.1 Divine Princeps … .2 Wann theure Heldinnen

[Druckausgabe S. 418]

67. Sz 58 1625 .1 Divine Princeps ... .2 Wann theure Heldinnen

BONAE MEMORIAE | SERENISSIMAE PRINCIPIS | DORO- THEAE | SYBYLLAE, | EX AVGVSTA ELE- | CTORVM BRAN- DEN- | BVRGICORVM | FAMILIA; | DVCIS SILESIAE | LIGNICENSIS ET | BREGENSIS; | PIENTISSIMAE ET OPTI- | MAE PRINCIPIS. | [Zierstück 41 × 39 mm]

40: ein Bogen, unsigniert = [χ] Exemplar: Breslau 4 V 57/43

[χ1a] Titel [χ1b] Serenissimo Principi, | JOANNI CHRI- STIANO | Duci Silesiae, | Lignicensi & Bregensi; | Domino suo Clementissimo: | Magni item Patris spei | maximae Filiis, | GEORGIO, | LVDOVICO, | RVDOLPHO, | CHRISTIANO, | PRINCIPIBVS JVVENTVTIS; | hoc acerbi luctus sui testimo- | nium consecrat | MARTINUS OPITIUS. [χ2a] Divine Princeps; Initiale 25 × 26 mm. [χ2b]–[χ4a] Wann theure Heldinnen. Schluß- ornament: Eichel )§( Eichel 22 mm weit. [χ4b] leer.

Dorothea Sibylla, Herzogin von Liegnitz und Brieg, 19. Okt. 1590 – 19. März 1625, war eine Tochter des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg. Seit dem 12. Dez. 1610 war sie mit Johann Christian von Brieg verheiratet; die der Ehe entsprosse- nen Söhne sind auf der Rückseite des Titelblattes verzeichnet. In dem deutschen Trostgedicht vergleicht Opitz die Verstorbene mit Dorothea der Rekluse, 1347–1394, der durch ihre Wunder- taten berühmten ehemaligen Schutzheiligen Preußens, und nimmt Bezug auf die Piasten, von denen die Familie Johann Christians eine Seitenlinie darstellt. Piast ist der sagenhafte Ahn- herr des alten polnischen Königshauses; der vierte Piast, Mißis- law I. (Mieczyslaw, Mieszko) trat 966 zum Christentum über. Sein Sohn Boleslaw Chabri (der Tapfere), gest. 1025, besiegte die Russen (»Kioff« 27) und begründete das polnische Reich. Casimir der Friedfertige, 1015–1058, war schon dem Benediktinerorden zu Cluny beigetreten, wurde aber nach 1041 der Befestiger des Christentums in Polen. Heinrich I., der Bärtige, gest. 1238, war der erste Piast, der unabhängig von Großpolen regierte; seine Gemahlin war die heilige Hedwig, gest. 1243. Schließlich enthält

[Druckausgabe S. 418]
Zeile 109 eine Anspielung auf den Sohn der Vorigen, Heinrich II., der 1241 in der Schlacht bei Liegnitz zwar über die Mongolen siegte aber auch zugleich den Tod fand.

Gel. 242 f. faßt den Inhalt dieses Alexandrinergedichts zusam- men und betont dessen »Anspruch auf abstrakt-exemplarische Gültigkeit«. Die negative Beurteilung 241 stimmt mit Hoffmann v. Fallersleben, Weimarer Jb. III (1855), 139f., überein.

[.1]

[χ2a]
DIvine Princeps vosque Principis Nati,
Dulces, venusti, incomparabiles Nati,
At nunc (sed hoc volentibus tarnen Fatis)
Atrate Princeps vosque Principis Nati,
5 Moesti satis nimisque saucii Nati,
Lugubre carmen filiasque non falsas
Nostri doloris lachrymas domus vestrae
Devotus ille cultor offero vobis
Et do dicoque non libens: sed haec coeli
10 Antiqua lex est ardui simul nasci
Et interire. Vivit attamen, vivi
Multumque floret illa patriae et vestra
Beata mater: nos in arida mundi
Scabri senecta mortui sumus vivi,
15 Sed illa floret. Sique dexterae vatum
Fides habenda est et sororibus Phoebi,
Inter poetas aula quos alit vestra
(Alit poetas aula nobiles vestra)
Et ipse, fragilis, hoc queo unicum, tumbae
20 Loco quotannis versibus meis manes
Cantabo vestrae conjugisque matrisque,
Divine Princeps vosque Principis Nati;
Praemissa quorum sola nunc domus vestrae
Devotus ille cultor offero vobis.
+

[Druckausgabe S. 419]

[.2]

[χ2b]

WAnn theure Heldinnen / sampt jhren schönen gaben /
Auch würden / wie sonst wir / getödtet vnd begraben /
Das doch vnmöglich ist / so sagt’ ich recht vnd frey /
Daß vnsers Landes Zier vnd Lust gestorben sey.
5 Jedennoch ist sie weg / die Königin der Frawen /
Der Spiegel aller Zucht / in dem man kundte schauen
Als in ein bandt verknüpfft / der höchsten tugend schar /
So fast kaum Weiblich theils / vnd theils kaum Menschlich war;
Vorauß die Frömigkeit / warumb sie Dorotheen /
10 Nach welcher sie auch hieß / wird an der seiten stehen
In jenem Paradieß / vnd die sie würdig macht
Daß sie Sibyllens Zeit solt’ haben zugebracht /
Die Christliche Sibyll’. O daß doch eure Sinnen
Du / Chlotho / Lachesis / vnd Atropos / euch können
15 So gantz gefroren stehn! ist denn kein from-sein nicht /
Kein’ hoheit noch gestallt / so euch das Hertze bricht /
Das Hertze von Demant / vmbgossen mit dem Stahle /
Den vns Trinacria schickt aus dem heissen Sahle
Deß krummen Mulcibers? ist dann der rauhe Todt
20 Selbst todt vnd vnbewegt / daß keine bitt’ vnd noth
Bey jhm verfangen wil? wir werden nur verschorren /
Wie eine Purpurblum’ im Sommer muß verdorren /
Vnd wie das müde Haupt deß Mohes niedersinckt /
Im fall er ohn gefehr zu viel vom Regen trinckt.
Sachanmerkung + + + + + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 420]
25 Piast hat allbereit sehr lange nun geschlaffen;
Den starcken Micißlaw halff keine Wehr’ vnd Waffen /
Noch newes Christenthumb; der Kioff vberwandt /
Der kühne Boleßlaw / kam dennoch in den Sandt;
[χ3a]
Der Weyse Casimir must’ auß dem stillen Leben
30 Vnd seinem Closter sich ins Königreich begeben /
Auß diesem in das Grab; der bärticht’ Henrich starb /
Vnd seine Hedwig auch / die solchen Ruhm erwarb
Durch jhre Gottesfurcht; jhr fromer Sohn ingleichen
Hat müssen / doch für herdt vnd für altar / verbleichen;
35 Vnd viel noch die der Stam von Lignitz hat gebohrn /
So mit dem Leben doch den Namen nicht verlohrn /
Der nimmer sterben wird. der Todt siht keine Reiche
Mit jhren Gaben an / macht Pflug vnd Scepter gleiche:
So hat er euch auch jetzt / jhr Ehre dieser Zeit /
40 Vnd andrer Morgenstern deß Landes / abgemeyt /
Daß sämptlich traurig ist / vnd mit betrübten Hertzen
An eure Tugendt denckt: Briegk schlegt vor tieffen schmertzen
Die Augen vnter sich / vnd weiß jhm keinen Rath;
Vnd vnser Lignitz auch / die sonst so schöne Stadt /
45 Verbirget seine Ziehr; die Oder wil nicht flissen
So klar mehr als zuvor; die Najades begissen /
Ihr weisses Angesicht’ aus grosser trawrigkeit
Mit Zehren mannigfalt; das Feldt siht weit vnd breit
Oed’ vnd verwüstet auß; Pandions Tochter singet
50 Mit kläglichem geschrey / daß Wieß’ vnd Waldt erklinget;
Wo die Violen vor bey solcher Frühlingßzeit
Im grünen liessen sehn jhr Wolckenblawes Kleidt /
Scheust Raut’ vnd Wermuth auff; ein jedes ist verzaget
Vmb diesen Todtenfall; doch der am meisten klaget
55 Seidt jhr / jhr werther Heldt / Johannes Christian /
Den sonst im wenigsten doch nicht verendern kan
[χ3b]
Deß Glückes wanckelmuth / laßt weder seinen Regen /

Noch falschen Sonnenschein / euch euren vorsatz legen /
+ + + + + + + +
[Druckausgabe S. 421]
Der bloß auff Tugendt geht: jetzt wird der starcke Sinn
60 Bestritten durch das Leidt / nach dem nun die ist hin
Die eures Lebens Licht vnd Hoffnung war auff Erden.
Diß ists mit dem jhr habt bezwungen sollen werden /
Den sonsten nichts bezwingt. hat denn der HERR der Zeit /
Der Todt vnd Leben gibt / an eurer tapfferkeit
65 Vnd löblichen Gemüth’ euch so versuchen können?
Hat seiner Macht geliebt durch dieses zu gewinnen
Den Fürstlichen Verstandt / der euch von Kindtheit auff /
Vnd von der Wiegen an / durch eures Alters lauff
Ist allzeit nachgefolgt? den jhr durch wol Studieren /
70 Vnd Reysen hin vnd her / noch mehr habt wollen ziehren?
Vnd der euch endlich hat in diesen Standt gesetzt /
In dem jhr euch an jhm nach wüntschen habt ergetzt /
Vnd sich das Volck an euch? jhr seidt in eurem Orden
Mit trewer Lieb’ vnd Gunst deß Landes Vater worden /
75 Vnd habt es recht gemeint: drumb hat euch Gott geschenckt
Die Perl’ aus Brandenburg / so jetzt wird eingesenckt;
Zwar mehr noch als zu früh / doch hat sie euch gegeben
Ein Bildt in welchem jhr sie täglich noch seht leben /
Die Erben jhrer Trew / in denen Ziehr vnd Schein
80 Der Häuser Brandenburg vnd Briegk vermenget sein.
Mich dünckt ich sehe schon die jungen freien Helden /
In dieser Blüte noch / mit jhren Augen melden
Den Stamm der sie erzeugt: sie machen jetzt schon klar
Was sie zu thun gemeint; der Weysen Bücher schar
[χ4a]
86 Ist allzeit vmb sie her / sie fangen an zu wissen /
Daß hoher Stand vnd Witz / vermählet werden müssen /
Vnd in ein Joch gebracht / im fall das Edle Pfandt
Mit dem sie sind begabt / sol werden angewandt.
90 Was kan ein Vater doch den Kindern bessers gönnen /
Alß daß sie thatens werth selbselbsten schreiben können /
Vnd schreibenßwürdig thun? als daß sie Tag vnd Nacht /
+ + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 422]
In jhrer Kindheit noch / auff Mannheit sind bedacht /
Vnd Ruhm der Wissenschafft? strebt also nach der Tugendt
Vnd Künsten / wie jhr thut / jhr Hertzoge der Jugendt /
95 Vnd hoffnung beßrer Zeit: es pflantzt euch Fama schon
Den grünen Lorbeerbaum / zu winden eine Kron’
Vnd Krantz der nicht verwelckt. in dessen so vermehre /
Du HERR der Könige / den Stamm mit Glück’ vnd Ehre /
Den weitbekandten Stamm / deßgleichen kaum die Welt
100 An Alter vnd Geblütt’ in jhrem Zirckel helt.
Laß vnsers Landes Haupt / das auch zu gutter stunden
An das berühmbte Hauß von Oelsse sich verbunden /
Bald sehn die güldne Zeit / an der man ruffen soll:
Der Gott-geliebte Fürst ist doch nur Segens voll /
105 Vnd aller Himmelßgunst: erhalt die Herren Brüder
Frisch / blüend’ vnd gesundt / daß sie dies’ jhre Glieder /
Das werthe Schlesien / wie vormals wol vnd fein
Mit Rath vnd That erziehn / vnd Väter mögen sein.
Gieb daß sie / wie vorhin jhr Anherr todt gesieget /
110 Vnd vnser Landt beschützt / das harte wardt bekrieget /
Den Frieden lebend’ jetzt erhalten Tag vor Tag /
Der so gutt daß kein Mensch nichts bessers nennen mag.
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Zitierempfehlung:

Martin Opitz, .1 Divine Princeps … .2 Wann theure Heldinnen, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. Band II, 2, hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: https://opitz.hab.de/edition/band-ii-2/ii_2_67/ (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, .1 Divine Princeps … .2 Wann theure Heldinnen, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.), Band II, 2