Trojanerinnen

69. Sz 60 1625Trojanerinnen

Einzeldruck X: L. ANNAEI | SENECAE | TROJANERINNEN; | Deutsch übersetzet / vnd mit leichter | Außlegung erkleret; | Durch | MARTINUM OPITIUM. | [Zusammengesetzte Zierleiste, 3 × 81 mm] | Wittenberg / | In verlegung Zachariae Schürers Buchfüh- rers / | Gedruckt bey Augusto Boreck / | [Strich, 53 mm] | Im Jahr M.DC.XXV.

40: A–N, O2 (= 6 Bll. + 96 S.) Exemplare: Breslau 4 V 57/41 u. 4 E 707 (= 355 482); Göttingen 8 Auct. Lat. III, 10150; München P.o.germ 160

Gliederung: A1a Titel, A1b leer. A2a bis A3a, unter einer Zierleiste von 10 × 100 mm die Widmung an Buchner; Initiale mit Putto 32 × 29 mm; die erste Zeile in größeren Lettern. A3b bis A4b An den Leser. Initiale 26 × 26 mm, erste Zeile in Zitier- type. B1a bis B1b Gelehrter Leute Zeugnis... B2a bis B2b unter einer Zierleiste von 11 × 91 mm Buchners Epigramm, hier wie in allen späteren Drucken kursiv gesetzt. B3a (= S. 1) bis B3b (= S. 2) Kopftitel, Personen und Inhalt; Initiale 21 × 20 mm;

[Druckausgabe S. 425]
erste Zeile der Inhaltsangabe in Zitiertype; durchgehend größere Type. B4a (= S. 3) bis H4b (= S. 52) der Text des Stückes, 1416 Zeilen; keine wechselseitige Zeileneinrückung bei Alexandriner- paaren; kürzere Zeilen sind nach dem linken Rand gerückt. I1a (= S. 53) bis O2b (= S. 96) die Auslegung. Kolumnentitel von S. 5–52 (l.) L. Annaei Senecae || (r.) Trojanerinnen.; S. 4 abwei- chend Annaei Senecae .Von S. 54–95 (l.) Außlegungen || (r.) der Trojanerinnen. Nur S. 96 Außlegungen der Trojanerinnen. Seitenzahl l. und r. außen in Höhe der Kolumnentitel. Unterhalb der Kolumnentitel und vor den Chören Striche von ± 104 mm. Die Zierleisten auf S. 10, 20 und 39 messen 3 × 104 mm; Satz- spiegel 158 × 110, mit den Seitenzahlen 114 mm. Eichelornamente auf B2b und S. 52, 21 × 28 mm; weitere Ornamente aus sechs Eicheln in Verbindung mit den Seitenzahlen auf S. 1, 3 und 53. Am Schluß, etwas unterhalb der Mitte von S. 96, eine Art Kar- tusche mit Fratze, 48 × 52 mm. Zeilenzählung des Stückes bei jeder vierten Zeile; sie bleibt nach Art und Zahl bei allen späteren Drucken gleich; fehlerhafte Zählung hier und in den späteren Druk- ken wurde stillschweigend korrigiert. Auf Bl. O2 fehlt die Ziffer. Die Seitenzahl auf S. 59 ist fälschlich als 57 gedruckt. Auf S. 13 steht als Kustos Daß, während S. 14 mit Das beginnt; entsprechend S. 65 Sanat, 66 sanat.

In Sammlung C erscheint das Werk in Teil II, S. [94]–210 wie folgt: S. [94] der Zwischentitel L. ANNAEI | SENECAE | TROJA- NERINNEN; | Deutsch übersetzet / vnd erkläret; | Durch | MARTINUM OPITIUM. S. 95–97 unter einer Kopfleiste, 6 × 79, die Widmung an Buchner. 98 unter Kopfleiste derselben Größe An den Leser. Die letzten fünf Zeilen auf 101. Dort nach einer Zierleiste, 5 × 79 mm, Gelehrter Leute Zeugniß bis S. 103; die Kolumne läuft spitz aus. 104 unter Kopfleiste, 9 × 79, Buch- ners Epigramm, bis 105; dort fünfkantiges Schlußstück, 35 × 39 mm. S. 106/7 Kopftitel, Personen und Inhalt; Kopfleiste, 5 × 79, Schlußstück wie 105. S. 108–155 der Text; mit Strichen, ± 77 mm, wie in X; Zierleisten zwischen den Akten; zu Ende die Schlußarabeske wie 105. S. 156 unter Kopfleiste, 13 × 79, und Strich, Auslegung bis 210; dort ENDE. und ein Schluß- stück, 44 × 57 mm. Als Kolumnentitel sind vorhanden: S. 96/97 Dedicatio.; 109 L. An. Sen. Trojanerinnen.; 110 bis 155 (l.) L. Annaei Senecae || (r.) Troianerinnen. (oder Trojanerinnen.);

[Druckausgabe S. 426]
157 Außlegung der Troian.; 158 bis 209 (l.) Außlegung || (r.) Der Troianerinnen (18 mal mit j); 210 Außlegung der Tro. Auf S. 158 fehlt der Kustos; sonstige Unstimmigkeiten zwischen Kustoden und Anschlußwörtern sind unbedeutend.

In F steht das Werk in Teil I, S. 309–440 wie folgt: S. [309] Zwi- schentitel fast wie in C. [310] Die Überschrift der Widmung an Buchner ist auf sieben Zeilen verteilt und statt Poetices] HV- MANITATIS. 311–313 unter Kopfleiste, 19 × 79 mm. die Wid- mung. 314–136 unter Kopfleiste, 4 × 77, An den Leser. 317– 319 unter Kopfleiste, 12 × 79 mm, Gelehrter Leute Zeugnis; die Namen der Gewährsmänner sind hier durch größere Typen her- vorgehoben. Am Ende eines kleinen Typenarrangement aus Blättern, Klammern um Doppelpunkt. 320/21 unter Kopfleiste, 9 × 79 mm, Buchners Epigramm. 322 unter Kopfleiste, 7 × 79 mm, der Kopftitel; unter einem Strich, die Personen; 323 unter einem Strich, Der Inhalt. 324–380 unter einer Kopfleiste, 3 × 78 mm, der Text; am Ende kleines dreieckiges Typenorna- ment ähnlich wie auf 319. 381–440 unter einer Kopfleiste, 19 × 79 mm und einem Strich unter der Überschrift, die Aus- legung. Am Ende ein dreieckiges Schlußstück, 51 × 64 mm. Diese Fassung ist durch Trunz’ Neudruck, Tübingen 1967, leicht greifbar.

Aus der Art der Drucklegung – der Vorstoß ist in alphabeti- scher Folge mitsigniert – ergibt sich, daß das Manuskript dieser ersten klassischen Tragödie in modernem deutschen Gewande dem Drucker/Verleger spätestens am 25. Juli 1625 vorlag. Am 12. No- vember berichtet Bernegger aus Straßburg (Reif. Nr. 182,44), daß Opitz durch die Buchhändler Exemplare hatte nach Straß- burg bringen lassen. Zu weiteren Einzeldrucken scheint die Nach- frage aber nicht gereicht zu haben. An kritischen Äußerungen zu dieser Übersetzung fehlt es in der erhaltenen Korrespondenz.

Der Zweit- und Drittdruck in den Sammlungen weist im Text außer den üblichen kleinen Verbesserungen keine wichtigeren Änderungen auf. Die Auslegungen wurden in C geringfügig ver- mehrt. F folgt darin C fast buchstabengetreu. Im Technischen dagegen zeigen die Auslegungen in F gewisse Verbesserungen gegenüber XC: die Hinweisworte in XC gehen den Erklärungen voraus und sind von ihnen durch eine runde Klammer getrennt. In F stehen sie in kleinerem Schriftgrad über der Erklärung und

[Druckausgabe S. 427]
eine eckige Klammer schließt sie ab. Hervorhebung mancher Zitate durch Zitiertype in XC ist in F aufgegeben worden. Vor- liegende Ausgabe bringt die Hinzufügungen von CF in spitzen Klammern; im übrigen wurden Typenvielfalt und Druckanord- nung etwas vereinfacht. Alexandrinerpaare wurden wechselweise eingezogen; ü im Anlaut blieb stehen, wie es sich in X findet.

Nach Paul Stachel, Seneca und das deutsche Renaissancedrama, Palaestra 46, Berlin 1907, S. 184, benutzte Opitz für seine Über- setzung »die damals neueste, 1620 erschienene Ausgabe des hollän- dischen Philologen Petrus Scriverius«, wobei er einmal auf eine ältere Lesart zurückgeht (Tro. 304, Opitz 369 solito statt subito) und die Halbzeile Tro. 490 b nach einer in Scriverius’ Anhang ver- zeichneten Konjektur des Raphelengius der Andromache zuteilt.

Stachels Besprechung, S. 180–204, mit ihren vielen Einzel- beobachtungen zur stilistischen Qualität ist noch immer die aus- führlichste und gehaltreichste; zumindest ist Stachels Kritik an Beispielen belegt, wenn man ihr auch nicht in allen Fällen Be- rechtigung zuerkennen mag. Robert Petschs Ausführungen »›‘Die Troerinnen‹ einst und jetzt«, Neue Jahrbücher XX (1917), 522–50, besonders pp. 533–35, basieren weitgehend auf Stachel, doch mißt Petsch Seneca wie Opitz mit dem Maßstab des ›deutschen Idea- lismus‹, wodurch er Opitz gegenüber ungerecht wird.

Stachel gibt einen knappen Hinweis zur formalen Nachwirkung von Opitz’ Übertragung auf die oratorischen Halbdramen des Klajus und auf Gryphius’ Dramen. Eine Aufführung der Trojane- rinnen ist nirgends bezeugt. Eine bei Goedeke III, 43, 19b er- wähnte Ausgabe des Urtextes mit der Übertragung Opitz’ auf gegenüberstehenden Seiten, Halle 1685, war mir nicht erreichbar; das Exemplar We 2956 der Meusebachschen Sammlung (Staats- bibliothek) ist verloren.

Unser Drama wurde erwartungsgemäß in die Sammelausgaben aufgenommen; es ist enthalten in 1637 (D), Amsterdam 1645–46, Breslau 1689/90, Triller, Bd. I, sowie in KDNL. Es fehlt bei Titt- mann; in DLE (Reihe Barockdrama I) bringt Flemming neben einer knappen Einleitung, S. 35f., nur Auszüge, S. 56–74.

[Druckausgabe S. 428]

CLARISS. VIRO AUGUSTO BUCHNERO, Poetices in Academia VVittebergensi Professori Publico, MART. OPITIUS S. D.

PEtenti mihi nuper animi potissimum caussa Hermunduros vestros, Buchnere clarissime, comitem viae L. Annaeum Senecam assciveram, virum et poetam illum, qui ob eloquentiae carminum- que laudem Imperatoris sui amorem primum, deinceps odium expertus est gravissimum, quod crudelis et impotens tyrannus, qui detestandis sceleribus suis omnes alios vicerat, hac, quam solam neque satis integram habebat, virtute superiorem sibi aliquem esse tolerare diutius minime posset. Cumque, ut sum otii impatiens, aliud quod agerem non occurreret, divinum plane Troadum initium quoque nihil extat in hoc genere luculentius, in nostrum sermonem numerosque convertere conatus sum. Quo suc- [A2b] cessu, tuum esto judicium: me certe ob facilitatem, qua pleraque illius mihi exciderant, amabilis haec insania lusit, ut operae pretium me facturum crederem, si tragoediae universae manus admoverem, cum praesertim haec a libellis meis absentia studiis gravioribus incumbere me non pateretur. De editione haesissem, nisi post monita tua multo gratissima eos etiam ita velie suspicari non ita diu potuerim, quorum auctoritate et benevolentia freti plebeias quasdam mentes jure non moramur. Sciant et invideant hostes Musarum omnisque humanitatis, superesse etiamnum in his bellorum civilium quantumvis atro- cissimis calamitatibus summos maximosque viros, qui literarum nostrarum, sine quibus ne res quidem publicae constare satis videntur, gloriam mirum in modum fovent ac tuentur. Commit- tant itaque sese libero aeri captivae nostrae suoque exemplo publice et in oculis omnium ostendant non esse novum hoc malum, urbes validissimas integraque regna et provincias ex- scindi funditus et vastari. Doceant nos quoque suum illud doloris qualecunque remedium: moderatius ferri sortem earn posse, quam et alii ante nos passi sunt et nunc tam multi nobiscum patiuntur. + + + +

[Druckausgabe S. 429]
Caeterum tibi illas propterea inscripsimus, Vir [A3a] eruditissime, quod, sive aliqua excusatione opus est, tua μάϱτυϱος αὐτόπτου fide probare satis possim, quam sine omni cura et fere aliud agendo huic rei paucas horas dederim; sive contra gratiam apud non- nullos jam propterea initam ab aliis etiam doctis hominibus im- petrabo, quod neminem videam, cui potius quam tibi munusculum hoc oblatum velim. De reliqua eruditione tua taceo, quae te clarissimis extra patriam quoque ingeniis gratum acceptumque jam reddidit; dexterrimum istud limatumque judicium, quod ad excitandas nobiscum Musas Germanicas afferre soles, spem mihi facit certissimam parcius nos lecturos imposterum illos, qui ut ingenuitatem nostram ac mores, ita sermonis quoque castitatem non mediocriter hactenus corruperunt. De amicitia nostra si dixero, vulgata loquar; hanc enim inscriptionis suae causam fere reddunt, qui nihil aliud quod comminiscantur noverunt; et tu virtute tua doctrinaeque dotibus effecisti, ut ab ignotis etiam diligaris, nedum a me, qui amorem tuum singularem satis jam expertus sum. Vale. VIII. Cal〈end〉. Sextil. An〈no〉. M.DC.XXV.

[A3b]

An den Leser.

GVnstiger Leser / Trawerspiele tichten ist vorzeiten Keyser / Für- sten / grosser Helden vnd Weltweiser Leute thun gewesen. Aus die- ser zahl haben Julius Cesar in seiner jugend den OedipusSachanmerkung / Augu- stus den Achilles vnd Ajax / Mecenas den Prometheus / Cassius Severus Parmensis / Pomponius Secundus / Nero vnd andere son- sten was dergleichen vor sich genommen; von welchen jetzt nicht zeit zu reden ist. Eschylus / der ErlöserSachanmerkung seines Griechenlandes / hat + + +

[Druckausgabe S. 430]
diese art zu schreiben / welche jhm ThespisSachanmerkung von Athen / Phryni- chus / Alceus/ Apollophanes vnd andere sehr vngestalt / raw vnd verwirret hinterlassen / zum ersten in eine bessere Forme ge- gossen / vnd davor gehalten / seine löbliche Thaten weren noch vnvollkommen / wann er nicht erwiese / daß eben die Handt so den Feinden anzusiegen gewehnet war / etwas auff zu setzen vermöch- te / mit welchem man nicht weniger auch die Feinde des gerhügli- chen Lebens / nemlich die Verwirrung des Gemüthes / vnterdrücken vnd dämpffen köndte. Dann eine Tragedie / wie EpictetusSachanmerkung sol ge- sagt haben / ist nichts anders als ein Spiegel derer / die in allem jhrem thun vnd lassen auff das blosse Glück fussen. Welches wir Menschen ins gemeine zum gebrauche haben; wenig außgenom- men / die eine vnd andere vnverhoffte Zufälle voran sehen / vnd sich also wider dieselbigen verwahren / daß sie jhnen weiter nicht schaden mögen als an eusserlichem Wesen / vnd an denen Sachen / die den Menschen eigentlich nicht angehen. Solche Beständigkeit aber wird vns durch beschawung der Mißligkeit des Menschlichen Lebens in den Tragedien zu fö-[A4a]derst eingepflantzet: dann in dem wir grosser Leute / gantzer Städte vnd Länder eussersten Vntergang zum offtern schawen vnd betrachten / tragen wir zwar/ wie es sich gebühret / erbarmen mit jhnen / können auch noch- mals aus wehmuth die Thränen kaum zu rück halten; wir lernen aber daneben auch aus der stetigen besichtigung so vielen Creutzes vnd Vbels das andern begegnet ist / das vnserige / welches vns be- gegnen möchte / weniger fürchten vnd besser erdulden. Wer wird nicht mit grösserem Gemüthe als zuvor seines Vaterlandes Verderb vnd Schaden / den er nicht verhüten mag / ertragen / wann er die gewaltige Stadt Troja / an welcher / wie die Meynung gewesen / die Götter selbst gebawet haben / sihet im Fewer stehen / vnd zu Staube vnd Asche werden? Wer wil nicht eines theils seiner Frey- heit getroster vergessen / wann er Hecuben / die Fraw vnd Mutter + + + +
[Druckausgabe S. 431]
so werther Helden / sihet überwunden vnd gefangen hinweg füh- ren? Ich sage nichts vom Astyanax vnd der edelesten Polyxenen; welche begieriger zu sterben sind / als die jenigen zu leben / derer Leben doch weder andern noch jhnen selbst gar viel zu statten kömpt. In erwegung nun derer vnd anderer herrlichen Nutzbar- keiten / welche vns diese fürnemste art der Poeterey an die Handt giebet / habe ich mich vnterwunden hiesige Trojanerinnen in vn- sere Sprache zu versetzen: weil sie nicht allein die schönste vnter den Römischen Tragedien ist / welche zwar von so vielen biß hieher noch übrig sind blieben; sondern sich auch auff jetzige Zeiten / da es von nöthen seyn wil / daß man das Gemüthe mit beständigen Exempeln verwahre / am allerbesten zu fügen scheinet. Der Latei- nischen Meynung bin ich so viel als thuelich ist gewesen nachge- folget; ein jegliches Wort aber außzudrucken / vnd sich an die zahl der Verse zu binden / habe ich fast vnmüglich zu seyn befunden. [A4b] Solches werden mir auch alle zustehen / denen bekandt ist / auff was für art Seneca / sonderlich allhier / zu schreiben pfleget. So hat auch die Lateinische Sprache viel Eigenschafften / derer vnsere / vnd vnsere viel / derer jene nicht fähig ist; wie ich dann verhoffe / daß zum wenigsten aus etlichen Orten dieser Verdol- metschung in Gegenhaltung wird zu spüren seyn. Die Außlegun- gen (welche mir bey abschreibung des Textes eingefallen) habe ich für die jenigen alleine hinzusetzen müssen / denen die Städte / Flüsse / Länder / Gebirge / Fabeln vnd Historien nicht allerdinges bekandt sind; vnd wir schreiben nunmehr Deutsch / da es erstlich einer kleinen Erklerung wil von nöthen seyn / biß wir vns etwas besser werden eingerichtet haben / wo es Gott verleihet; dem / günstiger Leser / ich euch befehle.

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[Druckausgabe S. 432]
[B1a]

Gelehrter Leute Zeugniß von den Trojanerinnen.

M. Val. Probus Grammat. Inst. lib. I.

Nominativus singularis qui EN syllaba terminatur, Graeci nominis est: et masculino sive foeminino genere, semper longa est. Masculino, ut hymen; ut Seneca in Hecuba:

Quicunque hymen funestus illaetabilisSachanmerkung.

[Dieser Verß stehet im 4. Act der Trojanerinnen voran: Ist derentwegen diese Tragedie von den Alten sonst Hecuba genannt worden; wie auch aus nachfolgendem Exempel zu sehen / daß eben in dem vierdten Act zu letzte zu finden ist.]

Idem lib. eod.

ILLIC vel ILLUC et HUC adverbia postremas longas recipiunt, ut: Huc illuc acies circumtulit et Huc ades et Seneca in Hecuba, hendecasyllabo Sapphico versu:

Ilium est illic ubi fumus alte.Sachanmerkung M. Ant. Muretus epist. ad Gerardum quendam.

Sumpseram haud ita pridem otiosus in manus Senecae tragoe- dias, easque animi causa evolvebam: ac forte incideram in princi- pium Troadum. Ita enim vocandam puto, quae vulgo dicitur Troas.Sachanmerkung

Idem lib. 16. Var. Lect. cap. 15.

Ex omnibus Senecae Tragoediis plurimum mihi nuper placue- runt TroadesSachanmerkung.

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[Druckausgabe S. 433]
[B1b]

Joseph Scaliger in Widerlegung der Burdonischen Fabel:

Quid? Suadae* medulla Troada divinam Senecae tragoediam trivialis Poetae foetum dixit, quae reliquarum Senecae princeps est et verus illius summi scriptoris partus atque a Prisciano optimo Grammatico ei attribuitur, quam non Troada, sed Ecubam vocat. Certe de Poetis judicare Poetarum est duntaxat, idque non om- nium, sed optimorumSachanmerkung.

[*Justus Lipsius; der von dieser Tragedie solches Vrtheil feilet / vnd hergegen die Thebais allen andern vorzeucht; welche Seneca nie gemacht hat / vnd an etlichen Orten zimlich schlecht ist; mehres zu geschweigenSachanmerkung.]

Eben er Scaliger in einer Epistel.

Maximus ille Criticus quam pueriliter de Tragoediis Senecae judicat! Divinam Tragoediam Troadas magistelli potius quam Senecae opus esse dicit. In hoc qui illi assensum accommodet praeter imperitos harum rerum reperiet neminem. Nam illa Tragoedia est princeps omnium SenecaeSachanmerkung.

Daniel Heinsius über diese Tragedie.

Non ausim Graecam [Hecubam Euripidis] ullo modo, sive dis- positionem spectes, sive πάϑος, sive gravitatem et augustum pondus sententiarum, cum ista conferre. Etiam in choris noster vincit, quos ex paucis Graeci verbis et quae sparsim leguntur, fecit alios et plane divinos.

+
[Druckausgabe S. 434]
[B2a]

In TROADAS Euripidis et Senecae
ac hujus a MARTINO OPITIO

V. Clariss. Germanicis versibus pulcherrime redditas

EPIGRAMMA.

PArve puer, miserae frustra spes ultima Trojae,
Sed tarnen et Danais sic quoque mille metus,
Quum tibi deductae starent in litore puppes
Et reditum Graiis aura nec unda dabat,
5 Gaude, letheum si quid sapis inter Avernum,
Sive tua Elysias possidet umbra domos,
Hic, ubi purpureo resident in gramine manes,
Quos saeva ante suum fata tulere diem:
Quicquid Thestoridae nocuere oracula quicquid
10 Dulichii rapuit dextera dira Ducis,
Hoc tibi Pieridum donat labor, omnia letho
Eripiens: ipso a funere vita venit.
Te pia Melpomene Graeco succincta cothurno,
Romanae Musae te celebravit honor:
15 Nunc etiam Arctois (quis credat?) Teuto sub astris
Ille ferox docili te canit ore, puer,

[B2b]
Et patrio certat Latios aequare lepores
Carmine post saevi flebile Martis opus.
Quid gemis, Andromache, flavos turbata capillos?
20 Pone modum lacrimis, sic cecidisse juvat.
Terrarum quacunque aperit se doctior orbis,
Hic tuus Astyanax, sed sine morte, jacet.
Augustus Buchnerus
+ +

[Druckausgabe S. 435]
[1]

L. ANNAEI | SENECAE TROJANERINNEN; Deutsch gegeben durch MART. OPITIUM. Die Personen des Trawer-Spieles:

Hecuba. Pyrrhus.
Das Chor der Trojanerinnen. Andromacha.
Talthybius. Ein Alter.
10 Agamemnon. Vlysses.
Helena. Astyanax.
Polyxena; eine stumme Person. Ein Botte.

Der Inhalt; LuctatiiSachanmerkung.

ALs Troja nach dem zehenjährigen Kriege zerstöret worden / vnd die Griechen von dannen zu den jhrigen verreisen wollen / werden jhre Schiffe von widerwertigem Winde auffgehalten. Des [2] Nachtes erscheinet des Achilles Geist dem Talthybius / vnd ver- weiset es den Griechen / daß sie sich nach Hause zu begeben sinnes weren / ehe sie jm sein gebührliches Begräbniß gefeyret hetten; befiehlet also / daß man die Polyxena / Priamus vnd Hecu- bens Tochter / bey seinem Grabe hinrichten solle. Als nun der Pyrrhus / des Achilles Sohn / dieselbe von dem Agamemnon be- gehret / wil sich der König gar übel darzu verstehen; weil er sie an stat eines Weibes bey sich zu halten vermeinet. Endlich als der Priester Calchas von wegen säumung der Schiffe gefraget worden / hat er zur antwort gegeben / daß man die Polyxena dem Achilles auffopffern / vnd den Astyanax / Hectors vnd Andromachen kleinen Sohn / vmbbringen muste; welchen Vlysses von der Mutter / ob sie jhn zwar verstecket hatte / mit zwange wegkrieget / vnd von einem hohen Thurne herab stürtzt. Pyrrhus aber reisset die Polyxenen aus jhrer Mutter Schoß / vnd tödtet sie bey seines Vaters Grabe.

+ +
[Druckausgabe S. 436]
[3]

Der Erste Act. HECVBA.

WEr seinem Reiche trawt / herrscht inner grossen Bäwen /
Wil nicht sich für der Macht der leichten Götter schewen /
Vnd faßt bey guter zeit jhm gar zu hohen wahn /
Der komm’ / vnd sehe mich vnd dich / o Troja / an.
5 Das Glück hat nie so wol gegeben zu verstehen
Wie schnell’ vnd vnverhofft die Stoltzen vntergehen.
Der Götter Meisterstück / vnd Asiens sein Rhath
Vnd Zuflucht ligt verkehrt; worzu geholffen hat
Auch dieser welcher pflegt den Tanais zu trincken /
10 Der sieben-strömig ist / vnd der so stracks sieht blincken
Den Morgen wann er kömpt / wo das fast rote Meer
Den lawen Tigris schöpfft; ja ferner auch noch der
So nechst benachbart ist mit den vnstetten Scythen
Am Pontischen Gestad’: es ist durch’s Schwerdt bestritten /
15 Vnd liegt nun auff jhm selbst: die Saate sol hernach
Wo Pergamos war stehn: sie liegt nun ohne Dach
Die hohe Zierligkeit des prächtigen Gemäwers /
Das Schloß ist gantz vmbringt von der gewalt des Fewers /
Vnd Assarachs Hauß raucht: der heissen Flammen brandt
20 Der schrecket dennoch nicht des Siegers seine Handt /
Die alles zu sich raubt. gantz Troja wird geplündert /
In dem der dicke Rauch das Licht des Himmels hindert.
Der Sieger steht bestürtzt / betrachtet hin vnd her
Das langsam’ Ilium / vnd rewt jhn die Beschwer
25 Der zehen Jahre nicht: es wil jhm jetzt noch grawen
Für der betrübten Stadt / vnd ob er gleich kan schawen

[4]
Daß sie gewonnen sey / gleubt er jhm selbst doch nicht:
Dardanien wird preiß; so das mehr platz gebricht
Zum Raube / welchen auch nicht tausent Schiffe fassen.
30 Es müssen Zeugen seyn die Götter so mich hassen;
Du / nicht mehr Ilium; vnd du / der Phryger Fürst /
Der du mit deinem Reich’ jetzt überdecket wirst;
+ + + + +
[Druckausgabe S. 437]
Vnd dann dein todten Geist / mit dessen stehn vnd fallen
Auch Troja stund vnd fiel; jhr Seelen auch vor allen
35 Der Kinder die ich schon vor mir fürhin gesandt;
Das Vbel biß anher / was Phebas hat bekandt
Vnd sinnloß wargesagt / dem Gott verbeut zu trawen /
Das hab’ ich Hecuba schon schwanger können schawen;
Ich hab’ es frey gesagt / vnd schon vor diesem weit /
40 Eh’ als Cassandra noch / gar recht gepropheceyt.
Der listig’ Ithacus / vnd Ithacus Geselle /
Der arge Sinon auch / hat nicht die schöne Stelle
Vnd vns in Brandt gesteckt: die Flamme kömpt von mir;
Ich ich hab’ euch verderbt; die Fackel die ist hier.
45 Was hilfft dich’s aber nun / du gar zu altes Leben /
Daß du das kläglich’ Aaß der Stadt sihst für dir schweben /
Vnd seufftzest bloß vmb sie? schaw’ hier was jetzt erst baldt
Für Kummer dich betrifft; mit Troja ist’s schon alt.
Des Königs schnöden Mordt den hab’ ich müssen sehen /
50 Vnd daß bey dem Altar auch ärgers was geschehen
Dann vormals ward gethan: als Pyrrhus vmb die handt
Das Königliche Haar so vnbarmhertzig wandt /
Vnd jhm das grimme Schwerdt sties in die tieffe Wunden;
Daß doch der alte Greiß behertzet hat empfunden /
55 Als der gebückte Halß jhm nun durchstochen ward.
Ihr Götter / die diß sehn / wer ist so raw von art /
[5]
Der sich diß Alter nicht zu trawren leßt bewegen?
Kein Grab hat Priamus darein man jhn kan legen;
Er lieget vnverbrandt beym Fewer seiner Stadt
60 Der so viel König’ hier von sich erzeuget hat.
Noch lassen sich auch so die Götter nicht vergnügen:
Wen Priamus sein Stamm zum Herren solle kriegen
Macht man ein Loß darumb. wem bleibe dann nun ich?
Der eine der begehrt des Hectors Weib für sich /
65 Dem sol des Helenus / vnd dem Antenors kommen;
Vnd du / Cassandra / wirst nicht minder auch genommen:
Mich fliehn die Danaer; mich fürchtet jederman.
Wer ist nun der mit mir sein weinen lassen kan?
+ + + +
[Druckausgabe S. 438]
O mein gefangnes Volck / jhr Weiber / schlagt die Brüste /
70 Singt Trojen Grabelied / das nun liegt öd’ vnd wüste:
Schlagt ewre Brüste doch / laßt ewre Klagen aus:
Es widerschall’ hiervon des Paris gantzes Hauß.

Das Chor der Trojanerinnen HECVBA.

CHor. Ach! du kanst nichts newes sagen;
Diß ist keine frembde Last;
75 Dann wir schon von der zeit klagen /
Seit aus Phrygien der Gast
Nach Amyclas hin ist kommen:
Seit Cybelen Fichtenbaum
Sein Reise hat genommen
80 Durch des tieffen Meeres Schaum.
Iden / der nun gantz fast blecket /

[6]
Weil wir jhn mit vns verbrandt /
Hat der Schnee zehn mal bedecket:
Zehn mal hat des Schnitters Handt
85 In dem Felde Korn gehawen /
Seit kein Tag noch aussenbleibt /
Den wir ohne trawren schawen /
Seit ein Leidt das andre treibt.
Nun wir kommen hier zu klagen;
90 Königinn / heb du nur an:
Heb die Handt auff vor zu sagen
Was der Schmertz erdencken kan.
Vnsrem Pöfel dem gehöret
Dir zu folgen nach der rey;
95 Sonsten sind wir wol gelehret
Wie vns recht zu trawren sey.
Hec. Trewstes Volck / Begleiterinnen
Meiner hochbetrübten Zeit
Laßt das Haar vmbs Haupt her rinnen;
100 Asche werde drauff gestrewt:
+ + +
[Druckausgabe S. 439]
Laßt es fliegen hin vnd wider;
Lasset ewre Kleider bloß;
Laßt den Leib vnd alle Glieder
Vnbedeckt biß auff die Schoß.
105 Welche Heyrath doch zu kriegen
Hüllest du die Brüste zu?
Laß den Rock entblösset fliegen /
Du gefangne Keuschheit du.
Fahret fort mit ewrem klagen;
110 Schont der Fäuste nicht zu sehr:
Hört nicht auff so bald zu schlagen:
[7]
So recht; so / so jmmer mehr.
Jetzt macht jhr daß ich euch preise /
Daß jhr gut Trojanisch seyd.
115 Widerholt die Klageweise;
Heult noch besser dieser zeit.
Hector ist’s den wir betrawren.
Chor. Wir zureissen vnser Haar /
Vnd mit Asche von den Mawren
120 Decken wir vns gantz vnd gar.
Hec. Füllt die Hände: diß zu nehmen
Hier von Troja steht noch frey.
Werfft das Kleidt weg ohne schemen /
Daß die Schulter nackend sey;
125 Nur die Seiten mögt jhr decken.
Nun die Brüst’ entblösset stehn
Müßt jhr baß die Hände strecken /
Müßt mit schlagen weiter gehn.
Das Rheteische Gestade
130 Muß erklingen überall:
Echo in dem holen Pfade
Der Gebirge sol den Schall
Nicht nur halb gantz hören lassen
(Wie sie sonsten widerklingt)
+ + + +
[Druckausgabe S. 440]
135 Sie sol jeden Seufftzer fassen
Den jhm vnser Hertz’ erzwingt.
See vnd Himmel muß’ es hören:
Schlagt doch / schlagt euch für vnd für:
Ich muß baß euch schreyen lehren.
140 Hector ists / den klagen wir.
Chor. Jede schlegt sich dir mit fleisse
[8]
Blutig / gleichsam als mit lust:
Kein’ ist die dir nicht zureisse
Ihre Mütterliche Brust.
145 Nun diß thun wir dich zu klagen /
Du des Vaterlandes Pracht
Vnd sein Schutz; du / so zu sagen /
Hinderung der Götter macht.
Aller Phryger Mawer ware
150 Hector; Hector / einig du /
Als sie zehen gantzer Jahre
Bloß auff dich nur lieffen zu.
Nun sind sie mit dir verdorben;
Alles ist nun vmbgewandt.
155 Einen Tag vnd Stunde storben
Hector vnd das Vaterlandt.
Hec. Jetzt mögt jhr die Klage wenden;
Priamus muß jetzt heran;
Hectors Leidtliedt mag sich enden.
160 Chor. Nim die Seufftzer von vns an /
Du zwey mal gefangner Alter:
Nicht nur ein mal / seit du bist
Trojen König vnd Verwalter /
Hat sie von der Feinde List
165 Vngemach vnd Angst erlitten.
Zweymal hat der Griechen Neidt
Die Dardaner Stadt bestritten
Inner deines Lebens zeit.
Zweymal ist es in der Weile
170 Daß sie aus hat müssen stehn
Hercules Geschoß vnd Pfeile.
+
[Druckausgabe S. 441]
[9]
Nun die Königlichen Söhn’
Hecubens hinweg sind kommen /
Wirst erst du / du alter Greiß /
175 Nach den Kindern hingenommen.
Man hat jetzt dein Fleisch vnd Schweiß
Am Sigeischen Gestade
Jupitern zum Opffer bracht
Zu erlangung seiner Gnade.
180 Hec. Seyd auff mehrers Leid bedacht.
Glaubet / jhr Trojanerinnen /
Priamus Todt der ist gut.
Saget all’ aus freyen sinnen:
Priamus fehrt wolgemuth
185 Zu den abgeleibten Geistern.
Es kan weiter nicht geschehn
Daß ein Griech’ jhn solle meistern:
Er hat niemals auch gesehn
Die Atriden / vnd die Rencke
190 So Vlysses hat erdacht:
Ist nicht worden ein Geschencke /
Vnd ein Raub der Griechen Pracht.
Er sieht nicht das seine Hände /
Die zum Scepter angewehnt /
195 Werden jhm jetzt auff sein Ende
Auff den Rücken außgedehnt;
Folgt nicht Agamemnons Wagen /
Treget auch kein güldnes Bandt /
Daß mit jhm seyn wolbehagen
200 Mache der Mycener Landt.
Chor. Priamus ist wol ankommen /
[10]
Sprechen wir nun all zugleich;
Er hat mit sich weggenommen
Sein selbst eigen Königreich:
205 Die Elyser sichern Wälder
Die durchjrrt er loß vnd frey /
Sucht da vmb die schönen Felder
Wo sein Hector etwan sey.
+ + +
[Druckausgabe S. 442]
Wol dem Priamus! inngleichen
210 Wol dem der also verdirbt /
Daß er wann er muß verbleichen
Sieht daß alles mit jhm stirbt!

Der Andere Act. TALTHYBIVS / DAS CHOR DER TROJANERINNEN.

Tal. Wie lange müssen doch die Danaer nur liegen
Am Vfer allezeit / es sey daß sie zum kriegen
215 Verreisen / oder auch zu rücke heimwerts hin?
Cho. Was macht’s dann daß die Schiff’ vnd sie nit förder ziehn?
Sag an / welch Gott es sey der sie so sehr helt wider.
Tal. Mein Hertz ist gantz bestürtzt / mir zittern alle Glieder:
Es ist was ärgers noch als daß man glauben kan.
220 Ich selbst / ich hab’s gesehn: es brach jetzt Titan an
Von dem Gebirge her / die Nacht war überwunden /
Als plötzliches Gethön vnd Widerschall entstunden /
Die Erde hüpfft’ empor / der Pusch bewegte sich /
Die heilgen Hainen auch erbebten hefftiglich.

[11]
Die Klippen sprungen auff / vnd die Ideer Steine
226 Die rollten vnter hin; ja nicht die Erd’ alleine /
Die See wird auch gewar daß jhr Achilles kömpt /
So daß sie mit gepraus’ vnd Wellen höher klimmt.
Da macht das Erdreich auff den Abgrundt seiner Höle;
230 Der Heldt Thessaliens erscheint mit Geist’ vnd Seele /
Als da wie Thracien erfahren seine That /
Noch eh’ er Troja sah’; vnd dann als wie er hat
Neptunus Jüngling auch in seinem greisen Haare
Geschlagen; oder da wann er ergrimmet ware /
235 Vnd lieff als sinnloß hin vnd wider in der Schlacht /
Wie Xanthus langsam Floß von Leichen zugemacht.
Vnd damals wie er stoltz im Wagen ist gestanden /
Hat Hectorn vnd mit jhm sein Troja in den Banden
+ + + + + +
[Druckausgabe S. 443]
Ihm nebenbey geführt. sein zorniges Geschrey
240 Erfüllt den gantzen Strandt: also ist’s recht vnd frey /
Ihr tregen Hertzen / jhr; so thut jhr nach dem leben
Mir meinen Ehrendienst: jhr mögt euch weg begeben;
Schifft hin. kennst du nicht vor mein zürnen / Griechenlandt?
Du solst es besser sehn. mir muß mit Pyrrhus Handt
245 Polyxena allhier beym Grab’ ein Opffer werden.
So sprach er / vnd verbarg sich in die Klufft der Erden /
Zum Pluto vnter hin: der vngegründte Grundt
Fiel wider nach jhm zu. die Flut des Meeres stundt
Gar still’ vnd vnbewegt; es legen sich die Winde /
250 Vnd jhre Wellen auch / das Wasser murmelt linde
Vnd rauscht still’ überhin / vnd der Tritonen Chor
Bringt ein new Hochzeitlied auff seiner See hervor.

[12]

PYRRHUS / AGAMEMNON / CALCHAS.

PYr. Als du die Segel sich auff heimwerts liessest wenden
Entfiel Achilles dir / der bloß mit seinen Händen
255 Hat Trojen noch zerstört / vnd wider eingebracht
Was Scyros sonst zu lang vnd Leßbos hat gemacht /
In der Egeer See. Eh’ er noch streiten wolte /
Da zweiffelt’ erst die Stadt durch wen sie fallen solte.
Begehrst du gleich zu thun was er gebeten hat /
260 Vnd eilest nun damit / so ist es doch zu spat.
Ein jeder Heldt hat schon sein Lohn hinweg genommen:
Kan solche Tugend auch geringern Danck bekommen /
Als eben dieser ist? ist der was schlechtes werth /
Der / da man schon von jhm innstendig hat begehrt
265 Zu fliehen diesen Krieg / der rhue sich zu ergeben /
Vnd sicher noch mehr Jahr’ als Nestor selbst zu leben /
Doch seiner Mutter List vnd falsches Kleidt verließ /
Bekandt’ er wer’ ein Mann / vnd nam davor den Spieß?
Es wolt’ vns Telephus sein Mysien verschliessen /
270 Daß gegen Frembden nichts von Freundligkeit wil wissen /
+ + + +

[Druckausgabe S. 444]
Den schlug er vnd vergoß sein Königliches Blut /
Vnd zeigt’ jhm seine Stärck’ / vnd dennoch sanfften Muth.
Auch Thebe ist dahin. auff eine zeit geschahe
Daß Eetion sein Reich vnd sich bezwungen sahe.
275 Durch gleichen Sieg ward auch Lyrnessos vmbgewandt /
Die hoch auff Felsen steht; vnd das jetzt edle Land /
Dieweil Briseis da ist worden auffgefangen.
Der Zanck der König’ auch die Chryse ist vergangen /
Vnd Tenedos berhümbt; das wunder schöne Feldt /
[13]
Wo sich der Thracier stets-sattes Vieh enthelt.
281 Ingleichen Cylla auch / wo Phebus wird geehret.
Wie da / wo man den Fluß Caicus rauschen höret /
Wann er sein Strudel hebt. so vieler Völcker schlacht /
Solch schrecken / so viel Städt’ / als durch des Sturmes macht /
285 Hin in die Lufft zustrewt / diß würde mancher preisen
Als seine höchste That / mein Vater hies es reisen;
So zoh’ Achilles fort: die Krieg’ hat er verführt
Eh’ er zum Kriege kam; sein Lob das jhm gebührt
Hab’ jetzund seinen Ort. ists Hector nicht alleine?
290 Der Ruhm daß Troja noch bezwungen ward ist seine;
Ihr habt sie nur zustört. ich Sohn bin nun bedacht
Dem Vater ähnlich auch zu werden an der Macht.
Es lag der Hector todt dem Vater im Gesichte /
Dem Vetter Memnon auch; es gieng mit bleichem Liechte
295 Die waise Mutter auff; Achilles ward gelehrt
Daß Götter-Kinder auch der grimme Todt versehrt.
Auch die Amazon ist von seiner Handt gestorben.
Erwiegst du den Verdienst / Achilles hat’s erworben /
Wann er von Argis schon vnd von Mycenen her
300 Ihm eine Jungfraw wehlt: vnd hast du noch Beschwer?
Gefeilt dir mein Rhat nicht? ist diß ein grimmes wesen
Des Priamus sein Kindt zum Opffer zu erlesen
Dem Sohne Pelëus? da du schon lange fast
Dein Kindt der Helenen doch auffgeopffert hast.
+ + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 445]
305 Ich wil nichts newes nicht. Agam. das sind der Jugend Sitten /
Sie schleget grimmig aus / vnd kan jhr nicht gebitten.
Die andern / Pyrrhus / reißt des Alters Hitze fort;
Des Vatern Hitze dich. ich weiß noch Zeit vnd Ort
An dem ich auch ertrug das auffgeblasne drewen /
[14]
Das der Eacier heraus sties ohne schewen.
311 Je mehr Gewalt du hast / je mehr hab’ auch geduldt.
Was hilfft’s des Heldens Geist / das jhn so ohne schuldt
Der Mordt besprengen wird? man muß recht vnterscheiden
Was Sieger sollen thun / vnd überwundne Leiden.
315 Kein einig Regiment das mit gewalt verfehrt
Hat lange zeit bestandt; der Glimpff vnd Güte wehrt.
Je mehr das blinde Glück auch hat empor geführet
Die Schätze so vergehn / je mehr es dem gebühret
Der hoch erhaben wird / daß er sich dämpffen sol /
320 Vnd schewen allen Fall / den Göttern die jhm wol
Vnd gut bewogen sind mit furcht’ entgegen lauffen.
Wie nur im Augenblick’ ein Thurn feilt über hauffen
Hab’ ich durch Sieg erlernt. den frechen Muth vnd Pracht
Giebt den vns Troja ein? hat sie vns stoltz gemacht?
325 Stehn doch wir Danaer an eben diesem Orte
An welchem sie vor fiel. es sind doch nicht nur Worte /
Ich steh’ es gerne zu / daß mich vor dieser zeit
Mein Reich geführet hat in Stoltz vnd Eitelkeit.
Jetzt hat des Glückes gunst mir nun den Muth entzogen /
330 Die jhn sonst andern giebt. werd’ ich durch dich bewogen /
Daß ich / O Priamus / noch hoch vnd prächtig bin?
Solt’ ich mir künfftig nun zu sinne mögen ziehn /
Die Kron’ vnd Scepter sind was mehres noch zu heissen
Als Handt vnd Hauptes Zier? ein Fall kan sie zuschmeissen /
335 Es dörffen nicht zehn Jahr’ vnd tausent Schiffe seyn:
Das Glücke raumt so viel nicht einem jeden ein.
+ + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 446]
Mit gunst auch / Griechenlandt / ich muß es nur jetzt sagen /
Die Phryger zu beziehn / vnd jhre Macht zu schlagen
War meine Meynung zwar; daß man nun sehen sol
[15]
Daß sie so gantz weg sind gefiel mir niemals wol.
341 Wer aber kan den Zorn / den Feindt / den Sieg bey Nachte
Im Zaume recht regiern? was vns zu diesem brachte /
Daß mancher grawsamkeit vielleicht’ vnd vnrecht nennt /
War Schmertz vnd Finsterniß in der sich niemand kennt /
345 Vnd das glückhaffte Schwerdt das ohne witz verfehret
Ist’s ein mal blutig schon. steht etwas vnverheeret /
Vnd lebt von Troja noch / das bleib’ hinfort mit rhue;
Die Straff’ ist schärffer noch als das anjetzt darzu
Die Königs-Jungfraw auch sol hingerichtet werden /
350 Vnd jhr so edles Blut besprengen Asch’ vnd Erden /
Ja daß der schnöde Mordt (mein sinn / was meinst du wol
Daß diß für Heyrath sey?) ein’ Heyrath heissen sol.
Nein / nein; man würde mir die gantze Schuldt zuschreiben.
Wer Laster / wann er kan / nicht strafft / der heist sie treiben.
355 Pyr. So bleibt Achilles Geist dann gäntzlich vngeehrt?
Ag. Sein Rhum wird weit vnd breit durch alle Welt gehört.
Erleichtert auch das Blut die Aschen in der Erden /
Der Phryger feistes Vieh sol jhm geschlachtet werden:
Blut ist jhm vnversagt das keine Mutter krenckt.
360 Was für Gebrauch ist diß? wer ist doch / den gedenckt
Daß je zuvor ein Mensch dem andern hat das Leben
Auff sein BegräbnißFest zum Opffer müssen geben?
Nim deinem Vater weg so grossen Haß vnd Neidt /
Den man dir ehren sol mit solcher Grawsamkeit.
365 Pyr. Du frecher stoltzer Mann / wann deine gute Sachen
Nach wundtsch’ vnd willen gehn / vnd dir ein Hertze machen;
Du mehr als furchtsamer wann die Gefahr sich findt:
Der König’ jhr Tyrann / bist du auch jetzt entzündt
Mit Liebe wie du pflegst / vnd wie wir von dir wissen?
[16]
Wilst du die Lust so offt’ an vns alleine büssen?
+ + + + + + + +
[Druckausgabe S. 447]
371 Nun dem Achilles sol hier diese meine Handt
Sein Opffer liefern jetzt; vnd wo du widerstandt
Zu thun gesonnen bist / wil ich jhm eines schlachten
So grösser ist als diß / vnd das für werth zu achten
375 Daß es der Pyrrhus würg’. es ist auch zeit nun wol /
Daß ich an Königs-Blut mich wider machen sol /
Vnd Priamus der wil noch einen zu sich haben.
Agam. Ich sage selber so; das sind des Pyrrhus Gaben /
Der todte Priamus ist seine grosse That /
380 Der seinen Vater doch vmb Gnad’ ersuchet hat.
Pyr. Er bat’ vnd war auch Feindt. doch Priamus hat können
Selbst bitten vngeschewt: du bist so kleiner Sinnen /
Daß du dein Bitten auch nicht selbst verrichten magst /
Vnd es dem Ithacus vnd Ajax furchtsam klagst /
385 Verschlossen im Gezelt’. Agam. Auch da wie Griechenlande
Viel Volck erschlagen ward / vnd seine Schiff’ im Brande
Versuncken an der See / da war dein Vater weit
Von aller Furcht’ vnd Schlacht / bracht’ jhm die lange zeit
Mit Lautenschlagen zu. Pyr. Da waren deine Waffen
390 Dem Hector Schertz vnd Schimpff / vnd des Achilles Schlaffen
Vnd Singen macht’ jhm Angst; er lies das Schiffwerck frey
Das aus Thessalien. Agam. Das Schiffwerck / halt’ ich / sey
Da Hectors Vatern auff der Hector ward gegeben.
Pyr. Ein hoher König schenckt dem andern recht das Leben.
395 Ag. Hast du mit deiner Handt den König nicht entleibt?
Pyr. Weil mancher lieber stirbt als daß er lebend bleibt.
Aga. Jetzt wilt du daß man auch die Jungfraw ab sol schlachten.
Pyr. Vermeinst du daß diß jetzt für vnrecht sey zu achten?
Aga. Ein König lest sein Kindt eh’ er dem Land’ abbricht.
[17]
Pyr. Wer schon Gefangen ist dem hilfft kein Recht mehr nicht.
401 Aga. Was gleich das Recht zulest sol sanfftmuth doch nicht üben.
Pyr. Wer mit dem Schwerdte siegt mag handeln nach belieben.
Aga. Wer viel thun darff / sol nicht viel thun / wann er gleich kan.
Pyr. Sagst du diß diesen noch die von zehn Jahren an
+ + + + + +
[Druckausgabe S. 448]
405 Ein schweres Joch gedrückt / vnd Pyrrhus loß erst giebet?
Ag. Macht Scyros solchen muth? P〈yr〉. Die BrüderMordt nit liebet.
Ag. Die gantz im Wasser steht. Pyr. Der See die jhr verwandt.
Mir ist Thyestes Hauß vnd Atreus wol bekandt.
Ag. Du dessen vnverweibt die mutter ist genesen /
410 Achilles Sohn / doch noch als er kein Mann gewesen.
Pyr. Wol recht Achilles Sohn / doch dessen Streitbarkeit
Vnd grosser Heldenmuth der vnerschöpfften zeit
Genungsam kündig ist / der sein Geschlecht’ vnd Samen
Hat in der gantzen Welt / der seines Stammes Namen
415 Im Himmel selber weis: die Thetis hat das Meer /
Den Abgrundt Eacus / die Wolcken Jupiter.
Ag. Achilles / welcher bloß vom Paris vmb ist kommen.
Pyr. Mit dem es auch kein Gott nicht nah’ hat angenommen.
Ag. Zwar hett’ ich dir mit ernst / wie billich / abgelohnt;
420 Doch ist mein Schwerdt so fromm / daß es auch derer schont
Die gleich Gefangen sind. ich wil den Calchas holen /
Der mit den Göttern redt; wird es durch sie befohlen /
So geb’ ich sie nur hin. du / der du loß gemacht
Hast daß Pelaßger-Schiff / vnd auff sein Ort gebracht
425 Des langen Krieges Last / bist kündig auffzuschliessen
Des Himmels blawe Burg / kanst die Geheimniß wissen
Der Glieder aller Thier’ / vnd dem der Plitz der Welt /
Vnd der Cometenstern ein rechtes Zeichen stellt
Der Götter über vns / O Calchas / dessen Worte
[18]
Mich viel bißher gestehn / was auch an diesem Orte
431 Gott von mir haben wil das sage rundt vnd frey /
Vnd stehe dißfals mir mit trewem Rhate bey.
Cal. Die Götter wollen euch / doch so / zu ziehn erleuben;
Daß nur die Jungfraw muß Achilles Opffer bleiben.
435 Wie die Thessalinn sich in jhrer Kleidung tregt /
Vnd die Ioninn auch wann sie zu freyen pflegt /
Vnd ein Mycenisch Mensch / so sol der Pyrrhus geben
Dem Vater diese Braut: dem steht euch nach zu leben.
Doch schleust auch diß das Meer den Schiffen nicht nur zu:
440 Es ist noch edler Blut / Polyxena / als du /
+ +
[Druckausgabe S. 449]
So das Verhengniß sucht: es wil auch von vns haben
Den Enckel Priamus / des Hectors seinen Knaben /
Den man vom höchsten Thurn’ herunter stürtzen sol:
Hernachmals sey die See von tausent Segeln voll.

Chor der Trojanerinnen.

445 OB es dann war ist / oder nicht /
Vnd lassen wir vns nur betriegen /
Daß vnser Geist lebt wie man spricht /
Wann gleich die Cörper todt da liegen?
Wann vns das Weib die Augen schon
450 Betrübet zugedrückt wird haben /
Vnd vnser’ Asch’ auch ist darvon /
Steht in dem Kruge tieff begraben /
Lebt dann der Geist doch gleichwol hier /
Vnd darff man jhm kein Grab nicht machen?
455 Ist’s also? oder sterben wir
Mit Leib’ vnd Seel’ vnd allen Sachen /

[19]
Vnd bleiben nachmals gantz mit rhue /
Wann Geist vnd Athem aus vns fehret /
Im Nebel auff die Lüfften zu /
460 Vnd vns der Holtzstoß schon verzehret?
Daß wo die Sonn’ vnd Nacht entsteht /
Das was die See pflegt zu begiessen
Die für sich oder rückwerts geht /
Wird als ein Wasserstrom verfliessen.
465 Gleich wie die zwölff Gestirne nicht
Sich säumen schnelle sich zu wenden;
Der Sternen Herr / des Titans liecht /
Auch eilt die zeiten zu vollenden;
Gleich wie die bleiche Hecate
470 Den krummen Weg leufft auff vnd nieder /
So sind auch wir: des Charons See
Schickt nachmals nichts mehr von vns wieder.
+ +
[Druckausgabe S. 450]
Wie Rauch der auffgeht aus der Glut
Von leichten Dünsten wird zertrieben;
475 Wie Boreas den Wolcken thut /
So wird auch vnser Geist verstieben.
Nach diesem Tod’ ist nichts mehr nicht /
Der Tod ist selber nichts zu nennen;
Ein Ziel das vns die Jahr’ abbricht /
480 Die mit vns flüchtig von vns rennen.
Ihr Geitzigen stellt Hoffnung ein /
Ihr Furchtsamen laßt ewer Flehen.
Fragst du mich / wo du todt wirst seyn?
Wo die so nie die Welt gesehen.
485 Die Zeit frißt vns mit sampt der Welt /
Wir sehn den Todt stets in vns wohnen /
[20]
Der würgt den Leib wann’s jhm gefeit /
Vnd kan der Seelen selbst nicht schonen.
Der Tenarus / der Hellenhundt /
490 Vnd Pluto in dem strengen Reiche /
Sind ein Geschwätz / ein falscher Fundt
Vnd Fabel einem Trawme gleiche.

Der Dritte Act. ANDROMACHA / EIN ALTER / VLYSSES.

ANd. Was schlegst du deine Brust / o du betrübter Hauffen /
Ihr Phryger Weibesvolck / was sol diß Haaraußrauffen?
495 Trifft solches Leid vns nur was klagens werth scheint seyn /
So geht es hin. an jetzt feilt Troja euch erst ein;
Mir fiel es damals schon als Peleus grimmer Wagen
Vorlengst mein ander Ich den Hector muste tragen /
Die überschwere Last von der er fast zubrach.
500 Daselbst gieng Troja ein. ich sterbe nach vnd nach /
Vnd fühle bald nichts mehr: ich were schier gesonnen /
Nun ich den Danaern bin aus der Handt entronnen /
+ +

[Druckausgabe S. 451]
Zu folgen meinem Mann’: hier der nur lest mich nicht;
Hier der ist’s der mich helt / der mir das Hertze bricht /
505 Vnd zwingt mich daß ich noch die Götter was muß bitten.
Er setzt mehr zeit zu dem was ich zuvor erlitten:
Er nimpt die beste Frucht des Leides von mir hin /
Ohn alle furchte sein. nun ich gantz trostloß bin /
Nach dem mir Weg vnd Steg zum hoffen ist benommen /
510 So hat das Vbel fug wie es kan an mich kommen.
[21]
Nichts schwerers ist als das wann man sich fürchten muß
Da man nichts weiter hofft. Alt. Was ist es für Verdruß /
Für Sorge so dich krenckt? And. Viel grösser’ Angst entspringet
Aus der die vor groß ist: des Himmels Zorn verbringet
515 An Trojen noch was mehr. Alt. Weis dann nun weiter Gott /
Im fall er auch schon wil / zu finden eine Noth
Mit der er straffen kan? And. Der tieffe Schlundt der Erden /
Der Hellen schwartze Grufft die muß eröffnet werden;
Daß ja wir Armen nie ohn Angst sind vnd Beschwer
520 So kommen auch die Feind’ aus jhren Gräbern her.
Ist’s nur den Danaern zurück erlaubt zu lauffen?
Sie sterben ja wie wir. diß hat den gantzen Hauffen
Des PhrygerVolcks erschreckt. mich hat die trübe Nacht
Durch einen schweren Trawm für jhnen schew gemacht.
525 Alt. Bekenne was du hast für Angst im Schlaff’ erlitten.
And. Die Nacht die hatte bald zwey theil’ jetzt überschritten /
Der Siebensternen Joch stund wider vmbgewandt /
Als ich betrübte Rhue vnd kurtzen Schlaff empfandt /
(Wo die Verstarrung auch kan Schlaff geheissen werden)
530 Da kam mir Hector für; doch so nicht von geberden
Wie der Argiver Blut sein scharffes Schwerdt genetzt /
Vnd er die GriechenSchiff’ hat in den Brandt gesetzt:
Noch wie er in der Schlacht der Danaer geschnaubet /
Vnd den der es nicht war Achilles hat beraubet:
535 Sein Antlitz brandte nicht; nein / es sah’ vnter sich;
Er war von seufftzen matt / als wie jetzunder ich:
+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 452]
Sein Haar lag gantz verwirrt. jedoch fast’ ich behagen
Aus seiner gegenwart. ach / hub er an zu sagen /
Schlaff nicht / mein Lieb / schlaff nicht Gemahlin: wo dein Sohn
540 Erhalten werden sol / so führ’ jhn bald darvon.
[22]
Das beste Mittel ist du leßt jhn nicht erscheinen.
Laß doch von Seufftzen ab. wilst du vmb Troja weinen?
Ach / wolte / wolte Gott / sie lege gantz vnd gar!
Eil’ / eil’ / vnd schaff’ jhn fort; errett’ vns aus Gefahr
545 Des Hauses kleinen Stamm. das Zittern / Furcht vnd Zagen
Nam mir den Trawm hinweg; ich schawte gantz zuschlagen
Vnd furchtsam hin vnd her / vergaß des Sohnes schier /
Vnd eilte Hectorn nach. sein Geist kam aber mir
Aus meinen Händen weg. O Sohn / du warer Samen
550 Des Vaters / meine Lust / des Hauses letzter Namen /
Der Phrygier jhr Trost / der du noch einig blühst /
Vnd deinem Vater doch ja gar zu ähnlich siehst.
So sahe Hector aus; diß war sein’ art im gehen /
So war er angethan / so pflag er hoch zu stehen /
555 So ernsthafft war die Stirn’ im fall er zornig war /
So hieng jhm vmb den Halß das schöne lange Haar.
O Sohn / den Phrygiern ja gar zu spat geboren /
Der Mutter gar zu früh; ist auch ein Tag erkoren /
Ist die gewündschte Zeit von Göttern auch ernannt /
560 Daß durch dich letzten Schutz vnd Rächer dieses Landt
Vnd vnser Pergama sol new’ erbawet werden?
Das vnser BürgersVolck / so auff der gantzen Erden
Jetzt in der flucht vmbgeht / dir heimwerts folgen sol?
Daß Troja Troja sein / vnd Phrygier so wol
565 Als vor der Kriegeszeit das Landt hier bawen sollen?
Wo denck’ ich aber hin? diß heist zu gar viel wollen.
Gefangnen ists genung daß man sie leben lest.
Au weh mir! ist auch noch von vnsrer Stadt ein rest /
Ist auch ein sichrer Ort dem ich dich darff vertrawen?
570 Die Mawren welche nur die Götter können bawen /
[22]
Das Schloß / das reiche Schloß / in aller Welt bekandt /
Das Neides würdig war / ist Asch’ / ist Staub vnd Brandt.
+ + + + +
[Druckausgabe S. 453]
Von solcher grossen Stadt ist keine Stelle blieben
Da nur ein Kindt kan seyn. wie sol ich die List üben?
575 In meines Mannes Grab / vor dem den Feinden grawt /
Daß jhm der Vater hat sehr kostbar auffgebawt /
Gedenck’ ich jhn zu thun. beym Vater / wie ich meyne /
Ist er am besten frey; mir zittern Arm vnd Beine /
Ich schwitze kalten Schweiß: wird er in’s Grab gethan /
580 Zum todten Vater hin? diß zeigt nichts gutes an.
Alt. Diß Mittel hat gemacht daß viel nicht sind verdorben /
Daß man geglaubet hat sie weren lengst gestorben.
And. Sein Adel den er führt ist eine schwere last:
Meld’ jhn nur niemand nicht. Alt. Wann du nur keinen hast
585 Der etwan darumb weis. And. Wann jhn der Feindt wil haben?
Alt. Er kam mit Troja vmb. An. Was hilffts den armen Knaben?
Er muß doch letzlich her. Alt. Der erste Grimm der bricht
An dem der siegt nur aus. And. Er kan allda noch nicht
Ohn hohe furchte seyn. Alt. Wer frey ist der mag wehlen;
590 Wem nachgestellet wird der muß jhm ein Ort stehlen.
And. Welch Sitz / welch fernes Landt verschleust dich sicher ein?
Was schützt vns auff der Welt? wer wird Beschirmer seyn?
Hilff / Hector / vns wie vor; nim deiner frommen Frawen
Auch frommen Diebstal an / vnd deck’ jhn im vertrawen
595 Bey deiner Asche zu. komm her / komm her / mein Sohn;
Verkreuch dich in das Grab. was leuffst du doch darvon /
Vnd fleuchst die Finsterniß? du schewst sich schewen können;
Diß ist dein’ edel’ art: thu weg die grossen Sinnen
Den angebornen Muth; vnd nim den den der fall
600 Vnd zeit giebt an die handt. schaw’ an vns allzumal
[24]
Die wir noch übrig sind; ein Grab / ein Weib / ein Knabe.
Dem übel weicht man recht: komm zu dem trewen Grabe
Des Vaters der hier liegt; komm / komm vnd kreuch hinein.
Diß Ort / wo Gott vns hilfft / kan deine Rettung seyn /
605 Wo nicht / so ist’s dein Grab. Alt. Er ist nun wol verwahret;
Daß er durch deine Furcht’ auch nicht werd’ offenbahret
+ + + + + +
[Druckausgabe S. 454]
So mache dich hinweg. And. Die Furcht’ ist leichter schier
Die in der näh’ vns trifft: doch gleichwol komm von hier.
Alt. Schweig / laß vom Klagen ab / vnd truckne deine Wangen;
610 Der Cephalener Fürst kömpt grimmig her gegangen.
And. O Erde / thu dich auff / vnd du zerreiß / mein Mann /
Den tieffsten Schlundt im Styx / daß da verbleiben kan
Was ich dir anvertrawt. hier hab’ ich schon Vlyssen:
Er geht vnd siht auch falsch / vnd spinnet im Gewissen
615 Betrug vnd arge List. Vl. Zum ersten bitt’ ich dich /
Ich Botte harter Post / daß du die Schuldt auff mich
Nicht etwan legen mögst / ob ich sie gleich muß melden.
Das Wort ist meine zwar / die Meynung ist der Helden
Vnd Griechen allerseits: des Hectors Sohn verwehrt
620 Die Reis’ auff heimwerts zu; der wird von Gott begehrt.
Es steht den Danaern dem Frieden nicht zu trawen:
Sie würden jmmer so zurücke müssen schawen /
Vnd stets im Harnisch seyn: die Phryger / wo dein Kindt
Noch lebt / Andromacha / verbleiben hochgesinnt.
625 A〈nd〉. Heist Priester Calchas diß? Vl. Schwieg’ auch gleich Calchas eben /
So sagt’ es Hector doch / der mir noch jetzt zu leben
In seinem Sohne scheint. ein edler Samen schlegt
Der ersten Ankunfft nach von der er Früchte tregt.
So geht ingleichen auch der kleine bey-gefehrte
630 Der grossen Herde her / eh’ jhm der Kopf noch härte
[25]
Von Hörnern worden ist / tregt Stirn vnd Halß empor /
Als wie sein Vater pflegt / vnd tritt dem Viehe vor.
Ein Propff das jung vnd zart vom Strumpffe wird gehawen /
Leßt sich in kurtzer zeit der Mutter gleiche schawen /
635 Daß so der Himmel waldt / die Erde schatten kriegt.
Ein funcken der wie todt in seiner Asche liegt
Wacht auff vnd macht sich groß. man kan in tieffen Schmertzen
Ja freylich sag’ ich wol ein ding nicht recht behertzen;
Doch denckst du was nur nach / so giebst du leichte zu /
640 Daß nach zehn Jahren jetzt / seit dem wir ohne Rhue
Vnd nur geringen Rast allhier in Waffen liegen /
Der alte Landtsknecht sich befohrt für newen Kriegen /
+ + + + +
[Druckausgabe S. 455]
Für Troja das noch jetzt nicht recht ist hingelegt:
Es ist was wichtigers das vnser Volck bewegt /
645 Ein Hector / welcher auch noch künfftig kan entstehen.
Nim vnsre Furchte weg: zu Schiffe sonst zu gehen
Ist ein vnmüglich ding; diß wesen helt vns hier.
Verdencke mich auch nicht: das Loß beruht auff mir:
Ich muß des Hectors Sohn gezwungen von dir bitten /
650 Vnd bet’ Oresten selbst. der Sieger hat’s erlitten /
So leid’ auch du es jetzt. And. Mein Kindt / O wolte Gott /
Ich hette dich allhier! erführ’ ich was für Noth
Dich mir geraubet hat / vnd wo du hin bist kommen!
Es hette mir kein Schwerdt / kein Bandt / noch Glut genommen
655 Das Mütterliche Hertz’: ich hette wie mit lust
Den Feinden dargestellt die Handt / die Seit’ vnd Brust.
Mein Kindt / wo bist du nun? welch Fall hat dich vmbfangen?
Bist du in einen Waldt zu tieff verjrrt gegangen?
Ach! oder hat auch dich des Vaterlandes Glut
660 Verzehret? oder hat der Feindt mit deinem Blut’
[26]
Ergetzet seinen Zorn? hat dich ein Thier erbissen /
Daß du auff Ida jetzt von Vogeln wirst zerissen?
Vl. Laß solche Worte seyn: Vlysses seinen Sinn
Berücken ist zu hoch: Ich habe zuvorhin
665 Der Mütter List / ja selbst der Göttinnen / bezwungen;
Drumb was dein Hertze denckt das red’ auch mit der Zungen:
Sag’ an / wo ist dein Sohn? And. Wo sind die Phryger dann?
Wo ist der Priamus? wo Hector auch mein Mann?
Du suchest einen nur; ich muß nach allen fragen.
670 Vl. Was du nicht willig thust wirst du gezwungen sagen.
And. Die sterben kan / vnd muß / vnd will ist freyheit voll.
Vl. Sieht man den Todt für jhm / der Hohmuth legt sich wol.
+ + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 456]
And. Vlysses / sol ja sich Andromacha ergeben /
Vnd du jhr drewen wilt / so drew’ jhr mit dem Leben:
675 Dann sterben ist mein wundsch. Vl. Durch schläge / fewer / todt /
Durch Marter vieler art / vnd Schmertzen in der Noth
Wird das geheimniß wol noch aus dir seyn zu bringen.
Die Angst kan mehr als zwar die Kinderlieb’ vns zwingen.
Welch thöricht thun ist das? wann man nach kleiner zeit
680 Muß sagen was man birgt / was hilfft Verschwiegenheit?
And. Brauch’ alle Kunst von quahl / Durst / Hunger / Wunden / Flammen /
Nim glüend’ Eisen her / such’ alles das zusammen /
Nechst Kercker / Wust vnd Pest / was der so überwindt
Aus Zorn vnd Grawsamkeit für art der Pein erfindt.
685 Vl. Du kühne Mutter du / wilt keines drewens achten.
So müssen auch wie du die Danaer betrachten
Die Liebe welche sie zu jhren Kindern tregt.
Ich wolt’ / ob wir den Krieg so weit gleich hier gehegt /
Zehn gantzer Jahre nun / von wegen meiner Sachen /
690 Was Calchas jmmer sagt / mir keinen Kummer machen;
[27]
Ich fürchte mich nicht mir: dem du den Krieg so mehrst
Ist der Telemachus. And. Auff daß du ja jetzt hörst
Daß ich / wie schwer ich’s thu / Vlyssen wil erfrewen /
Vnd seine Danaer / so sag’ ich ohne schewen
695 Dein Klagen / meine Pein. erlüstigt ewren Sinn /
O jhr Atriden / nun / vnd du lauff eilends hin
Auff die Pelasger zu / erfrew sie wie du pflegest:
Des Hectors Sohn ist todt. Vl. Ist was das du belegest
Daß diesem also sey? And. So war mir müß’ ergehn
700 Was der mir welcher siegt kan drewen außzustehn /
So war mein wündschen ist daß ich nicht lengst verbleiche /
Vnd in dem meinen lieg’ vnd Hectors seine Leiche
Im Vaterlande hier wol ruh’ ohn alles Leidt /
So war auch ist mein Kindt im Grab’ jetzt allbereit.
705 Vl. Nun Hectors Stamm weg ist so ruht der Götter wille /
Vnd ich bin froh daß ich den Danaern die fülle
Vom Frieden sagen kan. was hast du aber für /
Vlysses? glauben diß die Danaer gleich dir /
+ + + + +
[Druckausgabe S. 457]
Glaubst du der Mutter dann? ob sie nicht wol nur tichtet /
710 Vnd alle drewung auch des Todes gantz vernichtet?
Wer sonst nichts schewt schewt der ein böses Zeichen noch
Das jhm zu handen stößt? sie hat’s ja trefflich hoch
Bethewret durch den Schwur. wird sie sich falsch vereiden /
Kan jhr Gewissen auch wol grösser Elendt leiden?
715 Jetzt denck’ auff List / mein Sinn / vnd auff Betriegerey:
Der gantz’ Vlysses muß zu diesem Thun herbey.
Die Warheit birgt sich nicht; such’ in der Mutter Hertzen.
Sie weinet / seufftzet / klagt / vnd geht in vollem Schmertzen
Jetzt hin jetzt wider her / vnd hört mir für vnd für
720 Auch auff ein jeder Wort. ich mercke das bey jhr
[28]
Mehr Furchte sey als Leidt: anjetzt ist’s zeit zu tichten.
Die andern Eltern zwar die pflegt man auff zu richten /
Zu trösten in der Angst: dir / arme / sol man fast
Jetzt Glücke wündschen noch daß du kein Kindt nicht hast /
725 Das sonst durch schweren todt herunter solte werden
Vom Thurne der noch steht geworffen auff die Erden.
And. Ich bin ohn Hertz’ vnd Krafft; ach! ich vergehe schier /
Die Glieder sincken hin / das Blut bestehet mir.
Vl. Sie bebt; ich hab’ es wol gar gut jetzt vorgenommen;
730 Die Furcht’ entdeckt jhr Hertz’: ich muß noch ein mal kommen.
Eilt / jhr Pelasger / eilt / sucht ewres Namens Feindt /
Den seine Mutter euch zu bergen hat vermeint:
Bringt her die letzte Pest / schawt wo er sich verkrochen.
Hier ist er; das ist gut: also muß man jhn suchen.
735 Eil’ / eil’ / vnd fort mit jhm. was siehst du mich noch an?
Was zitterst du so sehr? jetzt ist’s mit jhr gethan.
And. O wolte Gott / daß ich in blossen furchten stünde;
Ich bin es wol gewohnt. man kan nicht so geschwinde
+ + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 458]
Vergessen was man vor gelernt hat lange zeit.
740 Vl. Dieweil der Knabe dann als Söhnschuldt allbereit
Durch einen bessern Todt den Göttern ist entgangen /
Vnd kan der Priester nun diß Opffer nicht erlangen /
Als meynet Calchas so / wo vnsre Schiffart sol
Ja werden außgesöhnt / müß’ Hectors Asche wol /
745 Damit die See sich leg’ / hinauff gestrewet werden /
Vnd auch sein Grab geschleifft biß auff den Grundt der Erden.
Nach dem sein Sohn den Todt jetzt nicht erwartet hat /
So wil es nötig seyn daß an die heilge stat
Nun werde Handt gelegt. And. Was sol ich jmmer machen?
750 Mein Hertze wird zutrennt von zweyen schweren sachen:
[29]
Hier ist mein liebster Sohn / vnd hier mein liebster Mann.
Welch theil bezwinget mich? ich ruff’ euch Zeugen an /
Ihr grimmen Götter jhr / euch Götter auch in gleichen /
Die rechte Götter sind / jhr Geister Hectors Leichen /
755 Daß nichts an meinem Sohn’ / O Hector / weiter mich
Ergetzet als nur du: drumb leb’ er daß er dich
Mir allzeit zeigen kan. doch / sol ich gleichwol sehen /
Daß man dein’ Asche wird den Winden fort zu wehen
Verstrewen auff das Meer? sol nun erst dein Gebein /
760 Das jetzt in frieden liegt / ein Spiel der Wellen seyn?
Nein; sterbe lieber der. kanst du dann zu auch geben /
O Mutter / daß man jhn so schändlich bring’ vmbs Leben?
Daß man jhn durch die Lufft herunter stürtzen sol?
Wirst du diß können sehn? ja freylich nicht gar wol;
765 Jedoch / ich wil es thun; daß nur mein Hector liege /
Vnd jhn der Feindt nicht todt auch in die Hände kriege.
Hier der kan seine Straff’ empfinden weil er lebt /
Ihn hat der Todt befreyt. was zweiffelt noch vnd strebt
Dein Hertz’ in wanckelmuth? du must dich recht besinnen
770 Wer zu erlösen sey. wilst du noch zweiffeln können /
O du Vndanckbre du? dort’ ist dein Hector ja.
Doch nein; du jrrest dich; er ist allhier vnd da.
+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 459]
Der lebt noch / vnd kan wol hernach durch grosse Thaten
Des Vaters Rächer seyn. du kanst nicht beyden rathen.
775 Was wilst du dann nu thun? errette den / mein Sinn /
Der noch die Danaer kan künfftig überziehn.
Vl. Ich wil thun was ich sol / vnd gantz die Grufft zerstören.
And. Habt jr sie nicht verkaufft? Vl. Ich weis nicht auffzuhören
Biß daß sie ist vertilgt. And. Ich ruff’ euch Göttern zu /
780 Vnd dir / Achilles auch; O Pyrrhus komm doch du /
[30]
Laß deines Vatern Grab nicht so verwüstet werden.
Vl. Es wird bald liegen hier gestrewet auff der Erden.
And. Ihr Danaer habt nur noch die That nicht verbracht.
Ihr habt an Heiligthumb vnd Kirchen euch gemacht /
785 Vnd an die Götter selbst die euch doch günstig waren:
Von Gräbern hatte man nur einig nichts erfahren.
Ich wil doch wie ich kan dem Rasen widerstehn /
Sind sie gewaffnet gleich so wil ich doch hingehn /
Gewaffnet nur mit Zorn’ vnd stürmig an sie lauffen;
790 Wie die Amazon thet als der Argolisch’ Hauffen
Durch sie getrennet ward; vnd wie die Menas pflegt
Zu wüten mit dem Spieß’ im fall jhr Gott sie regt:
Der Waldt erschrickt für jhr / sie kan sich nicht mehr kennen /
Ist wundt vnd fühlt doch nichts. ich muß nur auff sie rennen /
795 Muß retten wie ich kan sein Grab vnd sein Gebein;
Wil mit der Aschen auch wie er verschorren seyn.
Vl. Was feyret jhr erst viel? laßt jhr euch weiche Zehren
Vnd den vergebnen Grimm des armen Weibes wehren?
Thut eilendts was ich wil. And. Kompt lieber her zu mir /
800 Vnd stoßt das Schwerdt durch mich. O Hector / komm herfür /
Brich durch Avernus Schlundt; es ist jetzt zeit zu dringen
Aus deiner Finsterniß. Vlyssen zu bezwingen
Bist du auch todt genung. er schüttert mit der Handt
Die Waffen wie er that; er strewet Glut vnd Brandt.
+ + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 460]
805 Seht seht / jhr Danaer / seht Hectorn: oder schawe
Ich jhn alleine nur? Vl. Mach’ jmmer fort vnd hawe /
Brich ab biß auff den grundt. And. Hilff Gott / was thust du dann?
Verderbest du zugleich/ O Mutter/ Sohn vnd Mann?
Vielleichte werden dich die Danaer erhören.
810 Jetzt kömpt er auff die Asch’ / jetzt wird er sie zerstören
[31]
Der Leichen schwere Last. es sterbe wie es wil
Vnd wo / das liebe Kindt / so ist’s doch nicht so viel
Als wann der Vater selbst den Sohn / den Vater wieder
Der Sohn vertilgen sol. ich falle für dir nieder /
815 Vnd bring’ anjetzundt dir / Vlysses / meine Handt
Zun Füssen / die zuvor noch keinen Fuß erkandt.
Schaw’ eine Mutter an; vernim doch von mir armen
Was mich die Wehmuth lehrt. gedencke das erbarmen
An überwundner Schar dir desto mehr gebührt /
820 Je mehr die Götter dich hoch haben auffgeführt.
Wer wil daß jhn das Glück auch gnädig an sol wehen /
Sey gnädig selbst zuvor. so lieb dir ist zu sehen
Dein frommes keusches Weib; so lieb dir ist der Tag
An dem Laertes sich gleich als verjüngen mag /
825 Weil du jhm widerumb nun seyst nach Hause kommen;
So lieb es dir wird seyn wann du wirst angenommen
Durch deinen kleinen Sohn / der hoher gaben voll
Des Vaters Vatern gleich’ an Alter werden sol /
Dem Vatern an Verstand’; ermieß doch meinen Schmertzen /
830 Der mich nicht reden leßt / vnd denck’ an Eltern-Hertzen.
Er ist mein letzter Trost der mein Betrübniß stillt.
Vl. Gieb erstlich jhn nur her / dann bitte wie du wilt.
And. Komm du kläglichs Diebstal du
Der ärmsten jetzt; ich muß dich nur verlassen.
835 Schaw’ / Vlysses / schaw’ hier zu /
Diß ist das Kindt das tausent Schiffe hassen.
Dieser Herr ist’s dem wir sindt;
Heb’ auff die Handt / heb’ auff / fall’ jhm zun Füssen.
Halt’s für keine Schmach / mein Kindt /
+ + + + + +
[Druckausgabe S. 461]
840 Daß wir dem Glück’ jetzt folge leisten müssen.
[32]
Bilde dir nicht mehr nun ein
Die König’ jetzt so deinen Stamm gezieret:
Las den grossen Alten seyn
Der weit vnd breit hat in der Welt regieret:
845 Las auch Hectorn: thu die Pflicht /
Fall’ auff die Knie / wie dißfals muß geschehen.
Merckst du deinen Todt noch nicht /
So lerne hier von deiner Mutter flehen.
Hat doch sonst ein Königs-Sohn
850 Vor dieser Zeit auch eben diß erlitten:
Troja sahe lengest schon
Den Priamus Alciden überbitten.
Der sonst vngezähmte Mann /
Vor dessen Krafft die Thiere sich verkrochen /
855 Der die Hell’ hat auffgethan /
Vnd einen Weg zurück heraus gebrochen /
Dem brach weinend seinen Sinn
Ein kleiner Feind: er gab’ jhm seine Krone /
Nim / sagt’ er / das Scepter hin /
860 Doch führ’ es so / daß mehr Trew in dem Sohne
Als zwar in dem Vater sey.
Daß Hercules gefangen hielt den Knaben
War sein Nutz / vnd macht’ jhn frey.
Lern’ auch wie er nicht harte Sinnen haben /
865 Der Ergrimmt ward gut gespürt.
Wie kömpt es doch daß aus den Sachen allen
Die den Hercules geziehrt
Die Waffen nur euch Griechen wolgefallen?
Der so viel als jener ist /
870 Den siehst du hier zu deinen Füssen liegen:
[33]
Wann du jhm nur übersihst /
Mag Troja seyn / mag wie es wil verfliegen.
+ + + + +

[Druckausgabe S. 462]

VLYSSES / ANDROMACHA / ASTYANAX.

Vl. Der armen Mutter Leidt kan zwar mich sehr bewegen /
Doch muß ich mehr als jhr der Griechen Mütter pflegen /
875 Weil jhnen dieses Kindt groß Creutze machen kan
Im fall es leben sol. And. Ach / schaw’ jhn doch recht an.
Sol er den Schutt der Stadt zu räumen jhm getrawen?
Sol dieser Hände Krafft ein Troja widerbawen?
Hat Troja sonst auff nichts zu hoffen als auff jhn /
880 So ist jhr hoffen schlecht. wir sind nicht so nur hin /
Wir Trojer / daß man vns mehr solle fürchten können.
Kan jhm der Vater noch erheben seine Sinnen?
Der doch geschleiffet ist. der Vater / nun die Glut
Hat Trojen hingelegt / der hette seinen Muth
885 Durch solchen schweren Fall jhm lassen selber sencken.
Muß ja noch Straffe seyn / was kan vns härter krencken?
Es werd’ ein Knechtisch Joch an seinen Halß gethan /
An seinen edlen Halß. thut diese Straff’ jhm an.
Ist diß zu wenig noch für einen Königs-Knaben?
890 Vl. Vlysses thut diß nicht; der Calchas wil es haben.
And. Du falscher böser Mensch / du Künstler arger List /
Der du durch Krieges That noch keines Meister bist;
Durch Lügen vnd Betrug des Hertzens hast du können
Auch den Pelasgern selbst nicht ehrlich angewinnen /
895 Vnd jhr erwürger seyn. ist’s Calchas sein begehr /
Vnd rühret durch geheis der frommen Götter her /

[34]
Die doch in Vnschuldt sindt? du / du thust solche Thaten /
Du Kriegsheldt bey der Nacht; durch dich wird er verrhaten
Der Knab’ / vnd hingewürgt. jetzt ist ein mal der Tag
900 An dem du was verbringst daß jemandt sehen mag.
Vl. Den Danaern sind wol bekandt Vlysses Sachen /
Den Phrygern gar zu wol. viel Worte hier zu machen
Ist jetzt nicht zeit darzu: der Schiffman zeucht jetzt schon
Die Ancker zu sich auff. And. Ach / laß mir meinen Sohn
905 Die kurtze weile nur / biß ich jhm vor kan geben
Den letzten Ehrendienst in seinem jungen Leben /
+ + + + +
[Druckausgabe S. 463]
Vnd trösten meine Pein durch diesen Abschied-Kuß
Vl. Gott wolt’ ich dörffte nicht verbringen was ich muß!
Weil ich nun sonst nichts kan / so wil ich diß nicht wehren:
910 Bewein’ jhn etwas noch. das Leidt wird durch die Zehren
Erleichtert vnd gedämpfft. And. O du mein süsses Pfandt
Des wüsten Hauses zier! O Trojen letzter Brandt/
Furcht’ aller Danaer! der Mutter eitels hoffen!
Für den ich offtmals pflag die Götter anzuruffen /
915 Du möchtest mit der Faust nechst deinem Vater stehn /
Dem Vaters-Vater gleich’ am mittlen Alter gehn.
Gott schlegt mein wündschen aus. du wirst kein Scepter tragen
Zu Troja auff der Burg / kein Recht vnd Vrtheil sagen /
Kein überwundnes Volck ziehn vnter deine Pflicht /
920 Vnd Königliche Joch; der Griechen Rücken nicht
Zuschmeissen vor dir her / den Pyrrhus nach dir schleiffen /
Nicht mit der zarten Handt / Schwerdt / Schildt vnd Spieß ergreiffen /
Nicht mutig wilde Thier’ ereilen durch den Waldt /
Nicht / wann auffs fünffte Jahr das Spiel würd angestallt
925 Daß man von Troja heist / die schnellen Truppen führen;
Nicht nach der krummen Flöt’ im Phryger Tempel zieren
[35]
Den alten Lobetantz. O strenge Todesart /
Noch härter als der Todt! der grosse Hector ward
Zwar kläglich vmbgebracht / doch wird die Mawer sehen
930 Was noch mehr kläglich ist als dieses war geschehen.
Vl. Laß nun das klagen seyn. Ein solches grosses Leidt
Hört von sich selbst nicht auff. And. Gieb doch noch kleine zeit /
Vlysses / daß ich jhm die Augen zu kan drücken /
Vnd weil er lebet noch die kleine Leiche schmücken
935 Mit meiner eignen Handt. du must zwar jung hiervon /
Doch fürchtet man dich auch. dein Troja wartet schon.
Nun reise frey / mein Kindt / laß dir zu ziehn belieben
Zu den Trojanern hin die gleichfalls frey sind blieben.
+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 464]
Ast. Ach Mutter / last mich nicht. And. Was heltest du dich an
940 An deiner Mutter Schoß die dich nicht retten kan?
Mein helffen hilfft dich nicht. wie wann der Löwe brüllet /
Daß das Revier vmbher mit zittern widerschüllet /
So leufft der kleine Stier zu seiner Mutter hin /
Doch fehrt der Löwe zu / vnd nimpt jhr den Gewinn
945 Vnd kleinen Raub hinweg in seinem grossen Rachen:
So wird es auch der Feindt mit dir anjetzundt machen.
Nim diß mein nasses Haar / den Kuß mit dir darvon /
Die Thränen voller Angst. also magst du / mein Sohn /
Voll meiner vnterhin zu deinem Vater dringen /
950 Doch solst du diese Klag’ jhm von der Mutter bringen /
Im fall ein Geist sich auch noch auff die Welt versteht /
Vnd nicht zugleiche Lieb’ vnd Leben vntergeht:
Sol dein’ Andromachen ein Griechenmann nun kriegen /
Du grimmer Hector / du? kanst du noch so da liegen?
955 Stundt doch Achilles auff. nim noch ein mal mein Haar /
Nim meine Thränen hin / was mir vom Manne zwar
[36]
Noch übrig blieben ist. nim diesen Kuß / mein Leben /
Den du in kürtzen kanst dem Vater widergeben.
Laß dieses Kleid mir hier. der lebend mich geziehrt /
960 Vnd todt auch jetzt erhelt / der hat es angerührt.
So viel hier Asche liegt die wil ich jetzt begiessen
Mit meiner Zehren bach / vnd noch zu letzte küssen.
Vl. Sie säumt sich mehr vnd mehr / wie willig ich auch bin:
Nehmt nur der Griechen-Schiff’ jhr säumniß jmmer hin.

Der Trojanerinnen Chor.

965 AN welch Ort doch auff der Welt
Müssen wir gefangne Frawen?
In Thessaliens sein Feldt?
Solln wir sein Gefilde schawen?
Ob es Phthie nicht seyn sol
970 Das viel Kriegesleute treget?
+ + + + +

[Druckausgabe S. 465]
Trachyn nicht von Steinen voll?
Da man starckes Vieh auch heget?
Ists Iolcos / die das Schiff
Auff die See hat dürffen führen?
975 Crete nicht im Meere tieff /
Welche hundert Städte zieren?
Ist es dann Gortyne nicht?
Ists nicht Tricce schlecht von wesen?
Ists Methone da man spricht
980 Daß viel Meußdorn wird gelesen /
Daß in Eta Püschen liegt /
Vnd von da mit spitzen Bogen
[37]
Troja zwey mal hat bekriegt /
Welches nun ist auffgeflogen?
985 Olenos ists ohn gefehr /
Leer von Häusern vnd von Gassen?
Oder Pleuron das bißher
Die Diane sehr sol hassen?
Ist es Trezen an der See?
990 Ists der Berg so ward geführet
Oben an des Himmels höh’
Hier wo Prothous hat regieret?
Pelion wir meynen dich;
Wo der Chiron hat gelegen /
995 Vnd der grimme Knabe sich
Bey jhm hat zu üben pflegen /
Wo er bey der Höle sang
In die scharffgestimmten Seiten
Daß der grüne Pusch erklang
1000 Von dem Krieg’ vnd wilden Streiten.
Ists Carystos da man Stein
Der so schöne bundt ist gräbet?
Oder mag es Chalcis seyn /
Wo Euripus sich erhebet /
+ + + +
[Druckausgabe S. 466]
1005 Der bald hin läufft vnd bald her?
Solln wir die Echidnen sehen
Die das vngestüme Meer
Pflegt mit Sande zu verwehen?
Gilts auff Gonoëssa hin /
1010 Wo man stets den Windt hört sausen?
Solln wir zun Enispen ziehn /
Da Nord-Ost so sehr sol prausen?
[38]
Ist es Peparethos mehr?
Ists Eleusis / wo Geberden
1015 Bey dem Heilgen zugehör
Ohne Mundt gebrauchet werden?
Mag es Salamin nicht seyn /
Wo der Ajax ist geboren?
Calydon / das durch ein Schwein
1020 Ist bekandt in vieler Ohren?
Ist es Scarf’ vnd Bessa wol /
Die der Titaressos netzet /
Der so träge fliessen sol
Wann er auff das Meer zusetzet?
1025 Sollen wir zu Pylos auch /
Pharis oder Pisa wohnen /
Wo in Elis der gebrauch
Daß man außtheilt schöne Kronen
Auff des Jupiters sein Fest?
1030 Nun wir wollen alles leiden /
Wo das Glück vns hin ziehn leßt;
Mügen wir nur Sparta meiden /
Da die Seuch’ ist hergebohrn
Dardurch Troja vnd die Griechen
1035 Landt vnd Zeit vnd Blut verlohrn.
Mehr wir wollen vns verkriechen
Für dem Argos; vnd den Windt
Auff Mycenen zu nicht suchen;
Neritos dir / dir Zazynth /
1040 Vnd dir Ithace stets fluchen.
+ + + +
[Druckausgabe S. 467]
In was kömpst du wol für Handt /
Hecube? wer sol dich erben?
[39]
Was doch ist es für ein Landt /
Da du jnnen noch wirst sterben?

Der Vierdte Act. HELENA / ANDROMACHA / HECVBA / POLYXENE eine stumme Person

HEI. Es sey auch was es wil für Heyrath auff der Erden /
Die nur mit Mordt / Blut / weh vnd ach vollführt sol werden /
Dieselbe die ist werth daß Helena hierzu
Als Bräutgamführerin jhr allerbestes thu.
Ich muß die Phryger auch / die schon verheert sind / plagen /
Muß / das doch vnwar ist / von Pyrrhus Hochzeit sagen /
Muß geben schmuck vnd kleidt wie Griechisch Weibsvolck tregt:
Des Paris Schwester wird durch meine List erlegt.
Ich thu es weil es jhr jetzt leicht’ ist zu verderben.
Der Todt ist wündschens werth ohn angst des todes sterben.
Was säumest du dich viel? da doch die gantze Schuldt
Auff derer Nacken liegt die diß von dir gewolt.
Edl’ aus Dardanien / O Jungfraw / ziehr der Jugendt /
Es hat ein besser Gott erwogen deine Tugendt /
Dein Elendt angesehn; er schlegt dir Heyrath für
Die voller Glückes ist: solch’ Ehe hette dir
Nicht Troja da es stundt / noch Priamus gegeben;
Dann der Pelaßger Ziehr begehrt mit dir zu leben /
Wil werden dein Gemahl: der vnverzagte Heldt
Der gantz Thessalien in seinem Reiche helt.

[40]
Die grosse Thetys wündscht sampt vielen Meerjungfrawen /
Vnd Thetis die das Meer beherrschet / dich zu schawen:
Du wirst seyn Peleus Schnur’ vnd Nereus Schwägerinn
Wann Pyrrhus dich jhm freyht. thu diese Leidt-Tracht hin /
Vnd nim ein Feyerkleidt. jetzt bist du nicht Gefangen;
1070 Streich doch die Locken weg von deinen nassen Wangen /
Sachanmerkung + + + + +
[Druckausgabe S. 468]
Laß schlichten Häupt vnd Haar durch die geschickte Handt;
Vieleicht’ hilfft dieser Fall dir in viel höhern Standt.
Sehr vielen kam es gut daß sie Gefangen waren.
And. Diß Vbel haben noch die Phryger nicht erfahren /
1075 Sich frewen. Troja liegt verwüstet weit vnd breit /
Vnd was nicht liegt das brennt. O schöne Freyhenszeit!
Wer zweiffelt? wer gedenckt die Heyrath außzuschlagen /
Die jhm von Helena wird rhatsam angetragen?
Du Seuche beyden Volcks / jhr’ Vnlust vnd Beschwer /
1080 Ja höchster Vntergang / siehst du nicht vmb dich her
Der Helden Gräber hier? siehst du die dürren Beine
Vnd weisse Knochen nicht / darmit das Graß vnd Steine
Bedecket worden sind? diß ist dein Heyrathgut;
Der Brautschatz kömpt mit dir. Europa hat sein Blut
1085 Vnd Asien vor dich der Schlachtbanck liefern müssen;
Als du die Schlacht gesehn / noch zweiffelnd’ im Gewissen
Wem du den Sieg doch gönnst. so so thu fort vnd für /
So so stell’ Heyrath an. was darff man Fackeln hier?
Worzu ists Fewer gut? was dürfft jhr Kertzen kriegen /
1090 Die sonsten bräuchlich sind? brennt Troja doch zum tügen.
Ihr Trojen Weiber / kompt / begeht die Heyrathszeit
Die Pyrrhus haben sol: klagt statlich / seufftzt vnd schreyt.
Hel. Ein grosser Schmertz ist zwar ohn alle Witz vnd Sinnen /
Vnd giebt gar übel zu daß man jhn mag gewinnen /
[41]
Ja haßt zuweilen auch die mit jhm trawrig sind;

1096 Doch weis ich daß mich die so mir doch böses gönnt
Für recht erkennen wird / die ich viel mehr ertragen.
Andromache die darff den Hector frey beklagen /
Die alte Hecuba den Priamus: nur ich
1100 Führ’ vnvermerckt das Leidt vmb Paris gantz für mich /
Muß stehlen meine Klag’. es thut zwar hefftig bange
In Diensten müssen seyn: diß Joch trag’ ich schon lange /
Die ich zehn gantzer Jahr’ anjetzt gefangen bin.
Es liegt das Ilium: die Götter sind dahin.
1105 Schwer ists sein Landt verliehrn / doch schwerer für jhm fliehen.
Ihr habt Gefehrten noch die mit euch können ziehen /
+ + +
[Druckausgabe S. 469]
Die mit euch kläglich thun: ich finde keinen Raht;
Der überwunden ist vnd überwunden hat
Sind beyd’ ergrimmt auff mich. sie kundten nicht bald wissen
1110 Welch’ vnter euch sie dem / vnd welche jenem liessen /
Vnd haben drumb geloßt: mein Herr nam so mich hin.
Gesetzt auch daß ich ja des Krieges Anfang bin /
Vnd ewer Vntergang; ist ewer Schiff nicht kommen
Auff die Spartaner See vnd hat mich weg genommen?
1115 Ich ward ja durch verheiß der Göttin weg verehrt:
Verzeih’ es / wem? nicht mir; dem Paris. mir gehört
Ein strenger Richter zu / vor den ich hin muß gehen.
Mein Vrtheil das wird nur beym Menelaus stehen /
Der Mann vnd Schiedmann ist. laß doch das klagen seyn /
1120 Vnd nim nur diese hier mit guten Worten ein /
Daß sie sich beugen lest. ich kan mich kaum erwehren
Daß ich nicht weinen muß. And. Wann Helena kan Zehren
Vergiessen / wie sie thut / welch Fall ist auff der Bahn!
1124 Was weint sie aber so? sag’ her / was giebt er an?
[42]
Was denckt der Ithacus? mit was für falschem Witze /

Vnd Laster geht er vmb? ob man von Ida Spitze
Die Jungfraw stürtzen sol? ob man sie vnterher
Sol werffen von der Burg? sol sie wol in das Meer
Von diesem Felsen hin / wo Sigeon die seiten
1130 Sehr hoch empor erhebt / vnd lest sich in die weiten
Beschawen von der See? sag’ her / sag’ jmmer an
Was du so tückisch birgst; weil doch kein Creutze kan
So groß vnd hefftig seyn als dieses auff der Erden /
Wann Pyrrhus Hecuben jhr Eydam solte werden /
1135 Vnd auch des Priamus. bekenne was es sey;
Sag’ her / vnd laß vns nur von dieser Noth noch frey /
Daß niemand vns betreugt. wir sterben gern’ vnd wollen.
Hel. O hett’ auch Calchas mir solch Vrtheil bringen sollen /
Daß ich mir hette selbst durchs Schwerdt des Lebens bandt
1140 Verkürtzet / oder durch des Pyrrhus grimme Handt /
Wie dich / Polyxene / bey des Achilles Grabe /
Die er Achilles jhm begehrt zu einer Gabe /
+ + + + + +
[Druckausgabe S. 470]
Vnd man jhm schlachten sol bey seiner Aschen hier /
Damit er mög’ hernach dein Mann seyn für vnd für
1145 In dem Elyser Feld’. And. Ach / schaw die grossen Sinnen.
Wie frewdig hat sie doch vom Tode hören können!
Sie wil so; reichet jhr die KönigsKleider dar /
Sie schickt sich selbst darzu auff daß man schmück’ jhr Haar.
Das andre war jhr Todt / diß ist jhr HochzeitLeben.
1150 Die arme Mutter doch wird so mit Angst vmbgeben
Als diese Zeitung kömpt daß sie in Ohnmacht fellt /
Vnd das Erschreckniß jhr den Geist zurücke helt.
Steh’ auff vnd sey getrost; vertrag auch diesen Schaden.
Wie hangt die müde Seel’ an so gar dünnem Faden!
[43]
Das thun das Hecuben am besten glückhafft macht

1156 Ist das geringst’ an jhr. sie schnaubt jetzt vnd erwacht.
So siht man daß der Todt am ersten pflegt zu lauffen
Von dem der elend ist. Hec. Muß dann der Phryger hauffen
Achillen nun noch sehn? hat er noch jetzt nicht rhue?
1160 O Paris / deine Handt ist ja zu schlecht hierzu!
Sein’ Asch’ vnd Grab wil jetzt auch vnser Blut noch trincken.
Vorhin vmbringte mich zur Rechten vnd zur Lincken
Mein kleiner hauffen Volck die Kinder voller Lust;
Ich ward vom küssen müd’ / hab’ auch mich nicht gewust
1165 Zu theilen vnter sie / must alle gleiche lieben:
Nun ist mir von der Schar die eintzig’ hier noch blieben /
Mein Wundsch / Gefehrte / Rhue / mein Trost vnd gantzer Sinn.
Diß Kindt hat Hecube; daß ich noch Mutter bin
Macht sie nur: meine Seel’ / heb an dich zu erheben /
1170 Laß diß Begräbniß nur mich einig nicht erleben.
Fort / fort / du harter Geist. das Wasser tritt herfür
Aus jhrer Augen Bach / die Wangen trieffen jhr.
O Tochter frewe dich! Andromacha die wolte /
Cassandra wündschet jhr daß sie so freyhen solte.
1175 And. Wir wir sinds / Hecuba / so zu beklagen sind;
Wir / Hecuba / wir wir / die nun der rawe Windt
+ + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 471]
Sol werffen hin vnd her: sie wird allhier beschliessen.
Hel. Du wirst noch ärger thun wirst du recht von dir wissen.
And. Kan eine Straffe seyn die noch verborgen liegt?
1180 Hel. Man hat vmb euch geloßt wer die / wer jene kriegt.
And. Sag’ an wo solich hin; welch Herr hat mich bekommen?
Hel. Der Scyrinn Sohn hat dich zum ersten weggenommen.
And. O wol / Cassandra / dir / die Phebus selbst loß spricht/
1184 Vnd jhre Prophecey. Hel. thet’ Agamemnon nicht.
[44]
Hec. Nimpt niemand Hecuben? Hel. Vlysses / doch nicht gerne /
Als einen kurtzen Raub. Hec. kan jemand weit vnd ferne
So raw vnd thöricht seyn der solches loß erdenckt /
Vnd schimpfflich König’ auch den Königen verschenckt?
Welch Gott ist so ergrimmt der also vns vergiebet?
1190 Welch Richter muß es seyn der vns noch mehr betrübet /
Die wir doch ohne diß sind alles Jammers voll?
Er weis gewißlich nicht wie er vns theilen sol.
Achilles Waffen sinds die sie jhm vormals gaben /
Vnd Hectors Mutter jetzt? Vlysses sol mich haben?
1195 Nun nun bin ich erst recht zu einer Magdt gemacht;
Nun nun bin ich vmbringt mit tausentfacher Schlacht.
Des Herren muß ich mich vnd nicht des Dienens schämen.
Wird eben der anjetzt des Hectors Raub auch nehmen
Der des Achilles nam? das Landt da nichts als Stein
1200 Vnd rawe Wellen sind sol diß mein Grab wol seyn?
Vlysses / nim mich hin / ich wil gar gerne fliehen /
Doch also daß mein Glück auch müsse mit vns ziehen.
Die See sey nimmer still’ / es tobe Windt vnd Meer /
Des Priamus sein Creutz’ vnd meines komme her /
1205 Krieg / Fewer / Ach vnd Weh! indessen biß sie kommen
Bin ich an stat der Straff’. ich hatte vorgenommen
Ich wolt’ auch ohne diß dir fluchen wie ich thu /
Nun kömpt mirs Glücke vor. Der Pyrrhus laufft herzu / + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 472]

Vnd siehet gräßlich aus. komm / Pyrrhus / komm nur näher /
1210 Vnd stoß das Schwerdt in mich. komm / bring’ Achilles Schwäher
Vnd Schwieger in ein Grab. es ist ja dein Gebrauch
Daß du die Alten würgst: diß Blut gehört dir auch.
Nun nehmt sie jmmer hin: jhr mögt mit diesen Sachen
1214 Die Götter über vns / vnd Geister blutig machen
[45]
Die in der Erden sind / vnd jhr so wol begabt.

Was wündsch’ ich euch hiervor? was jhr verdienet habt
Mit ewrer Opfferung: es haß’ euch See vnd Erde;
Daß was ich meinem Schiff’ hernachmals wündschen werde /
Müß’ auch der gantzen zahl der Griechen Schiff’ entstehn /
1220 Vnd jhnen allerseits so gut als vns ergehn.

Der Trojanerinnen Chor.

WIe tröstlich ists wann eine grosse Schar
Einander kan von Creutze sagen;
Wann Völcker sind zusammen in Gefahr /
Vnd nicht nur ein Mensch sich darff klagen!
1225 Es beissen vns die Thränen nicht so sehr
Die ein gantz Hauffe muß vergiessen:
Die Pein ist froh wann jhrer sind noch mehr /
Vnd sie alleine nicht darff büssen.
Des Vngemachs von dem kein Mensch ist frey /
1230 Begehrt nicht einer frey zu werden:
Er glaubet nicht daß er ein Armer sey /
Wann er der ärmest’ ist auff Erden.
Ist keiner groß / hat niemandt Geldt vnd Gut /
Vnd Aecker die weit vmb sich reichen /
1235 So wächset noch den Armen Hertz’ vnd Muth:
Wir sind nur elend’ im vergleichen.
Der ist getrost der grossen Schaden fühlt
Wann niemandt fröhlich auß kan sehen.

[46]
Derselbe weint mit dem das Wetter spielt /
Wann jhn die Wind’ alleine wehen
+ + + + +
[Druckausgabe S. 473]
Hoch über See an vnbewohnten Strand:
Ein andrer kans viel besser leiden
Wann tausent Schiff’ auff dies’ vnd jene Handt
Durch Sturm sich von einander scheiden:
1245 Wann Mast vnd Bret vmbs Meer gestrewet sind /
Wann der vnd der die Ruder fassen
Vnd schwimmen hin / vnd der Nord-westen-Windt
Die Flut nicht wil zurücke lassen.
Der Phryxus hat die Schwester sehr geklagt /
1250 Als Helle von dem Güldnen Wider /
Auff dem sie sich darvon zu fliehn gewagt /
Schoß in den Grundt des Meeres nieder
Vnd schnell’ ertranck. die Pyrrhe vnd jhr Mann
Die musten auff der See hinfaren /
1255 Noch haben sie so kläglich nicht gethan /
Da doch nur sie auff Erden waren.
Die menge Schiff’ vnd Schiffer die wir sehn
Wird vnser Leidt geringer machen /
Wann nur die Lufft wird auff die höhe wehn
1260 Beyd’ vns vnd sie vnd jhre Sachen.
Wir armes Volck / wie wird es da vns gehn /
Was werden wir im Sinne führen /
Wann nun die See gemach wird höher stehn /
Das Landt sampt Ida sich verliehren?
1265 Die Mutter wird dem Sohn’ / vnd er auch jhr
Die gegend mit dem Finger zeigen
Da Troja war; schawt / Mutter / schawt doch hier /
Wo jhr den schwartzen Dampff auffsteigen
[47]
Von fernen seht da liegt die Stadt hinein /
1270 Wo dicker Nebel von dem brennen
Zum Himmel raucht. diß wird das Zeichen seyn
An dem wir Troja werden kennen.
+ + + + + +

[Druckausgabe S. 474]

Der Fünffte Act. EIN BOTTE / ANDROMACHA / HECVBA.

BOt. O grimme böse That! hat Mars auch in zehn Jahren
Dergleichen schändlichs Thun gesehen vnd erfahren?
1275 Was sag’ vnd klag’ ich erst? die Hecuba ist hier /
Vnd hier Andromacha: wem bring’ ichs erstlich für?
Hec. Du sagst es wem du wilst so wirst du mirs doch sagen.
Ein jedes weint für sich / ich muß für alle klagen.
Wer stirbt stirbt Hecuben: es geht mich alles an.
1280 Bot. Der Knabe ward gestürtzt / die Jungfraw abgethan.
Sie sturben beyderseits mit hohen steiffen Sinnen.
And. Sag’ her den gantzen Mordt; erzehle das Beginnen
Der ärgsten Grawsamkeit. mein Sinn wündscht gantz zu sehn
Sein Creutz’ vnd schwere Noth. wie ist es dann geschehn?
1285 Bot. Es ist ein grosser Thurn von Troja blieben stehen /
Auff welchen Priamus zum offtern pflag zu gehen /
Vnd von der Spitzen da winckt’ auff sein Kriegsvolck hin /
Wann angrieff sey zu thun / vnd wider abzuziehn.
Hier hatt’ er offtermals den kleinen Sohnssohn sitzen
1290 In seiner trewen Schoß / wann Hector an der Spitzen
Der Danaer jhr Heer / so furchtsam vnd verzagt
Die flucht gab / mit dem Schwerdt’ vnd Fewer hat gejagt.

[48]
Lern’ hier vom Vater / Sohn / sagt’ er / was dir gebühret.
Der Thurn hat vor der zeit den gantzen Baw geziehret /
1295 Jetzt ists ein rawer Stein. die Häuptleut’ vnd das Heer
Stundt alles da herumb / das Volck lieff von dem Meer’ /
Vnd lies die Schiffe stehn. damit er wol kan sehen
Nimpt der den Hügel ein; der klimmt auff einen gähen
Vnd spitzen Felsen hin / vnd tritt / weil der nicht hoch
1300 Genungsam für jhn ist / auch auff die zähen noch.
Der klettert auff die Ficht’ / ein andrer auff die Buchen /
Den deckt ein Lorbeerbawm; vnd wo ein Ort zu suchen
Da läufft ein Hauffe zu; daß auch von solcher Schar
Der gantze Waldt sich regt. der henckt sich mit gefahr
An eine Klüffte hin / der schrencket seine Beine
1305 Vmb ein verbrandtes Dach / der sitzt auff einem Steine + + + + +
[Druckausgabe S. 475]

Vnd Mawer die sich neigt; sie waren auch so blindt /
Daß sie auff Hectors Grab (hilff Gott!) gestiegen sind.
Da kam der Ithacus durch alles Volck gegangen /
1310 Gantz prächtig von gestalt / hatt’ an die Handt gehangen
Den Enckel Priamus; den durfft’ er gar nicht ziehn:
Der Knabe gieng getrost zu seinem Tode hin.
Nach dem er nun den Thurn zu obrist’ auff gestiegen /
Lies er die Augen frey bald da baldt dorthin fliegen /
1315 Behertzt vnd vnverzagt. wie eine junge Zucht
Des Löwens / da man zwar noch grosse Macht nicht sucht /
Vnd weich an Zähnen ist / doch drewet außzureissen /
Ist zornig vnd ergrimmt / vnd wil schon vmb sich beissen:
So that er als der Feindt die Handt an jhn gelegt /
1320 Daß Hauptleut’ vnd auch Volck von fernen ward bewegt /
Vnd auch Vlysses selbst. den jedermann beklaget
Beklagt sich selber nicht; ja weil Vlysses saget
[49]
Was Calchas jhn gelehrt / vnd allen Göttern rufft /

Die hier zu grimmig sind / so springt er vnverhofft
1325 In Priamus sein Reich. And. Welch Colcher / welche Scythen /
Die ohne Häuser sind / welch Volck von wilden Sitten
Am Caspischen Gestad’ ist doch das solche that /
Wie raw es jmmer ist / jemals verübet hat?
Von Kinderblut’ hat selbst nicht dörffen röther werden
1330 Busiris sein Altar / es hat auch seinen Pferden
Der Diomedes nicht die Glieder vorgelegt
Die noch so kleine sind. wer wird doch nun bewegt /
Wer ist so gut / mein Sohn / daß er dich wil begraben?
Bot. Wann jemandt diß wil thun / was wird er von jhm haben
1335 Das einzuscherren ist? die Beine sind entzwey;
Man kennt nicht mehr was dis vns das gewesen sey:
Der schöne grade Leib / das Antlitz so in allen
Dem Vater nahe kam / ist gantz vnd gar zerfallen /
+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 476]
Der weisse Nacken brach / das Häupt fiel auff den Stein
1340 Vnd liegt nun ohn Gehirn; blieb’ also nur allein
Der blosse Strumpff allda zuschmettert vnd zuschlagen.
And. So war der Vater auch. Bot. Als diß sich zugetragen /
Vnd das Achiver Volck auch selbst beweinet hat
Vnd trawrig angesehn das Vbel das es that /
1345 Hub’ es von newem an ein anders zu bereiten /
Lieff nach Achilles Grab’ / an dessen letzte Seiten
Sich die Rheteer See mit linden Wellen schlegt.
Da über ist ein Feldt / vnd Hügel wie man pflegt
Ein Schawhauß auffzuführn / mit einem Thal’ vmbringet
1350 Das sich gemach erhöht: der helle hauffe dringet
Sich vmb das Vfer her. ein theil meynt dieser Todt
Bring’ jhre Schiffe heim nach solcher langen Noth:
[50]
Ein theil erfrewet sich / daß seiner Feinde Namen

Nun gar vertilget wird sampt jhrem gantzen Samen:
1355 Das meiste leichte Volck so diß nicht loben kan
Flucht auff die böse That / vnd schawt sie dennoch an.
Vnd was erbärmlich ist / die armen Troer stehen
Vnd sehn jhr letztes theil von Troja vntergehen /
Erschrocken vnd verzagt. man bringt / als Hochzeit sey /
1360 Die Fackeln zuvorher. dann kömpt gemach herbey
Der Braut Begleiterinn die Tyndaris gegangen /
Die jhr betrübtes Häupt lest in die Asche hangen /
Vnd weis nicht was sie thut. ach daß Hermione
(Wündscht alles Phryger Volck) hab’ auch dergleichen Eh’/
1365 Vnd daß die Helena / wie hier wird vorgenommen /
Auch müsse widerumb zu jhrem Manne kommen.
Die Leute stehn bestürtzt. sie die man schlachten sol
Sieht vnter sich aus Scham / doch ziehrt sie mehr als wol
Die röte welche sich zum end’ jetzt in jhr reget:
1370 Wie auch die Sonne selbst sich mehr zu färben pfleget /
Wann sie baldt baldt nun sinckt / wann das Gestirne fellt /
Vnd jetzt der müde Tag der Nacht jhr recht einstellt. + + + + + + +
[Druckausgabe S. 477]

Ein jederman verstarrt / [wie nur pflegt zu geschehen /
Daß wir ein ding erst dann wann wir es kurtz noch sehen
1375 Mehr loben als zuvor] der klaget die gestalt /
Der jhrer Jugendt blüt’ / vnd der sieht die gewalt
Des blinden Glückes an: ein jedrer wird erweichet /
Daß sie dem Tode noch die Hände selber reichet /
Vnd jhm entgegen geht. sie tritt dem Pyrrhus für.
1380 Das Volck bebt vnd sie nicht. es wird mit Jammer hier /
Vnd mit verwunderung zugleich’ allda vmbfangen.
Als sie den hohen Berg nun war hinan gegangen /
[51]
Vnd auff der Spitzen stundt / da tratt der Pyrrhus hin

Auff seines Vaters Grab: die Jungfraw bliebe kühn
1385 Vnd vnbeweget stehn / vnd schawet’ jhr Gerichte
Ohn alles wancken an mit trotzigem Gesichte.
Sie sind bestürtzt ob jhr vnd ob dem Wunder auch;
Der grosse Pyrrhus ist (das sonst nicht sein gebrauch)
Zum würgen feig’ vnd faul. als sie das Schwerdt durchdrungen /
1390 Ist das geschwinde Blut gehäufft heraus gesprungen.
Ob gleich der Leib nun sanck / stundt doch ihr hoher Sinn;
Sie fiel mit schwerer Last ergrimmet für sich hin /
Als wolte sie mit jhr Achilles Grab beschweren.
Sie haben beyderseits vergossen jhre Zehren:
1395 Die Phryger seufftzten lind’ vnd diß theil über laut.
So lieff das Opffer ab das ich hab’ angeschawt.
Das Blut blieb nicht bestehn: es ist hindurch gedrungen
Biß in das grimme Grab / vnd ward von jhm verschlungen.
Hec. Ihr Danaer / fort / fort / nach Hause mit euch hin;
1400 Die Schiffe mögen nun gar sicher für sich ziehn
Auff die gewündschte See: jhr habt nun einen Knaben
Vnd Jungfraw hingewürgt: jhr könnt nun Friede haben;
Der Krieg der ist vollbracht. wo klag ich doch mein Leidt?
Wo spey’ ich doch wol aus der alten Todeszeit
1405 Verdrießlichs hinderniß? was sol ich erstlich sagen?
Das Kind / den SohnesSohn / den Mann / mein Landt beklagen?
Erst alles? oder mich? das was ich wündschen kan
Ist einig nur der Todt. du leuffst ja Jungfrawn an + + + +
[Druckausgabe S. 478]

Vnd Kinder noch darzu; vnd schewest mich alleine?
1410 Ob ich schon nichts nicht seh’ als Waffen / Glut vnd Steine.
Ich suche dich / du leuffst die gantze Nacht für mir.
Kein Feindt / kein Mawrenfall / kein Fewer ist nicht hier
[52]
Das mich erlösen wil aus meines Leibes Banden.

Wie nahe bin ich doch beym Priamus gestanden?
1415 Bot. Ihr Frawen / säumt euch nicht / laufft eilends an den Port;
Sie ziehn die Segel auff / die Schiffe wollen fort.
+ + +

[53]

Außlegung der Trojanerinnen. Auff den ersten Act.

ES beklaget hierinnen Hecuba jhres Vaterlandes / jhres Hauses / vnd jhr eigenes Elendt. Die Reime sind durch das gantze Trawer- spiel / außgenommen die Chore / Alexandrinisch: 〈wie sie die Ita- liener nennen: CF〉 in den ersten zweyen Versen dreyzehen in den andern zweyen / vnd so vmbschiessendt / zwölffsyllbig; vnd ist diese art in gemeine nun bekandt worden.

Hecuba] Die Trojanische gewesene Königin / des Cisseus Toch- ter / nach des Euripides Meynung / welchem Ennius vnd Pacuvius folgen. Dann Homerus nennt sie des Dimantes Tochter; wie Ser- vius sagetSachanmerkung.

v. 2. Der leichten Götter] der Vnbeständigen. Dann die Hey- den vermeyneten / wann sich der Menschen jhr Zustandt verender- te / so verenderten sich auch die Götter. So spricht HoratiusSachanmerkung:

Mutatosque deos flebit et aspera Nigris aequora ventis Emirabitur insolens.

v. 4. Troja] Eine vornehme Stadt im kleineren Phrygien; zwi- schen dem Vorgebirge Ida vnd der See gelegen. Besehet hiervon die + + + + + +

[Druckausgabe S. 479]
schönen Verse des Dionysius von Alexandrien in der Weltbeschrei- bungSachanmerkung. In diesen wenigen Worten aber / wie Muret. lib. 16. Variar. Lect. cap. 15.Sachanmerkung auffmercket / saget sie mehr / als wann sie mehr sagete. Der sehe mich aus einer Königin eine Gefangene / aus einer Mutter so vieler Kin-[54] der eine verwaisete / aus einer höchst- glückseligen eine solche derer sich auch die Feinde erbarmen müssen. Er sehe Troja an / mit welcher fürtrefflich schönen vnd reichen Stadt es dahin kommen / daß man kaum sihet wo sie gestan- den sey. Vnd wann er diß gesehen hat / so gehe er hin / vnd ver- lasse sich auff Menschliche Vergenglichkeit.

v. 7. Der Götter Meisterstück &c.] Dann Neptunus vnd Apollo die Mawren sollen gebawet haben. Joseph Scaliger im 5. Buch von verbesserung der ZeitrechnungenSachanmerkung saget daß Troja im 2767. Jahre der Welt kurtz vor der Sonnenwende oder dem lengsten Tage im Jahre sey zerstöret worden. Wohin Virgilius sihet im 3. Buche von EneasSachanmerkung:

– – – Vix prima inceperat aestas Et pater Aeneas dare ventis vela jubebat.

v. 7. Vnd Asiens sein Raht] Des kleinen Asiens; worüber Priamus geherschet / nebenst einem stücke des grösseren: welches das dritte theil der Welt ist.

v. 9. Den Tanais] Der Fluß TanaisSachanmerkung ist Europens vnd Asiens Gräntze; so durch der Sauromater vnd Scythen Landt leufft / vnd sich in die Meotische See außgeust. Strabo redet mehr von jhm im 15. Buche der Erdtbeschreibung.

+ + +
[Druckausgabe S. 480]

v. 10. Der siebenströmig ist] Sie redet als ein Weib / so der gelegenheit der Oerter nicht kundtschafft hat; dann die Donaw oder Ister mit sieben Strömen in das Meer fellt; nicht Tanais.

v. 10. Vnd der so stracks siht blincken &c.] In Persien. Es ist aber Memnon Tithons vnd Auroren Sohn von Susa / einer Persi- schen Stadt / wie etliche wollen / für Troja kommen.

[55]

v. 11. Das fast-rote Meer] Welches von den Stralen der auffgehenden Sonnen rot außsihet.

v. 12. Den lawen Tigris] Ein Fluß so in GroßArmenien ent- springt; vnd sich in das Persische Meer außgeust: Also genannt von wegen seines schnellen Stromes; dann Tigris / wie SolinusSachanmerkung auffzeichnet / im Persischen ein Pfeil heissen sol; worvon auch das Tigerthier vermutlich den Namen hat.

v. 13. Mit den vnstetten Scythen] Welche vmb die gegend des Caucasischen Gebirges wohnen / vnd wegen der grimmigen Kälte vnstette / das ist / baldt hier baldt dar seyn müssen. Schawe was Dionysius vnd sein gelehrter Außleger EustathiusSachanmerkung hiervon saget. Seneca meynet aber hier die Penthasilea der Amazonischen Jung- frawen Königinn / nahe dem Tanais vnd der Meotischen See; welche auch dem Kriege beygewohnet hat.

v. 14. Am Pontischen Gestad’] Am Euxinischen Meer.

v. 15. Vnd liegt nun auff jhm selbst] LucanusSachanmerkung:

In se magna ruunt. – – –

v. 16. Pergamos] Die treffliche Stadt Ilium oder Troja in der Landschafft Troas selber. Servius sagt das StadtSchloß habe so ge- heissenSachanmerkung.

v. 19. Assarachs Hauß] Ilium; wo Assarach des Ilus Sohn regieret hat. So saget Horatius von der gantzen gegend hierumb; Epod. 13.Sachanmerkung

Te manet Assaraci tellus, quam frigida parvi Findunt Scamandri flumina Lubricus et Simois.
+ + +
[Druckausgabe S. 481]
[56]

v. 28. Dardanien] Die Trojanische Landtschafft; von der Stadt Dardania / welche in selbigem revier lage / also geheissen. Hiervon Strabo im 13. BucheSachanmerkung.

v. 29. Tausent Schiffe] So viel sind Schiffe für Troja selbige zu bekriegen gebracht worden.

v. 31. Der Phryger Fürst] Priamus; König zu Troja.

v. 33. Dein todten Geist] Hector; Priamus Sohn.

v. 33. Mit dessen stehn vnd fallen Auch Troja stundt vnd fiel.] So rühmet sich in einem alten EpigrammaSachanmerkung der Achilles wegen des von jhm entleibeten Hectors:

Hectore sed magno summa est mihi gloria caeso, Qui saepe Argolicas debilitavit opes. Ille Menoetiadae solvit, me vindice, poenas; Pergama tunc ferro procubuere meo.

v. 35. Der Kinder] Etliche sagen von siebenzehen / etliche von zwey vnd zwantzigen / andere auch von funffzig Kindern Priamus; nicht daß Hecuba aller Mutter gewesen sey; sondern daß es eben hierumb die beschaffenheit gehabt habe / wie mit dem Danaus / von dem EusebiusSachanmerkung saget: Danaus per filias quinquaginta filios Aegypti fratris interfecit, evadente solo Lynceo, qui post eum regnavit. Neque vero multitudo filiorum incredibilis videri in bar- baris debet, cum tam innumerabiles habeant concubinas.

v. 36. Phebas] Cassandra / Priamus Tochter / welcher Phebus die Erfarenheit zu weissagen versprochen / als sie jhm zu willen zu seyn verheissen hatte: nach dem sie aber den Worten kein gnügen thut / kan zwar dieser Gott sein Geschencke nit zurücke ziehn; macht aber / daß jhrer Propheceyung niemandt glaubet.

v. 37. Dem Gott verbeut zu trawen] Aus Vrsache [57] wie jetzt gesaget. Phedrus macht ein Sprichwort hiervon im 3. Buche seiner Fabeln:

Cassandrae quia non creditum, ruit Ilium.
+ + +
[Druckausgabe S. 482]

Bey welchem Orte RittershußSachanmerkung mehr verzeichnet hat.

v. 38. Schon schwanger] Als sie mit dem Paris schweres Leibes gegangen / hat jhr geträwmet / sie würde eine brennende Fackel gebehren.

v. 41. Ithacus] Vlysses; von seiner Insel Ithaca.

v. 41. Vnd Ithacus Geselle] Diomedes; der bey Nächtlicher weile dem Vlysses das Thracische Läger hat helffen besichtigen vnd auß- spähen.

v. 49. Den Mordt des Königes] Priamus; den Pyrrhus bey dem Altar des Jupiters / der Hercius genannt ist worden / vmbgebracht hat.

v. 56. Ihr Götter / die diß sehn] Die jhr stehet bey dem Altar / wo Priamus erwürget ist.

v. 58. Kein Grab hat Priamus] Auch die Heyden haben es für der eussersten Vnglücke eines geschetzet / wann jemandt hat vn- begraben / oder nur so überhin begraben müssen bleiben. Darumb klaget Plinius in seinem 6. Buche der EpistelnSachanmerkung / daß Rufus Virgi- nius so schlecht mit seiner Asche gehalten würde. Subit, sagt er / indignatio cum miseratione, post decimum mortis annum reli- quias neglectumque cinerem, sine titulo, sine nomine jacere.

v. 59. Er lieget vnverbrandt] Daß vorzeiten die Todten ver- brandt / vnd nachmals jhre Asche in einem Kruge nur ist begraben worden / weis ein jederman. Doch wil ich bey dieser gelegenheit das schöne Epigramma / so der tugendthaffte Heldt Germanicus Augu- stusSachanmerkung sol gemacht haben / verdolmetschen:

[58]
Thrax puer, astricto glacie cum luderet Hebro, Frigore concretas pondere rupit aquas. Dumque una partes rapido traherentur ab amni, Abscidit tenerum lubrica testa caput. Orba quod inventum mater dum conderet urna, Hoc peperi flammis, caetera, dixit, aquis.
+ +
[Druckausgabe S. 483]
Ein Knab in Thracien wolt’ auff dem Hebrus spielen /
140 Da brach das Eiß mit jhm: den Cörper reißt der Fluß
In seinem Strome fort / daß er jhm folgen muß.
Das Haupt ward durch das Eiß eh’ Händ’ vnd Füsse fielen
Geschnitten von dem Leib’ / vnd also nicht verloren;
Diß als die Mutter es hat in den Krug gethan /
145 Vnd asche draus gemacht / so hebt sie also an:
Das Haupt hab’ ich der Glut / den Leib der Flut geboren.

v. 65. Des Helenus] Priamus Sohnes; eines vornehmen Natur- kündigers vnd Zeichendeuters.

v. 65. Antenors] Welche Theano geheissen; wie sie Homerus nennetSachanmerkung.

v. 69. Schlagt die Brüste] Solches ist bey beklagung der Ver- storbenen üblich gewesen. Vnser Seneca in der ApocolocynthosiSachanmerkung:

Caedite moestis Pectora palmis, O caussidici, Venale genus.

Ovidius über Tibullus seinen AbschiedtSachanmerkung; von dem Cupido:

Aspice, demissis ut eat miserabilis alis Pectoraque infesta tundat aperta manu.

Petronius hier beym 126. VerseSachanmerkung. F〉

In einer alten überschrifft zu Rom:

INFELIX · ILLE · RELICTUS MAERET · ET · AD · CINERES · PLANGIT · SUA · PECTORA PALMISSachanmerkung

+ + + + +
[Druckausgabe S. 484]

Auff den Chor: Ach/ du kaust/ &c.

Die Trojanerinnen sampt jhrer Hecuba beklagen des Vaterlan- des / Hectors vnd Priamus Todt vnd Vntergang. Die Verß sind Trochaisch; der Erste vnd Dritte von acht / der Andere vnd Vierdte von sieben Syllaben.

v. 76. Aus Phrygien der Gast] Paris; der die Helena entführet.

v. 77. Amyclas] Eine Stadt in Laconien: nicht die von der ge- saget wird: Amyclas silentium perdiditSachanmerkung; dann selbige in Italien gelegen. Darumb nennet sie auch Seneca Grajas Amyclas.

v. 78. Cybelen Fichtenbawm] Das Schiff von Fichtenholtze. So sagt StatiusSachanmerkung / lib. 2. Achil. vom Paris:

Ille Phryges lucos, matris penetralia caedit Turrigerae, vetitasque solo procumbere pinus Praecipitat &c.

Die Fichte ist aber der Göttin Cybele geheiliget. Phedrus im 3. BucheSachanmerkung.

– – – quercus Jovi Et myrtus Veneri placuit, Phoebo laurea, Pinus Cybelae, populus celsa Herculi, &c.

v. 81. Iden] Das Vorgebirge bey Troja. Wiewol Helladius Bisan- tinous in seiner Chrestomathia bey dem PhotiusSachanmerkung saget / daß Ida ein jeder Berg sey / von dem man herunter in die Fläche sehen könne; eigentlich aber von den Cretischen vnd Trojanischen Bergen verstanden werde. Ist also Ida auff Deutsch ein Schawstein.

v. 99. Last das Haar vmbs Häupt her rinnen] Dis haben die Weiber bey Leichbegängnissen in gewohnheit gehabt. CatullusSachanmerkung:

+ +
[Druckausgabe S. 485]
[60]
Illius egregias virtutes claraque facta Saepe fatebuntur gnatorum in funere matres, Quum cinere incanos solvent a vertice crines Putridaque infirmis variabunt pectora palmis.

Tibull. eleg. 3. lib. 1.Sachanmerkung

Et fleat effusis ante sepulchra comis.

Lib. 3. eleg. 2.Sachanmerkung

Ante meum veniat longos incompta capillos Et fleat ante meum moesta Neaera rogum.

v. 100. Asche werde drauff gestrewt] Auch dieses haben sie zu thun pflegen. Catullus im erstangezogenen Exempel. Virg. in CeiriSachanmerkung:

Intonsos multo deturpat pulvere crines;

Vnd andere.

v. 108. Du gefangne Keuschheit du] Captive pudor. Prudent. contra Symmach. lib. 2.Sachanmerkung

Captivus pudor ingratis addicitur aris.

v. 121. Diß zu nehmen] In dem sie das saget / ergreifft sie eine Handt voll Asche.

v. 126. Nun die Brüst entblösset stehn] Ovid. 4. Fast.Sachanmerkung

Et feriunt moesta pectora nuda manu.

PetronSachanmerkung: Non contenta vulgari more funus passis prosequi crini- bus aut nudatum pectus in conspectu frequentiae plangere.

v. 129. Das Rhetische Gestade] An dem Trojanischen Vorge- birge Rhetus.

v. 147. Vnd sein Schutz] Seine Seule vnd Stütze: Columen; sagt SenecaSachanmerkung. So CatullusSachanmerkung:

+ + + +
[Druckausgabe S. 486]
Thessaliae columen Peleu. – – – Vnd: Emathiae columen Peleu. – – –
[61]

v. 148. Hinderung der Götter Macht] Ein alter Poet beym Seneca in den SuasoriisSachanmerkung.

Ite triumphantes; belli mora concidit Hector.

Vnnd M. Seneca, Agam: Act. 2.Sachanmerkung

Danais Hector et bello mora. CF〉

v. 155. Einen Tag vnd Stunde storben Hector vnd sein Vaterlandt] Ausonius in den Grabschrifften der HeldenSachanmerkung:

Hectoris hic tumulus, cum quo sua Troja sepulta est; Conduntur pariter, qui periere simul.

Vnd Catullus carm. ad MalliumSachanmerkung:

Tecum una est nostra sepulta domus. CF〉

v. 161. Du zwey mal Gefangner] Dann er in der Jugendt ge- fangen / vnd von seiner Schwester Hesione loß gekaufft ward.

v. 166. Zwey mal hat &c.] Ein mal ist Troja von dem Hercu- les / vnd jetzt von den Griechen auffs newe bestritten worden.

v. 169. Zwey mal ist es &c.] Erstlich hat Hercules / zum an- dern mal sein Waffenträger Philoctetes die Stadt mit den Pfeilen geängstiget. Weil es so versehen war / daß Troja ohn Hercules Pfeile nicht mochte gewonnen werden. Propert. lib. 3. eleg. 1Sachanmerkung.

Exiguo sermone fores nunc, Ilion et tu, Troja bis Oetaei numine capta dei.

v. 182. Priamus Todt der ist gut] So saget eben diese Hecuba bey dem OvidiusSachanmerkung:

– – – quis posse putaret Felicem Priamum post diruta Pergama dici? Felix morte sua est.
+ + +
[Druckausgabe S. 487]

v. 198. Treget auch kein güldnes Bandt] Es ist vorzeiten vblich gewesen / einen gefangenen seiner würden nach entweder mit güldenen / oder silbernen / oder eisernen Ketten zu binden. Worvon zu sehen Jacob Scheck ad C. Vell. PaterculumSachanmerkung. CF〉

v. 200. Der Mycener Landt] Mycene eine vorneme Argiver Stadt / in des Agamemnons Gebiete: welche aber nach seinem Tode abgenommen vnd endlich gantz geschleifft [62] ist worden; wie Strabo im 8. BucheSachanmerkung darvon redet. Silius ItalicusSachanmerkung im 1. Buche:

Ante Agamemnoniam, gratissima tecta, Mycenen.

v. 205. Die Elyser sichern Felder] Den Sitz vnd Wohnung der frommen Seelen nach dem Leben.

v. 210. Wol dem der &c.] Plinius in seinen EpistelnSachanmerkung: Possem gloriari, non gemitum mihi, non vocem parum fortem in tantis periculis excidisse, nisi me cum omnibus, omnia mecum perire misero, magno tarnen, mortalitatis solatio credidissem. Claudia- nusSachanmerkung im 2. Buche wider den Rufinus:

Everso juvat orbe mori. Solatia letho Exitium commune dabit. – – –

Vber den Andern Act.

Talthybius erzehlet / wie jhm Achilles Geist erschienen sey / vnd begehret habe / daß man die Polyxena bey seinem Grabe auffopffern solte; im wiedrigen falle / würden die Griechen von Troja weg zu reisen nicht vermögen.

Talthybius] Des Agamemnons Heroldt; wird vom Achilles beim HomerusSachanmerkung der Götter vnd Menschen Botte geheissen.

v. 214. Es sey daß sie zum kriegen verreisen] Dann als die Griechen sich vor Troja machen wolten / vnd Agamemnon der

[Druckausgabe S. 488]
Dianen jhren Hirschen geschlagen hatte / muste zu versöhnung der Göttin / wo anders die Reise solte fort können gestalt werden / Aga- memnons Tochter Iphigenia geopffert werden.

v. 224. Die heilgen Hainen] Die Heiden haben die Wälder für heilig gehalten vnd angebetet. Plinius im 12. Buch / im 1. CapitelSachanmerkung: Nec magis auro fulgentia atque ebore simulachra quam lucos et in iis silentia adoramus. Tacitus von den DeutschenSachanmerkung: Lucos ac nemora conse-[63]crant, deorumque nominibus apellant se- cretum illud, quod sola reverentia vident.

v. 230. Der Heldt Thessaliens] Achilles. Thessalien ist die schöne Landtschafft zu Macedonien gehörig; in welcher die be- rühmbten Risenberge Olympus / Pelion vnd Ossa; das schöne Feldt Tempe / vnd die Brunnen vnd Wohnung der Musen sind. Mela be- schreibet sie gar artlich im 3. Cap. des andern Buches; Besser Strabo im 9. BucheSachanmerkung. Velleius straffet die / welche von der Trojani- schen Zeit reden / vnd den Namen Thessalien gebrauchenSachanmerkung; weil diese gegendt damals noch hiesigen Namen nicht gehabt hat. Aber Poeten / wie Virgilius auch selber thut / lassen sich hieran nicht binden.

v. 227. Ihr Achilles] Weil er der Seegöttin Thetis Sohn ist.

v. 231. Als da wie Thracien] Wie er der Thracier vnd Myser Volck / derer Obrister Telephus gewesen / geschlagen hat. Das Wort Thracien hat sich vorzeiten auff viel Länder erstreckt: ist aber eigendt die revier vmb Macedonien. EustathiusSachanmerkung redet gar weit- leufftig hiervon / vnd vnterscheidet die Europeischen vnd Asiati- schen Thracier.

v. 233. Neptunus Jüngling] Den Cygnus / Neptunus Sohn.

v. 233. In seinem greisen Haare] Weil er in einen Schwan verendert worden ist.

+ + + + +
[Druckausgabe S. 489]

v. 236. Wie Xanthus langsam floß] Ein Fluß bey Troja; sonst auch Scamander genannt. Also saget L. Attius in EpinausimacheSachanmerkung:

Sanguine undam salso sanctam obtexui Scamandriam, Atque acervos alta in amni corpore explevi hostico.

Welche Worte / wie Joseph Scaliger meynet / zweiffels ohne der Achilles bey dem alten Poeten redet. Catullus sagt von jhm der- gleichenSachanmerkung.

[64]

v. 243. Kennst du nicht vor mein zürnen / Griechenlandt] Als mir Agamemnon die Briseis meine Buhlschafft genommen / vnd ich dessentwegen dich hülffloß lies.

v. 251. Der Tritonen] Der Wassergötter vnd Nymfen.

Vber das Theil: Als du die Segel/ &c.

Agamemnon vnd Pyrrhus zancken sich allhier wegen der Poly- xena; dann Agamemnon in jhren Todt nicht willigen wil. Calchas aber giebet seinen Außspruch hierüber. Es scheinet Seneca vnter des Pyrrhus Person den Keyser Nero heimlich vorzubilden / vnd seine vnbändige Freyheit zu tadeln. Wie man dann dergleichen Exempel mehr findet / daß die Poeten sicherheit halben durch eines anderen Person die Laster der Tyrannen vnd boßheit jhrer zeit be- stochen haben.

v. 253. Als du die Segel &c.] Nach erlangtem Siege.

v. 254. Der blos mit seinen Händen hat Trojen noch zerstört] Weil er Hectorn vmbgebracht hat.

v. 256. Was Scyros sonst &c.] Eine Insel im Egeischen Meer / da Achilles / damit er nicht vor Troja ziehen dörffte / vnter des Königs Lycomedes Frawenzimmer in Weibeskleidung verborgen gewesen. Ovidius im 1. Buche von der Kunst zu liebenSachanmerkung:

+ + + +
[Druckausgabe S. 490]
Turpe, nisi hoc matris precibus tribuisset, Achilles Veste virum longa dissimulatus erat.

v. 256. Leßbos] Eine Insel des Egeischen Meeres / welche Achilles / ehe er zu den Griechen gestossen / verwüstet hat: Wor- von Parthenius im 26. Cap. seiner BuhlergeschichtenSachanmerkung redet.

[65]

v. 268. Vnd nam darvon den Spies] Diß Gewehr wird jhm gemeiniglich von den Poeten gegeben. Horat. lib. 4. Od. 6Sachanmerkung.

Filius quamvis Thetidos marinae Dardanas turres quateret, tremenda Cuspide pugnax.

Ovid. epist. BriseidSachanmerkung.

Transeat Hectoreum Pelias hasta latus.

Fab. Quintilianus lib. 8. c. 5Sachanmerkung. Quin ex instrumento quoque heroum illorum magnitudo aestimanda nobis datur. ad hoc pertinet clypeus Ajacis et hasta Pelias Achillis. Homerus sagetSachanmerkung / es hette niemandt diesen Spieß zu regieren vermocht / als Achilles selber. Wie Thetis jhren Achilles verborgen habe / schreibet Statius lib. 1. Achilleidos.

v. 269. Telephus] Der König in Mysien; welcher den Griechen / als sie nach Troja wolten / den Durchzug bey jhm verwehrete. Diesen hat Achilles so sehr verwundet / daß er aus Göttlicher Weissagung nur einig vnd allein durch den Achilles kondte geheilet werden. Derentwegen jhm Achilles / als er sich mit jhm versöhnet / den Rost von der spitzen seines Spiesses auffgeleget / vnd jhn also zu rechte gebracht hat. So saget er bey dem Ovidius selber im 13. Buche der VerenderungenSachanmerkung:

– – – ego Telephon hasta Pugnantem domui, victum orantemque refeci.

〈Vnd 5. Trist. Eleg. 2.Sachanmerkung

+
[Druckausgabe S. 491]
95 Telephus aeterna consumptus fame perisset, Si non, quae nocuit, dextra tulisset opem. CF〉

Claudianus in einer EpistelSachanmerkung:

Sanus Achilleis remeavit Telephus herbis, Cujus pertulerat vires, et sensit in uno Lethalem fortemque manum. – – –

Welchen Ort er ohn zweiffel vom Seneca entlehnet hat. Hierauff sihet auch Q. Serenus Sammonicus im Buche von der ArtzneySachanmerkung:

[66]
– – – sanat quem sauciat ipsa; Utque Larissaea curatur Telephus hasta.

Propertius in der 1. Elegie des 2. BuchsSachanmerkung:

Mysus et Haemonia juvenis qua cuspide vulnus Senserat, hac ipsa cuspide sensit opem.

v. 272. Thebe] In Cilicien. Von diesen seinen Thaten saget Achilles beym Ovidius im 12. Buche Metamorph.Sachanmerkung

110 – – – vel cum Lyrnesia primum Moenia dejeci vel cum Tenedonque suoque Eetioneas implevi sanguine Thebas Vel cum purpureus populari caede Caicus Fluxit opusque meae bis sensit Telephus hastae.

v. 274. Eetion] Andromachen Vater / König zu Thebe in Asia.

v. 275. Lyrnessos] Ein Castell vnd Stadt im Troischen Gebiete; der Briseis Vaterlandt.

v. 277. Briseis] Hippodamia / Briseus Tochter.

v. 278. Chryse] Eine Stadt in Cilicien: aus welcher Agamemnon die Astynome eine geheiligte Jungfraw zum raube bekommen. Welche als er aus des Apollo Befehl widergeben muste / nam er dem Achilles seine Briseis / dannenher vnter jhnen beyden ein harter Zanck vnd Feindschafft erwuchs.

[Druckausgabe S. 492]

v. 279. Tenedos] Eine Insel zwischen Leßbos vnd Hellespont.

v. 280. Wo sich der Thracier] Cilla vnd Tenedos gehören zwar zu Thracien nicht; es werden aber die Griechen die zeit über als sie vor Troja gelegen vieleichte jhre Krieges Rosse (wie die Thraci- schen sind) wegen fülle der Weide allda haben gehen lassen.

v. 281. Cylla] Eine Stadt in Cilicien; von welcher Apollo Cylleus genannt wird.

[67]

v. 282. Caicus] Ein Fluß in Mysien / so zwischen der Stadt Elea vnd Pitane hinleufft / wie Mela sagetSachanmerkung.

v. 290. Der rhum daß Troja noch bezwungen ward ist seine] In Überwindung Hectors. Horatius im 6. Liede des 4. Bu- chesSachanmerkung:

– – – et Trojae prope victor altae Phthius Achilles.

v. 294. Memnon] Tithonus ist des Priamus Bruder / vnd Mem- nons Vater. Philostratus / wie Scaliger bey dem Eusebius verzeich- netSachanmerkung / saget daß Memnon nie nach Troja kommen sey.

v. 295. Die waise Mutter] Die verwaisete Aurora oder Morgen- röthe / Memnons Mutter. Ovid. 13. MetamSachanmerkung.

Cura deam propior luctusque domesticus angit Memnonis amissi, Phrygiis quem lutea campis Vidit Achillea pereuntem cuspide mater.

v. 295. Achilles ward gelehrt &c.] Er lernete / daß er auch sterben müste; wann die See-Göttin Thetis noch ein mal seine Mutter were.

v. 297. Amazon] Die streitbare Penthasilea; von welcher der alte Außleger des Statius saget / wie Herr Barth / im 52. Buche AdversariorumSachanmerkung, lieset: Pugna et cum Amazone, quae in auxilium Priami venit, post defunctum Hectorem fuit.

+ +
[Druckausgabe S. 493]

v. 304. Dein Kindt] Die Iphigenia.

v. 304. Der Helenen] Die Helena wider zu holen.

v. 308. Ich weis noch wol die zeit] Als ich wegen der Chryseis mit dem Achilles zancken muste.

v. 356. Sein Rhum wird weit vnd breit durch alle Welt gehört] Welches grosser Helden vornemster Lohn vnd Ehre ist. So sagt Plinius in der 1. Epistel des andern BuchesSachanmerkung [68] vom Virgi- nius Rufus: Tanti viri mortalitas magis finita quam vita est. Vivit enim vivetque semper, atque etiam latius in memoria hominum et sermone versabitur, postquam ab oculis recessit.

v. 365. Du übermütiger / wann deine &c.] Phedrus in der 83.Sachanmerkung Fabel: Qui re secunda fortis est, dubia fugax. Der ausserhalb des Krieges ein Löwe ist / vnd ein Hase im treffen.

v. 369. Wie du pflegst] Wie du vor diesem gegen die Chryseis vnd Cassandra bist entzündet gewesen.

v. 378. Ich sage selber so] Er helt den Pyrrhus hönisch; als solte er sprechen: Du magst dich wol eines andern berühmen.

v. 380. Der seinen Vater doch vmb Gnad’ ersuchet hat] Des- sen dein Vater / als er jhn vmb seines Sohnes Hectors Leiche ange- sprochen / verschonet hat.

v. 381. Er bat’ vnd war auch Feindt] Ich habe jhn als einen Feindt vmbgebracht; mein Vater verschonete sein / weil er jhn so hefftig ersuchte.

v. 382. Daß du dein Bitten auch &c.] Daß du meinem Vatern nicht dorfftest vnter augen gehen / vnd mustest jhn wegen der Chryseis durch den Ajax vnd Vlysses nebenst übersendung vieler Geschencke versöhnen lassen.

v. 385. Auch da wie Griechenlandt &c.] Wie Hector vnd die Trojaner den Griechen vnd jhren Schiffen so hart zusetzte / hielt + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 494]
sich dein Vater im Frawenzimmer / vnd erlüstigte sich mit der Lauten. Solches verweiset Briseis dem Achilles auch mit sehr beissenden Worten in jhrem Brieffe beym OvidiusSachanmerkung:

185 – – – tibi plectra moventur, Te tenet in tepido mollis amica sinu.
[69]
Et si quis quaerat, quare pugnare recuses, Pugna nocet: citharae noxque Venusque juvant. – – – du spielest auff der Seiten / Hast die mit der du dich / vnd sie mit dir sich letzt: Vnd wann man fragen wil / warumb du nicht wilt streiten; Die Schlacht versehrt; die Nacht / die Laut’ und Lieb’ ergetzt.

LucanusSachanmerkung ad Calpurn. Pisonem:

Ille fides movisse ferox narratur Achilles, Quamvis mille rates Priameius ureret heros, Et gravis obstreperet modulatis buccina nervis.

〈v. 393. Da Hectors Vattern auff der Hector ward gegeben] Da Priamus seines Sohnes Hectors Leiche erlangete. F〉

v. 396. Weil mancher lieber stirbt als daß er lebendt bleibt] Hieher gehört was Publius SyrusSachanmerkung sagt:

O vita misero longa, felici brevis.
O Leben / gar zu lang dem der in Armut lebt / Hergegen gar zu kurtz dem der in Glücke schwebt.

〈Siehe Boetii schöne Elegie / zu anfange seiner trostbücherSachanmerkung. CF〉

v. 403. Wer viel thun darff / sol nicht viel thun / wann er gleich kan.] Ausonius in dem Spiel der sieben WeisenSachanmerkung:

Quanto plus liceat, tam libeat minus.
+ + + +
[Druckausgabe S. 495]

v. 406. Macht Scyros solchen Muth?] Ein so vnbekandtes Vaterlandt? Eine Cycladische kleine Insel?

v. 406. Die Brüder Mordt nicht liebet] Die zwar klein ist; aber doch keine solche Brüdermörder zu Königen hat / wie zwar Atreus vnd Thyestes vor dir zu Mycenen waren.

v. 407. Der See die jhr verwandt] In der meine Großmutter Thetis ist.

v. 408. Mir ist Thyestes Hauß vnd Atreus wol bekandt] Ich kenne dich wol / daß du des Atreus Sohns-Sohn / Plisthenes Sohn bist.

v. 409. Die Mutter] Deidamia / Licomedes Tochter.

[70]

v. 410. Als er kein Mann gewesen] In seinen vnmündigen Jahren.

v. 415. Die Thetis &c.] Achilles ist der Thetis Sohn / Eacus Enckel / Jupiters Enckels Sohn. Eacus ist des Peleus Vater gewe- sen / vnd Peleus des Achilles Vater; Jupiter aber des Eacus Vater / vnd Egina seine Mutter.

v. 418. Mit dem es auch kein Gott nicht nah’ hat angenom- men] Den auch kein Gott für der Faust hat antasten dürffen. Solches bekennet der Neptunus dem Apollo selber im 2. Buche der Verenderungen beym OvidiusSachanmerkung:

Vivit adhuc operis nostri populator Achilles: Det mihi se faxo, triplici quid cuspide possim, Sentiat, ac quoniam concurrere cominus hosti Non datur, occulta necopinum perde sagitta.

v. 423. Du der du loß gemacht &c.] Du Calchas auff dessen Göttliche Eingebung wir fortgeschiffet sind / nach dem wir in Aulis in Beotien so lange auffgehalten worden.

v. 436. Vnd die Ioninn auch] Die Argiver Bräute.

v. 438. Seine Braut] Die Polyxena.

+ + + +
[Druckausgabe S. 496]

Vber das Chor: Ob es dann war ist.

Die Reime sind Jambisch; vnd hat der Erste vnd Dritte Verß jed- weder Acht / der Andere vnd Vierdte neun Sylben: vnd so ferner. Das Chor ist 〈welches mich fast allein von der Verdolmetschung abgeschreckt hätte; weil darinnen die Sterblichkeit der Seelen so gar mit Heydnischen Worten außgedruckt wirdt. Angesehen aber sich kein Christ/ der nur in seinem Glauben gegründet ist/ an der- gleichen Worte oder Schrifften kehren kan: so habe ich destoweni- ger wegen der Vbersetzung Bedencken getragen. Es bestehet aber dieser Chor F〉 von Trojanischen Weibern; die beydes an Leibe vnd Vernunfft gefangen sind: dann sie einhellig vorgeben / daß nur zu- gleiche Leib vnd Seel vntergehen müsten / vnd daß nach diesem Leben weiter nichts zu hoffen oder zu fürchten sey. Wie dann die armen Leute ins gemeine geglaubet haben. Darumb zum offtersten in jhren [71] alten Leichschrifften die Gräber Aeternae domus, Ewige Häuser / genannt werden. Wie auch nachfolgende VerseSachanmerkung auff die meynung gehen:

255 Suscipe nunc conjunx, si quis post funera sensus, Debita sacratis Manibus officia.

Petronii Antigenidis EpitaphiumSachanmerkung:

Haec domus aeterna est, hic sum situs, hic ero semper.

Auff einem andern Marmor:

260 Docta lyra, grata et gestu, formosa puella: Hac jacet aeternum Sabis humata domoSachanmerkung.

Ja auch verständige vnd weise Männer sind dieser blinden Ge- dancken gewesen. Sonderlich die Epicurer; welcher Irrthumb be- + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 497]
kandt ist. Item die Stoischen Philosophen / die / wie LaertiusSachanmerkung meldet / zwar darvor halten / daß die Seele nicht gleich alßbaldt mit dem Leibe auffgehe / dennoch aber sterblich sey. Welches der Christliche Cicero / TertullianusSachanmerkung ingleichen von jhnen bestetiget / vnd an vnserem Seneca genungsam zu sehen ist: nicht alleine hier / wo er einen Poeten giebet / sondern auch da / wo er am aller klügesten seyn wil. Hier saget er:Sachanmerkung

Quaeris quo jaceas post obitum loco? Quo non nata jacent.

In der Trostschrifft an die MarciaSachanmerkung: Mors omnium dolorum et solutio est et finis: ultra quam mala nostra non exeunt, quae nos in illam tranquillitatem, in qua antequam nasceremur jacuimus, reponit. Si mortuorum aliquis miseretur et non natorum miserea- tur. In der 54. EpistelSachanmerkung: Mors est, non esse id quod ante fuit, sed quale sit jam scio: hoc erit post me, quod ante me fuit. Wie jhm denn auch Plinius im 55. Cap. des 7. BuchsSachanmerkung einstimmet: [72] Om- nibus, sagt er / a supremo die eadem quae ante primum: nec magis a morte sensus ullus, aut corpori aut animae, quam ante natalem. Allhier spricht er widerSachanmerkung:

Post mortem nihil est ipsaque mors nihil.

In der vorigen TrostschrifftSachanmerkung: Mors nec bonum nec malum est. Id enim potest aut 〈bonum aut〉 malum esse, quod aliquid est: quod vero ipsum nihil est et omnia in nihilum redigit, nulli nos fortunae tradit. Mala enim bonaque circa aliquam versantur materiam. Non potest id fortuna tenere, quod natura dimisit: nec potest miser esse, qui nullus est. Vnd was er hier von der Helle vnd jhrem zu- + +

[Druckausgabe S. 498]
stande saget / das widerholet er dort mit eben dergleichen Worten. Sehen wir also / daß er entweder bloß aus gemeinem wahn redet / wann er im vorigen Chor den Priamus für glückselig schätzet / der nun die örter der Tugendthafften Seelen besitze vnd durch- wandere: oder seiner art nach nichts gewisses in seinem Hertzen findet / darauff er fussen vnd beruhen könne. Wie er dann in einer Epistel die sterbligkeit der Seelen so liederlich behauptet / in einer andernSachanmerkung hergegen saget: In ipsa Scipionis Africani villa jacens haec tibi scribo, adoratis manibus eius et ara, quam sepulchrum esse tanti viri suspicor: animum quidem eius in coelum, ex quo erat, rediisse persuadeo mihi. Warumb aber? Non, spricht er weiter / quia magnos exercitus duxit (hos enim et Cambyses furiosus, ac furore feliciter usus habuit), sed ob egregiam modera- tionem pietatemque. Mehr hat Lipsius zusammen gelesen in seinen Stoischen NaturbüchernSachanmerkung. Besserer Sinnen sind gewesen Mercurius TrißmegistusSachanmerkung / Pherecydes SirusSachanmerkung / Thales MilesiusSachanmerkung / Plato / Aristoteles vnd andere. Von den Druiden in Franckreich saget Lucanus im ersten BucheSachanmerkung:

[73]
– – – vobis auctoribus umbrae Non tacitas Erebi sedes Ditisque profundi Pallida regna petunt: regit idem spiritus artus Orbe alio &c.

Aber von diesen weitleufftiger / mit Gottes hülffe / lib. 2. Commen- tariorum Daciae AntiquaeSachanmerkung, da wir von der Geten Weißheit und Gottesdienste außführlich reden werden. Jetzundt wollen wir den halb-Christlichen Philosophen (Gott behüte vns) hören; dessen + + +

[Druckausgabe S. 499]
Episteln an den PaulusSachanmerkung noch verhanden seyn: wo sie jemandt darvor halten wil.

v. 449. Wann vns das Weib die Augen schon betrübet zu- gedrückt wird haben] Es war bräuchlich daß die Eltern den Kindern / die Weiber den Männern / vnd so hergegen / wie auch ein Freundt dem andern nach seinem Absterben die Augenlieder zudruckten. Seneca in eben dieser TragedienSachanmerkung:

Concede parvos ut mea condam manu Viventis oculos. – – –

OvidiusSachanmerkung:

Hic certe manibus fugientes pressit ocellos Mater et in cineres ultima dona tulit.

Mehr hat Johann KirchmannSachanmerkung in seinen Büchern von den Römi- schen Begräbnissen.

v. 455. Oder sterben wir &c.] Seneca sagetSachanmerkung:

An toti morimur nullaque pars manet Nostri? – – –

Mit welchen Worten er vieleicht auff den Horatius gesehen hat / lib. 3. Od. 30.Sachanmerkung

335 Non omnis moriar multaque pars mei Vitabit Libitinam.

v. 469. Hecate] Der Mond.

[74]

v. 476. So wird auch unser Geist verstieben] Publius Sy- rusSachanmerkung: Fides (ut anima) unde abiit, nunquam redit.

340 Der Menschen Glaub’ vnd Trew ist wie die Seel’ vnd Geist Sie kömpt nicht wider her wo sie ist hingereis’t.
+ +
[Druckausgabe S. 500]

v. 484. Wo die so nie die Welt gesehen] Euripides auch in den TrojanerinnenSachanmerkung:

Τὸ μὴ γενέσϑαι τῷ ϑανε̃ιν ἴσον λέγω: Non esse natum et mortuum esse idem puto. Es kömpt alles überein Todt / vnd nie geboren seyn.

v. 489. Der Tenarus] Das Thor der Hellen. StatiusSachanmerkung:

Taenariae limen petit irremeabile portae.

JuvenalisSachanmerkung saget fast wie Seneca:

Esse aliquid Manes et subterranea regna Et contum et Stygio ranas in gurgite nigras Atque una transire vadum tot millia cimba Nec pueri credunt, nisi qui nondum aere lavantur.

v. 492. Vnd Fabel einem Trawme gleiche] Dann / wil er sagen / es ist niemandt zurück kommen / der etwas gewisses darvon erzehlet hette. 〈Plinius im 55. cap. des 7. BuchesSachanmerkung: Quae deinde sedes quantave multitudo tot seculis animarum velut umbrarum? Puerilium ista deliramentorum avidaeque nunquam desinere mortalitatis commenta sunt. CF〉 Horatius im 1. BucheSachanmerkung:

Jam te premet nox fabulaeque Manes.

Persius in der fünfften SatyraSachanmerkung:

Indulge genio, carpamus dulcia: nostrum est Quod vivis: cinis et Manes et fabula fies. Vive memor lethi: fugit hora: hoc quod loquor inde est.

〈Vnd der Comedienschreiber Amphicus beym Atheneus im 8. BucheSachanmerkung: .

+ +
[Druckausgabe S. 501]
Bibe, lude: vita mortalis est, Breve super terram tempus, Immortalis mors est, si quis obierit. CF〉
[75]

Vber den Dritten Act.

Andromacha wird durch einen Trawm gewarnet / vnd verbirget jhren Sohn Astyanax; aber Vlysses bringt jhn durch Bedrewung vnd List hinweg.

v. 497. Als Peleus grimmer Wagen] Als Achilles mit seinem Wagen den Hectorn drey mal vmb die Trojanischen Stadtmawren schleiffete.

v. 507. Er nimpt die beste Frucht des Leides von mir hin / Ohn alle furchte sein] Ich köndte mich ja trösten / daß ich weiter nichts zu fürchten hette.

v. 515. Weis dann nun weiter Gott &c.] Sie bildeten jhnen ein / wann sie Vnglück mit hauffen außgestanden ketten / so würde Gott ja zu letzte nicht mehr wissen / mit was er sie ferner betrüben köndte. Im ersten Act der ThebaisSachanmerkung.

15 Quis jam Deorum (velle fac) quicquam potest Malis tuis adjicere? – – –

〈Vnnd im AgamemnonSachanmerkung / Choro Heu quam:

Equidem nec ulla caelites placo prece: Nec, si velint saevire, quo noceant habent. Fortuna vires ipsa consumpsit suas. CF〉

v. 522. Sie sterben ja wie wir] Weil die Griechen wie wir sterben / so sehe ich nicht / weil sie wider auffstehen / wie es vns nicht solle müglich seyn. Vnd es ist müglich: Dann mein Hector ist mir erschienen.

v. 526. Die Nacht die hatte &c.] Dergleichen Ort hat Vir- gilius / im 2. Buche vom EneasSachanmerkung; welchen Seneca hier gar herrlich außgedruckt hatSachanmerkung.

+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 502]

v. 534. Vnd den der es nicht war Achilles] Den Patroclus / welcher Achilles Rüstung angethan hatte.

v. 553. So sahe Hector aus] Isaacus PorphyrogenitusSachanmerkung beschrei- bet jhn also: Hector / Priamus vnd Hecubens Sohn / der Streitbareste/ Stärckeste vnnd in [76] Wissenschafft der Waffen Geschwindeste vnter allen Trojanern vnd Griechen; der / welchen Homerus gerühmet hat. Dieser ist Mannhafft / vnd wie eine Flamme gewesen / hat zum Streit einen LöwenAn- grieff gehabt / hoch von Leibe vnd mächtiger Kräfften / mit einer schönen Nasen / krausem Haar / schönem Barte / lispelend / schielend / ein adelicher vnd gefürchteter Krieges- mann / der in der Schlacht sehr geschrien hat. So hat dieser Mann außgesehen; der zwar in hiesiger Verzeichnis die letzte Stelle gehabt hat / aber doch gewiß vnter allen Griechen vnd Trojanern / wie wir gäntzlich vermeynen / der erste gewesen ist. Fast so bildet jhn auch Dares PhrygiusSachanmerkung vor.

v. 594. Auch frommen Diebstal an] Ein Diebstal ists / weil sie den Astyanax verstelen vnd verbergen muß; ein frommer Dieb- stal / weil sie es aus blosser ElternLiebe thut / welche aller anderer MenschenLiebe vorgehet. 〈Im Agamemnon / Act 5Sachanmerkung.

Recipe hunc Oresten ac pium furtum occule. CF〉

So nennen die Juristen dolum bonum, einen guten Betrug / der in listigen Anschlägen bestehet: vnd Aristoteles hat ἀπάτην δικαίαν, eine gerechte Hinderlist; wie Ritterßhusius auffzeichnet bey diesen Verß seines Günterus / im 2. BucheSachanmerkung:

Et pulchro sublata dolo castella fuissent.
+ +
[Druckausgabe S. 503]

v. 597. Du schewst sich schewen können / diß ist dein’ edel’ art] Welche keiner Furchte vnterworffen ist. Dannenher ist dege- ner metus, die unedele oder vnartige Furchte / bey dem Luca- nus im 3. BucheSachanmerkung:

– – – tot rebus iniquis Paruimus victi: venia est haec sola pudoris Degenerisque metus, nil jam potuisse negari.

VirgiliusSachanmerkung:

Degeneres animos timor arguit. – – –
[77]

v. 610. Der Cephalener Fürst] Vlysses. Die Völker der In- sel Cephalene im Ionischen Meer sind mit Vlysses für Troja gezo- gen.

v. 634. Der Mutter] Seinem Stamme. Die Latiner gebrauchen zu weilen das Wort Mutter von einem Bawme / wegen der Aeste so daraus wachsen. Virgilius im 2. Buche vom AckerbawSachanmerkung:

– – – Parnassia laurus Parva sub ingenti matris se subjicit umbra.

Dannenher hat HoratiusSachanmerkung maritare populos, die Papelbäwme vermählen / gesaget. Corippus im 2. BucheSachanmerkung:

Arboris ut matris quae de radice propago Nascitur et celsis caput erigit ardua ramis Aequiparatque novis maternae frondibus umbrae: At mater propriam fiorenti germine natam Gaudet habere parem laetasque attollit in auras Felices ramos et vertice despicit arva.

v. 702. Vnd in dem meinen lieg’] Diß ist der guten Leute einiger wundsch gewesen / daß sie in dem jhrigen möchten zur Erden bestattet werden. Ja sie haben sich auch in jhre eigene Häu- ser begraben lassen. Servius zu dem Orte Virgil. im 6. BucheSachanmerkung:

+ + +
[Druckausgabe S. 504]
Sedibus hunc refer ante suis et conde sepulchro;

Apud majores, sagt er / omnes homines in suis domibus sepelie- bantur. Unde ortum est, ut lares colerentur in domibus. Unde etiam Umbras Larvas vocamus.

v. 704. So war auch ist mein Kindt im Grab’ jetzt allbereit] Sie redet war; dann sie hat den Astyanax in des Vatern Grab ver- stecket.

[78]

v. 712. Sie hats ja trefflich hoch bethewret durch den Schwur] Es muß ja war seyn / weil sie sich so hefftig ver- schworen hat. Theophrastus helt es in seinen Merckzeichen der Sitten für die erste anzeigung eines ruchlosen verzweiffelten Men- schens / wann er leichtlich zu einem Eidtschwur zu bringen ist / vnd (wie PacuviusSachanmerkung / aus dem es Casaubon auffmercket / vorzei- ten gesagt hat) einen Eidt nichts anders vermeynet zu seyn / als eine Handtzwähle / mit welcher man die täglichen Laster auff- trucknet.

v. 734. Hier ist er; das ist gut] Vlysses stellet sich als ob jhn jemandt gefunden hette / vnd als er hinter jhrem Rücken wegge- führet würde. In dem sie aber meynet es sey war / vnd gantz er- schrocken hinter sich schawet / mutmasset er / sie müsse jhn ver- stackt haben.

v. 748. An die heilge stat] An das Grab. Welches jederzeit für heilig ist gehalten worden. Hieher gehöret der titul D. de religiosis et sumpt. funerSachanmerkung.

v. 749. Was sol ich jmmer machen?] Nachfolgende Verse sind ein statliches Vorbildt eines Gemütes / sonderlich eines Weib- lichen / das in hochwichtigen Sachen vnd grossem Vnglück nicht weiß was es dencken / reden / thun oder lassen sol.

〈v. 753. Euch Götter auch in gleichen / &c.] Quintilian lib. + + + +

[Druckausgabe S. 505]
6. Inst. OratoriarSachanmerkung. Iuro per mala mea, per infelicem conscien- tiam, per illos manes, numina doloris mei. CF〉

v. 768. Ihn hat der Todt befreyt] Im Latein stehet:

115 – – – at ilium fata jam in tuto locantSachanmerkung.

So in der ThebaisSachanmerkung:

– – – cujus haud ultra mala Exire possunt, in loco tuto est situs.

v. 784. Ihr habt an Heiligthumb &c.] Von dem Diomedes vnd Vlysses / wie sie bey Nachte das Palladium hinweg stelen / hat Conon in der 34. Erzehlung bey dem PhotiusSachanmerkung eine lustige Fabel.

[79]

v. 791. Menas] Vom μαίνεσϑαι, Rasen. Dann Menades sind die Weiber / welche den Gott Bacchus zu feyren rasende hin vnd wieder lieffen / vnd jhn mit wahnlosen Sitten ehreten. Catul- usSachanmerkung:

Ubi capita Maenades vi jaciunt hederigerae, Ubi sacra sancta acutis ululatibus agitant.

v. 818. Gedencke das Erbarmen &c.] Dergleichen befihlet auch Onosander einem Obristen zu thun im 35. Cap. seiner Krieges- vnterrichtungSachanmerkung.

v. 833. Komm / du kläglichs Diebstal du] Andromacha ruffet jhren Astyanax aus dem Grabe / vnd befihlet jhm / daß er den Vlysses vmb Gnade bitten sol. Der erste vnd dritte Verß sind Trocheisch von sieben Syllaben; der Andere vnd Vierdte Jambisch von eilff Syllaben; welche die Frantzosen Vers communs, gemeine Verse / nennen. Kömpt also diß Carmen dem jenigen nach bey dem HoratiusSachanmerkung:

Non ebur neque aureum Mea renidet in domo lacunar.
+ + + + +
[Druckausgabe S. 506]

v. 848. Ein KönigsSohn] Priamus; wie bey dem 161. Verß ge- sagt ist worden.

v. 861. Als zwar in dem Vater] Priamus Vater Laomedon hatte den Göttern / welche die Trojanischen Stad-Mawren gebawet einen gewissen Lohn / vnd dem Hercules / der seine Tochter He- sione von einem Meervngethüm erlösete / etliche Pferde verheissen; nachmals aber seiner Zusage keinen genügen gethan.

v. 862. Das Hercules gefangen hielt den Knaben war sein nutz vnd macht’ jhn frey] Im Lateinischen stundt zuvor:

Hoc fuit illo victore capiSachanmerkung.

Welches entweder gar nicht / oder ja gar übel verständtlich war. Joseph Scaliger aber lieset:

Profuit illo victore capi.
[80]

Vnd so saget auch Seneca druntenSachanmerkung:

– – – profuit multis capi.

Rutilius NumatianusSachanmerkung zu der Stadt Rom:

155 Fecisti patriam diversis gentibus unam: Profuit invitis te dominante capi.

v. 866. Wie kömpt es doch &c.] Wie kömpt es / daß bey er- oberung Trojen euch nur Hercules seine Pfeile belieben? warumb gebrauchet jhr euch nicht auch seiner glimpfflichen Sitten / Barm- hertigkeit vnd Güte?

v. 869. Der so viel als jener ist] als Priamus.

Vber das Theil: Der armen Mutter Leidt/ &c.

Andromache bietet vnd drewet; Vlysses aber verführet nichts desto weniger was jhm obliegt.

v. 877. Sol er den Schutt der Stadt &c.] Nachfolgende Rede ist sehr schön vnd künstlich.

+ + +
[Druckausgabe S. 507]

v. 882. Kan jhm der Vater noch &c.] Hector / der nicht mehr im leben ist / den Achilles mit dem Wagen geschleiffet hat / solle er dem Knaben können ein Hertze machen? was hat man für Hülffe von einem Todten? Würde doch Hector selber / wann er noch leben solte / seine adeliche Hertzhafftigkeit was näher gegeben haben / von wegen so vielen Vnglücks / welches auch die hoffertigsten Hertzen zu demütigen pfleget.

v. 894. Auch den Pelasgern selbst &c.] Du hast gemacht / daß Iphigenia ist hingerichtet worden / hast den Palamedes fälschlich angeklaget / vnd dem Ajax des Achilles Waffen abgedrungen.

v. 898. Du Kriegsheldt bey der Nacht] Der du [81] alle An- schläge wider die Feinde bey Nachte muste fortstellen. So heist Sallustius den Catilina: Nocturnum ImperatoremSachanmerkung, einen Nacht- Regenten. 〈Vnnd Cicero in Verrem lib. 4Sachanmerkung. Dant sese in fugam istius praeclari imperatoris nocturni milites. CF〉

v. 910. Das Leidt wird durch die Zehren erleichtert] Plinius in der 16. Epistel des 8. BuchesSachanmerkung: Est enim quaedam etiam dolendi voluptas.

v. 913. Furcht’ aller Danaer] AusoniusSachanmerkung:

Flos Asiae tantaque unus de gente superstes, Parvulus, Argivis sed jam de patre timendus, Hic jaceo Astyanax. – – –

v. 916. Am mitlen Alter] Du möchtest so glückselig seyn als dein Großvater Priamus in seinen besten Jahren war / da es jhm an Gewalt / Reichthumb vnd Königlichem Wolstande nicht mangelte. Seneca nennt ein solches Alter annos medios. So Phedrus im 2. BucheSachanmerkung:

+ + +
[Druckausgabe S. 508]
Aetatis mediae cuidam mulier non rudis Tegebat annos celans elegantia.

Mehr saget Nicolaus Rigaltius zu diesen Versen.

v. 917. Du wirst kein Scepter tragen &c.] Dieser einige Ort / wie auch Heinsius allbereit erinnert hatSachanmerkung / scheinet in diesem Trawerspiele / welches sonsten durchaus vollkommen ist / etwas vnnötig zu seyn. Sie wil den Vlysses überbitten / vnd sagt jhm von den Griechen vnd vom Pyrrhus. Vnd was noch mehr ist / da sie den Sohn zum letzten gesegnet / da jhn der Feindt jhr aus der Handt reisset / da man allbereit die Segel auffgezogen hat vnd abstossen wil / da beklagt sich das Weib daß ihr Sohn nicht jagen / nicht bey dem Trojanischen Frewdenfeste rennen / nicht den Lobetantz he- gen solte. Doch kan man sehen / wie es zu entschuldigen sey. 〈Ich meine / Seneca wil eines Weibes Rede vorbilden / die zum offtersten von einem auff das andere kömpt / vnd so genaw nicht genommen wird. F〉

[82]

v. 921. Den Pyrrhus nach dir schleiffen] Daß du dich an dem Sohne rächen mögest / weil sein Vater den deinigen vmbge- bracht hat.

v. 924. Auffs fünffte Jahr] Zu ende des vierdten / vnd anfange des fünfften. Solch Trojanisches Spiel beschreibet VirgiliusSachanmerkung.

v. 927. O strenge Todesart / Noch härter als der Todt!] Se- necaSachanmerkung spricht:

O morte dira tristius lethi genus.

Plinius in der 16. Epistel des 5. BuchesSachanmerkung: O triste plane acerbum- que funus! O morte ipsa mortis tempus indignius! Martialis im 92. Epigramma / im 10. BucheSachanmerkung:

Tristius est letho lethi genus.
+
[Druckausgabe S. 509]

v. 938. Die gleichfalls frey sind blieben] Die im Kriege sind vmbkommen / vnd nit wie wir dörffen gefangen seyn.

v. 948. Also magst du / mein Sohn &c.] Die Heiden waren zum theil der meynung / daß Freunde vnd Bekandte nach diesem Leben wider zusammen kommen / vnd einander entgegen gehen würden. Dahin gehet / was SuetoniusSachanmerkung erzehlet / das Keyser Tibe- rius gethan habe: Scurram, qui praetereunte funere elato mortuo mandarat, ut nuntiaret Augusto nondum reddi legata quae plebi reliquisset, attractum ad se recipere debitum ducique ad suppli- cium imperavit et patri suo verum referre.

v. 949. Voll meiner] Voll meiner / wegen der Küsse die ich dir gleichsam auff den weg gebe; der Haare / die ich deinentwegen auß- rupffe; vnd der Thränen die ich so häuffig vergiesse.

v. 951. Im fall ein Geist &c.] Propertius im 4. BucheSachanmerkung:

– – – Si sentire datur post fata quietis.

TacitusSachanmerkung in seines Schwehers Leben: Si quis piorum Mani-[83]bus locus, si, ut sapientibus placet, non cum corpore extinguuntur magnae animae. 〈Auctor Herculis in OetaSachanmerkung:–tristes questus Natae exaudi, si quis remanet Sensus in umbris. CF〉

v. 955. Nim noch ein mal mein Haar] Das Frawenzimmer hat vorweilen aus kümmerniß das Haar außgerissen vnd auff jhrer Freunde Gräber zu bezeugung jhrer Liebe geleget. Propertius im 1. BucheSachanmerkung:

245 Illa meo charos donasset funere crines, Molliter et tenera poneret ossa rosa.

v. 964. Der Griechen Schiff’ jhr säumniß] Den Knaben / vmb dessen willen wir stille müssen liegen.

+ +
[Druckausgabe S. 510]

Das Chor: An welch Ort &c.

Als die Trojanerinnen in vnterschiedene Wege in Griechenlandt sollen geführet werden / nach dem sie der Griechen Loß getroffen / so erzehlen sie allerhandt Oerter / da sie gerne hin wollen / nur nach Sparta / Mycenen vnd Ithaca / Helenen / Agamemnons vnd Vlysses Vaterlandt / nicht. Die Reime sind Trochaisch / vmb- schiessig von sieben vnd acht Syllaben.

v. 967. Sein Gefilde] Die Berge Othrys / Ossa / Olympus vnd andere.

v. 968. Phthie] Ein Theil von Thessalien / da Achilles vnd die Mirmidonen her gewesen.

v. 971. Trachyn] Eine Stadt vnd Steinichtes Landt in Thessalien. 〈Auct. Herculis in OetaSachanmerkung: –resonetque malis aspera Trachyn. CF〉

v. 973. Ists Iolcos / die das Schiff auff die See hat dürffen führen?] Ists Jasons Vaterlandt / der das güldene Fell zu holen sich zum ersten auff die See gewagt hat?

v. 975. Crete] Eine Insel im Mittelländischen Meer / heutiges tages Candia.

[84]

v. 976. Welche hundert Städte zieren] In der Apocolo- cynthosiSachanmerkung:

Qui dat populo Jura silenti, Cretaea tenens Oppida centum.

Horatius 9. Epod.Sachanmerkung:

275 Aut ille centum nobilem Cretam urbibus Ventis iturus non suis.

Lucanus im 3. Buche vom Pharsalischen KriegeSachanmerkung:

Jam dilecta Jovi centenis venit in armis Creta vetus populis. – – –
+ +
[Druckausgabe S. 511]

v. 977. Gortyne] Sonsten Larissa / wie StephanusSachanmerkung sagt; eine Stadt in Creta.

v. 978. Tricce] Ein Städtlein in Thessalien.

v. 979. Methone] Eine Stadt in Thracien.

v. 980. Meußdorn] Keerbesen; bey den Apotekern bruscumSachanmerkung.

v. 981. Eta] Ein Berg / auff dem Hercules verbrandt ist.

v. 982. Mit zweyen Spitzen] Mit Hercules Pfeilen.

v. 985. Olenos] Eine Stadt in Elis / welche StraboSachanmerkung zu seiner zeit nicht sehr Volckreich zu seyn schreibet. StephanusSachanmerkung hat viel darvon.

v. 987. Pleuron] Eine berühmbte Stadt in Etolien / Meleagers Vaterlandt / dessen Vater Eneus als er den andern Göttern der Früchte allerley Ehre anlegte / vnd Dianen aussen lies / ward die Göttin ergrimmet / vnd schickte ein vngehewres wildes Schwein in Etolien / welches die Landtschafft vmbher verwüstete.

[85]

v. 989. Trezen] Eine Stadt im Peloponnesus / Theseus Vaterlandt.

v. 992. Prothous] Tenthredons Sohn / wie Homerus vnd Lyco- phronSachanmerkung sagen. 〈Vnd also hat diesen Ort Hugo Grotius zum ersten geendert; da zuvor Protheus stundtSachanmerkung. F〉

v. 993. Pelion] Den die Riesen auff die andern zweene hohe Berge Ossa vnd Olympus getragen / als sie die Götter bestritten haben. Im wütenden HerculesSachanmerkung:

Videat sub Ossa Pelion Chiron suum, In coelum Olympus tertio positus gradu Perveniet aut mittetur. – – –

v. 994. Chiron] Saturnus vnd Philyren / Oceanus Tochter / Sohn / der halb Mensch vnd halb Pferdt gewesen: ein erfinder der Artzney / in der Music vnd Politischen Weißheit hoch erfahren.

v. 995. Der grimme Knabe] Achilles; der vom Chiron zu allem guten erzogen ward.

+
[Druckausgabe S. 512]

v. 1001. Carystos] Eine aus den Cycladischen InselnSachanmerkung / reich von schönem Stein vnd Marmor; welchen Strabo vnd Plinius wegen seiner Flecke vnd Striemen sehr loben; wie auch Tibullus vnd Mar- tialis die Seulen so draus gemacht werden. Sidonius ApollinarisSachanmerkung: Jam si marmora inquiras, non illic quidem Paros, Carystos, Proconissos, Phryges, Numidae, Spartiatae rupium variatarum posuere crustas.

v. 1003. Chalcis] Eine Stadt in Euboien.

v. 1004. Euripus] Das ab- vnd zunehmende Meer zwischen Aulis in Beotien vnd Eubea; so in Tag vnd Nacht sieben mal ab- vnd zuleufft.

v. 1006. Die Echidnen] Die Inseln in welcher Meer der Fluß Achelous leufft / nicht weit von den Cephalener Städten / wie Eustathius meldet / vnd sein DionysiusSachanmerkung.

[86]

v. 1009. Gonoessa] Stephanus nennt sie GonoyssaSachanmerkung; in Etolien.

v. 1011. Enispen] In Arcadien. Homerus heist sie ἠνεμόεσσαν Ἐνίοπην Sachanmerkung, Die windichte Enispen. StraboSachanmerkung saget / sie weren zu seiner zeit übel zu finden / vnd stünden gantz wüste.

v. 1012. Peparethos] Eine Cycladische Insel.

v. 1014. Eleusis] Eine Attische Stadt / da die Göttin Ceres mit stillschweigendem Gepränge vnd Opffer gefeyret wird. Woher sie den Namen bekommen / saget Hygenus in den FabelnSachanmerkung. Daß aber der Ceres Fest zu anfange des Frülings sey begangen worden / rechnet Scaliger aus lib. 5. de emendat. temporumSachanmerkung.

+ +
[Druckausgabe S. 513]

v. 1017. Salamin] Die Attische Insel / darinnen Telamon regie- ret.

v. 1019. Calydon] Eine Stadt in Etolien / von welcher vnd dem wilden Schweine / dessen hier erwehnet wird / Ovidius redet im 8. Buche der VerenderungenSachanmerkung.

v. 1021. Scarf’ vnd Bessa] Zwey Städte in Locris; Bessa sehr heckicht / Scarfe aber / wo Juno einen Tempel gehabt / Obstreich vnd fruchtbar; wie Strabo im 9. BucheSachanmerkung gedencket.

v. 1022. Titaressos] Ein Fluß in Thessalien / der durch die Lo- cros fleust / der so dicke vnd strenge Wasser hat / daß er mit dem Peneus / in den er feilt / nicht sol vermischet werden / sondern wie Oel oben auff schwimmen.

v. 1025. Pylos] In Messenien / Nestors Gebiete.

v. 1026. Pharis oder Pisa] Jene eine Stadt in Laconien / diese in Elis; da dem Jupiter Spiele gehalten / vnd die welche darinnen obgesieget gekrönet sind worden. Elis liegt zwischen Messenien / Achaien vnd Arcadien.

[87]

v. 1032. Sparta] Eine vorneme Stadt in Laconien; sonsten Lacedemon / heutiges Tages Misithra.

v. 1033. Die Seuch’] Helena.

v. 1039. Neritos] Ein Berg in Ithaca.

v. 1039. Zazynth] Eine Insel / darinnen Vlysses geherrschet hat.

v. 1040. Ithace] Eine Insel Cephalonien gegenüber; darinnen eine Stadt dessen Namens Vlysses Vaterlandt gewesen.

Vber den Vierdten Act.

Helena überredet erstlich durch List / mit fürgebung einer Hey- rath / hernachmals frey vnd vngeschewet die Hecuben vnd Andro- machen / daß sie den Pyrrhus die Polyxenen wollen auffopffern + + + + +

[Druckausgabe S. 514]
lassen. Letzlich kömpt Pyrrhus / vnd reisset die Jungfraw / vnge- achtet der Mutter drewen vnd schelten / mit sich darvon.

v. 1052. Des Paris Schwester] Polyxena / dessen Schwester / den ich für allen Dingen auff der Welt geliebet.

v. 1056. Auff derer Nacken &c.] Die Griechen mögen es ver- antworten; die mir wider meinen willen diß Ampt aufferleget haben.

v. 1062. Der Pelasger Zier] Pyrrhus.

v. 1065. Die grosse Thetys] Die Göttinn des Meeres / Neptunus Gemahlinn.

v. 1066. Thetis] Achilles Mutter. CatullusSachanmerkung:

Thessaliae columen Peleu, quoi Juppiter ipse, Ipse suos divum genitor concessit amores: Tene Thetis tenuit pulcherrima Neptunine? Tene suam Tethys concessit ducere neptem?
[88]

Ovidius lib. 2. Am. el. 14Sachanmerkung.

Quis Priami fregisset opes, si numen aquarum Jussa recusasset pondera ferre Thetis?

Dieser hiervon weitleufftig lib. 11. MetamorphSachanmerkung.

v. 1067. Nereus] Ein Meer-Gott.

v. 1071. Laß schlichten Häupt vnd Haar durch die gelehrte Handt] docta manuSachanmerkung. Ovidius Amor. lib. 1. Eleg. 11Sachanmerkung.

Colligere incertos et in ordine ponere crines Docta nec ancillas inter habenda Nape.

It. de Arte, lib. 1Sachanmerkung.

20 – – – sit docta barba resecta manu.
+
[Druckausgabe S. 515]

v. 1084. Europa] In welchem Griechenlandt gelegen.

v. 1085. Asien] In dem Troja lieget.

v. 1086. Als du die Schlacht gesehn &c.] Als du von der Trojanischen Mawer deine zweene Männer Mann für Mann hast vmb dich streiten gesehen / vnd gezweiffelt ob du deinem Ehe- manne Menelaus oder dem entführer Paris den Sieg gönnen soltest.

v. 1088. Was darff man Fackeln hier? &c.] Trefflich hö- nisch.

v. 1102. Es thut zwar hefftig bange in Diensten müssen seyn] Ich kan es leichte zugestehn / daß es euch bange müsse thun / daß jhr jetzt gefangene Leute seydt: Aber mir ists nichts newes.

v. 1105. Noch schwerer für jhm fliehen] Wie ich die ich mich nach Hause fürchte; wegen meines Mannes / der es nicht wird vn- gerochen lassen / daß ich mich an einen andern gehenckt habe.

v. 1111. Mein Herr] Mein Menelaus.

[89]

v. 1114. Ist ewer Schiff nicht kommen &c.] Hat mich doch ewer Paris entführet.

v. 1120. Nur diese] Polyxenen.

v. 1122. Wann Helena kan Zehren vergiessen &c.] Es muß ein grosses Vnglück verhanden seyn / wann die vnbarmhertzige vnd verstockte Helena selber weinen muß.

v. 1129. Sigeon] Das Trojanische Vorgebirge.

v. 1134. Als dieses auff der Erden] Wann Polyxena jhres Vatern Mörder Pyrrhus heyrathen solte.

v. 1144. Schaw die grossen Sinnen] Der Polyxenen. Welche darumb nichts redet / daß stillschweigen einer Jungfrawen sonder- lich wol anstehet. 〈Sophocles im Ajax dem Geisselträger: Γύναι, γυναιξὶ κόσμον ἡ σιγὴ φέϱειSachanmerkung F〉 Plautus im RudensSachanmerkung:

60 Quid? istae mutae sunt, quae pro se fabulari non queunt?
Eo tacent, quia tacita bonast mulier semper quam loquens.

Heliodorus im 1. BucheSachanmerkung: Πϱέπϵιν γὰϱ οἰ̃μαι, γυναικὶ μὲν σιγήν, ἀνδϱὶ δὲ ἀπόκϱισιν ἐν ἀνδϱάσιν. Ich vermeyne es gebühre +

[Druckausgabe S. 516]
einem Weibe zu schweigen / vnd einem Manne bey Männern zu antworten.

v. 1149. Das andre war jhr Todt / diß ist jhr Hochzeit Leben] Den Pyrrhus zu heyrathen hielte sie für jhren Todt / jetzt helt sie den Todt für jhre Hochzeit.

v. 1154. Wie hangt die müde Seel’ an so gar dünnem Faden?] Wie leicht feilt Hecuba in jhrem hohen Alter in Ohn- macht?

v. 1156. Ist das geringst’ an jhr] Das allerleichteste; nemlich der Todt: welcher jhr allbereit auff den Augen sitzt.

v. 1160. O Paris &c.] Du hast nicht so viel macht vnd stärcke gehabt / daß du den Achilles gantz bettest können vmbbringen.

[90]

v. 1161. Sein’ Asch’ vnd Grab wil auch &c.] Dieses hat 〈ohn zweiffel F〉 Seneca aus dem OvidiusSachanmerkung entlehnet / bey welchem Polyxena saget:

– – – cinis ipse sepulti In genus hoc saevit, tumulo quoque sensimus hostem; Aeacidae foecunda fui. – – – Von welchem Orte Marcus

Anneus Seneca redet / lib. 4. ControversiarumSachanmerkung.

v. 1166. Die eintzig’ hier] Polyxena. Denn Cassandra allbereit in der Feinde Hände war.

v. 1172. Aus jhrer Augen Bach] Der Polyxenen.

v. 1174. Cassandra] Sonsten Alexandra; die schöneste vnter Priamus Töchtern / wie HomerusSachanmerkung wil.

v. 1174. Daß sie so freyen solte] Daß sie auch möchte sterben.

v. 1182. Der Scyrinn Sohn] Pyrrhus / Achilles vnd Deidamien / Lycomedes Königes in Scyros Tochter / Sohn.

v. 1184. Thet’ Agamemnon nicht] Welcher die Cassandra zu sich bekommen.

v. 1186. Als einen kurtzen Raub] 〈Wegen des großen Al- ters. F〉 Dann die Alte gar zeitlich von jhm gelauffen ist / vnd sich + + +

[Druckausgabe S. 517]
in die Hellespontische See gestürtzet hat / da sie zu einem Hunde sol worden seyn; wie HygenusSachanmerkung schreibet.

v. 1193. Achilles Waffen sinds &c.] Sol Vlysses / der zuvor Achilles Waffen bekommen hat / jetzt auch die Hecuben kriegen?

v. 1198. Des Hectors Raub] Mich / Hectors Mutter.

v. 1201. Nim mich hin] Nim auch nur zugleich mein Vnglück.

v. 1203. Die See sey nimmer still’] Ein sehr Poetischer Ort; wie ScaligerSachanmerkung erinnert. So ist auch jenerSachanmerkung:

Litora litoribus contraria, fluctibus undas Imprecor. – – –
[91]

v. 1211. Es ist ja dein gebrauch daß du die Alten würgst] Du hast ja nicht vnlengst den Priamus auch vmbgebracht.

Auff das Chor: Wie tröstlich.

Die Trojaner Frawen trösten sich / daß sie allesampt jhr Leidt gemeine haben / vnd einander in verlassung des Vaterlandes ge- fehrtin geben. Der erste vnd dritte sind gemeine Verß von zehen; der andere vnd vierdte auch Jambische von neun Syllaben.

v. 1221. Wie tröstlich ists &c.] Symmachus in der 27. Epistel des 8. BuchesSachanmerkung: Et illa quidem adversa, quae cum pluribus pertu- listi, more humani ingenii habent aliquod de societate solatium.

v. 1229. Des vngemachs von dem kein Mensch ist frey / Be- gehrt nicht einer frey zu werden.]

Ferre quam sortem patiuntur omnes, Nemo recusatSachanmerkung.

Vitalis Gallicus von Blois:

120 Sors mala si fuerit omnibus una, placet.

Welchen Verß Herr Barth in seinen AdversariisSachanmerkung anzeucht.

+
[Druckausgabe S. 518]

v. 1249. Phryxus] Phryxus vnd Helle / als sie für jhrem Vater Athamas Könige in Beotien vnd der Stieffmutter Ino flohen / sind sie auff den Wieder mit dem güldnen Fell gestiegen / vnd haben die See überschwemmen wollen: das Phryxus zwar gethan hat / Helle aber ist herab gefallen vnd ertruncken; dannher das Meer Hel- lespontus oder Helles-Meer genannt ist worden / welches von Calliopolis / so vier Tagereisen von Constantinopel lieget / biß an die Egeer See gehet. DionysiusSachanmerkung nennet dieses Meer

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– – – στεινωπὸν ὕδωϱ Ἀϑαμαντίδος Ἕλλης

Das enge Wasser der Athamantischen Helles; wo Sestus vnd Abidus gegen einander vber liegen. Die Historie wird etwas anders erzehlet vom ApollodorusSachanmerkung im 1. Buche von der Götter vrsprunge.

v. 1253. Die Pyrrhe / vnd jhr Mann] Hergegen Pyrrhe vnd Deucalion jhr Mann klagten nicht / als die Welt durch eine allge- meine Flut ersoffe / vnd sie beyde nur alleine übrig blieben. Die Poeten (sonderlich OvidiusSachanmerkung) schreiben von jhnen / daß sie aus Jupiters befehl Steine hinter sich geworffen hetten; aus welchen von des Deucalions Männer worden / von der Pyrrhen Weiber: vnd also were der Erdboden wider zu rechte kommen.

v. 1263. Wann nun die See gemach wird höher stehn / Das Landt sampt Ida sich verlieren] Auff der See kömpt es einem vor / als das Landt fortlieffe / vnd das Wasser stille stünde; welches Seneca hier sehr artlich außgedruckt hat. 〈Vnnd M. Seneca, AgamSachanmerkung. Act. 3.

Fususque transtris miles aut terras procul, Quantum recedunt vela, fugientes notat; Aut bella narrat. – – –

Mehr haben andere / vnnd ich zum Propheten IonasSachanmerkung auffge- zeichnet. CF〉

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[Druckausgabe S. 519]

v. 1264. Die Mutter wird &c.] Rutilius NumatianusSachanmerkung / als er Rom / von der er verreiset war / auff der See liegen sihet:

Respectare juvat vicinam saepius urbem, Et montes visu deficiente sequi; Quaque duces, oculi grata regione fruuntur, Dum se quod cupiunt cernere posse putant.

Vber den Fünfften Act.

Ein Bote erzehlet den Müttern / wie Astyanax vom Thurne ge- stürtzet / vnd Polyxene bey Achilles Grabe hingerichtet worden sey.

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v. 1273. Hat Mars auch in zehn Jahren &c.] AusoniusSachanmerkung:

Proh dolor! Iliaci Neptunia moenia muri Viderunt aliquid crudelius Hectore tracto.

v. 1288. Hier hatt’ er offtermals &c.] Ovidius 13. MetamSachanmerkung.

Mittitur Astyanax illis de turribus, unde Pugnantem pro se proavitaque regna tuentem Saepe videre patrem monstratum a matre solebat.

v. 1325. Welch Colcher] Die Colcher sind Völcker hinter dem Euxinischen Meer bey dem Caucasischen vnd Moschischen Ge- birge. Ihre Regentinn ist gewesen Medea / derer grawsamkeit vnd Kindermordt bekandt ist.

v. 1325. Scythen] Scythien ist heutiges tages ein theil der Tartarey. StraboSachanmerkung sagt die Scythen weren so grawsam / daß sie auch jhre Gäste zu erwürgen vnd auffzufressen pflegten.

v. 1326. Die ohne Häuser sind] ἀμάξοικοι καὶ σκηνι̃ται, Die auff Wagen vnd in Gezeiten wohnen; die überall zu hause sind.

v. 1327. Am Caspischen Gestad’] Die grimmen vnbändigen Hyrcaner.

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[Druckausgabe S. 520]

v. 1330. Busiris] Des Königes in Egypten / Neptunus Sohnes / der seine Gäste den Göttern sol auffgeopffert haben.

v. 1331. Diomedes] Ein König in Thracien; der seine Pferde mit Menschenfleisch gespeiset hat.

v. 1342. So war der Vater auch] Hector; welchen Achilles ge- schleiffet vnd jämmerlich zerrissen hat.

v. 1348. Ein Feldt / vnd Hügel wie man pflegt ein Schaw- hauß auffzuführn] Ein Hügel der von vnten gemach herauff steiget / vnd sich in die runde außbreitet / wie die [94] schönen Gebäwde / in denen die Alten allerley Spiele gehalten vnd be- schawet haben.

Ausonius in der MoselSachanmerkung:

35 Qua sublimis apex longo super ardua tractu Et rupes et aprica jugi flexusque sinusque Vitibus assurgunt naturalique theatro.

Ammianus Marcellinus, lib. 27Sachanmerkung. Eadem loca, formata in cornuti sideris modum, effingunt theatri faciem speciosam. 〈Siehe auch Plin. lib. 5. epist. 6. lib. 6. epist. 31Sachanmerkung. CF〉

v. 1363. Hermione] Helenen vnd Menelaus Tochter / welche Pyrrhus erstlich entführet / Orestes aber / dem sie versprochen war / nachmals widergeholet hat.

v. 1368. Doch ziehrt sie mehr als wol die röte] Dares Phry- giusSachanmerkung saget / Polyxena sey weis / hoch / schöne / von langem Halse / hübschen Augen / gelben vnd langen Haaren / wolgestalter Glieder / lang an Fingern / gerader Schenkel / feiner Füsse / allen an Gestalt überlegen / einfeltigen Gemütes / freygebig vnd milte gewesen.

v. 1370. Wie auch die Sonne selbst &c.] Die Poeten pflegen schöne Angesichter zum offtern mit der Morgenröte oder Sonnen- niedergange zu vergleichen. Q. CatulusSachanmerkung:

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[Druckausgabe S. 521]
Constiteram exorientem auroram forte salutans, Quum subito a laeva Roscius exoritur. Pace mihi liceat coelestes dicere vestra: Mortalis visus pulchrior esse deo.
Als nechst ich ohngefehr die Morgenröt’ empfieng / Sah’ ich daß Roscius zur lincken handt auffgieng: Ihr Götter / mit verlaub; groß ist der Göttinn Ziehr / Doch der so sterblich ist der kam mir schöner für.
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v. 1373. Wie nur pflegt zu geschehen] Wann wir ein ding sehen vntergehen / oder einen Menschen sterben / so loben wir jhn dann erst.

v. 1392. Sie fiel mit schwerer Last ergrimmet für sich hin] Sie fiel fürwarts / auff das Gesichte / damit sie schamhafftiger vnd vnentblösset möchte liegen; welches auch Euripides von jhr saget; vnd aus jhm OvidiusSachanmerkung:

Tunc quoque cura fuit partes velare tegendas Quum caderet, castique decus servare pudoris.

Wie auch eben er von der Lucretie, Fast. 2Sachanmerkung.

Tunc quoque iam moriens, ne non procumbat honeste, Respicit; haec etiam cura cadentis erat. CF〉

Vom Julius Cesar sagt SuetoniusSachanmerkung: Utque animadvertit undique se strictis pugionibus peti, toga caput obvolvit, simul sinistra manu sinum ad ima crura deduxit, quo honestius caderet etiam inferiore corporis parte velata.

v. 1393. Als wolte sie mit jhr Achilles Grab beschweren] Als wolte sie mit jhrer Last Achilles Gebeinen beschwerlich seyn. Welchem sie übel wolten / dem wündschten die Alten ein schweres Grab / damit seine Seele / welche sie vermeineten zugleiche mit der Aschen begraben zu werden / entweder langsam oder ja gar schwerlich zu den andern frommen Seelen in die Elysischen Felder kommen möchte. Dannenher stehet auff einem alten Leichsteine in FranckreichSachanmerkung:

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[Druckausgabe S. 522]

TE· LAPIS· OBTESTOR· LEVITER·SUPER·OSSA·RESERVA NE · NOSTRO · DOLEAT · CONDITUS · OFFICIO

v. 1411. Das was ich wündschen kan ist einig nur der Todt] So klagt sie auch beym OvidiusSachanmerkung:

– – – quo ferrea resto? Quidve moror? quo me servas, damnosa senectus? Quo, di crudeles, nisi uti nova funera cernam, Vivacem differtis anum? – – –
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v. 1412. Du leuffst ja Jungfrawn an vnd Kinder noch darzu] Kinder / weil Astyanax herab gestürtzt; Jungfrawn weil Polyxena erwürget / Cassandra geschändet / die andern aber ge- bunden vnd gefangen sind.

v. 1418. Wie nahe bin ich doch beym Priamus gestanden?] Als er bey dem Altar ermordet ward / vnd ich so gantz verschonet blieb.

ENDE




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Trojanerinnen, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. Band II, 2, hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: https://opitz.hab.de/edition/band-ii-2/ii_2_69/ (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Trojanerinnen, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.), Band II, 2