen /
Bey welches Bächen ich das Liecht der roten Sonnen
Zum ersten angeschawt / du schneller Bober auch /
Nimb mich an deinen Strandt wie vormals dein Gebrauch.
45 Bey dir verhoff ich nun den Rest von meinem Leben /
Das Reisen beygelegt / in Frieden auffzugeben:
Der Jugend Wanckelmuth / viel Sorgen / Müh’ vnd Pein
Ist biß anher genung; hier soll das Ende seyn.

[.166] Horatii: Exegi monumentum.

Ich hab’ ein Werck vollbracht dem Ertz nicht zu vergleichen /
Dem die Pyramides an Höhe müssen weichen /
Das keines Regens Macht / kein starcker Nortwind nicht /
Noch Folge vieler Jahr vnd flucht der Zeit zubricht.
5 Ich kan nicht gar vergehn. man wird mich rühmen hören
So lange man zu Rom den Jupiter wird ehren:
Mein Lob soll Aufidus der starck mit rauschen fleußt /
Vnd Daunus wissen auch / der selten sich ergeußt.
Dann ich bin der durch den der Griechen schönes Wesen /
10 Was jhre Verß anlangt / jetzt Römisch wird gelesen:
Setz’ / O Melpomene / mir auff zu meinem Rhum
Den grünen Lorberkrantz / mein rechtes Eigenthumb.

ENDE.

Sachanmerkung + + + + + + +



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Acht Bücher Deutscher Poematum (Sammlung B), in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. Band II, 2, hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: https://opitz.hab.de/edition/band-ii-2/ii_2_72/ (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Acht Bücher Deutscher Poematum (Sammlung B), in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.), Band II, 2