Lobgesang Jesu Christi

[Druckausgabe S. 267]

45. Sz 34; 150 1621 Lobgesang Jesu Christi

Einzeldruck X: Dan. Heinsii | Lobgesang Jesu | Christi | des einigen vnd ewigen | Sohnes Gottes: | Auß dem Holländischen in Hoch- | Deutsch gebracht | durch | Mart. Opitium.

4°: A–D, unpaginiert.

Exemplar Breslau 4 A 234/15 und (4 E 513/5 =) 355 059.

Gliederung: A1a Titel, A1b leer; A2a–A2b Widmung an Caspar Kirchner; A3a–A4a An den Leser; A4b Innhalt vnd nutz dieses Lobgesanges; B1a–D4a der Text des Lobgesanges. Am Ende ein Strich; darunter: Zu Görlitz im Marggrafenthumb Oberlausitz | druckts Johann Rhambaw. | [Strich] | M. D. XXI. D4b ist leer. Keine Kolumnentitel; Seitengröße etwa 190 × 150 mm.

Zweitdruck in Sammlung A, Seite 118–142 wie folgt: oberes Drittel von 118, Kopftitel fast genau wie der Haupttitel von X, nur folgt dem Namen des Dichters der Zusatz Silesium.. Un- mittelbar unter dem Kopftitel beginnt An den Leser., auf 120 spitz auslaufend; 121–142 unter der Überschrift Lobgesang Jesu Christi. der Text; am Ende dreieckiges Zierstück, 43 × 51 mm, links unten beschädigt; Engelgesicht mit Flügeln.

Der dritte Druck steht in Sammlung B, Blatt F3a–K3a wie folgt: F3a Zwischentitel, fast genau wie der Haupttitel von X; F3b unter einer Kopfleiste, 8 × 105 mm, die zwei Paragraphen Dan. Heinsius, Praefatione... und Gerbrandt Brederodt vber... wie unten; F4a und b, mit denselben größeren Lettern wie die beiden Empfehlungsparagraphen gedruckt, die Widmung an Kirchner, spitz auslaufend. G1a Ad ... Hamiltonium ... wie unten abge- druckt. G1b–G2a Inhalt und Nutz ... G2b–K3a der Text des Ge- dichtes unter dem Kopftitel wie der Haupttitel von X, nur daß die Formulierung gegen Ende (z. T. fehlerhaft) lautet: ... Gottes. | In Hochdeusch versetzet | Durch | Martinum Opitium. Am Ende rechteckiges Zierstück, 28 × 68 mm. Kolumnentitel G3a–K3a ist (links) Der Poetischen Wälder; (rechts) Erstes Buch ..

Vierter Druck in Sammlung C, erster Teil, S. 47–78 wie folgt: [47] Zwischentitel wie Haupttitel von X; 48 Zierleiste und darun- ter die Zitate aus Heinsius und Bredero fast genau wie in B.

[Druckausgabe S. 268]
S. 49, unter Kolumnentitel Erste Buch., das Gedicht an Hamil- ton; 50–53, unter von jetzt an auf jeder Seite erscheinenden Ko- lumnentiteln (l.) Der Poetischen Wälder (r.) Erste [sic] Buch., folgt Inhalt vnd Nutz dessen Lobgesanges., welche Partie noch die ersten drei Zeilen von 53 einnimmt. Dann nach einem Strich der Kopftitel; im Wortlaut wie in B, doch ist der Fehler Hoch- deusch] in Hochdeutsch verbessert worden. Text des Lobgesanges 53–78; am Ende dreieckiges Zierstück, 37 × 44 mm, mit Adler- köpfen oben links und rechts, Engelkopf mit Flügeln in der Mitte.

Einzeldruck Y: DAN. HEINSII | Lobgesang | JESV CHRISTI | des einigen vndt ewigen | Sohnes Gottes/ | Mitt notwendiger auß- legung/ | Darinnen der grundt des alten Christlichen | glaubens verfaßet ist. | Hochdeutsch gegeben | Durch | MART. OPITIVM. 4°:):(,):():(, A–N2 Exemplar: Breslau 4 E 515/7 und ein weiteres. Sz Nr. 150. Das Datum, 1633, geht aus dem Kolophon hervor.

Gliederung:):(1a Titel;):(1b –):(4b Widmung an Georgen Rudolfen ...;):():(2a und b Inhalt und Nutz ...; A1a [= S. 1] Kopftitel DAN. HEINSII | | Lobgesang | JESV CHRISTI | Des einigen vndt ewigen | Sohnes Gottes. Dann acht Zeilen Text, dar- unter Außlegungen vber den Lobgesang ... wie unten, S. 318 ff. Es folgen bis M1a = S. 89 Text und Auslegungen vermischt, z. T. auch noch mit Randnoten. Von M1b = S. 90 bis N2a = S. 99 Außlegung | Etzlicher Weltlichen Historien/ wörter ..., wie unten. Von S. 2–99 lautet der Kolumnentitel (l.) Lobgesang; (r.) Jesu Christi.. Nach dem Wort Ende. und einem Strich, der Kolophon: Gedruckt zum Brieg/ durch Augustinum | Gründern/ In Verlegung Davidt Müllers | Buchhändlers in Breßlaw 1633.. Der Druck schließt mit einem kleinen Ornament; N2b ist leer. Be- merkenswert sind einige ungewöhnliche Schreibungen, die aller- dings nicht ganz konsequent durchgeführt wurden, z. B. mitt, muter und häufiges ü am Wortanfang.

Der sechste Druck erscheint in Sammlung E, Geistliche Poemata, S. 285–312 wie folgt: 285 Zwischentitel fast wie in X; 286 unter einer Kopfleiste von 7×74 mm das Zitat aus Heinsius; das Zitat aus Bredero fehlt. Dann folgt das Gedicht an Hamilton, welches mit den letzten sechs Zeilen auf S. 287 hinüberreicht. Unter einer Zierleiste von 7×73 mm folgt 287–289 Innhalt vnd Nutz...; auf S. 290–312, unter einem Kopftitel wie bei B (nur fehlt In vor

[Druckausgabe S. 269]
Hochdeutsch), der Text des Lobgesanges. Zum Schluß, dreiecki- ges Ornament mit geflügeltem Engelkopf, 29 × 36 mm.

Aus dieser Zusammenstellung erhellt, daß Zincgref das einlei- tende Material des Einzeldruckes X für die Sammlung A auf ein Mindestmaß – nämlich auf An den Leser. – beschränkte. Für die Sammlung B und C vermehrte und veränderte Opitz nun die Prä- liminarien. Kirchners Tod 1627 machte es möglich, Druck Y dem Fürsten Georg Rudolf zu widmen, aber die schon 1621 verspro- chene Übersetzung der Auslegungen ließen das Werk durch Ge- lehrsamkeit aus zweiter Hand in geradezu bedrückender Weise an- schwellen. Mit E wurde wieder ein geringerer Umfang erreicht. Textliche Überarbeitung wird besonders bei C und Y bemerkbar. Auszeichnung der Eigennamen durch den Druck verschwindet nach XA.

Bodmer und Breitinger drucken den Lobgesang auf S. [43]–107 ihrer Ausgabe der Lobgedichte. Die Schweizer folgen dem Text der Sammlung E; sie modernisieren leise, bringen einige eigene Anmerkungen sowie Lesarten aus den andern Ausgaben. Sie kann- ten aber weder X noch Y. Später wurde ihnen Y bekannt und auf S. [619]–690 bringen sie daraus die Auslegungen; die auf Y be- züglichen Lesarten erscheinen auf S. 691/2. Druck X blieb ihnen unbekannt. Aus ihrer Historischen Nachricht von diesem Lob- gesang erfahren wir u. a., daß Buchner Opitz’ Übersetzung Barth gegenüber sehr lobt (Buchner, Epistolae, Teil II, Dresden 1692, S. 161) und daß Martin Nessel (1607 bis nach 1667) den Lobgesang ins Lateinische übersetzt hat. Es handelt sich um Danielis Heinsii Hymnus Jesu Christo ... Belgice conscriptus, ... nunc Latine a Martino Nesselio Moravo, Rostock 1635, 4°: A–I (Exemplar UB Kiel Cb 1650); weitere Ausgaben Emden 1647 und Bremen 1656. Auf die lat. Übersetzung Nessels folgt Opitz’ deutscher Text nach der Ausgabe C. Über Nessel siehe Jöcher III und Erg. Bd.

Tittmann und Oesterley bringen den Lobgesang nicht. Bei Wit- kowski (1902) ist er S. 165–198 nach A mit Lesarten abgedruckt.

HeinsiusLof-sanck van Iesvs Christvs wurde 1616 in Amster- dam separat veröffentlicht; seit 1618 erscheint er als Teil von Nederduytsche Poemata. Nach dem Titel kommt die Prosawid- mung an Jacob van Dijck. Es folgt ein Gedicht von 20 Zeilen, worin Heinsius ausführt, er sage jetzt der Venus adieu und wolle Christus preisen. Heinsius’ Freund Petrus Scriverius trägt ein

[Druckausgabe S. 270]
Empfehlungsgedicht von 60 Zeilen bei. Dann folgt Inhout ende nuttigheyt van desen Lofsanck. und (1622) eine Liste älterer Autoren, meist Kirchenväter, die für die Auslegungen benutzt worden sind. Nach den Alexandrinern des Textes stehen die Aus- legungen (1622 unterm Text, außer den ›Weltlichen‹); Zeilen- zählung zu viert; keine Auszeichnung der Namen. Die Aus- legungen stammen von P. Scriverius; doch ist anzunehmen, daß der als Patristiker bekannte Heinsius dazu beisteuerte. Zahlreiche Einfügungen in Text und Auslegungen bezeugen, daß Opitz nicht nach der Erstausgabe übersetzt hat.

Eine verständige Beurteilung, die auch neueren Ansichten über das Barock gerecht wird, findet sich auf S. 27–31 des Heinsiuska- pitels von Professor G. A. van Es in Geschiednis van de Letterkunde der Nederlanden, Band 4: De Letterkunde van Renaissance en Ba- rock, Teil I, von G. A. van Es und G. S. Overdiep, ’s Hertogen- bosch und Brüssel 1948. Dort auch weitere Literaturangaben.

Es war sein Vetter Caspar Kirchner, der Opitz zur Nachahmung von Heinsius angeregt hatte und auf dessen Betreiben hin Opitz den Lof-sanck übersetzte. Durch die Widmung drückte der Dichter ihm seine Dankbarkeit aus. Die Übersetzung lag am 1. Januar 1620 in Heidelberg fertig vor; sicher zeigte Opitz sie Heinsius, dem »Phoenix unsrer Zeiten«, als er ihn im Oktober 1620 in Leiden besuchte. Die Widmung an Kirchner wurde aber erst Ende 1621 unterzeichnet, als Opitz die Übersetzung in den Druck gab. Sinn und Form des Originals hat Opitz mit bemerkenswerter Treue er- faßt und wiedergegeben. Vetter Kirchner dürfte ihm beim Erler- nen des Niederländischen schon vor seiner Abreise nach Heidel- berg behülflich gewesen sein. (Über Kirchner siehe Nr. 34.)

Daß für den Druck Y eine neue Reinschrift hergestellt wurde, beweist das Fehlen der Zeile 762, die im Druck durch Sternchen angedeutet wurde, was ja nicht geschehen wäre, wenn nach einer gedruckten Vorlage gesetzt worden wäre. Auch die in der Prosa von Nutz und Inhalt ausgefallene Zeile geht wohl auf Rechnung des Abschreibers.

Bei unserm Neudruck wolle man folgendes beachten: Zeilen- zählung und Zeilenangaben bei den Auslegungen stammen vom Herausgeber. Bei den Auslegungen wurden die Randnoten von Y aus technischen Gründen unter die Auslegung gesetzt. Gelegent- lich wurden Worte, die fälschlich in Zitiertype gedruckt worden

[Druckausgabe S. 271]
waren in die Normaltype der Auslegungen transponiert, und kleinere Druckversehen wurden stillschweigend verbessert, beides häufig nach dem Druck der niederländischen Urfassung.

[Nur in B, C, E:]

Dan. Heinsius, Praefatione ad doctorum Virorum Epistolas.

ET nos hymnum Dei Filio vernacule conscripsimus, in quo to- tam de persona Filii doctrinam, versu partim, partim prorsa, ex antiquitate orthodoxa complexi sumus. In quo, ex his maxime loquendi generibus (κοινωνίας ἰδιωμάτων exprimentibus) colores duximus Poeticos.

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[Nur in B und C:]

Gerbrandt Brederodt vber sein Spiel Jerolimo

WAt Mensch is so lomp of duyster van vernuft/ die sonder Bewe- ging en groote Andachticheyt/ en recht-schapene soeticheit souw konnen hooren of lesen die Goddelicke Lofsang van Jesu Christo/ door den hooghen en vytgheleerden DANIEL HEINSIUS ghe- maeckt? Ich geloof niet/ datter sterfliick mensch leeft/ die begaeft is met redeliicke sinnen/ die t’selve soude doen. Vor miin/ ick mach wel seggen/ dattet mijn hooghste Poesie geweest is/ dar ick myn opperste genoegen in gehadt hebbe van myn leven.

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[Druckausgabe S. 272]

[Nur in X und B:]

[A 2a]

Martinus Optius An Herren Caspar Kirchnern.

MEin Herr Vetter/ Vnter andern Vbeln/ welche den Krieg zue be- gleiten pflegen/ ist auch die verachtung vnd vntergang des studie- rens. Dann zue zeit der Waffen haben die/ welche den freyen Kün- sten ohne diß nicht wol wollen gelegenheit sie zue verfolgen/ vnd die so sonsten für beförderer derselben wollen gehalten sein/ finden vrsache sie zue verlassen. Weil derwegen ein hohes Gemüte hier- durch seines billichen Lobes vnd Rhumes beraubet wird/ sich auch offtermals ohne hülffe vermögender Leute nicht halten kan/ wird es leichtlich von seinem vorsatze weg geriessen/ vnd hebet an die Schönheit der wissenschafft erstlich hindan zue stellen/ darnach gar zue hassen. Wenig sind die durch die Lehren der männlichen Weiß- heit sich auffrichten können/ vnd die euserlichen sachen/ welche warlich nur ein blosser schein sind der Glückseligkeit/ mit vnver- wandtem Gesichte lassen fürüber gehen. Darfür sie dann sorgen mögen. Von vns zue sagen/ im fall ich oder jhr in dieser mittel- mässigkeit vnseres zuestandes mit dergleichen sucht behafftet weren/ wolte ich jetziger zeit/ da sich alles zue der alten Barbarey wieder anleßt/ dieses getichte weder in vnsere sprache vmbge- schrieben/ noch euch zugeschrieben haben. Es hat aber mit [A2b] vns/ Gott lob/ so weit keine noth nicht: die wir nunmehr auß weiser Leute Schrifften das Gemüte/ so mit dem seinen zu frieden ist ge- fasset haben: welches vns die jenige nicht schencken können/ de- nen andere mit verlust jhrer Freyheit vnd doch gemeiniglich vmb- sonst fast zue fusse fallen. So habe ich auch mehr vrsachen diesen Lobgesang euch zue verehren. Dann das ich geschweige/ das ich jhn auff ewer gutachten/ welches ich billich bey mir gelten lasse/ an den tag bringe; sehe ich den an der jhn erstlich getichtet/ so ist es ewer Heinsius, welchen jhr vmb seiner fürtrefflichen Gaben willen jederzeit hoch geschätzet/ vnd der euch aus ebenmässiger vr- + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 273]
sache/ wie ich selber an jhm gespüret/ wol geneiget ist. Stelle ich mir das werck für augen/ so ist es Poetisch: in welcher Kunst ich wenig dieser zeit euch zue vergleichen/ keinen vorzusetzen weiß. Es ist auß dem Niederländischen vbersetzet: in welcher Sprachen jhr beydes viel gelesen/ vnd zue zeiten auch selber geschrieben habet. Hierzu kömpt nicht allein vnsere höchste Blutsverwandtschafft; sondern auch die trewe vnd mehr als Brüderliche Liebe: welche ich bey andern meines theiles zue erklären kein besser mittel als dieses zue dem mal nicht gewust habe. Buntzlaw/ zu außgange des M DC xxi. Jahres.

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[Nur in X und A:]

[A3a]

An den Leser.

ALs mir vor wenig Jaren etliche Holländische Reime/ auff welcher art dieser Lobgesang gemacht ist/ zue handen gestossen/ haben sie mir/ Günstiger Leser/ wegen sonderer bequemigkeit sehr gefal- len/ vnd vnterweilen/ wann mich der verdruß schwereren studierens ankommen/ mit vnserem Deutschen dergleichen versuch zue thun anlaß gegeben. Ob nun zwar damals meine einfälle vnd gedancken mehrentheils nur auff weltliche sachen (wie dann die jugend auß mangel reifferen verstandes im gebrauch hatt) gerichtet waren: so sind mir doch hierumb viel gelehrte vnd tapffere Männer nicht allein mehr als zuevor geneiget worden; sondern es haben auch etliche ge- wollt/ das ich selbige getichte zum minsten eines theiles an den tag geben/ vnd der Leute vrtheil hiervon versuchen solte. Wie dann vnter andern Herr Ianus Gruterus (dessen name vnd vnsterblicher rhum/ Gott lob/ höher ist/ als das er durch die vnwissenheit der Lästerer könne beleidiget werden) mich durch diese freundliche Verse also hierzue auffmunterte:

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[Druckausgabe S. 274]
Utile qui miscet dulci, placet omnibus; ergo
Quid renuis, Opiti? Displicuisse nequis.
Nempe tibi claves Erato dedit alma cubilis,
Hic ubi Mercurius dormit et ales Amor.
5 Dum sopor hunc illumque ligat, dexterrimus instas
Atque ab utroque rapis cordis et oris opes.
Applausit furto mox biga quaterna sororum,
Tutior ac quo sis per loca cuncta fuga,
Illius adjiciunt alas, talariaque hujus,
10 Mercuriusque Orbi es alter et alter Amor.

Ich bin aber der gedancken/ es seyen diese vngewaffnete Götter vn- ter dem wilden schall der Heertrompetten vnd gerausche der Waffen/ mit dem gantz Deutschlandt nun eine geraume zeit erfüllet ge- wesen/ nichts nütze. Vmb die Trostgetichte in wiederwertigkeit des Krieges/ derer ich verwiechenen Früling vier Bücher in Jut- landt geschrieben/ hat es solche beschaffenheit/ das mir bey weh- rendem zuestande sie in den Druck zue bringen guete freunde wiederrathen. Dieser Lobgesang ist noch übrig: zwar nicht aus meinem Gehirn entsponnen; aber doch [A3b] gäntzlich werth/ daß er nicht allein von mir in vnsere/ sondern auch von viel gelehrte- rern in aller welt zungen versetzet werde. Der erfinder hierzue ist der/ vber dessen vngewöhnlichen geschickligkeit sich männiglich/ so weiß was gelehrt sein heisse/ mit recht verwundert; der weitbe- rhümbte Heinsius: welcher in diesem Göttlichen getichte/ das Scriverius billich die Perle seiner wercke heißt/ alle menschliche vnd himmlische Weißheit zuesammen geholet/ vnd die vnglück- seligen verächter der hochfliegenden Poeten zue schanden vnd zue nichte gemacht hat. Ich muß bekennen/ das sein Landtsmann einer nicht leuget/ als er an Den von Diick schreiben darff/ er glaube nicht/ das ein sterblich Mensch gefunden werde/ der ohn bewegung vnd grosse andacht dieses treffliche Lied könne hören oder lesen. Ich muß auch wol sagen wie er/ das es meine höchste Poesie gewesen sey/ daran ich die zeit meines Lebens mein eusser- stes genügen gehabt habe. Es ist hier nichts ohne außerlesene worte/ + + + +

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ohne tieffen verstand/ ohne anleitung zue der Gottesfurcht: nichts das nicht mit der Heyligen Schrifft/ mit aller grossen Helden/ aller hohen Seelen/ aller Christlichen Lehrer meinung vberein- stimme: nichts das wir Christen nicht alle miteinander bekennen. Was mich anlanget/ ob zwar das/ so ich hierbey gethan/ am aller wenigsten ist; dannoch wann ich das ende/ zue dem es von mir ge- schehen/ auch die trew/ so ich angewandt/ bedencke/ hoffe ich nicht/ das mich andere hierumb tadeln/ oder vnser Poet (im fall ich seine freundligkeit recht kenne) selber verdencken wird. Auff den thon vnd das maß der Syllaben/ darinnen nicht der minste theil der ziehrligkeit bestehet/ habe ich/ wie sonsten/ auch hier genawe achtung gegeben: wiewol denselben auch die Frantzosen selber offtmals gewalt thun; von vns aber noch fast keiner/ meines wissens/ sich darauff verstanden. Wegen der weltlichen Historien vnd art zue reden/ die in diesem Lobgesange gebraucht werden/ hat es heutiges tages keine gefahr nicht. Dann ja auch die Kinder wissen/ das durch solche Poetische wörter theils die Sternen/ theils die Ele- menten/ theils die himlischen gemüter/ theils fürneme Männer/ theils des einigen Gottes tugenden vnd gaben zue verstehen sind. Welches niemand (wie in den außlegungen des Lobgesanges/ die wir zue diesem mal nicht verdeutschen/ gesetzet wird) tadeln kan/ dann der die alten Lehrer/ welchen der Autor als den gelehrtesten vnd gottseligsten nachfolgern der Propheten vnd Apostel auch hierinnen [A4a] hat folgen wollen/ nicht gesehen noch gelesen hat. Vnter welchen S. Augustinus nicht der geringste/ vnd der keine Poesie geschrieben/ in seinem Buche von der meinung der Christen angehende die Lehre/ das wort Tethys ingleichen vor die See gebraucht hat. Ja das mehr ist/ S. Ambrosius in seinem dritten Von dem glauben/ hat sein erstes capitel gegen diß volck geschrieben/ Die/ sagt er/ wann sie nicht wissen etwas zue tadeln in dem glauben/ tadeln was in den worten. Vnd zeiget das der Heilige Apostel Paulus Actor. 17: 28. wol hat dürffen gebrauchen die worte des Poeten Arati, als er mit denen von Athen redet. Vnd das die Propheten selber/ nach der alten vbersetzung/ Poeti- + + + +
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sche worte gebraucht haben. Zum Exempel/ Gigantes, Valles Titanum, vnd bey Esaias vnd Ieremias, Sirenes, filiae Sire- num; welche wörter von den Poeten entlehnt sein. Hat der Autor das wort Cocytus gesetzt/ als er von der hellen vnd jhrem pful redet: er sol sagen/ das dasselbige in der alten vber- setzung noch gelesen wird Iobi 21:33. Hat er das wort Pytho vor den teuffel/ das ist/ die rechte schlange gesetzt/ er sol vnterschiedene örter herfür bringen aus der Heiligen schrifft/ da dasselbe gethan ist. Als Deuteronom. 18:11. 1. Reg. 28:3. vnd 7. wie auch 2. Reg. mehrmals. Esa. 8:19. 19:3. 29:4. Actor. 16:16. In welchen örtern diß wort nicht allein von war- sagern/ sondern auch vor den bösen geist von den vbersetzern genommen wird. Wie in dem letzten orte auch der Griechische text selber hat πνευ̃μα Πύϑωνος, der geist des Pytho. Worauß genugsam erscheinet/ das der Heilige Geist die lehre der Hei- den verworffen hat/ aber nicht die worte. Diß sey dann allein gesagt/ vor die jenen scheinheiligen/ die ohne wissenschafft vrtheilen/ vnd meinen nach jhrem vrtheil; wie sie auch vrthei- len nach jhrem verstande. Biß hieher gehen die worte der Niederländischen außlegung/ die wir zue bequemer zeit hinzue zue setzen gesonnen sind. Sey Gott befohlen.

+ + + +
[Druckausgabe S. 277]

[Es folgt in B, C, E:]

Ad Amplissimum Virum
HENRICUM ALBERTUM HAMILTONIUM;
Sachanmerkung
cum illi Opitius hymnum hunc Kal. Jan.
An. M. D C. XX. Heidelbergae pri-
mum offerret.

FLos juvenum, proavi quem Scotum, patria Cimbrum,
Romanum fecit lingua diserta virum,
Accipe Teutonicae prius abdita carmina linguae:
Hoc didicit per nos Heinsius ore loqui.
5 Da veniam, Batavae decus et laus unica terrae,
Excidit a numeris si mea cura tuis.
Errabit, quisquis te, vates magne, sequetur:
Sic Phaeton superos non bene rexit equos.
Nec sola ad Christi cunas sapientia venit:
10 Pastores pleni simplicitatis erant.
Tu quoque, Hamiltoni, pueri ad cunabula mecum,
Quem nec terra, polus nec capit ipse, veni.
Quicquid Aristoteles, quicquid Plato nesciit, hic est:
Nil par huic stabulo totus hic orbis habet.
15 Tot donamus opes, alius placuisse laboret:
Absolvunt istos pondera justa modos.
Heinsiadae nisi forte tui, neque nomine nostro,
At dulci Jesu nomine, gratus ero.
Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 278]

[Nur in Y:]

[):(1b]

Dem Durchlauchtigen/ Hochgebornen Fürsten vndt Herren/ Herren GEORGEN RUDOLPHEN/ Hertzoge in Schlesien zur Lignitz/ Briegk vndt Goldtberg; Röm. Kayserl. Majest. geheimben Rhate; meinem gnädigen Fürsten vndt Herren.

GNädiger Fürst vndt Herr/ Was es für einen kläglichen zuestandt mitt der kirchen Gottes schon zue der zeit gehabt habe/ als der welt Heilandt vndt rechte Seligmacher Christus Jesus vns zue guete vnser fleisch an sich genommen/ bezeuget sonderlich der Jünger den er am liebsten gehabt/ im ersten capitel seines Evangelions/ da er saget: Das war das warhafftige liecht welches alle men- schen erleuchtet/ die in diese welt kommen. Es war in der welt/ vndt die welt ist durch dasselbige gemacht/ vndt die welt kandte es nicht. Er kam in sein eigenthumb/ vndt die seinen namen jhn nicht auff. Die welt belangendt/ war dieselbe nicht durch alle reiche vndt lande mitt lauter heiden angefüllet/ mitt abgötterey vndt falschen meinungen überschwemmet/ mitt anbetung der schanden vndt laster bethöret vndt verblendet? Daß also die welt/ in dem sie dem Fürsten der welt dienete/ den Fürsten des lebens nicht erkandte/ durch den die welt [):(2a] gemacht war. Sein hauß aber/ sein außerwehltes volck vndt eigenthumb die Juden/ waren in so viel meinungen vnnt zwiespalt abgesondert/ daß/ in dem sie tag vndt nacht das gesetze durchgrübelten/ der jenige der die last des gesetzes abzueschaffen kommen war/ von jhnen nicht allein nicht auffgenommen/ sondern auch wieder alles gesetze ver- worffen vndt hingerichtet wardt. Der vier Samaritanischen secten/ der Eßener nemlich/ Gorthener/ Sebucer/ vndt Dositheer; wie + +

[Druckausgabe S. 279]
auch der Schrifftgelehrten/ Saduceer/ Phariseer/ Ossener/ Hero- dianer vndt anderer zue geschweigen: welche alle Abrahams nach- kommenen/ vndt aber in streit vndt vneinigkeit dermaßen ver- teufft waren/ daß sie darüber den der für Abraham gewesen/ vndt den Isaac gesehen als er nichts sahe/ zuegleich auß den hertzen vndt auß den augen ließen. Wie nachmals so viel wütende Römische Keyser vndt andere tyrannen solche innerliche verfolgung/ derglei- chen einbrechende wölffe/ als Arius/ Sabellius/ Eutyches/ Nestor vndt andere/ den schaffstal Christi zerrüttet vndt zerstrewet haben/ darvon wißen E. Fürstl. Gn./ als die zue den Antiquiteten der ersten vnverfälschten Kirchen vndt den Schrifften der Altväter eine son- derbare liebe tregt/ mehr als Ihr ich oder ein anderer sagen kan: jedoch/ wann wir die menge der Ketzereyen/ den eyfer vndt ver- bitterung der gemüter/ diese auß der gleichen grunde oder scheine mehrentheils herrhürende blutige kriege betrachten vndt vberlegen/ so hatte es das gäntzliche ansehen/ als ob die eußerste bemühung des Teuffels vndt seiner werckzeuge biß auff vnsere zeiten sey ge- sparet vndt hinterhalten worden. Eines vndt anders außführlich zue ma-[):(2b]chen/ wil sich bey so gestaltter sachen nur nicht thun laßen: es ist aber noch nicht aller tage abendt/ vndt werden guete vndt geschickte/ wolerfahrene gemüter den verlauff dieses vnwesens vndt die lautere warheit auff die nachkommenen zue bringen noch wol fug vndt gelegenheit erleben. Indeßen wie wir freylich Gott von hertzen bitten/ daß wir/ die wir vns des Chri- stennamens rhümen/ nicht allein mitt Ihm waren frieden/ son- dern auch vnter vns bestendige eintracht haben/ einerley gebete/ einerley wundtsch vndt seuffzen in die wolcken schicken/ vndt/ dieweil wir eines Schöpffers creaturen sindt/ auch eines Erlösers/ des einigen Hauptes der kirchen/ trewe glieder sein mögen: also ist ja das jenige/ warumb man sich dermaßen kümmert vndt zancket/ etwas mehres als was vns zur seligkeit nötig/ etwas meh- res als was zue einigkeit vndt frieden/ den die Engel bey vnsers Heilandes geburt verkündigen/ den der Herr in der ersten Predigt auff dem berge dermaßen rhümet/ vndt vmb den er in dem letzten gebete an seinen himmlischen Vater/ daß er jhn den seinigen ver- leihen wolle/ mitt brennendem eyffer vndt andacht bittet/ dienst- lich vndt zueträglich ist. Wolte Gott/ daß diejenigen/ welche von +
[Druckausgabe S. 280]
der nachfolgung Christi so viel schreyen vndt schreiben/ sein exem- pel auch hierinnen erwiesen/ seine worte auch dißfals mitt dem leben vndt der that außdruckten: Anietzo wollen wir den jenigen ergründen/ der doch vnermeßlich/ vnaußsprechlich vndt vnbe- greifflich ist; von dem es kein wunder ist daß man seine hoheit nicht erforschen kan/ dieweil es ein größeres wunder were/ wann man sie erforschen köndte. Wir trennen den rock des Erlösers/ in dem wir seine person trennen/ vndt entweder seiner göttlichen Natur [):(3a] entziehen was jhr gehöret/ oder der menschlichen zuesetzen was jhr nicht gehöret. Welche sünde niemals so gar allein ist/ daß sie nicht eine andere baldt an der seiten habe; in dem wir die H. Schrifft zue vnserer beschönung mitt den haaren herbey ziehen/ vndt jhres ansehens ohn vnterlaß mißbrauchen. Vndt diß pflegt gemeiniglich von hohen Schulen auff die Cantzel/ von den Cantzeln durch ehrgeitzige vndt vnruhige köpffe in die hertzen des pöfels zue steigen: welcher pöfel offtmals von den schweresten reli- gionspuncten/ ja so gar von der ewigen gnadenwahl vndt Vorse- hung mitt solcher freyheit reden darff/ als ob man die tieffe der hei- ligen geheimniße mitt der elen außmeßen/ oder das jenige bey dem ruder (wie dergleichen in Hollandt sonderlich nichts newes ist) entscheiden köndte/ worzue so viel tausent bücher/ so viel lehrer vndt schriffterfahrene bey weitem zue wenig sindt. Schwer haben es die jenigen zue verantworten/ welche/ da das arme schifflein der Kirchen von winden vndt wellen zue allen seiten angesprenget wirdt/ als bey etwan gueter zeit der allgemeinen gefahr vergeßen/ vndt in deßen mitt gewehrter handt einander selbst verterben vndt hinrichten. Vndt was darff es viel des vnglückseligen vndeutschen krieges/ der nach vierzehn jharen schon weder ende noch außgang gewinnen kan? Wir kämpffen mitt der feder; wir gebrauchen die zungen an stat der spieße/ die griffel an stat der degen/ vndt da wir vns des erkändtnißes der warheit mitt vollem maule rhümen; so erweisen wir doch in der that/ daß wir den weg der warheit/ wel- ches nichts anders als brüderliche liebe vndt eintracht ist/ so gar nicht wißen/ daß es auch das ansehen [):(3b] hatt/ als ob wir niemals darnach gestrebt hetten. Worauß denn diß erwachsen ist/ + +
[Druckausgabe S. 281]
daß/ ob wol heutiges tages die wißenschafft der göttlichen dinge mehr als jemals im schwange gehet/ es dennoch zue keiner zeit mehr als jetzo an exempeln der waren Gottesfurcht gemangelt hatt. Wie viel glückseliger weren wir doch/ wann wir lieber der meisten artickel wegen in denen wir stimmen die Christliche liebe vnterein- ander in acht nemen; als daß wir der wenigen halben in denen wir nicht stimmen solchen haß vndt todtfeindtschafft in vns brennen laßen/ vndt in den hertzen der Herrschafft vndt vnterthanen eben dergleiches fewer/ daß wir hernach selber nicht leschen können/ erwecken vndt auffblasen! Aber es geht nicht anders her: wir mußen zue grunde verterben/ vndt/ damit ja gantz Europa im rauche aufffliege/ so muß nur öle zur flammen gegoßen sein. Gantz anderer gedancken sindt alle Altväter vndt liechter der Kirchen/ die nim- mer zuegeben/ daß man die gesetze zue glauben mitt dem schwerdte fürschreiben/ daß man den willen des Höchsten auß seinem worte zue lesen beym holtzhauffen vndt strange verbieten/ daß man die jenigen für wiedersächer vndt stieffbrüder außschreyen solle/ die Christus für seine brüder helt/ vndt zue Kindern Gottes gemacht hatt. Die Religion einzwingen/ sagt Tertullianus zum Scapula/ ist kein religionswerck; sie muß von freyem willen/ nicht von gewalt herrhüren; weil auch die opffer von einem eigenwilligen hertzen erfordert werden. Vndt Lactantius; Wer wil mich nötigen/ spricht er/ entweder zue glauben was ich nicht wil/ [):(4a] oder nicht zue glauben was ich wil? Es ist nichts so freywillig als die religion; bey welcher wenn das hertze nicht ist/ so ist sie auch fort/ ja sie ist keine religion mehr. Vndt wie die worte ferner heißen. Was der H. Cyprianus auch von denen verfolgungen gehal- ten habe/ die offtmals bey Theologen auß vnzeitigem eyfer/ oder auß neide/ hoffart vndt vngedult dem andern zue weichen/ oder auch gar auß absehung auff andere politische vndt durch geschen- cke vndt verheißungen vnterbawete grieffe/ herrhüret/ das giebet er/ wie auch andere/ an vielen orten zue erkennen. Sonderlich sindt die worte seines 1. sendeschreibens im 2. buche sehr herrlich: Im übrigen/ sagt er/ wißen wir gar wol/ wie etzliche das jeni- ge/ was sie einmal gefaßet/ nicht gern ablegen/ noch jhren vorsatz nicht leichtlich endern wollen: sondern ohn ver- ruckung des bandes des friedens vndt der einigkeit welches +
[Druckausgabe S. 282]
vnter den mitbrüdern ist bey dem jenigen verbleiben/ welches sie sich einmal gebraucht haben. Worinnen wir dann nieman- den einige gewalt anlegen/ oder gesetze fürschreiben; weil ein jeglicher Fürsteher in bestellung seiner kirchen seinen willen hatt/ vndt dem Herren seines thuns halben rechenschafft wirdt geben müßen. Aber hiervon ist anjetzo nicht zeit zue reden. Diß ist allein zum hefftigsten zue beklagen/ daß die jenigen gemeiniglich den religionszanck am meisten regen/ die am wenigsten wißen- schafft vndt verstandt darzue bringen; vndt nichts anders als kräen sindt/ die dem [):(4b] gemeinen wesen vndt hause Gottes mitt jhrem vnartigen geschrey nichts als regen vndt vngewitter ankündigen; welches durch dergleichen vnstern der trennung zum hefftigsten befödert wirdt. Am sichersten gehn die jenigen/ die von Gott reden als menschen/ vndt gläuben an jhn als Christen/ den glauben aber mitt jhrem leben vndt seinem rhume für aller welt erweisen. Welches letzte ein gelehrter mann in hiesigem Lobgesang vndt von mir dieser tagen zum preise Gottes/ vndt meiner eigenen übung in der furchte des Herren/ verdolmetscheten außlegungen dermaßen wol gethan hatt/ daß ich außer zweiffel bin/ dieses schöne buch werde bey andächtigen hertzen mehr bawen/ als viel vndt große schrifften von denen streitsachen/ die bey jetzigem ohn diß großen anstoße der Kirchen vndt ergrimmung der gemüter wol köndten nach- bleiben. Des Autorn fürnemen/ wie er selber erwehnet/ ist gewe- sen/ vnsern Herren Christum auff die weise der alten Christen von allen zeiten her/ darunter Tertullianus/ Cyprianus/ Lactantius/ Hilarius/ Prosper/ Ambrosius vndt andere bevorauß mußen ge- zehlt werden/ zue erhöhen: zue beweisen/ daß er würcke von ewig- keit: zue beweisen/ daß er warhafftig Gott sey mitt dem Vater: zue beweisen/ daß er ist das ende aller beyden bündtniße vndt sacra- menten derselbigen/ ja der einsetzer vndt stiffter derselbigen; als der das haupt vndt das leben ist daß wir durch denselben in jhm leben: zue beweisen/ daß er ist derselbte: zue beweisen/ daß er war ehe wir waren: daß er bey den seinigen gewesen ist vor der zeit/ die sei- nigen bewahrt hatt vor der zeit; das werck der seligkeit gefördert vor der zeit; biß daß er vmb vnsert willen worden [):():(1a] ist was wir sindt/ vndt hatt vns gemacht was wir nicht waren. Auch zue beweisen/ daß diß gewesen sey die meinung vndt hoffnung aller al- ten Patriarchen/ Propheten vndt Aposteln: die allgemeine lehre aller märtyrer/ aller Väter/ ja aller alten lehrer: die dem Herren
[Druckausgabe S. 283]
der herrligkeit/ dem erben aller dinge/ dem vnbefleckten spiegel der Göttlichen krafft/ wie der Apostel 1. Cor. 2:8. Heb. 1:2. von jhm redet/ in das angesichte mitt den Juden nicht gespeyet/ vndt auff jhn mitt allen creaturen gewartet haben. Röm. 8:10. Letzlich/ sich selber auff zue muntern/ jhn zue loben/ zue preisen/ vndt zue erheben/ biß auff die zeit wo wir hinkommen da er ist/ vndt daß wir jhn mitt voller stimme preisen/ vndt nachfolgen werden dem newen thone des himmlischen heeres/ vndt aller Heiligen/ welche ohn auffhören ruffen/ Apo. 4:8. HEILIG/ HEILIG/ HEILIG IST GOTT DER HERR/ DER ALLMACHTIGE/ DER DA WAR/ VND DER DA IST/ VND DER DA KOMPT.

Dieses buch nun habe E. Fürstl. Gn. ich gehorsambst darumb/ meiner vnterschiedenen privatvrsachen zue geschweigen/ über- geben vndt zueschreiben wollen/ weil offenbahr vndt am tage/ waßer maßen E. Fürstl. Gn. vnter andern jhren großen tugenden/ nach dem exempel des löblichen Hertzogs Ihres seligen Herren Vaters/ wie auch anderer jhrer Königlichen vndt hochfürstlichen Vorfahren/ welche theils für Gott vndt das landt jhr leben gelaßen/ theils jhren zuenamen von jhrer frömigkeit erlanget haben/ ja theils in dem register der Heiligen mitt vnsterblichem lobe ver- zeich-[):():(1b]net stehen/ jhr nichts mehr angelegen sein laße/ als die trewe fürsorge vndt gedancken/ wie der Kirchen bestes erhal- ten/ das vnzeitige disputiren vndt verläumbden abgeschafft/ der gewißen freyheit gefödert/ vndt alles auff einen solchen grundt möge gesetzt werden/ ohn welchen der friede ein lauterer krieg/ vndt die rhue gefährlicher ist als offentlicher vmbschlag vndt waffen. Der Hertzog des lebens/ der Fürst des Friedens/ der allezeit gewesen/ weil er im anfange war; der allezeit gewesen/ weil er Gott war vndt noch ist; der allezeit gewesen/ weil er die zeit selbst gemacht hatt/ vnd ohn jhn nichts gemacht ist/ verleihe E. F. Gn. glückliche regierung/ heilsamen rhat/ friedtlichen wolstandt/ gesundtheit/ langes leben/ gedult in wiederwertigkeit/ überwin- dung aller vnverschuldeten feindtschafft/ vndt solchen segen/ da- + + + + +

[Druckausgabe S. 284]
durch Dieselbte sampt jhrem Hochfürstlichen hause zum auff- nemen des Vaterlandes vndt dem allgemeinen besten so sehr wach- sen vndt blühen möge/ so sehr es alle die jenigen/ denen das auff- nemen des Vaterlandes vndt die allgemeine wolfarth lieb ist/ gerne sehen vndt wüntschen. Breßlaw/ zue außgange des 1632. Jhares.

E: Fürstl. Gn.

trewgehorsamber vnterthäniger Diener Martin Opitz.

+

[In allen Ausgaben außer A:]

[A4b]

Innhalt vnd nutz dieses Lobgesanges.

DIe meiste frewde welche die seelen in diesem leben haben/ die nach der rechtfertigung hungern/ vnd nach jhrer seligkeit dürsten ist die embsige vnd stete bedenckung des HErren Jesu Christi: Welcher/ wie der Apostel zun Hebreern im dreyzehenden sehr wol saget/ heute vnd gestern derselbe ist/ vnd in ewigkeit. Doch wie vns seine Gottheit/ die er gemeine hat mit dem Vater/ eine beson- dere frewde giebt/ wann wir nachdencken/ das auch jhre vnbe- greiffligkeit vnd krafft vns zue guete kömpt/ durch seine mensch- werdung vnd den glauben: Welches der Apostel in seinem eilfften sagt/ zue sein eine versicherung der dinge die man hofft/ vnd einen beweiß der dinge die man nicht siehet: So ist dennoch/ das allem troste weit zuevor gehet/ seine vnaußsprechliche liebe vnd Sachanmerkung + + + + + + +

[Druckausgabe S. 285]
gunst den alten Vätern bewiesen/ die er mit augenscheinlichen mirackeln/ verheischungen/ vnd siegeln oder Sacramenten der- selben zue der zeit der Propheten vnterhalten hat/ die als vorbotten seiner Zuekunfft das volck behertzt gemacht/ vnd denselben beydes in der anschawung seiner majestet/ ewigkeit vnd herrligkeit/ wie auch seiner niedrigkeit vnd angenommenen schwacheit vor augen gestellet haben: offtmals mit jhnen geredet in dem geiste/ vnd in dem geiste jhn gesehen auff mancherley weise. Biß das zue letzt in der vollkommenheit der zeit/ das geheimniß der Gottseligkeit ist offenbaret/ wie der Apostel davon schreibet an Timotheum/ in dem fleische/ gerechtfertiget in dem geiste/ gesehen von den engeln/ geprediget vnter den heiden/ gegleubet in der welt/ auffge- nommen in herrligkeit. So das alle das jene das von jhm vorgesagt ist gewesen/ auch erfüllt ist gewesen/ vnd das erfüllt ist gewesen/ auch vorgesagt ist gewesen. Dieser trost wird in diesem Lobgesange von dem Autor vorgestellt: vnd zue letzt beschlossen mit der betrach- tung der namen vnd eigenthumben/ die die Heilige Schrifft demsel- ben HErren Christo/ beydes was seine Gottheit vnd Menschheit/ wie auch alle beyde zusammen vnd seine ämpter betrifft/ jhm zueschrei- bet: aber insonderheit/ das vnaußsprechliche bandt/ das die glaubi- gen mit jhm haben; die nicht allein theilhafftig sein aller seiner ga- ben/ sondern auch sein selber/ durch die niessung seines fleisches vnd blutes. Dardurch vnsere seele an die taffel des newen Jerusalem/ die stadt Gottes/ gesetzt/ vnd mit den speisen der künfftigen zeiten er- nehret wird. Biß das sie theilhafftig seines leichnams/ auch des geistes des leichnams Christi theilhafftig werde/ vnd das bildt Christi wie- derumb anneme/ das sie in Adam durch seine vbertrettung verlohren hatte. Die er auch wird bringen da sie jhn sehen sol/ von angesicht zu angesichte (wie der H. Apostel wiederumb sagt/ 1. Cor. 13:12.) vnd jhn erkennen gleich wie sie erkennet ist. Das erste stück redet + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 286]
von seiner Gottheit/ ewigkeit/ einigkeit mit dem Vater in dem we- sen/ vnd vnterscheidt der personen: von seiner weißheit vnd güte: die so groß ist/ das nicht allein die welt vnd der mensch durch jhn gemacht ist/ sondern er auch mensch durch dieselbe ist worden/ vnd biß zue dem tode sich erniedriget hat; dem menschen das leben zue geben. Das andere/ von dem fall der menschen/ den verhei- schungen nach dem fall/ dem bunde gemacht mit dem volcke Israel/ vnd der stetigen vnterhaltung desselben. Das dritte/ von seiner menschwerdung/ die da weitleufftig erkläret vnd betrachtet wird/ wie auch von seinem leiden/ tode/ aufferstehung vnd auffart gen himmel. Das vierde ist ein lob- oder dancksagung/ welche begreifft alle besondere eigenthumbe vnd namen/ die dem HErren Christo zuegeschrieben werden: vnd verfasset auch in jhr ein ernsthafftiges gebet/ bequem vor diese Zeit/ vnd eine erzehlung oder beschrei- bung seiner geistlichen gaben. Welches dann das Hauptstück ist alles dessen/ das wir thun vnd wissen müssen. Dann wie die höchste wissenschafft gelegen ist in dem rechten verstande vnd begrieff des willen Gottes: so ist vnsere seligkeit vollkömlich gelegen in dem rechten erkendtniß vnd dienste des wortes Gottes: 1. Cor. 2:2. das ist der HErr Christus/ die einige geschickligkeit/ rhum vnd wissenschaft desselben Apostels. Der in diesem Lobgesange gespriesen wird.

+ + + + + + + +
[Druckausgabe S. 287]
[B1a]

DAN. HEINSII
Lobgesang Jesu Christi
des einigen vnd ewigen Sohnes
Gottes
In hochdeutsch versetzt durch
Martinum Opitium.

DAs Wort war vor der zeit bey Gott/ von Gott erlesen/
Vnd selber Gott/ mit Gott dem Vater/ in dem wesen:
Doch gleich so wol der Sohn: der von dem Vater hat
Gewalt vnd Herrligkeit: des Vaters wort und rhat.
5 Vnd da des Himmels Baw mit Wolcken ward vmbschlossen/
Der tieffe Grundt der See mit Wässern vbergossen/
Die Sternen in der Lufft gesetzt in jhren standt/
War er des Vaters hülff/ vnd seine rechte Handt.
Er war der anbegin/ der anfang aller sachen/
10 Er war in dem begin/ halff alle dinge machen.
Er war das wahre Liecht: das Liecht so vnverwacht
Kam in die finsternüß/ kam leuchten in der nacht.
Aus eigentlicher krafft in dieses elendt kommen/
Erworben vnser fleisch/ vor vns den todt genommen.
15 Vnd darumb ist er Gott: weil seine Menscheit kömpt
Nur von der Gottheit macht/ vnd von sich selbst bestimmt.
Ist worden wahrer Mensch/ vnd wahrer Mensch gebohren/
Auß eigener gewalt: Er hat das Fleisch erkohren
Sachanmerkung Sachanmerkung Sachanmerkung + + + + + + + + +

[Druckausgabe S. 288]
Da er war ohne Fleisch: Er hat durch seinen rhat/
20 Noch wahrer Gott allein/ genommen diese statt.
Eh’ als er Mensch noch war/ eh’ als die Menschen waren/
Beschloß er bey sich selbst vor sie herab zue fahren/
Zue werden das wir seyn. so rhürt die sterbligkeit
Von dem so ewig ist/ so war vor aller zeit.
25 Denn er die Weißheit war des Vaters/ vnd das Leben
In allem was da lebt; der allen hat gegeben
Ihr wesen/ lauff vnd art: eh Sonn’ vnd Mondens schein/
Die Augen dieser Welt/ geschaffen worden sein.
[B1b]
Eh als die Welt gehört von Monden oder tagen/
30 Eh als sie selber war/ war Gott mit jhm vertragen/
Der Vater mit dem Sohn: das vollige gewalt
In allem was er hat dem Sohn’ ist heimgestallt.
Der Vater vberall/ der Sohn zuegleich in allen/
Des Vaters ebenbildt/ des Vaters wolgefallen/
35 Gott selbst/ ein ewig Gott. doch/ ob wol nicht vorhin/
Der Vater gab dem Sohn’/ als Vater/ den begin.
Auß jhm/ vnd nicht nach jhm. Wie wolten wir doch mahlen
Die tieffe heimligkeit? Sieh’ an der Sonnen stralen
Sie scheinen nicht zuevor/ sie sein auch nicht nach jhr/
40 Mit jhr vnd aus jhr doch. so geht es auch allhier.
Was schiffen wir so hoch? ich bitte laßt vns reichen
So weit es sicher ist/ vnd für den klippen weichen.
Ein pferdt das vngezäumt sich braucht der großen macht/
Hat seinen meister bald zue leid’ vnd fall gebracht.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 289]
45 Die von der erden gehn vnd auff den himmel dencken/
Sind ohne ruder auff/ vnd wissen nicht zue lencken.
Der ancker ist hier guet. des menschen schiff vergeht
Der blind vnd vnbedacht nach Gottes weißheit steht.
Nach dem das schöne feldt in Eden war verschlossen/
50 Mit vnerschöpffter lust vnd frewden vbergossen/
Das Adam vnd sein Weib sind flüchtig außgejagt/
Vnd wegen jhrer schuldt der garten ward versagt/
Kriegt’ er den segen nicht/ durch Gottes zorn vertrieben/
Hat sich vnd vns gestürtzt/ ist arm vnd dürfftig blieben/
55 Dem gueten gram vnd feindt/ besudelt/ vngesundt/
Verändert vnd verfälscht/ verderbet in den grundt.
Im menschen ward der todt vnd mit jhm auch gebohren/
Verlassen von jhm selbst/ vnd durch jhn selbst verlohren;
Durch Adam ohne Gott: er ward durch jhn gefellt/
60 Mit Adam vnd durch jhn in Adams statt gestellt.
Noch ließ der grosse Gott sein Vaterhertze wallen/
Voll von barmhertzigkeit: das Adam kaum gefallen
Er hat jhm auff der stett/ da alles war verzagt/
Die hohe werthe hülff’ vnd mittel zuegesagt;
[B2a]
Das er vnd sein geschlecht nicht ewig solten schweben
66 In solcher trawrigkeit/ vnd stets verbannet leben:
Des Weibes samen würd’ in seiner Zeit entstehn/
Dem feinde mit gewalt vnd macht entgegen gehn/
Zertretten seinen kopff/ zuestören/ überwinden/
70 Den argen seelenfeind/ den reitzer zue der sünden.
+ + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 290]
Diß grosse thewre pfandt/ der schatz ward auff der fahrt
In Gottes sinn verfaßt/ beschlossen vnd verwahrt/
Gezeichnet/ fest gemacht/ besetzt an allen enden/
Mit siegeln von demant: in Gottes Sohnes händen/
75 Gelegt in seine schoß/ als rettung in der noth/
Als mittel und ärtzney für teuffel/ hell’ vnd todt.
Vnd da die grosse flut von oben ab geschwemmet/
Floß vber alles volck/ da alles ward verschlemmet/
Vnd da die wilde see biß an die wolcken trat/
80 Vnd zue den sternen selbst sich auffgeschwellet hat/
Ist Noa vnd sein hauß auff diesem block geschwommen/
Beschlossen in ein holtz/ herauß auch wieder kommen:
Vmbgeben von der flut/ getrieben durch den sund/
Zwar ausser menschentrost/ doch inner dem verbundt:
85 Den du hernach sehr klar mit Abraham thetst machen/
O grosser menschenfreundt vnd richter jhrer sachen.
Von da an ist der mensch gewesen allbereit
Dein wündschen/ deine lust/ sinn vnd ergetzligkeit.
Iehova sey gelobt: du hast auch da begonnen
90 Zue dencken auff dein werck/ des Vaters sinn gewonnen/
Der über Adams schuld ergoß des eyfers meer.
Du bist Emanuel von diesen zeiten her:
Bist kommen da wir sein/ den himmel schier vergessen/
Hast Abraham gezeigt das landt so er besessen/
95 Hast sicher jhn geführt/ geleitet mit der handt.
Der alte vater gieng in vnbekandtes landt/
Durch glauben nur allein: Hat Isaac gebohren/
Des segens grossen stam/ die wurtzel dir erkohren:
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 291]
Von dem kam Israel der starcke kühne heldt/
100 Der heldt so wieder dich zur wehre sich gestellt:
[B2b]
Gleich wie ein Jüngeling von süsser brunst entzündet/
Geht seinem Liebe nach: seufftzt wann er sie nicht findet/
Sein Hertz’ im Leibe bricht: er ist auff sie bedacht
Wann alles lebt bey tag’ vnd alles schläfft bey nacht:
105 Geht vberall jhr nach mit eusserstem verlangen/
Bewahrt sie/ sieht sie an von jhrer huldt gefangen:
Sein’ Augen stehn auff sie: der geist ist jhm beschwert/
Kömpt nimmermehr von jhr biß sie jhm wird gewehrt.
So war es auch mit dir: da Joseph lag begraben/
110 Vnd dein bedrängtes Volck das joch getragen haben/
Da hast du sie befreyt: du hast sie für gefahr
Bewahrt/ geführt/ beschützt biß in die viertzig jahr:
Verköstet vnd erquickt/ beschirmt zue allen seiten/
Sie lassen durch die flamm’ in Waldt vnd Büschen leiten.
115 Mit Wasser aus dem Stein’ vnd Brodten aus der Lufft
Das Volck/ das grosse Volck erhalten vnverhofft.
Ja wieder den gebrauch vnd aller Länder sitten
Bewiesen deine gunst. in jhren Leib geschnitten
Der wahren zukunfft pfandt: gegeben in den mundt/
120 Wie du noch ietzund thust/ den eusserlichen bundt.
Die wüste See gelegt/ die Wässer auffgehangen/
Das Jacobs Kinder gantz sind trucken durchgegangen/
Wie vber festes Landt. der Pharao versanck/
Vnd alle seine macht vnd reuterey ertranck.
125 Dann Richter eingesetzt/ dann König’ außerkohren/
Vnd auch den grossen Heldt von Isai gebohren/
+ + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 292]
In ewigkeit gekrönt/ vnd nach jhm Salomon/
Das Volck durch grosse noth gebracht aus Babylon.
Durch Esdras weisen rhat/ vnd Nehemias wehren/
130 Ierusalem erweckt/ sich wieder lassen nehren:
Vnd wiederumb das Volck durch Esther angesicht
Vnd grosse freundligkeit erquickt vnd auffgericht.
Hast offtmals angesagt du woltest kürtzlich kommen
Wie du dir vor der zeit aus liebe vorgenommen.
135 Biß das der grosse rhat/ so offt vnd viel berhürt/
Bezeuget vnd ernannt ward endlich außgeführt;
[B3a]
Das der Gott Israël/ der stiffter aller sachen/
Ihm selbst solt’ ein gesetz’ vmb vnsert willen machen;
Zue werden das wir sein: vnd das der feindt der Welt
140 Würd’ in dem schlechten schein’ vnd niedrigkeit gefellt.
Die botten die rundt vmb den Himmel allzeit schweben/
Vnd sich zue deinem dienst’ ohn vnterlaß begeben/
Sind willig vnd bereit. Der schöne Gabriel
Kömpt von dem Himmel her auff deinen anbefehl/
145 Nach Idumaea zue berhümet vnter allen/
Der Juden bestes Landt: ist durch die lufft gefallen/
Hat sich herab gemacht/ durch dein gebot vnd rhat/
Biß hin in Nazareth der Galileer stadt.
Alldar die grosse Braut des Himmels war zue finden/
150 An die er war gesand die Botschafft zue verkünden.
Ihr hertz war voll von Gott/ sie hielt in jhrer handt
Sein wort vnd seinen bundt. der Himmlische gesandt’
Vnd Heroldt stundt vor jhr; der durch den weg gezogen
Der vngebähnten lufft/ kam plötzlich hergeflogen/
+ + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 293]
155 Gesendet durch den Printz vnd Fürsten den niemandt
Als in dem geist’ allein vnd hertzen hat erkandt.
Gleich wie der Mensch im traum wird offtermals was innen/
Schläfft halb vnd wachet halb/ kan doch sich nicht besinnen/
Weiß von sich selber nicht/ sieht nur was für sich gehn:
160 So sieht die reine Magdt den Jüngling bey jhr stehn.
Sein haar ist noch betawt/ die lufft hat jhn befeuchtet/
Vnd des gewülckes naß; sein angesichte leuchtet/
Die wangen sind schneeweiß/ wie wann der Sonnen
liecht

Zue abend’ vntergeht/ vnd wann der tag anbricht.
165 So bracht’ er jhr den gruß mit worten voller machten/
Die Gott (o wunderwerck!) jhr in den Leichnam brachten.
Biß einen Sohn die Fraw so eine Jungfraw war/
Vnd jhren Vater selbst ein Menschenkindt gebahr.
Der vor dem Himmel war/ der See vnd Meer verschantzet/
170 Der diese weite Welt mit seiner Handt gepflantzet/
Der zierlich auffgeführt den Himlischen pallast/
Der künstler dieser Welt kömpt wird in jhr jhr gast.
[B3b]
Der erbsaß’ vber das so vberall zue finden/
Der mit dem blitze spielt/ der ruffen kan den winden/
175 Der mit des donners macht das gantze landt erschellt/
Vnd biß zue wurtzel auß die bäwme niederfellt:
Der nicht gebohren ist/ doch vor der zeit erzeuget/
Ohn anfang/ maß vnd ziel/ vor dem die welt sich beuget/
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 294]
Der biß zum himmel reicht/ der auff den wolcken reitt/
180 Iehova ohne nam beschleußt sich mit der zeit:
Beschleußt sich/ kömpt zu vns/ wird von der magd
empfangen/

Vnd auff die welt gebracht. sie wachet mit verlangen/
Sie wartet auff die zeit/ sie steht in frewd’ vnd scham/
Verstummet das Gott wird jhr sohn vnd breutigam.
185 Der monde war neun mal mit newgespannten pferden
Gelauffen vmb vnd vmb den runden kreiß der erden/
In dem die Jungfraw trug: Augustus groß von macht
Hatt’ vnter sein gebiet die Juden auch gebracht:
Der diese gantze welt zum ersten mal verschrieben:
190 Der frome Joseph kam zuegleich mit seiner Lieben/
Gab seinen namen auch. der weiber kron vnd zierdt
Maria ward von jhm nach Bethlehem geführt:
Wo Iesse grosser Sohn zuevor auff grüner heiden
Noch schlecht vnd vnbekandt die schaffe mussen weiden:
195 Biß das der himmel jhm vor seinen hirtenstab/
Den scepter vnd die kron der ewigkeiten gab.
Allda er zuevorhin von Gottes Geist gezwungen/
In seinem geist’ entzündt/ manch schönes liedt gesungen
Von dem der jetzundt kömpt: der König vnd der Hirt
200 Der selber nun ein mensch vor alle menschen wird.
So kamen sie dahin. die Sonne war gereiset
Biß das sie stille steht/ vnd jetzt zue rücke weiset
Die pferde nach vns zue: da Capricornus haupt
Den angenemen tag vnd schöne liecht wegraubt.
+ + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 295]
205 Den flecken sie erreicht/ durchflogen von dem regen/
Vnd von dem strengen schnee/ vnd von den langen wegen:
Insonderheit die magd bey der Gott eingekehrt/
Hat einen kleinen platz zue jhrer rhue begehrt/
[B4a]
Von vielen nicht gekandt/ von andern auch vernichtet/
210 Wie dann die schnöde welt gar vnbedachtsam richtet.
Kein örtlein war mehr da. muß liegen in dem stall/
Wird mutter/ bringt das kindt so HErr ist vberall.
Iehova kömpt zue spat. nach dem viel alter väter
Vnd botten vorgesandt: die welt ist voller Götter/
215 Das erdtreich ist zuetheilt/ man rufft sie an in noth/
Die götter zunfft ist groß/ vnd mangelt doch an Gott.
Neptunus hat im Meer die volle macht bekommen/
Sein bruder Iupiter den himmel eingenommen/
Der dritte hat die hell’: hier ist der schäffer Pan.
220 Sie zweiffeln wie sie wol mit so viel götzen dran.
Die blindtheit ist auch nicht mit worten außzuesprechen:
Sie feyren jhre sünd’ vnd eigene gebrechen.
Dann Bacchus hat den wein/ die üppigkeiten lieb/
Vnd Venus ist ein’ hur/ Mercurius ein dieb.
225 Der öberst’ vber sie ist fleissig nachzuefragen
Vmb schönes weibes volck/ mit jhnen sich zue jagen:
Er lesst den himmel stehn/ voll schändtlicher begiehr/
Wird bald ein weisser Schwan/ baldt wird er auch ein stier.
Was alle welt sonst strafft/ von dem man nie gehöret/
230 Was wieder die natur/ das wird zue Rom geehret:
Sie bawen kirchen auff/ sie feyren vnbedacht
Was sonsten jedermann verhöhnet vnd verlacht.
+ + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 296]
Vnd wo der Römer reich vnd herrschafft hingewiechen/
Die jhren narrentandt geerbet von den Griechen/
235 Gehn auch die Götter hin. der starcke Persier
Lesst seine Sonne stehn/ nimpt diese Götter her.
Vnd da Araxes laufft/ da seine ströme sausen/
Hartneckicht/ brückeloß/ mit wüstem sturm’ vnd brausen/
Vnd da das kalte volck vnartig auff dem feld’
240 Vnd auff den wagen lebt/ zu niemandt sich gesellt.
Athen das weit vnd breit mit seiner kunst erschollen/
Hat jhm ein eigen fest bey nacht erdencken wollen:
Läufft nach Eleusis zue: nimpt fackeln in die handt/
Mit stiller heiligkeit vnd wenigen bekandt.
[B4b]
Egypten gleichfalls auch lesst seine thorheit spüren/
246 Vnd sucht Osiris sehr: macht Götter auß den thieren:
Das weitberhümbte Kalb an einer seiten bundt/
Den wilden Crocodil/ Anubis auch den hundt.
Iudea Gottes hauß muß im gesetze wachen/
250 Helt viel auff Aarons rock vnd eusserliche sachen/
Doch auff Messias mehr. nach dem er aber kömpt/
Ist niemand der jhn sucht vnd der jhn zue sich nimpt.
Sie wündschten sehr nach jhm/ sie zehlen alle tage/
Ihr keiner ist der nicht von seiner zukunfft sage:
255 Stehn allzeit auff der hut/ vnd wachen ohne rhue:
Nach dem er aber kömpt/ sind alle thüren zue.
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 297]
Die Welt ist gleichsam blind/ die Welt ist gantz entschlaffen/
Kennt auch denselben nicht der doch sie hat geschaffen.
Der herrscher vber See/ den Himmel vnd die Hell
260 Ist in dem seinen frembd’ vnd selbst in Israel.
Der Himmel schämet sich/ die schönen Engel fliegen
Von dannen zue vns her/ sehn jhren Printzen liegen/
Geworffen in den stall. die Sternen werden bleich/
Das der so niedrig ist dem niemand doch ist gleich.
265 Die bänder des Gestirns die durch die grosse Schantzen
Der vnbepfählten lufft stets in bewegung tantzen/
Die beben. sonderlich der eine Stern von dar
Tritt vber seinen kopff/ nimpt seines Meisters war:
Geht aus es kundt zue thun/ den Weisen zue verkünden/
270 Die ferren sind von dar/ wo sie jhn sollen finden/
Vnd jhm sein’ ehre thun. noch eh der tag anbricht
Fellt aus der hohen lufft der Engel klares liecht.
Die newe reuterey der starcken Himmelshelden/
Die allzeit stehn vor Gott vnd seinen rhum vermelden/
275 Belägeren das Hauß/ so vnwerth vnd so klein/
Vnd machen sich herab zue jhrem Capiteyn:
Vnd sagen frieden an/ verkündigen das leben/
Das nun den Menschen wird in ewigkeit gegeben;
Zue Gottes ehr’ allein: vnd singen einen thon/
280 Der aus dem Himmel fleußt/ nicht aus dem Helicon.
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 298]
[C1a]
Nicht ferren von dem ort’/ vnd für der Mutter füssen
Tritt Tityrus herbey/ den Hirten auch zue grüssen
Der nun gebohren war/ mit Corydon bereit/
Der weggeht wiederumb gantz lustig vnd erfrewt.
285 Nun geht/ jhr Kinder/ geht/ vnd lehrt die büsche singen
Ein Lied/ ein Wunderlied von vnbekandten dingen:
Das Tityrus nun kan/ das Corydon nun macht/
Vnd eine newe weiß’ hierauff jhm hat erdacht/
Das Tityrus jetzt pflegt zue spielen auff der weiden/
290 Das Corydon so schön’ erzwingt auff grüner heiden/
Das er so artlich spielt nach seiner leyerkunst/
Nicht Daphnis alte pein/ nicht Melibeus brunst/
Noch Romulus wölffin/ noch ander ding von lieben/
Mit dem man sonsten pflag sich weit vnd breit zue üben.
295 Ihr Lied war von der Braut so newlich in der nacht
Hatt’ jhren Vater selbst auff diese Welt gebracht.
Der frome Ioseph sitzt in hohen tieffen sinnen/
Vnd weiß nicht was er thut: denckt wie doch diß sein
können/

Verwundert vber Gott. wann er das Kindt beschawt/
300 Sieht er die Jungfraw an so jhm vorhin vertrawt.
Die Jungfraw so da sitzt mit heiligkeit vmbgeben/
Vnd wie im Himmel selbst/ sieht allenthalben schweben
Die gläntzend’ Engel schar/ die mächtig’ Himmelskrafft;
Ist vberall vmbringt von Gottes Bürgerschafft.
305 Bald sieht sie auff das Kindt/ bald lesst sie höher steigen
Die augen/ muth vnd sinn/ Gott danckbar anzuzeigen
+ + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 299]
Ihr niedriges gemüt. kömpt weiter mehr vnd mehr/
Giebt jhm allein das lob/ giebt jhm allein die ehr.
Das Kindt liegt da vor jhr/ beginnt sie anzublicken/
310 Durch seine freundligkeit jhr hertze zu entzücken/
Sie lieblich anzusehn/ zu bieten jhr die handt/
Vnd wirfft jhr vmb den halß der ärmlinn süsses bandt.
Sie blickt es wieder an/ muß wieder zue jhm lachen
Aus Mütterlicher huldt. denckt an die hohen sachen
315 Voll von demütigkeit vnd von gedancken groß/
Vnd hat jhr hertz’ auff Gott/ der liegt in jhrer schoß.
[C1b]
Bald wird die Jungfrawschafft jhr zue gemüt geführet/
Die sie so hoch geliebt/ die jhr das hertze rhüret:
Vnd offtmals wann sie küßt das kindt/ das schöne kindt/
320 Das jmmer mehr vnd mehr der mutter sinn gewinnt/
Bedenckt sie wer sie ist/ vnd wie sie doch sey kommen
In diesen newen standt/ vor mutter angenommen.
Lesst sincken auff die erdt der schönen augen liecht/
Die edle röthe mahlt jhr weisses angesicht:
325 Die scham bezwinget sie der frewdigkeit zu wehren/
Sie bringet an den tag die Jungfräwlichen zehren:
Die tochter jhres Sohns voll hoher niedrigkeit/
Die offte weinen muß in jhrer lust vnd frewd.
Gleich wie der schöne stern der’s morgendts lesst beschawen
330 Sein purpur-angesicht/ vnd macht den himmel tawen
Durch seinen güldnen schein: vnd wie wann es noch
kühlt/

Die rote morgensonn mit jhrem fewer spielt:
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 300]
Wie eine rote roß’ erst jung vnd auffgeschossen
Wird durch die kalte nacht mit weissem taw begossen;
335 So war sie auch von glantz vnd herrligkeit erfüllt/
So war von threnen naß das edle rosen-bildt.
O mutter vnd zuegleich auch jungfraw/ laß doch fahren
Die sorgen: dann dein Sohn der wird dich selbst bewahren/
Vnd deine jungfrawschafft: Gott hat dich außerwehlt/
340 Gott hat dich selbst gefreyt/ den himmel dir vermählt.
Laß sehn dein mutterhertz’. Ey liebe/ ey erwecke
Dein freundliches gemüt/ dasselbe nicht verdecke.
Ob er gleich jetzund liegt arm/ elend/ kalt vnd bleich/
Ohn herrligkeit vnd macht/ ist er an macht doch reich.
345 Die Sonn’ ist vnter jhm: der Monden mit dem wagen
Kehrt ein in seinen hoff: den nächten vnd den tagen
Vergönnet er sein hauß: das goldt so für vnd für
In Pleias sternen scheint/ hat er zue seiner zier.
Orion geht durch jhn in diesen schönen wegen/
350 Geschickt auff seinen dienst/ steht mit dem blossen degen.
Der wagen helt auff jhn/ wann er nur eines winckt/
Der aus der kalten flut der Tethys niemals trinckt.
[C2a]
Begraben in das stro/ ist vber alle sachen
Dadurch jhr Rom die welt darff vnterthenig machen:
355 Geleget in die kripp’/ erkältet/ arm vnd bloß/
Ist vber alle macht. der himmel ist sein schloß;
Die balcken sind die lufft/ von Osten biß in Westen:
Die wolcken sein Castell: die grosse See die festen:
Die welt vnd wir sein hauß: was man nur nennen kan/
360 Wo das er liegt vnd geht/ ist gantz jhm zuegethan.
+ + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 301]
Laß Caesar in sein guet vnd hoffart sich verwerren/
Laß jhm den purpurrock/ als aller länder Herren/
Mit sternen außgestickt: die Thonaw vnd der Rein
Die neigen sich für jhm/ so nun gewonnen sein.
365 Laß jhn in seiner pracht/ laß jhn hochmütig tragen
Biß auff Tarpejus berg mit seinem güldnen wagen/
Das köstliche gebäw: von da er rundt-vmb sieht
Die gantze weite welt/ sein’ herrschafft vnd gebiet.
Diß kindt liegt vber jhm. Iudea kan nun leben
370 In freyheit/ Iuda wird der scepter vbergeben.
Das Sina frölich werd/ vnd Basan komm’ herbey/
Iordanes sey getrost/ vnd Sion sich erfrew.
Das Idumea sich in diesem tage letze/
Vnd seine palmen trag’/ vnd lorberkräntz’ auffsetze/
375 Da Rom so sehr auff pocht/ die Caesar selber tregt/
Vnd sie mit seiner handt in Iupiters schoß legt.
Biß willekomm/ o kindt/ gesehn an allen enden/
Verkündigt in der lufft: durch den sich muß verwenden
Des himmels firmament: die weisen kommen an/
380 Geführet durch dein liecht/ dich danckbar zue empfahn.
Biß willekomm/ o kindt/ gewündscht vor tausendt jahren/
Vnd tausendt jahr darzue; jetzt endtlich wiederfahren/
Hast jetzt dein volck besucht. bist du nun bey der handt/
O gast des Abrahams/ o Jacobs wiederstandt?
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 302]
385 O seht/ wie klein ist doch/ wie schwach/ wie gantz verlassen/
Den Cherub nicht bedeckt/ vnd nicht vermag zue fassen.
Der so den himmel füllt/ der alle welt ertregt/
Wird mit der handt gefaßt/ vnd wieder hingelegt.
[C2b]
Der grosse Capiteyn für dem sich alle schewen/
390 Der wagen Israels vnd jhre reutereyen:
Ihr bollwerck/ jhre schantz’/ jhr Meister in dem feldt/
Der Feldtherr seines Volcks vor dem sich nichts enthelt.
Der ohne Spieß vnd Pfeil/ ohn einig Ross vnd Wagen/
Viel tausendt Männer hat auff eine nacht erschlagen/
395 Dem stoltzen Sancherib zue trotze/ hohn vnd spot/
Vnd mit gewalt erlöst Jerusalem aus noth.
Biß willekomm/ o Kindt/ an allem ort gepreiset/
Wo Moses vnd dein Volck sampt Iosue gereiset:
Von Amos weisen Sohn beschrieben vnd erkandt/
400 Der schönste den man find von Salomon genannt.
Du edle Rose du/ holdtseligster von allen/
Wie vnwerth bist du doch? wie bist du so verfallen?
Vnziehrlich/ vngeehrt. hier lieget der sonst steht
Viel höher als der Mond’ vnd als die Sonne geht.
405 O Fürst aus Canaan/ da alle Bäche fliessen
Mit Honig/ da sie gar von keinem Winter wissen/
Da immer Blumen stehn: wer hat dich so verwirrt?
Wo bist du doch ietzund? wie hast du so geirrt?
Bist kommen ohne kleidt in diesen strengen tagen/
410 Durchgangen von dem Wind’/ hast schnee vnd frost ertragen:
In dem die kalte lufft in alle glieder schleicht/
Der Mensch zue eisse wird/ vnd Boreas so streicht.
+ + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 303]
Ach das die Töchter doch von Sion solten breiten
Die Kleider vber dich/ dein Läger zubereiten.
415 Ach das der scharffe Nort so prauset ohne rhue/
Ach das das bitter’ eiß dir ja nicht schaden thue.
Ach das des Adams Söhn’ ietzt kämen zugelauffen/
Die du nun wiederumb vom Sathan mußt erkauffen/
Vnd schawten in dem stro des Himmels höchste ziehr/
420 Vnd alle truckneten die threnen ab von dir.
Das Zephyrus doch komm’/ als wie er sonsten pfleget
Wann er auff Libanus vnd Galaad sich reget/
Vnd blase wo du bist: der gantze Himmelsbaw
Komm’ her an diesen orth mit seinem süssen taw.
[C3a]
Ach das der Winter sich mit seinem greisen haare
426 Verender’ in den Lentz/ ietzt schloss vnd kälte spare.
Ach das der Sommer doch dich kenn’ vnd komme her.
Ach das das lange Jahr sich lieber gantz verkehr.
Ach das die Bienen sich an diesen platz begeben/
430 Vnd vmb den süssen mundt vnd kleyne lippen schweben/
Die nichts als manna sind vnd besten zuckers voll/
Darauß die rechte lust des hertzens fliessen soll/
Vnd trieffen vber vns. ach das doch in der summen
Die Blumen allerhand auff diese krippen kommen/
435 Vnd krönen jhren Printz/ bezeugen allerseit
Das du jhr Meister bist/ das du bist Herr der zeit.
Die Kinder auch der lufft/ die Vögel/ sollen springen
Hier inner diesem stall’/ vnd lieblich bey dir singen:
Biß willkomm/ biß willkom: das jeder so beweist
440 Das du bist der sie nehrt/ das du bist der sie speist.
Ach! ach! der anbegin ist anders nichts dann leiden/
Dann pein vnd groß verdruß. man sol das Kindt beschneiden:
Die Jungfraw treget es. jhr mütterlicher sinn
Gibt threnen vor das blut/ gibt jhre gaben hin/
+ + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 304]
445 Bezahlt sein’ erste pein/ muß kauffen seine wunden/
Vollbringen das Gesetz’/ ob gleich er nicht verbunden
Mit Sünden wie sonst wir. sie selber bringt jhn dar/
Vnd sieht dem wercke zue. diß war sein newes jahr.
Herodes schnaubt vnd tobt/ gedenckt jhn vmbzubringen/
450 Vnd als er innen wird es wolle nicht gelingen/
Erwürget der Tyrann die Kinder groß vnd klein:
Diß arge blutbadt muß sein willekommen sein.
Sey willkomm hier bey uns. das jederman sich ziehre/
Das diesen tag begehn die Menschen vnd die thiere.
455 Die See sey ohne Schiff/ der Himmel ohne wolck/
Die winckel ohne werck/ die strassen ohne volck.
Der bawer so fortan sein feldt wird sollen pflügen/
Lass’ ietzt die pferde stehn/ den pflug vnd ege liegen:
Der kriegsmann sein gewehr. die lehrer halten inn
460 Mit jhrem newen streitt von Gottes tieffem sinn.
[C3b]
Biß willekom/ o kindt/ das Simeon thut singen/
Macht Zacharias stumm. Ich seh Johannes springen
Vnd hüpffen auff dich zue vor grosser wonn’ vnd frewd:
Er will zu dir eh er vnd du gebohren seyd.
465 Du solst gehn auff den berg/ die stimme lassen hören/
Wie du zuevor gethan/ vnd dein gesetze lehren/
In grosser herrligkeit gesessen bey der lufft/
Auff deinem hohen stuel/ den völckern zuegerufft.
Der vormals das gesetz’ auff Sina hat befohlen/
470 Solt’ es jetzt wiederumb von newen wiederholen
+ + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 305]
Auff Thabors hoher spitz: das alles was du hast
Nicht lange zeit hernach gar kürtzlich eingefaßt/
Schier in ein wort gebracht: WIR SOLLEN LIEB
GEWINNEN

ERST GOTT VON HERTZEN GRUNDT, VON
GANTZER KRAFFT UND SINNEN;

475 DEN NECHSTEN ALS UNS SELBST. Wer dieses
halten kan/

Der ist schon außgelehrt/ vnd hat genung gethan.
Biß willkomm hier bey uns. ich seh den Teuffel ziehen
Vnd lauffen vor dir weg/ die kranckheit gleichfalls fliehen:
Die blinden wieder sehn: recht gehen her vnd hin
480 Die lahm vnd krüpel sein. O grosse medicin,
Du solst durch deine macht viel tausendt männer speisen/
Du solst die todten selbst aus jhren gräbern weisen
Vnd leiten an den tag/ sie bringen an die Sonn/
Vnd gantz zuerücke führn auß Styx vnd Acheron.
485 Du solst die wilde See/ biß an die lufft gestiegen/
Mit deiner augen krafft bezwingen still zue liegen/
Vnd wann es dir beliebt auch auff den wilden fluß
Der Amphitrite selbst steiff setzen deinen fuß/
Wie auff das truckne landt. du solst die grossen plagen
490 So von dem monden sein zuestören vnd verjagen/
Vnd aus dem leibe thun. verendern in das liecht/
In flamm’ vnd herrligkeit dein eigen angesicht.
Den fischen schaffest du zue schwimmen auff die erden/
Zue zahlen deine schuldt/ den bäwmen dürr zu werden:
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 306]
[C4a]
Vnd Achelous naß nur durch dein wort allein
496 Verwandelt seine krafft in angenemen wein.
O grosser menschenfreundt/ eh als du bist gebohren/
O starcker menschenschutz/ nach dem er war verlohren/
Was hast du nicht gethan/ was hast du nicht gemacht
500 Zue seiner hülff’ vnd trost? was hast du nicht bedacht?
Doch sonderlich das volck auß Israel entsprossen/
Mit butter/ vnd mit milch vnd honig vbergossen.
Wannher kömpt dann jhr haß/ jhr grosser eyfer nun/
Die falscheit des gemüts/ jhr frevel den sie thun?
505 Wer hat diß volck gemacht? wer hat sie doch erzeuget?
Hat sie die wüste See in jhrer schoß geseuget?
Hat eine löwinn sie geworffen in der heidt/
Das sie den creutzigen der sie liebt jederzeit?
Der ihnen zuegesagt/ verkündigt/ angewiesen/
510 Beschrieben/ angelobt/ vor langer zeit gepriesen/
Der Vater seines volcks: das weitberhümbte lamm/
Bekandt Egypten durch/ vnd in dem lande Cham:
Der grosse wunderstern der Balaam erschienen
Zue Moabs vntergang/ gezwungen jhm zue dienen:
515 Den er verkündigt hat: der Juden kriegesheldt
Viel jahre vor der zeit eh er kam auff die welt.
Judea gantz verstockt/ blutgierig/ blindt ohn ende/
Ermordet jhn noch selbst/ legt selbst an jhn die hände/
Geht wieder alle recht/ durchbohrt mit eigner handt
520 Der von dem himmel war zue jhnen hergesandt;
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 307]
Der mit der gantzen last des Vaters vngenaden/
Vnd vnser bösen that hengt an dem holtz beladen/
Gepreßt/ verspeyt/ gedrückt/ veracht/ geschmäht/
verspott/

Verlassen von der welt/ vnd wegen jhr von Gott.
525 Das alles was hier ist sieht seinen schöpffer hangen/
Die himmelweite lufft doch klein jhn zue vmbfangen/
Vnd wird nun mit gewalt (o leidt/ o grosse noth)
Gezwungen anzuesehn jhrs eignen Vaters todt.
Die Sonne flohe vor: der himmel gantz bestürtzet
530 Der hat sich fort gemacht/ der welt das liecht verkürtzet/
[C4b]
Vnd als er zugesehn das er sein haupt geneigt
Hat er den tag verdeckt/ vnd schrecklich sich erzeigt.
Der fürhang in der kirch’ auffs künstlichste geweben
Mit schönem scharlachroth/ hat einen krach gegeben/
535 Geriessen durch vnd durch: die stein’ ohn wiederhalt
Sind häuffig vmbgekehrt/ zusprungen mit gewalt.
Der vater Atlas hat für vngedult gezittert/
Die grosse laßt der welt auff seinem hals’ erschüttert:
Er war des tragens satt/ vnd wolte lassen gehn.
540 Natura bebete/ vermochte nicht zue stehn/
Sie seuffzete so sehr/ das es die erd’ empfunden/
Die pforten auffgethan/ die tieffen offen stunden.
Das erdtreich brach entzwey biß an Cocytus pful/
Vnd Pluto ward mit krafft geruckt auß seinem stul.
+ + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 308]
545 Der tolle Cerberus als er den tag empfande
Ward wütendt vnd ergrimmt/ rieß drey mal von dem bande/
Ließ stehn das thor von stahl so seiner huet vertrawt/
That seinen rachen auff/ vnd heulet’ vberlaut.
Tisiphone verstummt mit grosser furcht vmbfangen/
550 Verwirret sieben mal die abschewlichen schlangen/
Der brennende morast des Phlegetons wird groß/
Speit flocken fewer auß/ leßt dampff vnd nebel loß.
Gleich alß auch Etna scheußt auß seinen tieffen klüfften
Ein’ vngegründte See der flammen in die lüfften/
555 In der Tipheus steckt vnd sich zue rechte legt;
Das gantze landt erbebt vnd wird davon bewegt/
Trinacria hüpfft auff von starcker brunst gezwungen/
Der rauch kömpt mehr vnd mehr biß in die lufft gedrungen.
Die todten hörten es/ vnd stunden wieder auff/
560 Biß nach Ierusalem sie namen jhren lauff.
Die todten brachen auß vnd giengen selbst zue sagen/
Zu zeugen vberall das Belial geschlagen/
Ermordert/ vmbgebracht/ zuebrochen vnd gefellt/
Vnd das jhn hab’ erlegt Emmanuel der heldt:
565 Der mitten durch das grab den dritten tag gebrochen.
Der todt lag vnter dir/ an dem du dich gerochen/
[D1a]
Den du verhöhnet hast/ der Teuffel sah’ es an/
Das sich der Himmel dir hat selber auffgethan/
Das du mit vnsrem fleisch den Himmel eingefahren;
570 Das erdtreich vnd die see mit hundert tausendt paren
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 309]
Der Engel sahen an/ das du durch deine macht
Hast vnser fleisch vnd blut hoch vber vns gebracht.
Von da schickst du den Geist/ der außgeht von euch beiden/
Dem Vater vnd dem Sohn/ von euch doch vnterscheiden/
575 Ist das jhr beide seidt: ist beide/ das jhr seidt/
Vnd ist das jhr nicht seidt: mit beiden vor der zeit.
Von da du wieder wirst zue vns herunter fallen/
Vnd lassen die trompet durch alle welt erschallen:
Zuerichten alles fleisch das noch auff erden lebt/
580 Vnd das in finsternüß des bleichen todes schwebt.
Erlöser sei gegrüst der alles hat bezwungen:
O grosser starcker Löw aus Israel entsprungen/
Aus Iuda vorgebracht: o du Gott Abraham/
Vnd der nach Abraham viel hundert jahr erst kam.
585 Der wiederumb das feldt in Eden auffgeschlossen/
Cocytus zuegestopfft/ vnd Pytho todt geschossen/
Zuebrochen seine macht. O samen groß von that/
Der Pluto mit gewalt den kopff zueschlagen hat;
Die riegel abgethan/ des teuffels reich gewehret/
590 Das sehr gewaltig war/ das alte joch verheeret
Das Moses selber trug. hast vns darfür ergetzt
Mit tröstlichem gebot’/ vnd newen bundt gesetzt.
Das ende dem Gesetz’/ vnd ende den Propheten/
Das Moses hat gehabt/ vnd Iosue in nöthen:
595 Das ende dem Gesetz’/ vnd wieder der begin:
Den Iacob vater heist/ vnd bist auch Beniamin.
Erst Adam zuegesagt/ bey Noë standhafft blieben
In aller seiner noth: dem guten Mann geschrieben
Ein’ handschrifft in die lufft/ nach dem jhm gunst
geschehn;

600 Die vns zue troste noch gar offte wird gesehn.
+ + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 310]
Den Iacob hat gefühlt/ vnd Salomon gesungen/
Den Samson vorgestellt/ mit dem er hat bezwungen
[D1b]
So vieler feinde krafft: der Moab vmbgebracht/
Den Amalec geschewt/ vnd David offt bedacht.
605 O wahrer menschen Sohn/ (so hat es dir gefallen)
Vnd zwar der andere des namens/ doch für allen:
O nam/ o süsser nam/ für welchem spat vnd frü/
Biß in den himmel zue sich beugen alle knie.
O Jesu süsser Nam/ süß vber alle wiesen/
610 Süß vber honigtaw/ noch nie genung gepriesen:
Süß vber alles das was Indien vns sendt/
Süß vber alles süß das jergendt jemandt kennt.
Süß vber alles süß darauff die menschen schawen/
O rechter Ionathan: süß vber alle frawen.
615 Elia sey gegrüßt: durch deine himmelfahrt
Elias in der lufft/ vnd Ionas groß von art.
Beschnitten vnd getaufft/ gelitten ohne leiden/
Gestorben ohne todt/ hast nicht Gott mussen meiden:
Als der du selbst bist Gott/ vnd warest schon bey Gott
620 Da du noch ohne fleisch/ vnd mitten in dem todt.
Auff eine zeit bey Gott/ vnd Gott; todt vnd begraben.
Begraben ward das fleisch mit hocherkaufften gaben.
Die seele stets bey Gott vnd bey dem mörder war:
Die Gottheit war vnd blieb bey allen beyden gar.
625 Von Gott dem Vater selbst in deiner tauff gepriesen
Als Gott/ vnd als der Sohn: vnd von dem Geist gewiesen.
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 311]
Da sehen wir euch drey vnd doch nur eines sein/
Vnd ob jhr drey schon seyd/ seyd jhr doch ein’s allein.
O rechter todes todt/ durch den wir heil empfunden/
630 Vor dem der himmel bebt/ die wolcken stehn gebunden/
Die sternen halten still vnd zittern allzuemahl:
Vor dessen grosser krafft der printz der schönen zahl/
Die fackel in der lufft/ der wagenherr der erden/
Die brennend’ heisse Sonn vmbgürtet jhren pferden
635 Den schwartzen schein der nacht: vor dessen hellen liecht
Die grossen Seraphin bedecken jhr gesicht.
O König sey gegrüßt/ von ewigkeit gebohren/
Von ewigkeit gekrönt/ von ewigkeit erkohren/
[D2a]
Melchisedech recht gleich. o priester ohne zeit/
640 O ewiger Prophet/ Levit in ewigkeit:
Gesalbter sey gegrüßt mit süssem taw bestriechen/
Der nimmer wird vergehn/ der ewig wol wird riechen/
Mit specerey der frewd/ mit öl recht angewandt
Zue dem dreytopplen ampt zue dem du bist ernannt.
645 Messia sey gegrüßt/ weg/ warheit vnd das leben/
Gott’s warheit/ Gott’s verstand/ Gott selbst/ Gott vns gegeben:
Das wort/ der werthe schatz/ der wunder-ackerßmann/
Der seine schauffel tregt/ das korn recht worffen kan:
Der an den bawm gesetzt die axt/ glatt abzueschlagen
650 Die äste so nicht guet/ vnd keine früchte tragen:
Der bodenlose schatz/ der eckstein für das hauß:
Der mit der grossen faust die welt spannt auß vnd auß.
Das Pascha/ quell vnd brunn zue schöpffen nach genügen:
Der erstling aus dem volck die in der erden liegen:
+ + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 312]
655 Der rechte friedenfürst/ der grosse menge voll
Der starcken zu der beut’ vnd raube kriegen soll:
Derselbe diesen tag/ vnd gestern/ vnd auch morgen:
Der engel in dem rath so lange war verborgen/
Der engel der sein volck mit offenbahrer macht
660 Hat friedlich vnd in rhue in Canaan gebracht.
Mit schrecken vnd gewalt sich wiedersetzt den städten
In dem gelobten land’/ vnd Israel vertretten.
Des Davids deines knechts Herr/ Meister/ Capitein;
Der hirt’ vnd auch das schaff/ der weingart vnd der wein.
665 Die fackel vnd das liecht das denen glantz sol geben
Die in der finsterniß vnd todesschatten schweben.
Das wahre horn des heils: die perle groß von preiß/
Die Sonn so jmmer steht/ die rechte Seelenspeiß.
Der adler/ der mit krafft biß in das grab gezogen/
670 Vnd wieder mit gewalt vnd macht herauß geflogen/
Sitzt vber alles nun. O schlang’ auß ertz gemacht/
Durch welche noth vnd quall von vns wird weggebracht.
Gewesen von begin/ von aller zeit vnd jahren:
Den in der löwengrufft hat Daniel erfahren:
[D2b]
Der Sidrach vnd mit jhm die andern auß der flamm’
676 Vnd grossen fewersgluet mit gantzen kräfften nam.
O Vater laß vns auch die kalten hertzen brennen/
Dein’ vnergründte macht zue loben vnd zue kennen:
Laß glüen das gemüt/ entzünde den verstandt/
680 Mit deiner süssen lieb’/ vnd beut vns deine handt.
Laß deinen willen sich in vnsrem willen regen;
Wir können nichts ohn dich/ ohn deinen reichen segen:
+ + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 313]
Ohn dich ist vnser thun vnd armer wille schwach/
Vnd hanget nicht an dir/ geht nur dem bösen nach.
685 Geleit’ vns/ bleib bey vns/ laß vns von dir nicht wancken.
Ein eisernes gebet/ vnd fewrige gedancken
Die dringen durch die lufft: vnd wann des Teuffels list
Sich an vns machen wil/ laß vns sein wolgerüst/
Gib vns des glaubens helm/ bind’ vnser hertz’ vnd sinnen
690 Steiff an den Himmel an/ laß vns durch dich gewinnen/
Wie deine märterer/ die mitten durch die pein/
Gerädert vnd verbrannt/ zue dir gestiegen sein.
Zäum vnsern tollen wahn/ gib warheit vnserm munde/
Thue alle meinung ab die nicht aus festem grunde:
695 Der du vnfehlbar bist/ die grundfest’ vnd verstandt/
Mach’ vns den rechten weg den du gebähnt bekandt:
Laß finden was du sagst/ anheben von der wiege/
Auffwachsen gleich mit dir: biß vnser hertze fliege/
Gereinigt durch dein blut/ durch dein wort newgebohrn/
700 An den ort den du dir vnd deinem volck’ erkohrn.
Wir lassen Esau stehn/ vnd wollen nicht viel fragen/
Noch gehen allzueweit/ warumb doch Gott mißhagen
Zue jhm trug eh er war: nur preisen den der fragt
Vnd fleissig nachsucht dem was dir allein behagt:
705 Beginnt von vnten an: wil deinen weg erkünden:
Den er auch endlich noch wird hier auff erden finden/
Vnd ausser dem nicht geht. das ander/ ist er weiß/
Das setzet er beseit/ biß in das Paradeiß.
Da ist die große schul’ in der man wird erfahren
710 Des Vaters tieffen sinn/ den du wirst offenbahren:
[D3a]
Gesessen auff dem stuel/ allzeit vor dich bewahrt;
Da ein vnzehlich volck der Engel steht gepart.
+ + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 314]
Wir nemen Iacob an/ den Gott schon außerkohren
Er solt’ im glauben sein/ eh als er noch gebohren/
715 Noch in der mutter leib’: vnd schied den Esau ab;
Nicht das es Iacob werth/ nur das er jhm es gab.
Die ferner wollen gehn/ die müssen vnten bleiben/
Vnd jhre zeit mit zanck vnd zweiffelung vertreiben:
Durchgründen deinen rath/ vnd suchen stets ohn
endt

720 Was weder ich/ noch sie/ noch iergendt einer kennt.
Da wird die flamm entzündt: wir lassen vns belieben
Neidt/ hader/ hass vnd zorn; da wird von vns vertrieben
Die rhue/ die süsse rhue/ die lieb’ vnd niedrigkeit.
Wir steigen all zue hoch vnd wollen gar zue weit.
725 Weil wir zum Vater gehn/ wird vns der Sohn genommen/
Verlieren den compaß: ie mehr wir näher kommen/
Je ferner wir noch sein. verlassen Gottes wort/
Ertrincken in der See/ vnd kommen nicht zue port:
Gleich als Bellerophon der nichts hielt von den pferden
730 Die auff dem boden gehn/ flog sehr weit von der erden/
Gab Pegasus die sporn: vnd gleich als Phaëton
Den wagen zue sich nam/ vnd fuhr an statt der Sonn.
Wir haben auff vns selbst zue grosses zuevertrawen/
Vnd wolln mit Babels volck biß in die wolcken bawen:
735 Verachten gantz den baum des lebens/ greiffen an
Die frucht der wissenschafft/ wie Adam hat gethan.
Vnd fallen auch mit jhm. wir wollen alles finden/
Durchtasten deinen grundt der gar nicht ist zue gründen:
Gehn vber den verstandt vnd suchen vnsern fall.
740 Wer aber vnten geht/ der find dich in dem stall
+ + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 315]
Für seinen füssen hier: gleich wie die weisen Persen/
Die keinen falschen wahn nicht liessen in sich herrschen/
Dich suchten wo du warst. sie sahen dich von ferrn/
Verliessen menschen witz/ vnd folgten deinem stern.
745 Laß vns auch eben so/ befreyt von hohen sorgen/
Dich suchen da du scheinst/ nicht da du ligst verborgen/
[D3b]
Bedeckt mit schreckligkeit. wie Moses dich erkandt/
Mit fewer gantz vmbringt/ als du mit deiner handt
Die erd’ erschüttert hast/ trompetten lassen schallen/
750 Verkündigt dein gesetz/ bist auff den berg gefallen/
Bekleidt mit herrligkeit: vmbgürtet mit der flamm
Die allen muth dem volck’ vnd jhr gesichte nam:
Da Sina durch den brandt durch grosses fewer-blincken/
Durch deiner stimme macht schier meinte zue versincken/
755 Aus furchte zue vergehn/ zu schmeltzen gar vnd gantz/
Vor deiner majestet/ vnd vnerhörtem glantz/
Vnd als dich Pharao sah’ in dem streite fechten/
Vnd stehn für Israel/ vnd auch für jhren knechten/
Dein außerkoren theil/ dein eigenthumb/ dein heer/
760 Gewaffnet mit der lufft/ vnd mit dem gantzen meer:
Das stracks auff dein gebot erhub die schweren wellen/
Stundt als ein’ hohe wandt/ vnd thet sich wieder stellen
In seinen alten lauff. du/ der du vns gebracht
Durch deine niedrigkeit zue deinem reich’ vnd macht.
+ + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 316]
765 Der du/ zuevor nur Gott/ auß gnaden angetrieben
Bist worden das wir sein/ vnd beydes nun verblieben:
Hast beydes das wir sein/ vnd das du warest eh/
Vereiniget in dir/ geführet in die höh.
So das nun von der welt die menscheit auffgenommen
770 Da deine Gottheit ist/ vnd gleiche macht bekommen/
In dir der beydes ist: in vns noch schwach vnd kranck/
Gleich einer großen laßt/ vnd schwerer bürden drang.
Die wir nun auch an dich verbunden vnd geschlossen/
Durch dich gesäubert sein/ mit deinem blut begossen/
775 Erfrewen vnsern geist/ vnd trachten jeder frist
Zue kommen an die statt da du jetzt selber bist.
Vnd auff das vnser sinn mög’ eines mahles reisen
An diesen hohen orth/ wilst du vns hier noch speisen/
Setzst vns an deinen tisch/ giebst vns dein fleisch vnd
blut/

780 Ertheilest vns die kost die vber alles gut.
Da werden wir nur nicht durch täglich brodt ernehret;
Du giebst die wahre kost die ewig bleibt vnd wehret:
[D4a]
Wir gehn zue dir herauff: es wird dann vnser hertz
Theilhafftig deiner frewd’/ vnd fühlet deinen schmertz.
785 Wir springen aus dem fleisch’ vnd werden gantz entbunden/
Wir lauffen mit dem geist biß inner deine wunden:
Wir leschen vnsern durst/ vnd mesten vns mit lust
An dem gebrochnen leib’ vnd blutbesprengten brust.
Da ist die lust die wir auch sollen nachmals finden/
790 Vnd saugen solche milch die nimmermehr wird schwinden:
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 317]
Der Seelen nahrunge die nicht vergehen kan:
Dein fleisch erquicket vns/ o grosser Pelican!
Der du dein eigen volck zue speisen vnd zue laben
Geopffert deinen leib/ vnd wieder dich erhaben;
795 Ernewert durch den todt: wir saugen auß den wein/
Den wein vom himmel her/ biß daß wir truncken sein:
In deinem tode wir erhöhen hertz vnd sinnen/
Die alle wiedrigkeit getrost verachten können:
Sind meister vnser selbst/ vnd brechen aus der bahn:
800 Zuetretten Behemoth/ stehn auff Leviathan.
Erlöser sey gegrüßt/ gesalbter außerlesen/
Der du wirst ewig sein/ vnd ewig bist gewesen:
O Alpha sey gelobt/ der du das erste bist
Vnd auch das letzte gut/ O mega sey gegrüßt.

Zu Görlitz im Marggrafenthumb Oberlausitz
druckts Johann Rhambaw.

M. DC. xxi.

+ + + + + Sachanmerkung
[Druckausgabe S. 318]

[Nur in Y:]

Außlegungen vber den Lobgesang des Herren JESU CHRISTI.

Gar recht wird der Herr Christus Esa. 8:14. Röm. 9:32. genennt der stein des anstoßes: daß er/ vngeachtet seiner Gottheit vndt der- selbigen krafft/ welche den menschen vollkömmlich geoffenbahret worden/ so baldt von dem menschen nicht geschieden/ vmb deßen willen er zue dem menschen kommen vndt mensch worden ist/ daß nicht etzliche zuegleich an seiner Gottheit zue zweiffeln/ vndt den- selbigen/ der für den menschen gecreutzigt war/ wiederumb zue creutzigen angefangen; auch also des jenigen/ was von den dreyen Evangelisten von seiner niedrigkeit erzehlt wirdt/ zue vnterdruck- ung seiner größe vndt ewigkeit mutwilliger weise gemißbraucht haben. Als [2]Sachanmerkung wie die Cerinthianer vndt Ebioniten/ welche gar durfften sagen/ daß der Herr auß dem samen Josephs geboren were. Diesen zue begegnen/ ist der heilige Evangelist Johannes/ die lust vndt frewde des Herren/ der auff seiner heiligen brust geruhet/ vndt die schätze der Göttlichen heimligkeit darauß gesogen hat/ vervrsacht worden/ nicht anders als ein Secretar des himmels/ sol- che dinge/ wie S. Chrysostomus wol sagt/ vor der zeit den Engeln verborgen waren/ auß zue sprechen: an zue zeigen/ daß derselbte Herr Jesus/ der nach dem fleische geboren vndt dem menschen ge- geben war/ für dem fleische vndt ohn das fleisch/ ja für allem fleische vnd creatur/ Gott bey Gott gewesen sey. Auff dieselbige weise sindt auch die alten Väter gezwungen worden/ beydes in Sy- noden undt auch in schrifften/ sich wieder die feinde der person Christi/ seiner Gottheit/ ewigkeit mitt dem Vater in dem wesen/ vndt seine vnaußsprechliche ewige erzeugung auß dem Vater/ zue er- kleren/ vndt den nachkommenen ein gesetze zue stellen/ wie ferren jhnen zue kommen erlaubet sey. Der Autor/ weil er von den eigen- schafften des Sohnes Gottes in diesem Lobgesange nicht hatt reden können/ ehe dann er zuevor von seiner ewigen Gottheit fürnem-

[Druckausgabe S. 319]
lich geredet hette/ hatt sich selber also gemäßiget/ daß er sich an die H. Schrifft vndt jhre außleger die alten Väter gehalten hatt.

1 Das Wort]Sachanmerkung Wie der Heilige Johannes sein augen-merck auff den anfang des ersten buches Mosis genommen hatt/ also hatt der Autor gesehen auff die ersten worte des H. Johannis: der wieder die Juden/ vndt allbereit oben erwehnte ketzer/ erweisen wil/ wer nicht geschaffen sey/ als alles von dem Moses sagt ist geschaffen worden. Nemlich der Sohn: den er das Wort genennet hatt/ an- zuezeigen/ daß er nicht allein ist die weißheit des Vaters/ sonder〈n〉 auch der so vns dieselbige außgelegt vndt zue erkennen gegeben hatt. Als wie das Wort nichts anders ist dann ein rechtes bildt vnseres ver- standes vndt sinnen/ welches dieselbten außdruckt vndt offen- bahret; vndt das Griechische wort/ das der Evangelist gebraucht/ beydes bedeutet; daß ist/ wort vndt verstandt. Wie dann auch Ter- tullianus sagt/*Sachanmerkung in seinem buche vom gebete/ daß er sey; Das Wort Gottes/ vndt der Verstandt Gottes: das Wort des Ver- standes/ vndt der Verstandt des Wortes.

* Die worte sindt: Dei spiritus et Dei sermo et Dei ratio, sermo ratio- nis et ratio sermonis et spiritus.Sachanmerkung

1 Das Wort war] Moses hatte in seinem ersten buche/ da er redet von allem was geschaffen ist/ gesagt: Im anfange schuff Gott himmel vndt erden: Jo-[3]hannes sagt hergegen/ vnd gleichwol auff das jenige was Moses gesagt hatte; Im anfange war das Wort: an zue zeigen/ daß gleich wie das jenige was geschaffen wardt/ anfieng: also/ das jenige welches war als alle dinge anfiengen/ ge- wesen sey vor dem anfange alles deßen was anfieng. Vndt diß war das Wort/ von dem Johannes wieder den Cerinth vndt Ebion saget; das nicht geschaffen ist/ aber durch welches alles geschaffen ist/ was Moses sagt daß es geschaffen sey. Darumb auch Ambrosius sagt/ bey außlegung dieser örter/ des Moses vndt Johannes: Was

[Druckausgabe S. 320]
geschaffen wirdt/ beginnt: das was keinen begin hatt empfan- gen/ aber herfür ist kommen. Als wie die Väter wol verstanden haben/ daß ein ort gegen dem andern muß gehalten werden: beyde wegen rechten verstandes des ortes Johannis/ als wegen miß- brauch des ortes Mosis.

1 vorSachanmerkung der Zeit] Diß ist auch eine außlegung der worte des H. Johannis/ welcher sagt: Im anfange war das Wort; darmit zue erkennen zue geben/ daß das Wort war als alle dinge anfiengen: vndt also das Wort allein auß zue nemen von allem was anfieng/ vndt jnner der zeit worden ist was es ist. Als wie MicheasSachanmerkung in erweh- nung des Sohnes Gottes sagt/ daß sein gang von anfang sey/ für den Tagen der Welt. cap. 5. v. 2.

1 bey Gott] Der Autor hatt sein bestes gethan/ von dieser hohen vndt tieffen verborgenheit der meinung der h. Evangelistens nicht ab zue weichen. Vndt das Wort war bey Gott/ sagt Johannes: darmit er zue erkennen giebt/ daß der Sohn als Sohn vnterschieden ist von dem Vater bey dem er ist: wie auch die alten Väter diß auß- legen wieder den Sabellicus; vndt er sich selbst hernach weiter er- klert/ vndt saget/ daß er mitt jhm eines sey in dem wesen; doch gleichwol vnterschieden sey als Sohn/ angesehen daß/ wie Augu- stinus sagt/ der Vater nicht ist der Sohn/ noch der Sohn der Vater/ ob sie wol beyde ein Gott sindt.

1 auß Gott *entsproßen.] Der Prophet David/ als er in dem geiste von Christo vndt seiner ewigen geburt auß dem Vater im 2. Psalm redet/ sagt: Ich wil das gesetz erzehlen/ das der Herr zue mir geredt hatt/ Du bist mein Sohn: heute hab ich dich ge- zeuget. Die alten Väter/ damit sie diese erzeigung mitt ehrerbietung auß drucken/ gebrauchen sich des wortes ἀνατέλλειν: das ist/ auffgehen/ entsproßen; als wie das liecht auß der Sonnen ent- [4]springet. Wie sie sich dann auch deßelbten gleichnißes ge- brauchen/ wann sie von selbiger ewigen geburt reden: als vnten soll erwiesen werden. Diß wort hatt der Autor hier außgedruckt vndt jhm nach gefolgt.

*uyt Gott geresen. Also setzt Heinsius: welches sich aber ohn ver- ruckung der wichtigen meinung des andern verses in den reim nicht bringen leßt: darumb der dolmetscher sich des wortes Erlesen gebrauchen mußen/ vndt zwar hoffentlich auch nicht übel/ weil die Christliche kirche

[Druckausgabe S. 321]
diesen jhren Bräutigam den Erlesenen vnter tausenden nennet/ im Hohen- liede/ cap. 5. v. 10. vndt Gott selber anderwerts saget/ daß diß sein liebster Sohn sey/ an dem er ein wolgefallen habe.

3 doch gleich so wol] Der Autor hatt biß hieher mitt kurtzen worten viel zue erkennen gegeben. Zum ersten/ die ewigkeit des Wortes Gottes/ da er sagt; Daß das Wort war vor der zeit: Zum andern/ die ewige erzeugung des Wortes auß dem Vater/ da er spricht; daß das Wort so vor der zeit war/ auß Gott entsproßen sey: Zum dritten/ die person des Sohnes/ welcher das Wort war/ vnterschieden von dem Vater/ in dem er sagt: Daß er bey Gott war: nemlich der Sohn bey dem Vater: Zum vierdten vndt fünfften dargethan/ daß er Gott war vndt derselbe Gott mitt dem Vater/ in ansehung seines wesens. Nun erweiset er/ wie sie eines sindt/ vndt dannoch vnterschieden werden: vndt diß alles also/ daß er den worten des Evangelisten nachfolget.

3 der von dem Vater hatt*] Siehe den Apostel zun Hebreern im 1:2. da er von dem Sohne sagt/ Welchen er gesetzet hatt zue einem erben aller dinge: weil/ wie Johannes sagt in dem 3:35. der Vater den Sohn lieb hatt vndt hatt alle dinge in seine hände gegeben.

* Heinsius setzt: die van denSachanmerkung Vader erft.

5 Vndt da des himmels baw] Der Autor giebt mitt diesem gant- zen verse nichts anders zue verstehen/ als das jenige was Johannes sagt/ alle dinge sindt durch jhn gemacht. Vndt Paulus an die Coloßer 1:16. durch jhn sindt alle creaturen geschaffen. Vndt diß beweiset auch die Gottheit des Sohnes: Dann alles was ist/ sagt S. Augustinus/ ist entweder Gott oder creatur. Es beweiset auch seine ewigkeit. Dann dieser ort ist eigentlich abgemalt auß den trefflichen Sprüchworten/ 8: da die Weißheit/ daß ist/ der Sohn Gottes/ vnter andern/ als er von seiner ewigkeit redet/ also sagt: Als er die himmel bereitete/ war ich alldar. da er die tieffe mitt jhrem kreiße verfaßete. da er die wolcken daroben befestigte/ da er befeßtigte die quelleSachanmerkung der tieffen. So daß man auff die art zu reden muß achtung geben. Dann der war da der himmel wardt/ war

[Druckausgabe S. 322]
vor dem himmel: vndt der war da die abgründe worden/ war auch vor jhnen. Als wie der so war in dem anfange/ war vor dem an- fange. Vndt darumb sagt dieselbte weißheit in selbigem capitel: Da die tieffen noch nicht waren/ war ich allbereit [5] fertig. da die quelle noch nicht sprungen mitt waßer. Welches dann eben eines ist mitt dem vorhergehenden.

8 War er des Vatters hülff’] Zu verstehn zue geben/ daß der Vater den Sohn nicht gebraucht hatt als ein instrument/ welches Arius sagte; der darumb von Theophylacto/ Basilio/ vndSachanmerkung andern alten Vätern/ wiederlegt wirdt: sondern wie es der Apostel an dem all- bereit angezogenen orte außlegt. Wie auch ferner anzuezeigen/ daß diß wort nicht nur ein eiteler schall/ oder ein wort wie die vnseren gewesen sey: sondern die andere person in der Gottheit. die/ wie Tertullianus wieder den Praxean sehr wol sagt/ selber gemacht hatt alles das jenige was durch jhn gemacht ist worden.

8 vndt seine rechte handt] Anzuedeuten das vorhergehende: nemlich daß er gewesen ist eine ware vrsach aller creaturen; wie auch/ daß er ist die macht vndt ehre des Vaters/ durch welchen alles ist geschaffen: wie dann das wort/ rechte handt/ in der schrifft vber all also genommen wirdt.

[6] 9 der anbegin/ der anfang aller sachen] Entweder daß er vor allen war: auß welcher vrsach er von dem Apostel/ der erst- geborne aller creaturen/ genennt wirdt; oder weil alle dinge von jhm jhren anbegin haben. Welches der Evangelist zue erkennen gibt/ da er sagt: Vndt ohn das Wort ist nichts gemacht/ das gemacht ist. Worauß wiederumb folget/ die ewigkeit des Sohnes Gottes. Dann alle dinge notwendig nach jhm sindt/ weil alle dinge durch jhn sindt. ja nichts ist vor jhm/ weil alles durch jhn ist. Vndt darauß folget auch ferner/ daß der Herr sey ohn begin/ als der ge- wesen ist in dem begin/ weil er ist der begin alles deßen daß begin hatt.

10 Vndt war in dem begin] Diß ist eben was der Evangelist sagt/ Im anfange war das Wort.

11 Er war das ware liecht] Siehe Luc. 2:32. Johan. 1:4.Sachanmerkung Esa. 60:1. vndt an andern orten; da der Herr Christus das liecht ge- nennet wirdt/ weil er das liecht ist der seelen.

[Druckausgabe S. 323]

12 kam leuchten in der nacht] Diß ist wiederumb das jenige was der H. Evangelist sagt/ Das liecht ist in die finsterniß kommen/ vndt die finsterniß hatt das liecht nicht können begreiffen. Von dem Worte/ nemlich/ dem Herren/ der mitten in dem irrthumb der Juden/ Griechen vndt Römer kommen ist/ vndt in der nacht im fleisch erschienen. Welches/ da es rein an sich selber war/ weil es von Gott geschaffen/ der nichts gemacht hatt als was guet war/ durch die sünden verterbet vndt vertunckelt worden ist. Diese nacht kan man nicht beßer vergleichen als mitt der nacht darvon geredet wirdt Exod. 10:22. Dann wie die Egyptier drey tage in der nacht leb- ten/ so daß weder bruder den bruder/ noch sohn den Vater kandte/ so ist auch Adam mitt seinen nachkommenen in die nacht der sün- den gefallen. Welche nacht biß zur ankunfft des andern Adams gewehret hatt/ der das liecht hatt in die welt gebracht/ ja selber das liecht gewesen vndt in die welt kommen ist/ vndt hatt die augen vnserer seelen mit der göttligkeit seines geists erleuchtet.

13 Gebohrn auß seiner krafft] Zum ersten/ als selber Gott/ vndt eine vrsach seines begins nach dem fleische/ wie S. Augustinus an- zeigt in seinem handtbuche an Laurentium: da er beweiset/ daß die menschwerdung des menschen Jesus/ ein werck sey der gantzen Dreyeinigkeit. Zum andern als der Sohn Gottes. Vndt [7] darumb sagt Hilarius sehr wol in dem buche/ von der einigkeit des Vaters vndt des Sohnes: Ob wol/ spricht er/ der Sohn Gottes in der geburt/ leiden vndt sterben/ sachen vnser natur gethan hatt/ so hatt er dennoch die sachen auß krafft seiner natur ge- than: als wie er jhm selber ein begin ist geboren zue werden: er selber wil leiden das jenige was er nicht kan leiden: als er stirbet der doch lebet. Vndt dennoch wie er/ der Gott ist/ diß that durch den menschen/ als der durch seine krafft geboh- ren wirdt leidet und stirbet; so leßt er doch nicht zue thun was dem menschen eigen ist; als der durch seine krafft gebohren wirdt/ leidet und stirbet.

14 gestorben] Der Autor sagt daß der Herr auch durch seine krafft gestorben sey. Vndt darumb sagt er selber beym Johanne 10. v. 18. Niemandt nimpt die seele von mir/ sondern ich lege sie ab von mir selber. Zue verstehn zue geben/ daß er nicht allein mitt seinem willen gestorben sey/ das ist/ daß er sterbende in dem fleische mitt seinem willen das leben gelaßen habe; sondern daß er vielmehr hatt außgedruckt seine macht oder krafft/ welche die

[Druckausgabe S. 324]
Theologen potestatem activam nennen. angesehen daß er/ der sein leben ließ/ daßelbe wiederumb annemen kundte da es jhm be- liebte. Wie er auch gethan hatt. Welches dann seine Göttliche macht auch in diesem theil erweiset.

15 Vnd darumb ist er Gott] Diß ist ein großer trost für die seele/ daß die menscheit/ welche der Sohn Gottes angenommen hatt/ mitt der Gottheit also vereiniget ist/ daß er nicht gelitten hatt als mensch/ vndt wir wißen daß er es hette können nicht leiden als Gott/ vndt daß er durch seinen willen ist erniedrigt gewesen/ daß wir in jhm vnterthänig sein solten. Worinnen der grundt vnserer seligkeit bestehet. Dann niemandt kan vnterthänig sein/ als wer etwas mitt eigenem willen thut. Nun wißen wir daß er derselbige ist/ nicht allein der gestorben ist vndt der nicht kundte sterben/ wie der Herr in vorgemeldetem orte von jhm selber redet/ sondern auch/ wie ein Altvater wol sagt/ der den todt hatt angenommen/ vndt der das leben giebet.

23 so rhürt die sterbligkeit] Es ist nichts daß mehr wieder die Gottheit Christi zue streiten scheinet/ alß daß er hatt können ster- ben; vndt gegen seine herrligkeit/ als daß er gestorben ist. Den- noch ist diß an jhm geschehen durch den rhat vndt wil-[8]len seiner ewigen Gottheit: also daß nicht allein seine Gottheit/ die weder zeitlicher geburt noch tode vnterworffen ist/ sondern auch der rhat vndt fürsatz seiner menschwerdung vndt sterbligkeit vor aller zeit ist: als der vor der zeit beschloßen hatt zue thun das jenige/ was er auff die bestimmte zeit vollbracht hatt vndt außgeführet. Vndt diß ist es was der Autor in dem vorhergehenden biß anher ge- sagt hatt/

er hatt durch eignen rhat/
Noch warer Gott allein genommen diese stat.
Eh als er mensch noch war. etc.

Es würde auch eine große thorheit sein zue glauben/ was der Herr Christus/ da er von seiner Vorsehung/ die sich auch abson- derlich auff alles was geschaffen ist erstreckt/ Matth. am 6. vndt 10. vnter andern im 29. vndt 30. verse sagt: daß auch nicht ein sper- ling eines halben pfennings werth ohn seinen willen auff die erde falle; vndt zue glauben/ daß er ohn seinen willen solle gestorben oder mensch worden sein. Worauß dann folgen würde/ daß er kein Gott nicht were. Dann gleich wie Gott allein thut was er wil/ also

[Druckausgabe S. 325]
kan der kein Gott sein welcher thut was er nicht wil/ oder leidet was ein anderer wil.

[9] 25 die weißheit] Also wirdt er genennt Proverb. 8:22. Sap. 8: 4. insonderheit in der 2. an die Corinthier.

25 das leben] Das leben war in jhm/ vndt das leben war das liecht der menschen/ sagt vnserer Evangelist/ 1:4. da er den Herren Christum das leben nennet. weil er entweder alles erhelt was lebet; oder weil er allen vernünfftigen Creaturen das geistliche leben giebet/ wie es Theophylactus außlegt/ vndt der Autor hier nachsagt: oder weil es eine von seinen eigenschafften ist/ das wir in jhm leben/ wie die alten Väter gelehrt haben. In dem Vater sind wir/ in dem Sohne leben wir/ in dem Heiligen Geiste nemen wir zue/ sagt Cyprianus.

32 dem Sohn’ ist heimgestallt] Siehe Johann. 3:35. jtem 13:3. Matth. 28.Sachanmerkung Luc. 10:22.

33 er alles auch in allen] Christus ist alles in allen/ daß ist/ das ende vndt der anfang; wie es auch die Alten Väter außlegen/ vnd der Griechen sprichwort/ so auch von andern gebraucht wirdt/ mitt sich bringt. Der Apostel in der ersten an die Corinther 15:28. gebraucht sich der art zue reden von Gott dem Vater: Vndt zue den Coloßern/ 3:11. von Gott dem Sohne: welcher vrsach sich die alten Väter gegen den Arianern gebrauchen/ die den ersten ort wieder den Sohn vndt seine Gottheit anziehen. So daß der Autor diese zwey orte wol zuesammen gesetzt hatt/ daß der Sohn nicht weniger von macht ist als der Vater; als welche ein Gott sindt.

34 Des Vaters eignes bildt] Also wirdt der Herr im buch der Weißheit 7:26. zue den Coloßern 1:15. in der 2. an die Corinth. 4:4. genennet. dieweil er/ wie Oecumenius mitt den Griechischen Vä- tern sagt/ Gott auß Gott ist: vndt darumb zeucht S. Hieronymus an selbigem orte die worte deß Apostels/ Hebr. 1:3. an/ da der Sohn das ebenbildt der selbstendigkeit Gottes genennt wirdt. So ist er nun das bild des Vaters; erstlich/ angesehen seine Gottheit. Zum andern/ angesehen seine menschheit vndt die menschen/ weil er/ da er vnsichtbar war in seiner natur/ sichtbar ist worden in der vnsrigen. Wer mich sieht/ sagt er/ Philippe/ der sieht den Vater. Vndt das/ damit er vns das bildt Gottes wiederumb gebe/ welches in vns durch die sünde vergangen war. Vndt darumb

[Druckausgabe S. 326]
ist er zue vnß kommen. Dann wie ein bildt/ [10] daß durch fäule auß gegangen oder verleschet ist/ nicht vernewret kan werden/ es sey dann das der jenige komme deßen bildt es ist: also ist das bildt deß Vaters zue vns kommen/ daßelbige in vns zue vernewern/ daß ein mal durch die sünde vergangen war.

34 des Vaters wolgefallen] Wie der Vater bey seiner Tauffe selbst bezeugt hatt/ da er gesagt: Diß ist mein lieber Sohn/ an welchem ich ein wolgefallen habe. Welches die erste stimme ist/ sagt Cypria- nus/ die der Vater in der person deß Vaters gesprochen hatt: vndt auch/ sagt er/ niemandt alß er allein/ vnter allen die im Himmel sindt/ hette Jesum Christum seinen Sohn nennen dürffen.

35 *Gott] Das ist/ nicht anders als Gott: vndt diß ists was der H. Evangelist sagt: Vndt das Wort war Gott.

* Heinsius sagt: God self.

35 doch/ ob wol etc.] Der Autor beginnt was höher zue gehen/ allein mitt einem worte oder zweyen an zue deuten/ wie ferren das die alten Väter/ als sie von den Ketzern gedruckt worden/ gestiegen sind/ vnd sagt kürtzlich das jenige darvon sie so viel geschrieben haben: daß vom Sohne Gottes/ wann man von Ihm redet/ ohn zue reden von dem Vater/ gesagt wirdt/ daß er das seinige was er ist von jhm selber sey/ vnd von jhm selber habe: aber in betrachtung daß er Sohn ist/ vnd Sohn des Vaters/ das er alles vom Vater habe. Vndt darumb wird er auch/ wie S. Augustinus sagt/ in ansehung sein selbst Gott/ in ansehung aber des Vaters Sohn genennet. Vndt wie Cyrillus spricht/ die Dreyeinigkeit in an- sehung das sie eines ist/ ist ohn begin: die personen aber haben einen begin/ vndt wiederumb keinen begin. Dann der Vater ist ohn begin; vndt ist der Sohn vndt der H. Geist/ jhr begin. Welcher begin vndt vrsach über vns ist/ wie er vor vns ist/ in an- sehung alles deßen was geschaffen ist: dieweil er war/ wie der H. Johannes sagt/ in dem begin. Der Autor hatt eigentlich mitt denen zwey verßlein außgedruckt das jenige was die Griechischen Theologen sagen von dem Sohne/ das er sey αὐτόϑεος, nicht αὐτόυιος: Gott von sich selbst/ aber nicht von sich selbst Sohn.

36 Der Vater gab dem Sohn’/ als Vater/ den begin.] Die alten Lehrer sagen/ Das der Vater ein begin ist/ der Sohn ein begin ist/ der Heilige Geist ein begin ist. Der Vater ein begin ohn begin/ der [11] Sohn ein begin auß dem begin/ der H. Geist ein begin auß

[Druckausgabe S. 327]
allen beyden. Ist nun der Sohn ein begin auß dem begin/ so mußen wir wißen daß er sey ohn begin: weil diese beginnung ist ohn begin. Der Sohn (sagt Augustinus) ist nicht durch sich selbst: sondern auß dem der auß niemandt ist: geboren von ewigkeit/ nennende seine geburt auß der ewigkeit deß Vaters: ewig auß ewig/ Gott auß Gott/ gleich wie der Vater ewig ist/ vndt Gott ist.

37 Auß jhm/ vndt nicht nach jhm] Diß sind Cyrilli vndt Gregorii eigene worte: ; da sie reden von dem Sohne vnd dem H. Geiste: die (sagen sie) sindt auß dem Vater/ aber nicht nach dem Vater. Warumb? Weil der Vater/ gleich wie er von ewigkeit gewesen ist/ also den Sohn von ewig- keit gezeuget hatt: oder/ weil der Vater nicht ehe gewesen ist/ als er den Sohn gezeuget hatt. weil er von ewigkeit gewesen ist/ vnd jhn von ewigkeit gezeuget hatt.

38 der Sonnen stralen] Gregorius im ersten buche von dem Sohne/ wie auch andere Väter/ als er wil zueverstehen geben/ wie das der Sohn Gottes von ewigkeit sey mitt dem Vater/ vndt dennoch als Sohn gebohren sey auß dem Vater/ gebraucht sich deß beweises/ welches der Autor sich allhier auch gebraucht hatt: daß er also von ewigkeit geboren sey auß dem Vater/ daß er nicht sey nach dem Vater/ sondern von ewigkeit mitt dem Vater. Er braucht auch das gleichniß von dem liechte der Sonnen/ oder (wie der Autor thut/ vndt er selbst in seinem büchlein von der Gottheit an dem Eunomius) von den stralen der Sonnen: die nicht nach der Sonnen/ sondern mitt der Sonnen/ vndt dennoch auß der Sonnen sindt. Zue verstehen zue geben/ daß auch also der Vater niemals gewesen ist ohn den Sohn/ vndt dennoch daß der Sohn als Sohn ist auß dem Vater. Andere gebrauchen sich deß gleichnißes von dem liechte vndt seinem glantze/ welche nicht können geschieden werden/ vndt werden dennoch vnterschieden: als deren eines liecht/ das andere glantz ist. auch also/ daß der glantz auß dem liechte/ aber nicht nach dem liechte ist. ja auch so/ daß das liecht ohne glantz niemals gewesen ist. Welches sie vermeinen am besten auß zue drucken die ewige/ vndt darumb vnaußsprechliche/ geburt deß Sohnes auß dem Vater. welche die H. Schrifft auch vor augen stellt/ wiewol sie von der manier derselbigen nicht redet. Vndt diß gleichniß haben mehrentheils gebraucht alle alte Väter; als [12] Gregorius/ Chrysostomus/ Theophylactus/ Leo/ Augustinus/ Ruffinus über die artickel deß Glaubens/ weit vndt breit/ Justinus in

[Druckausgabe S. 328]
seiner außlegung oder Bekendtniße deß Glaubens/* mitt noch an- dern. Tertullianus wieder Praxean gebraucht daß gleichniß von einer Wurtzel oder sproßen/ von einem quelle vndt deßen bach/ von der Sonnen vndt jhren stralen. Welcher selbiges mitt vielem erweiß darthut.

* Gennadius Scholarius ist hiervon sehr weitleufftig in seinem gespreche vom wege zur menschlichen seligkeit.

41 Was schiffen wir so hoch?] Der Autor giebt mitt nachfolgen- den worten zue erkennen/ nicht das dieses gleichniß new sey/ als welches/ wie gesagt/ mehrentheils alle Väter gebraucht haben: oder/ das es vngereimt sey/ als welches von der alten Kirchen her- kömpt: sondern erstlich/ daß man nicht leichtsinnig vndt verwe- gen das jenige/ so über alle geschöpffe ist/ mitt geschaffenen dingen vergleichen solle: zum andern/ daß die alten Väter etzliche sachen geschrieben haben/ sich gegen die feinde der Kirchen vndt der H. Schrifft zue erklären/ welche die H. Schrifft mitt denselbten worten nicht saget: nicht so sehr auß zue legen was sie sagt/ als zue vertheidigen das jenige was sie wil sagen: vndt daß man außer diß nicht schreitten solle/ als wie er dann selbsten auch biß anhero nicht gethan hatt. Beßer ists daß wir von der sachen reden mitt Ambrosio/ welcher sagt: Frage mich vmb diese verborgene Natur nicht. Ich weiß diß nicht beßer als ich weiß. Diß weiß ich allein wol/ daß ich nicht weiß das jenige was ich nicht wißen kan. Vndt mitt Hilario im andern von der Dreyeinigkeit/ der/ da er von der ewigen geburt des Sohnes auß dem Vater (worvon der Autor biß hierher erwehnet hatt) redet/ auch sehr wol sagt/ Ich weiß es nicht/ ich erforsche es nicht/ vndt tröste mich dennoch deßelb- ten. Die ertzengel wißen es [13] nicht/ die engel haben es nie gehöret. Der begreiff der zeit begreifft es nicht: kein Prophet hatt es gefaßet. kein Apostel hatt es gefragt: der Sohn selbst hatt es nicht gesaget. Vndt vorwar/ weil der mensch nicht kan die Sonne ansehn/ welche den vierdten Tag gemacht ist/ wie solte er können die ewige geburt/ die ewige Natur des Sohnes Gottes an- sehn/ der alle die tage/ vndt vnsern verstandt/ gemacht hat? Dar- umb last vns wißen lernen/ daß wir nicht wißen/ als was Gott gewolt hatt das wir sollen wißen/ durch den Herren Christum: durch welchen wir können wißen alles was wir mußen wißen. Ja laßt vnß lernen/ daß wir mehr nicht können wißen; Vndt diese verborgenheit fahren laßen.

[Druckausgabe S. 329]

49 Nach dem daß schöne feldt] Hier beginnt der Autor zu bewei- sen den elendenSachanmerkung standt der menschen nach Adam/ die alle in jhm vndt in jhnen mit der sünde befleckt sindt; ja durch jhn auch in jhnen: Vndt sindt nicht allein des todes des leibes/ welcher eine straffe der sünden ist/ sondern auch der sünde/ welche ein todt der seelen ist/ in jhm theilhafftig worden; wie ein Altvater wol sagt: in dem [14] sie durch jhn die gnade Gottes verlohren/ vndt noch alle tage die früchte seiner sünde herfürbringen. Verterbet am verstande/ durch die vnwißenheit vndt finsterniß deßelbten: verterbet am willen/ in dem sie streiten wieder die vnterthänigkeit/ welche sie Gott schuldig sindt. Wie dann die erbsünde anders nichts ist/ als eine vnwißenheit am verstande/ vndt keine vnterthänigkeit am willen. Endtlich zue beweisen/ daß niemandt derselben gnade theilhafftig wirdt/ als welcher die geburt in Adam hinweg thut durch die wiedergeburt in Christo: der das Lamb ist/ das von an- begin der Welt geschlachtet ward: (wie der H. Johannes von jhm redet) vndt allzeit bey den seinigen mitt den zeichen seiner gnade gewesen/ biß daß er selber mensch worden/ vndt also zue dem menschen kommen ist; hat beydes gehabt die warheit vnserer Na- tur vndt die reinigkeit: ist gewesen außer den lenden Adams/ vndt hatt keinen zehenden gegeben (wie der Apostel zun Hebreern im 7. sagt) inSachanmerkung Abraham/ noch den zehenden selber mit Melchisedech empfangen. Auff daß er/ als nicht gerhüret von der schlangen/ die biße vndt leichzeichenSachanmerkung der schlangen/ mit denen wir zur welt kommen/ durch sein blut saubern/ vndt mit seinem leben das je- nige was in vns durch das vnserige verfallen war auffrichten solte. Endtlich/ auff daß die Natur welche in dem ersten menschen die welt mitt sünden erfüllt hatt/ in dem andern menschen/ der mensch war ohne sünde/ vndt Gott über alle creaturen/ die welt von der sünde reinigen möchte.

52 Vndt wegen jhrer schuldt] Dann weil sie mehr begehrten zue sein als sie waren/ sindt sie weniger worden als sie waren. Darumb/ wie Adam vns verterbet hatt/ weil er/ da er mensch war/ Gott wolte gleich sein: also hatt uns der andere Adam erlöset/ weil er/ da er Gott war/ mensch hatt werden wollen.

[Druckausgabe S. 330]

57 Im menschen wird der todt] Hiermit zue erkennen zue geben/ das nicht die sünde durch den todt/ sondern der todt durch die sünde in die welt kommen ist: wie ein Altvater wol sagt/ vndt der Apostel bezeuget/ Rom. 5:12.

[15] 65 Alß daß er] Siehe Genes. 3:15.

77 Vnd da die große flut] Hier fengt der Autor nun an zue bewei- sen daß Jesus Christus/ der gewesen ist/ als zuevor gesagt/ vor der zeit/ vndt verheischen vor dem anfange der zeit/ vndt letzlich gegeben in der erfüllung der zeit/ sey derselbige Christus. Welcher darumb der inhalt ist beyder bundniße/ vndt giebet vns das ewige leben auß gnaden. Welches wiederumb das einige ende aller bey- [16]den bündniße ist. Doch weil niemandt den willen Gottes er- kennen kan ohn jhn/ so hatt er zue weilen die Väter angesprochen ehe er kommen ist. Vndt darumb haben auch etzliche vnter den al- ten Lehrern gesagt/ das er das wort genennet werde. dieweil er von anfange mitt seinem volcke geredet/ vndt seine süße stimme hatt hören laßen.

81 Ist Noa vndt sein hauß] Siehe Genes. 7.

84 jedoch nicht ohne bundt] Wegen der allbereit im Paradiß ver- heischenen gnade/ belangendt den samen des Weibes. Dannenher kompt es auch/ daß die alten Väter sagen/ der kasten sey gewesen ein fürbildt der Kirchen außer welcher niemandt kan erhalten werden: Vndt außdrücklich/ die flut/ so das erdtreich bedeckt hatt/ sey für Noa vndt die seinigen so mit jhm im kasten waren eine tauffe/ für die andern eine straffe gewesen. Die (sagt Cypria- nus im 7. schreiben an Pompejum) nicht haben können durch das waßer erhalten werden: als wie die/ so in der Kirche nicht getaufft werden/ durch das waßer nicht gereiniget vndt selig gemacht werden.

85 mitt Abram woltest machen] Nemlich/ den bundt der gna- den: welcher erst mitt Abraham vndt den seinigen gemacht wardt Genes. 15. zuevor aber/ doch nicht so deutlich/ mitt Adam/ vndt begriffen in den trefflichen worten Genes. 3:15. Doch der Autor/ welcher von dem ersten vndt andern redet giebt zue erkennen/ daß dieser bundt/ der in ansehen der zeit sich auß gebreitet hatt von Adam zue Abraham/ von Abraham zum Mose/ vndt der erlösung auß Egypten/ letzlich von der verkündigung des gesetzes an biß zur ankunfft des Herren in das fleisch/ in betrachtung des grundes vndt fundamentes/ ein bundt gewesen nemlich der Herr Christus selbst/ den sie allzumal gemein hatten.

[Druckausgabe S. 331]

92 Du bist Emanuel von diesen zeiten her] Der Autor sagt/ daß der Herr Jesus vom anfange gewesen sey Emanuel/ das ist/ Gott mitt vns. Welcher namen jhm versprochen ist Esa. 7:14. vndt zuegeeignet Math. 1:23. Vndt darumb haben die alten Väter wol gesagt/ daß die welche geläugnet haben/ daß der Herr in daß fleisch kommen sey/ auch nicht kundten bekennen/ daß derselbte Chri- stus kommen sey vor seiner zuekunfft: nemlich/ zue den Vätern im ersten bunde. Tertullianus im buche vom fleische Christi; Aber jhr leute/ sagt er/ lasst [17] diß nicht zue/ in dem jhr den Christum nicht wollet annemen/ der von da an das mensch- liche geschlecht lernete ansprechen/ erlösen/ richten/ in der gestalt deß fleisches das noch nicht gebohren war; weil es noch nicht sterben solte/ ehe seine geburt vndt sterbligkeit verkün- digt weren.

96 Der alte Vater gieng] Siehe Genes. 12:1. vndt Act. 7:3. da es von dem ersten märtyrer dem H. Stephanus wiederumb erzehlet wirdt.

97 Hatt Isaac geboren Des segens großen stamm etc.] Gleich wie Abraham der Vater der gleubigen genennet wirdt/ also wirdt Isaac billich allhier der Vater des segens genennet: entweder daß er erstlich das zeichen des segens in sein fleisch empfangen hatt/ nemlich die beschneidung: Genes. 21:4. oder das er die erste frucht des glaubens gewesen ist; oder das er daß erste fürbildt gewesen vnsers Herren Christi/ welcher der segen über alle segen ist. Dann wie der Herr Christus ein Sohn war derer die nach der Natur nicht kundte gebehren/ so war Isaac ein Sohn derer die nicht mehr nach der Natur kundte gebehren; [18] Vndt gleich wie der glaube Abrahams sein alter zue nichte machte/ also hatt der glaube in der heiligen Magdt die Natur überwunden. Doch der Autor/ in dem er Isaac den Vater des segens nennet/ hatt noch andere vr- sachen gehabt: als sonderlich/ daß Genesis 25:23.Sachanmerkung der Herr zue Rebecca/ des Isaacs haußfrawen/ sagt/ es weren zwey völcker in jhrem leibe; Jacob nemlich/ der Vater der Juden/ (welche den ersten segen/ so dem samen Abrahams/ Genes. 22. zuegesagt wor- den/ vndt die gnade genoßen haben) vndt Esau/ der Vater der Heiden/ die in jhre stelle kommen/ vndt/ wie der Apostel sagt Rom. 11:20Sachanmerkung ein geflantzet sindt. Welches vom Tertullianus/ in seinem Buche gegen die Juden/ sehr wol erwiesen wirdt.

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101 Gleich wie ein jüngeling] Diß gleichniß wird gebraucht von der H. Schrifft/ zue verstehn zue geben/ die vnaußsprechliche liebe welche der Herr zue den seinigen allzeit getragen hatt. Doch in sonderheit im Hohen Liede Salomonis. Vndt diß ist die vrsach/ das die alten Väter/ wann sie von der liebe des Herren zue seiner gemeine reden/ sich deßen gleichnißes überall gebrauchen.

[19] 114 In flammen-art] Siehe Exodi 14:19. Psalm 78. da der Prophet sagt: Vndt du hast sie des tages geleitet durch eine wolcke/ vndt die gantze nacht durch einen glantz des fewers.

115 Mit waßer auß dem stein’] Siehe Exodi 17:5.Sachanmerkung vndt den Apostel in der 1. zun Corinth. am 10:4. da er sagt/ daß dieser felß sey Christus.

118 in jhren leib geschnitten Der wahren zuekunfft pfandt] Der Autor versteht die beschneidung. Welches das erste besondere Sacrament gewesen ist/ darmit der Herr seinen bundt besie- gelt hatt; als wie es auch der bundt der beschneidung genennet wirdt Act. 7:8. vndt das er in das fleisch seines volckes auß vn- außsprechlicher liebe geschnitten hatt/ nicht anders als man die worte eines bundes in hültzerne tafeln schneiden zue laßen gewoh- net ist. Vndt darumb saget er/

in jhren leib geschnitten Der wahren zuekunfft pfandt.

Siehe die einsetzung deßelben Genes. 17:10 vndt wirdt ernewret Jo- sue 5:2.

119 gegeben in den mundt] Der Autor versteht das andere be- sondere Sacrament des alten Bundes/ nemlich das Osterlamb/ welches vnter andern andeutete die vereinigung/ erziehung vndt lebendig machung in dem zukünfftigen Christo.

[20] 125 Denn richter eingesetzt] Das volck Israels/ so vnter dem gebiedte war eines Herren/ der aller dinge vndt über alles Herr ist/ ist vnterschiedener arten der regierung vnterworffen gewesen biß zur zukunfft des Herren aller Herren in das fleisch. Vnter andern von Jesus an biß zum Priester Eli vnter Richtern gewesen/ biß daß sie auff jhr eigenes begehren einen König überkommen haben; nemlich Saul 1. Sam. 8:22.Sachanmerkung der gekrönt wirdt vom Samuel in selbigem buche cap. 10:1.Sachanmerkung An deßen stat David gekrönt wirdt auch

[Druckausgabe S. 333]
in selbigem buche cap. 16:13. das ware vndt rechte vorbildt des einigen Königs Israels/ der in dem fleische erscheinen solte. Doch der Autor/ als welcher auch in diesem theile den alten Vätern nach- folget/ stellt fünff zeiten für biß zur ankunfft des Herren. Die erste von Adam biß Noe: die andere von Noe biß Abraham: die dritte von Abraham biß David: die vierdte von David biß zur Babyloni- schen gefängniß: vndt die fünffte von der erlösung biß zur ankunfft des Herren.

135 Biß daß der große rhat] Hier beginnt der Autor zue weisen/ wie das Wort/ das im anfange war/ vndt bey Gott war/ vndt Gott war/ dardurch alle dinge gemacht sindt vndt ohn welches nichts ge- macht ist das gemacht ist/ das mit dem Vater gemein hatt die Natur des Vaters/ das ist/ das warhafftiger vnveränderlicher Gott war/ nicht weniger als der Vater/ noch nach dem Vater/ sondern eines mitt dem Vater/ Sohn ist worden eines menschen/ vndt hatt an- genommen die Natur deß menschen/ vndt ist also worden warer mensch in der Jungfrawen/ vndt auß der jungfrawen/ so daß er angenommen daß fleisch des menschen/ vndt Gott blieben ist über alle menschen: ohn verenderung der Gottheit durch die schwach- heit des fleisches in dem fleische/ sondern annemendtSachanmerkung daß fleisch durch die krafft seiner Gottheit/ vns durch sein fleisch zue Gott zu- bringen/ vndt vns eine newe geistliche geburt zueverleihen durch [21] die seinige im fleische/ auff daß/ wie die erste geburt des Sohnes Gottes/ darvon der Autor oben geredet/ ist gewesen erstlich auß Gott/ hernach auß dem menschen/ also vnsere erste geburt solte sein auß dem menschen/ die andere auß Gott.

139 Zue werden das wir sindt] Das ist die menschliche natur an zue nemen. Denn der Herr Christus hatt die Natur an sich genom- men/ die von Adam beflecket war: auff daß er/ sagt Cyrillus/ von der schwacheit Adams vnsere Natur erlösete/ vndt derselben seinen geist mittheilete.

140 Des vbel-stiffters] Des Satans: wieder Manichaeum/ welcher die sünde Gott zuschrieb. S. Augustinus im buche von der Kirchen- lehre: Weder das böse noch die boßheit ist von Gott/ sondern vom teuffel erfunden/ weil derselbte auch guet von Gott ge- schaffen war. Vndt ein wenig darnach: Der teuffel/ weil er nicht zue frieden war daß er allein vergehen mußte/ hatt auch andern zum übel gerhaten. auff daß der so ein erfinder war seiner eige-

[Druckausgabe S. 334]
nen boßheit/ auch eine vrsach würde eines andern boßheit. Cyrillus im buche wieder die Anthropomorphiten im 23. cap. Alles fleisch/ sagt er/ wirdt beschuldigt durch den erfinder des bösen. Nyßenus vndt andere Griechische Väter pflegen auch gern also zue reden/ auß vrsachen wie gemeldet ist. So laßt vns diesem nun nach- sinnen/ vndt die gütigkeit des Herren Jesu gegen die boßhafftigkeit des teuffels stellen. Der Teuffel hatte den menschen nicht erschaffen/ vndt hatt jhn verführet. Der Herr Jesus hatt den menschen er- schaffen/ vndt hatt jhn wiederumb vernewret: ja diß zue thun sich selbst auch zum menschen gemacht. Dem teuffel also auß zue rei- ßen die natur welche er geschaffen/ vndt der teuffel verführt hatte. Darumb hatt er auch angenommen das jenige was wir sindt/ vndt nicht das jenige was in vns ist vom teuffel: daß ist die natur des menschen/ nicht die sünde vndt das verterben welches ist in dem menschen; aber vom teuffel/ dem erfinder des übels/ vndt verter- ber des jenigen was in vns guet war/ vndt was von Gott war.

[22] 141 Die boten die rundt vmb den himmel allzeit schwe- ben] Der Autor leget durch das wort allzeit/ das wort auß welches der H. Evangelist Mattheus gebraucht/ cap. 18:10. da der Herr sagt/ daß die engel im himmel allzeit sehen das angesicht seines Vaters. Gegen die jenigen/ welche das Griechische wort nicht recht ver- standen/ vndt darauß schloßen/ daß die engel der gegenwart Gottes von ewigkeit genießen/ vndt also folgendts ewig sindt. Dann das wort bedeutet keine ewigkeit/ sondern giebet allein zue verstehen die stete bezeugung welche die Engel Gott thun/ [23] in der willigen anerbietung jhres dienstes. Vndt verstehen sie/ daß dieser dienst nicht sey auß zwange/ noch wegen würdigkeit jhrer natur/ sondern auß gnade. Wie Damascenus sehr wol sagt/ daß sie diener Gottes sindt/ nach seiner gnade.

149 die große Braut] Nicht allein eine poetischeSachanmerkung art zu reden/ sondern auch welche die alten gebrauchen wieder Nestorium vndt seines gleichen/ die sagten daß die Heilige magdt allein muter deß menschen were: vndt andere/ wie Carpocrates/ Ebion vnd Cerin- thus; die gar durfften sagen/ das sie von Joseph were erkandt worden. So das sie die jungfraw zue einem weibe/ Gott zu einem Lügner/ seinen Sohn zue einem bastart machten. Auß welchen vr- sachen die väter (wie Tertullianus vnndt andere) zueweilen also reden.

[Druckausgabe S. 335]

156 vndt geiste sehen kan.] Wir sehen Gott mitt dem geist/ nicht wie er ist/ sondern nach dem wir vns einbilden daß er ist/ auß dem jenigen was wir meinen daß jhm am aller nechsten beykömpt; oder auß seinem wercke/ oder auß dem jenigen das jhm zuegeschrieben wirdt. Wie die mahler/ sagt Gregorius in seinem gespreche über die geburt vnsers Herren/ jhre erste wercke ohn farben abmahlen: wegen seiner vnendtligkeit/ vndt vnserer schwachheit. In seiner sprache/ ὅτι μόνον σκιαγϱαφει̃ται ὁ ϑδός. Dann Gott ist so ferne über alle das jenige was wir von jhm dencken/ so ferne er ist über das jenige das wir sindt.

166 o wunderwerck.] Ein werck das alle werck übertrifft. Vndt darumb sagt Ambrosius in seinem ersten vom Glauben: man mag wol wißen/ daß der Herr Christus geboren sey; man mag nicht nachsuchen/ wie er geboren sey. Diß allein mag ich nicht er- kennen/ nach diesem darff ich nicht fragen.

166 Die Gott jhr in den leichnam brachten.] So das nach der botschafft des Engels/ durch überschattung des H. Geistes/ das Wort in die Jungfraw kommen/ vndt fleisch in jhr worden ist. damit niemandt diß den worten des Engels zuschreibe; welches ferren von der meinunge des Autorn ist. Dann es würde eine schreckliche thorheit sein zue glauben/ daß das Wort Gott/ solte empfangen sein auß dem Worte des Engels: wie Athanasius sehr wol beweiset in seinem buche von der Mutter Gottes. Vndt darumb saget auch der Evangelist/ [24] daß der Engel von stunden an dar- von gegangen sey/ Luc. 1:38. damit niemandt dieses jhm zue- schreiben solte. Aber wie ist es geschehen? Der Autor/ wie allbereit gesagt ist/ nennt es ein wunderwerck: weil die weise vnbekandt ist. So daß Chrysostomus/ über das Sendeschreiben an die Römer/ sehr wol sagt: Ich weiß daß das wort fleisch worden ist/ vndt wie es fleisch worden ist weiß ich nicht. Wunderst du dich daß ich es nicht weiß? keine Creatur weiß es nicht. Vndt wie wolte es möglich sein/ daß der mensch/ der nicht begreiffen kan wie die erde vndt die seele/ als der mensch erstlich erschaffen wardt/ zuesammen gefügt worden sindt/ verstehen soll/ wie das fleisch vndt die Gottheit vereinigt sind worden/ in dem vndt durch den der den menschen erschaffen hatt?

167 so eine jungfraw war] Der Herr ist geboren auß einer jung- frawen/ weil er keinen Vater auß dem Verterbten samen Adams haben solte/ vndt kam den verterbten samen Adams mitt seinem

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exempel zue lehren/ mitt seiner vollkommenen gerechtigkeit auff- zurichten/ mitt seinen verdiensten in das Paradeiß wieder zue bringen. Der Autor setzt darbey/ Ein weib von vnser art/ weil er nicht weniger mensch mußte sein als Adam/ doch außer dem verterbniß Adams/ als der das verterbniß Adams kam hinweg zue nemen. So daß er nicht allein darumb rein gebohren ist/ weil sie jungfraw war: sondern er hatt seine Natur selbst gereiniget/ weil er die reinigkeit war der Natur die er zur reinigen kam.

168 Vndt jhren Vater selbst] Nach seiner ewigkeit vndt Gottheit. Dann im fall alles (wie auch oben auß dem H. Augustinus allbereit erwehnt) entweder Gott oder geschöpffe ist/ vndt im fall der Herr Christus warer Gott ist/ als wie er es ist/ so muß der welcher der Jungfrawen Sohn war/ auch schöpffer gewesen sein seiner Mutter. Vndt also sagen alle die alten Väter. Chrysologus: O Jungfraw/ auß dir wirdt der so dich erschaffen hatt/ auß dir entspringt dein vrsprung/ in deinem samen ist dein Vater/ in deinem fleische ist dein Gott: ja er hatt das liecht der welt auß dir genommen/ der der welt jhr liecht gegeben hatt. Vndt an einem andern orte von jhr: Sie hatt den getragen der die welt tregt; sie hatt jhren Vater herfür gebracht; sie hatt den genährt von dem alles seine nahrung empfängt. Basilius Bischoff zue Seleucien: Da hatt sie das geschöpffe gesehen [25] das zuevor nicht gesehen ist/ einen Sohn/ seiner Mutter Vater/ ein kindt das vor seiner Mutter war/ ein kindt das älter war als alle zeiten.

169 Der vor dem himmel war] Die gedancken des menschen/ gehn nicht ferner als der leib/ daran sie gebunden sindt. Hierdurch geschiehet es gemeiniglich/ daß sie/ wann sie von der erniedrigung des Herren reden hören/ welche erniedrigung sich mitt seiner ge- burt angefangen hatt/ seiner hoheit vergessen/ ja vergeßen sei- [26]ner ewigen geburt auß dem Vater. Darumb kömpt der Autor nun/ vndt vermahnt einen jeglichen/ zue bedencken/ daß der vber alle hoheit geblieben ist/ der sich so hefftig erniedrigt hatt. Zeigt auch ferner/ daß er Gott gewesen ist/ mitt vnterschiedenen eigen- schafften welche Gott allein zuetreffen. Von denen die erste auß der schöpffung genommen ist; welche Gott allein/ vndt einem Gott allein wirdt zuegeschrieben. Weil dann dieses Christo gehörig ist/ so muß er nicht allein Gott/ sondern eben derselbige Gott sein/ in ansehung des wesens.

177 Der nicht gebohren ist] Zue verstehen zue geben/ daß der

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Herr von ewigkeit ohn muter ist: wiewol diß wort von der ewigen geburt in vnserer sprache vneigentlich gebraucht wirdt.

177 vor der zeit gezeugetSachanmerkung] Zue verstehen zue geben/ daß der Herr allein auß dem Vater ist von ewigkeit/ vndt daß die Schrifft eigentlich so redet; als Psal. 2:7. Du bist mein Sohn/ heute habe ich dich gezeuget.

178 Ohn endeSachanmerkung] Es geht der Autor fort/ vndt zue zeigen daß der mensch Christus/ der von der Jungfrawen empfangen wardt/ warhafftiger mensch/ vndt auch warhafftiger Gott sey/ erweiset er/ daß noch andere eigenschafften/ die Gott zuegeschrieben werden/ nicht allein die jenigen so auch etzlicher maßen in dem menschen sindt (als da ist das leben/ die wißenschafft/ die war- heit/ der wille/ die rechtfertigkeit/ die in Gott zwar vollkommener vndt anders/ aber doch auch etzlicher maßen im menschen sindt) sondern auch die andern/ welcher niemandt ja selber auch die Engel nicht theilhafftig sindt/ (als da ist/ daß er allmächtig/ ohn ende vndt ziehl ist) auch dem Sohne zuegehören/ vndt zwar jhm auch eigentlich zuegehören/ als der eines ist in dem wesen.

178 außer ziehl] Den kein ort beschleußt/ weil er außer allen orten ist: ohn den kein ort ist/ weil er alles erfüllet.

179 Der biß zum himmel reicht] Eine art zue reden/ welche andeutet/ daß der Herr Christus über alle himmel ist: wie die Schrifft sagt/ Daß die weißheit (also wirdt er genennet) reiche von ende zue ende; vndt zue verstehen gibt/ daß er mitt seiner vn- endtligkeit über beyde ende geht. Dann er kan reichen (sagt ein Altvater) zue allem was geschaffen ist/ wiewol jhn nicht kan be- schließen alles was geschaffen ist.

[27] 179 VndtSachanmerkung auff den wolcken reitt] Eine art zue reden/ die der H. Geist sehr lieb hatt. Deuteron. 33:26. O recht: da ist nie- mandt der dem starcken Gott gleich ist/ der auff den himmeln euch zue hülffe reitet/ vndt auff den wolcken/ in seiner hoheit. Psal. 68:34. Der auff der himmeln himmel reitet/ welche von alters her sindt. Psal. 104:3. Er überhohet seine hohe sahle mitt waßer. er stellet die wolcken zue seinen wagen. Psal. 18:10. vndt 11. Vndt er beugete die himmel vndt kam hernieder: vndt Finsterniß war vnter seinen füßen. Vndt er riete auff Cherub/ vndt flog vndt trieb auff die flügel des windes. Doch diß wirdt

[Druckausgabe S. 338]
alles von dem Autore gesetzt/ an zue zeigen/ daß ein Christlichs gemüte/ wann es von der niedrigkeit des Herren redet/ seine hoheit allzeit muß dargegen stellen: auff daß wir nicht in schlaff fallen/ sondern allzeit/ wann wir von seiner kleinheit reden/ an seine größe gedencken; vndt daß er/ der über vns ist/ vns gleich ist worden allein vmb vnsert willen/ auch gleich so wol allzeit über vns bleibet.

180 Jehovah namens-frey] Daß ist/ der nach seiner Gottheit keinen eigenen namen hatt. weil sein name herrhüret auß der war- heit seiner vnbegreifflichen Natur: oder weil die Juden den namen/ der jhm hier vndt in der H. Schrifft gegeben wirdt/ nicht auß- drucken.

180 beschleußt sich mitt der zeit] Dann der Gott auß Gott war vor der zeit/ wardt Gott vndt Mensch/ in dem er zue dem menschen kommen/ vndt mensch in dem menschen worden ist.

181 Kömpt in den menschen selbst] Das ist/ der Gott war vor der zeit/ macht sichSachanmerkung selber mensch inner der zeit: inner oder mitt welcher zeit alles gemacht ist was gemacht ist: vndt vor welcher gewesen ist der so allein nicht gemacht noch geschaffen ist. der Herr Christus nemlich. Der allein gewesen ist ehe die zeit war/ vndt hatt nicht begunnen mitt der zeit/ noch in der zeit/ noch nach der zeit. Dieweil er (sagt Augustinus) ein Herr war der zeit/ auch da die zeit anfieng.

181 wirdt von der magdt empfangen] Warhafftig empfangen/ damit sie warhafftig vndt einen warhafftigen menschen gebehren solte: warhafftig von der Jungfrawen gebohren/ als daß er nicht minder warhafftig jhr sohn solte sein/ als er Gottes Sohn war: vndt alles beydes/ dieweil er mitler solte sein zwischen beyden/ vns vndt [28] Gott. So daß wir recht sagen mögen/ daß er jhr Sohn ge- wesen sey/ den sie empfangen vndt gebohren hatt; wiewol es von jhr nicht war/ daß sie jhn empfangen vndt gebohren hatt/ (sagt Cy- prianus sehr wol) sondern von Gott; in dem er redet von der art vndt den mitteln dieses geheimnißes/ nicht von dem fleische sel- ber/ welches er nicht auß dem himmel gebracht/ sondern in der jungfrawen hatt angenommen/ als warer mensch: daß er worden ist auß/ vndt in/ vndt wegen des menschen. So laß vns dann festig- lich glauben/ nicht allein daß das Wort Gott war/ mitt dem H. Johannes/ darvon allbereit oben geredet ist: sondern auch daß das

[Druckausgabe S. 339]
Wort/ wie eben er saget im 14. v. fleisch worden ist/ vndt vnter vns gewohnet hatt. Nicht daß daßelbte/ wie Eunomius lehrte/ in fleisch verendert gewesen ist/ sondern das fleisch vmb vnsert wil- len hatt angenommen. Wie selbigen ort allzeit vndt von alter her die alten Väter einträchtig haben außgelegt; als vnter andern mitt Athanasio/ Gregorio/ Ambrosio/ Flaviano bischoffe von Antio- chien/ Gelasio bischoffe von Cäsarea/ Chrysostomo/ Severiano bischoffe von GabalenSachanmerkung/ vndt jhre worte/ die damals noch in der Christen handen waren/ sehr klar erwiesen werden von Theodo- reto/ der selbst bischoff zue Cyren in Syrien gewesen/ vndt im Synodo zue Calchedonien von sechshundert bischoffen vor einen schrifftmäßigen auffrechten hirten vndt lehrer erkleret worden ist/ in seinem gespreche Atreptos genannt. Da er sehr ernstlich wieder den jrrthumb seiner zeit/ vndt für seiner zeit beweiset/ Daß das Wort fleisch worden ist ohn verenderung seiner Natur/ daß ist/ der Göttlichen; sondern mitt annemung der vnsrigen/ das ist/ der menschlichen. Wie dann auch das Wort/ Fleisch/ in erwehntem texte nicht allein bedeutet den leib/ sondern auch die seele/ gegen Arium vndt Eunomium: vndt nicht allein die seele/ sondern auch die vernünfftige seele/ gegen Apollinarium: ohn welche der mensch kein vollkommener mensch ist/ vndt die den menschen zum waren menschen macht/ vndt vollkommentlich absondert/ als waren menschen. Auff daß wir in dem Herren Christo alle beyde Naturen bekennen vndt vnterscheiden: nemlich die angenommen ist/ vndt die angenommen hatt. Dann es ist an allen beyden dem menschen gleich so viel gelegen; daß er warer Gott vndt warer mensch ist. Die weise dieser empfängniß ist vns vnbekandt. Das mittel war der glaube. Denn er mußte auß der jungfrawen gebohren werden/ die den glauben/ nicht die wollust der muter empfangen hatt/ sagt S. Augustinus.

[29] 184 daß Gott wirdt jhr Sohn] Nemlich/ Gott der Sohn.

184 vndt breutigam.] Nemlich/ Gott der H. Geist/ der über sie kommen ist; wie gesagt wirdt Luc. 1:35. S. Augustinus sagt sehr wol in seinem handtbuche an Laurentium: Derselbige Jesus Chri- stus/ der einige Sohn Gottes/ ist gebohren von dem H. Geist/ vndt auß Maria der Jungfrawen. vndt vorwar der H. Geist ist eine gabe die so groß ist als der sie giebet; Das ist/ Gott: wie der Vater Gott/ vndt der Sohn Gott ist. Vndt im buche von der Christ-

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lichen Lehre; Das der Sohn Gottes gebohren ist auß einem men- schen/ nicht durch einen menschen. So kömpt auch ferner die meinung des RufinusSachanmerkung vndt anderer Väter mehr über ein mitt dem jenigen was der Autor hier saget: welcher meint/ das bey dem H. Evangelisten Luca/ von der gantzen Dreyeinigkeit geredet wirdt/ in den worten: Der H. Geist wirdt über dich kommen/ vndt die krafft des Allerhöchsten wirdt dich überschatten. So daß der Allerhöchste ist der Vater; die krafft des Allerhöchsten der Sohn; vndt das der H. Geist allein wirdt außgedruckt: dann also solte der Sohn Gottes sein jhr Sohn als mensch/ vndt jhr Breutigam als Sohn Gottes. Welcher namen demselbten in ansehung seiner kirchen überall gegeben wirdt. Wie er auch von demselbten bräu- tigam genennet wirdt Matth. 25. da er von seiner andern zue- kunfftSachanmerkung redet.

[30] 193 Wo Jeße großer Sohn] Siehe 1. Sam. 17:15. da gesagt wirdt/ das David seines Vaters schaffe zue Bethlehem geweidet.

199 Von dem der jetzundt kömpt] David hatt von vndt durch den Herren Christum geredet vor seiner zuekunfft in das fleisch: Darumb sagt Tertullianus sehr wol: David singet Christum bey vns/ durch welchen Christus sich selbst gesungen hatt.

210 Wie dann die schnöde welt bloß auß dem wesen richtet] Der autor redet von der Heiligen Jungfrawen/ wie der Herr selber 1. Sam. 16:7.Sachanmerkung von David; als er dem Samuel jhn zue salben auff- erlegt. Gott sieht nicht auff das jenige worauff der mensch siehet. Dann der mensch siehet auff das jenige was vor augen ist; aber der Herr siehet auff das hertze.

[33] 213 Jehovah kömpt zue spat] Wie der Herr Jesus/ der in ansehung seiner Gottheit Jehova genennt wirdt (als vnter andern orten Jerem. 23. v. 6.Sachanmerkung da gesagt wirdt/ daß der name darmit der samen Davids solle genennt werden/ sey Jehovah/ vnser gerechtig- keit) in der kältesten zeit kommen ist: also ist er auch kommen/ als die liebe vndt erkendniß Gottes gäntzlich erkaltet vndt ver- lohren war. Ja/ als die welt den abgöttern gäntzlich vertheilet vndt auß getheilet oder weg gegeben war. So daß kein ort nicht übrig blie- ben für den jenigen der/ da er allein Gott war/ zue den menschen kam/ vndt mensch wardt/ damit er den menschen auß seiner ab-

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göterey zue dem waren Gott/ als mit der handt/ leiten möchte. Etzliche beteten an die verstorbenen menschen jhrer großen thaten wegen/ oder weil sie Fürsten vndt Herren von großer macht gewe- sen waren: als wie die Römer vndt Griechen die Götter/ von denen der Autor allhier redet: als da war Jupiter/ von dem sie sagten daß er der obriste Gott were: Neptunus/ den sie sagten den Gott der see zue sein. Wie auch Hercules vndt andere mehr. Etzliche/ die jenigen welche sie meineten das sie etwas besonders zue dienste der menschen erfunden hetten. Als [34] Ceres das korn: Pan die Viehwartung/ welchen sie nicht allein für den Gott des Viehes/ sondern auch für die Natur hielten/ weil sein name dieses mitt sich bringt. Dann die Griechen nennen die welt vndt alles was drin- nen ist τὸ πα̃ν. Etzliche/ jhre eigene gebrechen vndt wollüsten/ vnter dem namen der Götter. Gleich wie eben dieselbigen auch dem Bacchus/ als den Gott des weines; Mercurius als den Gott der diebe/ vndt Venus die Göttinn der Huren dieneten. Welches alles nach der lenge vom Augustino/ Clemente/ Justino/ Lactantio/ Arnobio/ Tatiano/ Cypriano/ Cyrillo/ Minucio/ Aurelio Pruden- tio/ vndt mehr andern/ die wieder die heyden vndt jhren gottes- dienst geschrieben haben/ bewiesen wirdt. Die Egyptier/ wie hier vnten angedeutet steht waren mit menschen nicht zue frieden/ son- dern gaben die ehre/ welche dem einigen vndt ewigen Gott gebührte den stummen bestien: viel vnvernünfftiger als die bestien welche sie anbeteten; dieweil sie jhre Vernunfft der jenigen vnterworffen die keine vernunfft hatten: vndt jhnen Gott machten auß denen welche weniger waren als die menschen. Woran der teuffel nicht geringe lust hatte: der niemals frölicher ist/ als wann er die menschen von Gott abfrembden/ vndt dem lebendigen Gott was jhm gehörig ist stelen kan. Dises kan auch ohn erschrecken vndt bebung nicht be- dacht werden/ daß/ da die menschen im fleische so weit verstocket waren/ das sie Gott in menschlicher gestalt der bestien anbeteten/ vndt daß sie selbst die menschen vndt bestien an Gottes stat voll- kömmentlich gesetzt hatten/ der ware vndt ewige Gott warer vndt sterblicher mensch worden ist/ die menschen von jhrem jrrthumb abzueführen/ welche nicht verstehen kundten was Gott war/ sie mußten es daran verstehen auß dem menschen der Gott war. So daß eben zue der zeit/ als der teuffel das fleisch gebrauchte vnsern geist zue ertäuben/ der Sohn Gottes das fleisch angenommen hatt/ vnsern geist von dem fleische zue entziehen.

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249 Judea Gottes hauß.] Bißher hatt der Autor geredet von blindtheit der Heiden/ betreffendt den Gottesdienst bey zeit der an- kunfft des Herren Jesu in das fleisch. Nun geht er zue den Juden/ von denen er sagt/ daß sie allzeit embsig waren zue reden von der zuekunfft des Erlösers/ oder Meßias/ vndt jhn dennoch nicht sahen als er kam. Er sagt auch/ daß sie auff Aarons rocke vndt veralterte gesetze viel hielten: welches zue verstehn wir wißen mußen/ daß das volck Gottes dreyerley gebrechen oder jrrungen hatte/ dardurch sie vom erkändtniß des Herren/ welches so offtmals vorgesagt vndt jhnen angesagt war/ [35] abgeleitet worden. Der erste war/ daß sie vermeinten/ daß reich des Messias erstreckte sich nicht ferner als auff das glück vndt die vermehrung jhres regimentes. Zum an- dern/ daß sie nicht verstunden/ warumb das gesetze verkündigt war: nicht nemlich/ damit das volck in weltlicher zucht vndt gue- ter manier solte regiert werden (als wie wir lesen/ daß des Solon/ des Lycurgus/ des Minos vndt anderer gesetze darumb sindt ge- geben vndt gemacht worden/ welche alle an die regierung vndt gelegenheit jhrer länder vnd städte gebunden/ vndt darnach voll- kömmlich verfaßet sindt; als wie man vnter andern beym Aristoteles im 2. buche Polit. siehet) sondern damit den menschen das vrtheil Gottes/ vndt der schreckliche haß wieder die sünde solte kenntlich werden/ sie also zue der verheißung des Seligmachers zue bringen/ welcher den zorn Gottes/ der durch das gesetz erklärt worden/ allein solte auff sich nemen. Zum dritten/ daß sie keinen vnter- scheidt machten zwischen dem gesetze welches die regierung der manier vndt die außwendige Ceremonien angieng: vndt nicht sahen/ daß diese ceremonien in nichts anders bestunden als in opffern/ kleidern/ speisen/ vndt dergleichen eußerlichen sachen: welche nichts anders waren/ als zeichen des zuekünfftigen Meßias/ die mitt seiner ankunfft mußten auffhören. Darauff sie aber hergegen alle jhre hoffnung stellten/ vndt dardurch deßen vergaßen/ von dem sie sagten/ daß sie allzeit seiner erwarteten.

249 wil alter satzung wachen] Verstehe der ceremonialischen satzung oder gesetze: die/ wie allbereit gesagt ist/ auff einer son- derbaren manier zue thun vndt eußerlichen sachen bestunden. Dar- von geredet wirdt Matth. 11:13. Das gesetz vndt die Propheten biß auff Johannes. vndt in viel andern orten. Insonderheit aber siehe Actor. 15.

277 Vndt sagen frieden an.] Der Autor versteht das liedt Luc. 2:

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14. Ehre sey Gott in der höhe/ friede auff erden/ vndt den menschen ein wolgefallen; gesungen von den Engeln/ wie hier gesagt wirdt.

281 Nicht ferren von dem ort’] Der Autor giebt mitt nachfol- genden sechzehen Versen zue verstehen/ wer vndt was für leute es gewesen sindt/ welche die botschafft von dem gebornen hirten Israels zum ersten empfangen haben: nemlich/ hirten: daß ist/ schlechte vnschuldige menschen/ die mehr mitt dem vieh als mitt den menschen vmbgiengen. Schlechte vnschuldige menschen/ die ferren von [36] den menschen allzeit gelebt hatten/ vndt darumb Gott kennen zue lernen am allermeisten bequem waren. Dann wer zue Gott kommen wil/ muß entweder frey vndt vnschuldig sein in den sachen der welt/ oder es noch werden. Reichthumb/ macht/ begier/ wißenschafft in weltlichen dingen; hochmut vndt verach- tung der rechten weißheit/ das vmbgehen mitt den menschen/ macht vergeßen alles was Gott angeht. Die diß alles haben/ mußen suchen was sie nicht haben: vor allem aber verachten was sie ha- ben. Die vnschuldigen/ vnwißenden hirten/ die allzeit ferren von den menschen gewohnt hatten/ worden zum aller ersten von Gott zue Gott geruffen. Ehe sie was gelernet haben/ lernen sie das meiste/ lernen sie das erste/ lernen sie das allerhöchste: die er- niedrigung Gottes/ der kommen war zue den menschen/ von wegen der seligkeit der menschen.

[38] 345 Die Sonn’ ist vnter jhm] Das jenige was von dem Autorn bißher gesagt ist worden von der jungfrawen vndt dem kinde/ dient eines theils zue erkennen zue geben/ das [39] der Herr nicht allein warer mensch gewesen ist/ vndt über diß alle andere eigenschafften deß menschen gehabt hatt/ sondern auch kindisch vndt kinderhafftig gewesen ist alle tage wachsende/ wie der Evan- gelist von jhm redet/ vndt zuenemende an Weißheit. Vndt darumb nennt derselbe jhn nicht allein ein kindt/ sondern auch ein kind- lein. Luc. 2:40.Sachanmerkung Welches wiederumb dient zuerweisen/ daß er vnß ist gleich gewesen/ auß genommen in dem jenigen/ deßen er vns zue befreyen kommen ist. Nemlich/ der sünde. Hierzue dient auch alle das jenige/ was hier von der muter gesagt wirdt/ welche eine rechte Muter/ so auch recht mütterlich gegen jhrem Sohne gewesen ist. Welches wiederumb erweiset/ das er warhafftig mensch ge-

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wesen ist. Dann die liebe welche die jungfraw zue jhm trug als zue Gott/ war gäntzlich eine andere/ als die mütterliche/ so allhier beschrieben wirdt. Diß hatt der Autor zue ziehrung des werckes/ nach der lenge außgemeßen. Nun steiget er weiter/ vndt weiset/ daß dem menschen/ ja diesem kinde alle eigenschafften vndt wercke des lebendigen Gottes zuestunden. Nicht allein zuever- stehn zue geben/ das er eines war mit Gott in dem wesen/ son- dern auch daß die zwo naturen/ dar von die eine bißher beschrie- ben ist (die menschliche nemlich) eine person in dem Herren machen. Vndt diß nach anleitung der H. Schriefft/ welche auff diese weise von jhm redet/ Also lesen wir daß der Apostel Rom. 9:5. von demselbigen/ von dem er gesagt hatt daß er auß den Vätern sein solte nach dem fleische/ sagt daß er Gott über alles ist. Vndt in andern orten mehr.

359 Die welt vndt wir* sein hauß.] Darumb sagt der H. Apostel 1. Corinth. 3:16. Wißt jhr nicht daß jhr Gotteß tempel seidt/ vndt daß der Geist Gottes in euch wohnet? Dann wir musten wißen/ daß nicht allein der Sohn Gottes in vnserm hertzen wohnet/ wie der Vater vndt der H. Geist. dieweil er über alles ist: sondern auch mit seinem geiste/ dieweil er bey vns mit seiner gnaden ist. Siehe Ephes. 3:17.

* Heinsius setzt: vnsere hertzen seine kirche.

[41] 384 O gast des Abrahams] Siehe Gen. 18:3. 4. vndt ferner; da Abraham den Engel empfengt/ von welchem die alten Väter sagen/ daß es der Herr Christus gewesen sey. Vndt darumb sagt Cyrillus/ bischoff zue Jerusalem: Der bey Abraham geßen hatt/ hatt bey vns geßen: wormit er zue erkennen giebt/ daß es eben der- selbige gewesen/ mitt dem als einem gaste Abraham aß/ mitt dem jenigen/ der warer mensch vnter den menschen als mensch geßen hatt. Tertullianus gegen den Marcion: Ja wir werden diß thun auch vnter den Engeln. Der Herr ist dem Abraham erschienen ohn gebohren zue werden/ mitt dem fleische nemlich/ nach dem vnterscheide der vrsache.

386 Den Cherub nicht bedeckt.] Das ist/ der vnendtlich ist/ wie der Herr Christus ist nach seiner Gottheit. Das wort Cherub wirdt auff vnterschiedene art in der Schrifft gebraucht. Bißweilen ist es ein eigener namen. Als Nehem. 7:61. Biß-[42]weilen wirdt es für die Kinder/ so auff dem gnadenstule gemacht stunden/ genommen.

[Druckausgabe S. 345]
Als Exod. 25:19. 37:8. vndt an mehr andern orten. Bißweilen vor den Engel des Herren/ als Ezech. 9:3. 10:4. 79:4.Sachanmerkung Aber inson- derheit hatt der Autor das auge hier gehabt auff den ersten ort deßelbigen Propheten; da gesagt wirdt/ daß die herrligkeit Gottes sich erhub über den Cherub/ über welchem sie war.

388 Wirdt mitt der handt gefaßt] Diß dient alles zue beweisen/ daß der Herr Christus ein warhafftiges/ greiffliches/ sichtiges/ fleisch hatt angenommen: nicht auß dem himmel/ sondern auß vns/ vndt mitt vns; dieweil er daßelbige thate für vns. Nicht daß er vnser fleisch allein scheinbar an sich genommen habe/ die augen zue betriegen: sondern warhafftig vndt vollkömmlich/ die seelen zue erlösen. so daß sein fleisch vnser fleisch/ das seinige vnseres ge- wesen ist. Welches er also hatt angenommen/ daß er war was er angenommen hatte. Damit wir wißen/ daß in jhm zuesammen vndt warhafftig gewesen sey die Gottheit/ die seele/ das fleisch; vndt diß zuesammen in dem einigen Christus gewesen/ vndt noch ist; einem Sohne Gottes/ einem Seligmacher/ einem Erlöser. So daß diese drey in jhm machen zwo naturen/ doch nur eine person: den Sohn nemlich des ewigen Gottes/ der auch selbst der einige Gott ist/ von ewigkeit zue ewigkeit.

390 Der wagen Israels] Eliseus 2. Reg. 2:12. als er sahe daß Elias zum himmel auffgenommen wirdt/ vndt Joas König in Israel/ als er sahe daß der todt den Eliseus hinweg nam/ 2 Reg. 13:14 gebrauchten sich dieser worte: Mein Vater/ mein Vater/ der wagen Israels/ vndt seine reuterey! damit zue erkennen zue geben/ daß Elias vndt Eliseus/ durch jhre gebete vndt wunder- wercke/ welche sie im namen des lebendigen Gottes gethan/ denen von Israel für wagen vndt reuterey dieneten: oder mehr als alle wagen vndt reuterey hielffen. Welches der Autor allhier bequem auff den Herren Christum zeucht/ deßen vorbilder vndt schatten Elias vndt Eliseus waren/ vndt durch welches krafft sie alle jhre vndt seine feinde erschlugen. Wie der Herr selber sagt beym Osea 1:7. Daß er sich wolte erbarmen über das hauß Juda/ vndt jhnen helffen durch den Herren jhren Gott: vndt wolle jhnen nicht helffen durch bogen/ schwerdt/ streit/ pferde vndt reute- reyen. Das hauß Juda/ auß dem der Herr Christus verheissen war/

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durch den Herren Christum selbst/ welcher der wagen seines volckes vndt deßen reuterey war.

[43] 395 Den stoltzen Sancherib.] Siehe 2. Chron. 32. da der Engel Gottes/ auff eine nacht/ hundert vndt fünff vndt achtzig tausendt mann erschlägt.

399 Durch Amos weysen sohn] Der Autor verstehet Esaiam: der für andern vom Herren Christo sehr deutlich gepropheceyet hatt/ vndt derhalben ein Evangelist vnter den Propheten genennet wirdt.

401 Du feldes-rose du] Siehe das Hohe liedt Salomonis 2:1. da andere es übersetzenSachanmerkung die blumen des feldes; andere die rose von Searen: andere/ die lilie in dem felde: vndt deuten es auff den Herren Christum/ den bräutigam seiner gemeine.

405 O Fürst auß Canaan] Also wirdt der Herr Christus ge- nennt/ weil er ein rechter Printz vndt Fürst des landes Canaan/ das ist/ des gelobten landes ist: welches in dem alten bunde das ewige leben bedeutete/ das in dem newen den glaubigen voll- kömmlich geoffenbahrt vndt durch Christum/ der im fleische er- schienen/ zuegesagt ist.

406 vndt keinen winter wißen.] Diese vndt dergleichen eigen- schafften mußen hier von dem rechten Canaan verstanden werden; worauff alle arten zue reden können gedeutet werden/ die von dem andern lauten. Wir wißen auch daß der Herr auß keinem andern herkam. Als wie der Autor allhier von seiner zuekunfft zue vns redet.

[45] 429 Ach das die bienen sich] Der Autor scheint gesehen zue haben auff den ort Esa. 7:15. da von Meßias gesagt wirdt/ Buter vndt Honig soll er eßen.

440 Daß du bist der sie nehrt.] Die H. Schrifft theilt die vorse- hung des Herren in drey theil: zum ersten/ in erwegung daß sie sich erstreckt über alles was von Gott geschaffen ist: zum andern/ in erwegung/ daß auch die minsten vndt geringsten creaturen dar- durch versorget werden: zum dritten/ in erwegung eines jeg- lichen menschen der darinnen begrieffen ist. Der Autor redet hier von derselbten/ die auff die andere art genommen wirdt: von wel- cher wann die Schrifft redet/ gebraucht sie sich des exempels der vögel. Als Job 39:3.Sachanmerkung Wer bereitet den raben jhr aaß/ wann

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jhre jungen zue Gott schreyen/ vndt kläglich thun daß sie nichts zue eßen haben? vndt Psal. 147:9. wie auch Matth. 10:29. Auff welche örter der Autor hier gesehen hatt.

442 man soll daß kindt beschneiden.] Der Herr Christus hatt wollen beschnitten werden/ nicht allein das gesetze zu vollbrin- gen/ sondern auch die beschneidung anderer/ die vnter dem ge- setze beschnitten waren/ in seinem fleische zue heiligen.

444 vor pein die gaben hin.] Ein par Turteltauben/ oder zwey junge tauben/ wie der H. Lucas zeugetSachanmerkung in seinem 2:24. vndt sel- bige in der beschneidung zue opffern geboten wirdt Levit. 12:8.

446 ob schon er nicht verbunden Mitt sünden.] Diß ist auch ein besonderer trost/ das der Sohn Gottes vnsere schwachheit auff solche weise angenommen hatt/ daß die schwachheit so in jhm war nicht sünde/ sondern eine bezahlung der sünden war: da hergegen [46] vnsere schwachheiten das meiste theil entweder sünden/ oder doch quell vndt vrsprung der sünden sindt.

447 Mitt sünden als sonst wir.] Der Herr Christus hatt/ sagt der Autor/ keine sünde mit vns gethan/ noch auch geerbet: dann er allein ist also gebohren gewesen/ daß er nicht von nöthen hatt wieder gebohren zue werden. Worauß dann erscheinet/ daß er allein beschnitten worden daß gesetze zue vollbringen/ vndt seinen ge- horsam vollkömmlich zue erweisen.

459 die lehrer legen hin.] Gleich wie der Herr kurtz vor seinem tode vns für allen dingen befohlen hatt den frieden vndt einigkeit/ vndt wie sein gantzes leben vnß zue derselben geleitet vndt gewie- sen hatt/ also ist nichts das mehr wieder seinen heiligen geburtstag streitet/ alß das man an demselbigen von zanck vndt zwietracht handelt. An dem tage/ sage ich/ an welchem die Engel den frieden gesungen haben. Wie es dann auch allein die liebe der einigkeit ge- wesen ist/ die den Sohn Gottes/ der mitt Gott eines war/ beweget hatt zue sein bey den Menschen/ die menschen erstlich also mit einander/ vndt mitt Gott zue vereinigen; beydes die Juden/ vndt die so noch fremdlinge (sagt der Apostel) des bundes waren. Vndt darumb nennet derselbte auch Ephes. 2:14. den Herren Jesus vnse- ren frieden/ der beyde eines gemacht/ vndt der das geschoßSachanmerkung der mittel mawer gebrochen hatt.

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461 das Simeon macht singen.] Lucae am 2. den trefflichen Lob- gesang/ welchen selbiger vom 29. verß an singet/ als er den Herren auff seinen armen helt/ vndt bereitet ist auß dem fleische ab zue scheiden/ nach dem er den seligmacher in dem selben gesehen hatt.

462 Vndt Zacharias stumm.] Luc. 1:22. Weil er der botschafft des Gabriels/ angehende die geburt S. Johannes/ keinen glauben gab.

464 eh’ er vndt du gebohren seydt.] Nemlich Johannes/ der auff den gruß Marien in seiner mutter leibe hüpffete. Als ob er eilen wollen/ sein vorläuffer ampt zue bedienen/ zue dem er kommen war.

464 vndt du.] Nemlich der Herr Jesus/ der durch die krafft des H. Geistes empfangen war/ vndt machte das die geburt Elisabeth in jhrem leibe auff hüpffete.

[47] 469 Der vormals.] Zue verstehn zue geben/ daß auch daß erste gesetze durch den Herren Jesus/ den Engel des großen rhates/ verkündigt sey. Wie klärlich erscheint Act. 7:38.Sachanmerkung vndt beym Apostel/ Hebr. 12:26.

470 auff Thabors spitz’.] Siehe Math. 5. v. 1. Als Jesus das volck sahe/ stieg er auff den berg. Der Autor folget vnter den Vätern den jenigen/ welche diesen ort von dem berge Thabor ver- stehen.

476 Helt das gesetze gantz.] Ein gesetze das so kurtz ist/ das es ein jeder außwendig kan wer es höret: so groß vndt schwer/ daß es niemandt vollkömmlich kan vollbringen. Dann wer kan nicht zwey oder drey worte außwendig lernen? vndt wer liebet Gott/ wie er befiehlt/ so lange er lebet: oder seinen nechsten vollkömm- lich/ so lange er mit jhm lebt?

[48] 477 den teuffel seh’ ich fliehen.] Hier beginnt der Autor kürtzlich zue erzehlen/ die wunderwerck die der Herr als er im fleische gewesen gethan hatt. Der nicht allein das gesetze Mosis zum theil durch das gesetze der gnade/ sondern auch das gesetze der Na- tur durch seine zukunfft hatt zue nichte gemacht. wie solches auß seinen wunderwercken erscheinet. Dann alles was er gethan hatt/ hatt er entweder nach vnserer Natur oder über vnsere gethan; das ist/ entweder nach vnserer die er angenommen hatte/ oder nach der seinigen welche die vnsrige angenommen hatt. Nach der vns-

[Druckausgabe S. 349]
rigen hatt jhn gehungert/ gedürstet/ ist er gebohren worden/ vndt in eine krippe gelegt. Nach der seinigen hatt er wunderwercke gethan [49] vndt seine Göttliche krafft vollkömlich erwiesen so das der Autor zue gleich hier zuverstehen gibt/ das die krafft Gottes nicht könne geschieden werden von seinem wesen/ welche darumb der Herr Christus/ auch da er im fleische war/ gemein hatt gehabt mitt dem Vater vndt dem H. Geiste/ wie das wesen. Durch welches/ wie er nicht kundte geschieden werden von Gott der einer ist/ er auch nicht kundte geschieden werden von Gott der allmächtig ist. Vndt darumb sagt er selber Johan. 5:17. Mein Vater wircket noch in mir vndt ich wircke. gegen Valentinum vndt andere/ die nicht bekennen wolten/ daß die krafft Gottes allen dreyen personen gemein sey.

491 verendern in das liecht.] Siehe Marci 9:2. Luc. 9:29. vndt in sonderheit Matth. 17:2.Sachanmerkung da gesagt wirdt/ daß der Herr in beywesen seiner jünger/ nemlich Petri/ Jacobi vndt Johannis/ auff dem berge sey verkläret worden. Doch auch daß niemandt dencke/ daß sein leib verendert gewesen sey/ oder daß er einen geistlichen solle an sich genommen haben/ sagt der Autor/ das er sein ange- sicht habe verendert/ wie der Evangelist Mattheus sagt/ das sein angesicht geglentzet habe wie die Sonn. Vndt Lucas/ daß sein an- gesicht anders worden sey. Auch Hieronimus sagt sehr wol/ das es eine verenderung sey gewesen nicht der Natur/ sondern der herrlig- keit. Vndt diß ists was der Autor hier außdrücklich setzt. Siehe Chrysostomum vndt Proclum/ Bischoff von Constantinopel/ die alle beyde sonderlich von der verenderung auff dem berge geschrie- ben haben. Wie auch andere vnter den Vätern. Als Damascenus/ der einen Lobgesang auff dieselbige gemacht hatt/ darinnen er sagt/ daß der Herr/ als meister des lebens/ vndt Herr des todeß/ Mosen vndt Eliam auff den berg Thabor hatt kommen laßen; zue bezeugen daß er Gott sey. Die Juden welche lebten achteten seiner nicht; vndt die/ welche die Juden am aller höchsten hielten/ ka- men jhm zue dienen vndt jhn zue ehren.

494 Zue zahlen deine schuldt.] Wie kan der Sohn Gottes schul- dig sein/ dem alle menschen schuldig sindt/ vndt den niemandt be- zahlen kan? Der Autor hatt gesehn auff den ort Matth. 17. da der Herr/ als er nach Capernaum kömpt/ vmb die schatzung gemahnt

[Druckausgabe S. 350]
wirdt/ die ein jeder den Römern für sein haupt bezahlen mußte. Welcher/ ob er wol wußte daß er nichts schuldig were/ als nem- lich ein Sohn des Königs (nemlich Davids) wie er sich selber auch damals gegen Petro erkläret/ dennoch seine schuldt daselbst ablegt/ vndt zue verstehn [50] giebt daß er kommen sey seine geistliche macht zue erklären/ vndt nicht die zeitliche zue verachten. Dar zwischen aber fengt Petrus einen fisch/ in dem er den pfennig findet/ darmit für sie beyde zue bezahlen: wordurch er zweyerley lehret; erstlich was wir sindt/ vndt was wir der zeitlichen obrigkeit schuldig sindt. Zum andern/ wer er sey/ vndt daß er vor sich selbst nicht dürffte bezahlen/ der allein auff solche weise kundte bezahlen: in dem er auß der tieffesten see/ das ist/ auß einem andern ele- mente/ durch sein göttliche krafft das jenige holet/ was die men- schen wolten daß er auff dem lande bezahlen solte.

502 Mitt butter vndt mitt milch.] Der Autor hatt gesehn auff diß was von Moses/ als er von den trefflichen wolthaten so der Herr dem volcke Israel erwiesen redet/ in seinem andern Lobgesange Deut. 32:14. gesagt wirdt: Daß er jhnen gegeben hatt die buter von den kühen/ vndt die milch von den schaffen: wie auch das feiste der lämmer vndt der hammel auff Basan erzogen/ vndt böcke mitt dem marck des weitzes.

508 Daß sie Gott creutzigen.] Nicht das Gott leiden/ oder ge- creutzigt werden könne: sondern/ weil im Herren Christo zwo na- turen sindt/ so wird der gantzen person zue geschrieben/ was der einen allein eigen ist. Also sagt der H. Geist Act. 20:28. daß Gott jhm die kirche mitt seinem blute erkaufft habe. Vndt der Apostel Paulus spricht/ Daß der Herr der herrligkeit gecreutzigt worden ist. Die Juden haben Gott gecreutzigt. aber nicht die Gottheit: weil sie gecreutzigt haben der Gott vndt mensch war. Vndt diese art zue reden (wiewol nicht eygenSachanmerkung) hatt jhren trost: damit wir verstehen/ daß kein anderer gewesen ist/ der im fleische gelitten hatt/ als der im warhafftigen leiden des fleisches ohn leiden gewesen ist: vndt daß es der ist so gestorben ist/ vndt der den Todt in seinem tode überwunden hatt; der vollkömmlich gestorben ist/ vndt voll- kömmlich meister des todes gewesen ist; einer allein/ beyde einer/ beyde in einem/ beyde derselbige. Nemlich dieselbte Person/ der Herr Christus.

[Druckausgabe S. 351]

513 der Balaam erschienen.] Keine Propheceyung oder verkün- digung vom Herren Christo/ seiner zuekunfft vndt macht ist deut- licher/ erfrewlicher für die glaubigen/ schrecklicher für die vn- glaubigen vndt feinde des herren Christi/ als die gelesen wirdt Num. 24. da Bileam/ der zuevor beruffen war Israel zue verfluchen/ beginnt sich zum himmel zue erheben/ vndt durch die krafft des Herren/ mitt vnaußsprechlichen worten/ die jhm der Geist ein- gab/ zue segenen/ [51] ruffende vnter andern: Ein stern ist kom- men auß Jacob/ vndt ein Zepter hatt sich gezeigt auß Israel; der des Moabs hauptleute schlagen soll/ vndt alle kinder Seth zue nichte machen. Siehe Pet. 2. c. 2:15.

[52] 517 Judea gantz verstockt] Wiewol das leben des Herren nichts anders gewesen ist als ein stetes leiden/ vndt sein leiden ge- wehrt hatt so lange sein leben: dennoch ist seine opfferung an das creutz das eußerste vndt grawsamste seines gantzen lebens/ vndt das letzte seines lebens/ das höchste seiner schmertzen gewesen. Doch bey diesem leiden mussen wir drey dinge sonderlich be- dencken. Erstlich/ seine menschheit: die mehr gelitten hatt für den menschen/ als der mensch/ ja alle menschen leiden kündten: Zum andern seine Gottheit/ von der der Autor allhir anfengt zue re- den: welche Gottheit in dem sterben der menscheit stärcker war dann alle menschen: ja die menschen so todt waren wiederumb lebendig machte. Er hieng (sagt S. Ambrosius im buche von der menschwerdung Christi) am creutze/ vndt bewegte alle dinge: er bebte an dem holtze/ vndt machte die gantze welt beben. Worbey man wol fügen mag/ daß er starb/ vndt die todten lebendig machte. Zum dritten/ die frucht des leidens der menscheit Christi/ die mehr ist als alle menschen außsinnen können. In dem die opfferung des einigen mehr ist gewesen als die sünde aller: die gnade als die übertretung; wie Cyprianus wol sagt. [53] So daß der mensch nicht beßer thun kan/ dann mitt bewegung darauff dencken/ vndt sein leiden mitt bußfertigkeit/ seine macht mitt schrecken/ sein blut mitt threnen betrachten.

524 Verlaßen von* der welt/ vndt wegen jhr von Gott.] Eine art zue reden welche der Herr selbst gebraucht/ auß der person des menschen. Zue verstehn zue geben/ nicht daß er von Gott ver- laßen gewesen sey/ der selber Gott war/ vndt eines mitt dem Vater: sondern daß er/ in ansehung der natur die er mitt vns gemein hatte/ geschmeckt hatt den zorn Gottes gegen die natur welche von jhm

[Druckausgabe S. 352]
war abgewiechen. Der auch so schwer/ so erschrecklich/ so vn- außsprechlich über jhn wirdt außgegoßen/ daß alle menschen diß nicht können bedencken/ noch zue ertragen vermocht hetten. Vndt darumb hatt der Autor die worte des Herren selbst/ Matth. 27:46. behalten: die der Prophet David auch zuevor/ Psalm. 22:2.Sachanmerkung ge- braucht hatte. So sollen wir nun wißen/ daß diese worte von jhm gesagt werden auß vnserer natur/ weil die straffe die er trug (sagt Cyprianus) groß war/ nicht die schuldt; als der keine sünde hatte. Vndt diß ists daß der Autor sagt/ Wegen sein: da er kürtzlich zue erkennen giebt/ erstlich/ daß er vmb vnsertwillen gelitten; zum andern/ daß er in vns geredet; zum dritten/ daß die natur so von Gott verlaßen war/ dieselbige war welche der Sohn Gottes ange- nommen: zum vierden/ daß in derselben gleichwol/ angesehen seiner/ keine sünde war/ weil sie mitt der Göttlichen vereinigt war. Aber wie wirdt er verlaßen? weil die menscheit im leiden war/ hielte sich die Gottheit stille/ sagt Ireneus. Auff daß nemlich die menscheit/ so vollkommen in jhm war/ auch vollkömmlich lei- den/ vndt wir also allzuemal in jhm vndt durch jhn sollten genung thun.

* Heinsius sagt: Von dem menschen/ vndt wegen sein.

529 Die Sonne flohe vor] Die Sonne/ die allgemeine fackel der welt/ weigerte jhr liecht den Juden; nicht allein auff daß sie auch (wie Maximus des namens Taurinensis sagt) blindt solten werden von augen/ die blindt waren am hertzen: sondern auch daß alle elemente mitt jhrem schöpffer bewegt worden; wiewol er nach vnserer natur mehr beweget wardt. Vndt auff daß sie auch die ge- schaffene Sonne solten mißen/ die den Schöpffer der Sonnen/ vndt die Sonne der gerechtigkeit vnrechter weise vntergedruckt hatten.

533 so kostbar war geweben Mitt schönem scharlack-roth.] Dann also wirdt selbiger fürhang der kirchen/ der in dem tode des Herren zerrieß beschrieben/ 2. Paralip.Sachanmerkung 3:14. Auß welchem orte erscheinet/ daß [54] er von vnterschiedenen farben gewesen sey. Doch der Autor nennet die fürnemste/ vndt ist eine art zue reden die Synecdoche genennt wirdt.

[Druckausgabe S. 353]

559 Die todten] Diß ist die meiste krafft/ welche der Herr in seiner meisten erniedrigung gezeiget hatt. Dann Eliseus vndt Elias haben auch todten erweckt/ Eliaß im 1. der Könige 17./ Eliseus im 2. 4:33. aber durch krafft des jenigen/ der für alle menschen sterben/ vndt die todten/ in dem er stürbe/ erwecken solle. Alle treffliche vndt große wercke auch/ die wieder die natur lauffen/ vndt vom Eliseus vndt Elias gethan sindt worden/ sindt gethan worden als von gesandten vndt Ambassatoren/ abgefertigt vom Herren vndt Könige der Natur/ vndt dem annemer der vnsrigen. Der in der vollkommenheit der zeit erscheinen solte; zue erkennen zue geben/ daß alle wunderwercke die für seiner zuekunfft von denSachanmerkung seinigen in seinem namen sindt gethan worden/ die seinigen gewesen sindt. Ferner der Evangelist Mattheus/ im 27. cap. im 52. Verß/ setzt vnter andern mirackeln so geschehen sindt als der Herr seinen geist auffgab/ daß die gräber geöffnet worden/ vndt daß viel leichnam der heiligen/ die geschlaffen haben/ auffgestan- den. Vndt sagt gleichwol im folgenden verse/ daß sie erst nach seiner aufferstehung auß den gräbern gegangen sindt. Dann die worte allda lauten: vndt sindt auff gestanden auß den gräbern nach seiner aufferstehung/ vndt kommen in die heilige Stadt: vndt haben sich vielen geoffenbahret. Diesen schweren ort be- trachtet S. Augustinus in seinem 99. brieffe an Evodium geschrieben/ vndt meinet/ daß der H. Evangelist/ da er sagt/ daß die todten da aufferstanden sindt/ nemlich/ als der Herr seinen geist auffgab/ eine art zue reden solle gebraucht haben/ welche anticipatio oder zuevorkommung genennt wirdt; wann man sagt/ es geschehe etwas/ das kurtz hernach geschehen soll. Die Griechischen Väter sagen/ daß die todten/ alß der Herr seinen geist auffgegeben/ er- wecket worden; doch hernach/ als er aufferstanden/ erst auß den gräbern kommen sindt. Die alten Poeten der Christen/ vnter denen Juvencus ist/ der schon für dem H. Hieronymus/ zur zeit Keyser Constantins/ geschrieben hatt/ legt diese worte auß/ als ob die todtenSachanmerkung auff selbige zeit lebendig worden/ auß den gräbern vndt in die Heilige stadt kommen weren. Dann er sagt/ alß ob er selbigesSachanmerkung nicht gelesen:

[Druckausgabe S. 354]
Tum veterum monumenta virum patuere revulsis
Obiicibus, vivaeque animae per membra reversae,
[55]
Et visum passae populi, per moenia late
Erravere urbis.Sachanmerkung

Vndt dieselben werden auch von Cypriano außen gelaßen. Wie dann auch Chrisostomus in seiner außlegung auff vorhergehenden ort im 53. verß/ in gleichen dieselbigen worte/ nach seiner auff- erstehung/ zue übergehen scheinet: der an einem andern orte gleichwol deutlich sagt/ Daß die todten durch die stimme des Herren/ als er den geist auff gegeben/ erweckt/ daß ist/ allein lebendig gemacht worden; hernach aber mit jhm aufferstanden weren. Wie auch Origines. Andere sagen/ die meinung des Evan- gelisten sey/ daß sie/ als der Herr gestorben/ erweckt worden/ vndt auß den gräbern gegangen; nach seiner aufferstehung aber erst in die Heilige Stadt kommen sindt. Diß ist die vrsache/ daß der Autor/ als der eines so wol als des andern Alten außlegung nachfolget/ vndt alß fürsichtiglich redet vndt sagt/ Daß die todten lebten/ das ist/ lebendig worden (dann diß wort hatt eine sonderbare krafft/ die große macht des Herren in seiner großen erniedrigung zue erkennen zue geben) auff die stimme des Herren da er starb: doch daß sie kurtz nach dieser zeit biß in Jerusalem lieffen; daß ist/ daß sie lebendig worden da er starb; vndt aufferstanden da er auff- erstundt. Doch die meinung welche er selber über erwehnten ort Mathei hatt/ dardurch alle schwerigkeit hinweg genommen wirdt/ wirdt er mit der hülffe Gottes zue anderer zeit an den tag geben: wiewol er festiglich darfür helt/ das die gelehrten viel sachen vnter einander außlegen mögen/ welches schlechte vndt einfeltige mitt mehrer erbawung nicht wißen.

[56] 562 daß Belial geschlagen] Durch diß das der Teuffel zum ersten vollkömmlich war vber wunden vom Herren der Gott war. Zum andern gehörlich überwunden von jhm der mensch war. Dann (sagt Ireneus im 3. gegen die ValentinianerSachanmerkung) wann der feindt des menschen allein were überwunden gewesen durch den men- schen/ so würde der feindt des menschen nicht gehörlich über- wunden gewesen sein für den menschen.

[Druckausgabe S. 355]

565 Der mitten durch das grab den dritten tag gebrochen.] Der Herr ist mitt gewalt auß der erde gebrochen/ vnser fleisch von dem stande darein es durch den ersten Adam gesetzt war zue befreyen: der/ wie von jhm nach dem fall gesagt wirdt/ Genes. 3:19. staub war/ vndt zue staube werden solte: er ist gebrochen durch die macht des Teuffels/ dieweil er der samen war/ welcher der schlangen solte den kopff zertretten: er ist gebrochen durch den todt weil er vnser leben war/ vnd vns daßelbige gab durch seine aufferstehung/ vndt allbereit empfangen hatte durch seinen todt: er ist auch/ wie die Schrifft vns lehret/ gebrochen durch seine fein- de/ die das grab bewahreten/ auff das alle die jenigen welche kom- men waren zue verhindern das er nicht aufferstehen solte/ zeugen würden daß er aufferstanden were: Vndt also die Juden durch die krafft seiner aufferstehung/ wie bey seinem sterben durch die be- wegung aller elemendte/ noch einesSachanmerkung zue überzeugen daß er Gott sey. Mehr/ das wie sein leiden die höchste straffe seiner erniedri- gung gewesen ist/ also die aufferstehung gewesen ist die erste stuffe seiner erhöhung/ vndt mit jhm vndt in jhm der vnsrigen.

[57] 569 hinauff bist eingefahren.] Diß ist die höchste vndt ob- riste strasseSachanmerkung der erhöung des Herren/ vndt mit jhm der vnsrigen. Der Herr ist nach seiner aufferstehung mit dem fleische gen him- mel gefahren: nicht da das Wort zuevorhin nicht gewesen war/ sondern da das Wort nach dem es fleisch worden nicht geseßen hatte/ sagt Cyprianus. Vndt darumb spricht auch der Autor/ daß der Todt vnter jhm gelegen/ der über seine Gottheit keine macht hatte: vndt der Teuffel der ein geschworner feindt vnserer natur/ vndt der vernewerung/ noch mehr aber der vereinigung derselbten in Christo war. So ist dann der Herr gen himmel gefahren/ nicht vmb seinet/ sondern vmd vnsert willen. Als wie er auff erden kommen ist/ ohn daß er den himmel verlaßen hatt. So daß er diß auch gethan hatt/ durch seine macht/ vndt zue vnserer erhebung in jhm. Vndt darumb desto mehr dem Teuffel zue hohn/ der vns verführt hatte/ vndt mußte sehn/ daß vnsere natur/ die er verterbt vndt befleckt hatte/ gen himmel wardt auff geführt.

572 Hast vnser fleisch.] Der Autor giebt hier nun zue erkennen/ daß der Herr aufferstanden vndt gen himmel gefahren ist/ nicht

[Druckausgabe S. 356]
gleich wie er gestorben ist/ nemlich allein als mensch/ oder allein in betrachtung der menschlichen natur; sondern als Gott vndt mensch/ das ist/ also daß die gantze person des Sohnes ist erhöhet worden/ vndt vnsere natur in jhm. Der auffgefahren ist nicht allein mitt der Göttlichen/ sondern auch durch sie: als der da ist nicht dieselbige oder eine natur; sondern von derselben vndt in derselbigen/ durch die sie in der selbigen vereiniget war.

573 Von da schickst du den Geist.] Der Autor begreifft nun in kurtzen worten alles diß was wir von dem H. Geiste glauben mußen. Der Herr war so baldt nicht gen himmel gefahren/ daß der H. Geist nicht auch baldt auff erden kommen ist. Vndt wie der Sohn/ so vn- sichtbar gewesen/ sichtbar worden war; so ist auch der Geist/ der vnsichtbar war/ sichtiglich erschienen/ auff den funffzigsten tag nach seiner aufferstehung/ den zehenden nach der auffarth gen him- mel. Wie der Sohn/ so von ewigkeit auß dem Vater geboren/ auff bestimmte zeit zue dem menschen kommen ist: so ist der H. Geist/ der von ewigkeit von allen beyden außgeht/ auff die bestimmte zeit kommen/ zue den menschen. Welcher nicht allein gezeiget hatt/ daß er wahrhafftiger Gott sey/ in dem er den Aposteln gaben gegeben die über die menschen waren/ vndt die für alle men-[58] schen nötig waren/ dieselben in dem erkendtniß des Herren zue vnterweisen: sondern hatt auch erwiesen/ daß der Herr Christus warhafftig sey/ vndt warhafftig Gott sey: auch nach dem er war- hafftig mensch worden/ von dem er verheißen war/ Johan. 16:7.

573 der außgeht von euch beyden.] Dann wie es des Vaters eigenschafft ist/ daß er von ewigkeit den Sohn gezeuget hatt: also ist es des Sohnes eigenschafft/ daß er von ewigkeit auß dem Vater gebohren ist: des H. Geistes/ daß er auß allen beyden von ewigkeit außgeht; vndt also/ daß er das wesen von ewigkeit von allen beyden empfängt. Von allen beyden/ alldieweil er das bandt der vnauß- sprechlichen Dreyfaltigkeit ist/ wie Bernardus jhn nennet: die gütte Gottes/ vndt Gott selbst: die krafft Gottes des Vaters vndt des Sohnes: vndt mitt jhnen Gott selbst.

574 von euch doch vnterscheiden.] Der H. Geist ist vnterschei- den vom Vater vndt dem Sohne/ vndt nicht abgescheiden: das ist: distinctus, non diversus. ein Gott/ vndt derselbige Gott/ nicht die- selbige person in derselbten Gottheit.

575 Ist das jhr beyde seidt.] Nemlich Gott. Dann der H. Geist ist warhafftig Gott/ wie Gott der Vater/ vndt Gott der Sohn: wie er

[Druckausgabe S. 357]
auch mitt allen beyden gemein hatt daß er ein geist ist. Dann der Vater (sagt Bernardus) ist ein Geist; der Sohn ist ein geist; der H. Geist ist ein geist.

576 Vndt ist das jhr nicht seidt.] Nemlich der H. Geist. Dann gleich wie der Vater nicht ist der Sohn/ also ist weder der Vater noch der Sohn der H. Geist; der von dem Vater vndt dem Sohne vnterschieden wirdt Matth. 3:16. 17. Johan. 14:16 vndt in seinem ersten Sendeschreiben 5:8./ sampt andern orten. So sagt dann der Autor/ daß der H. Geist ist das sie beyde (nemlich der Vater vndt der Sohn) sindt: in betrachtung der Natur vndt des wesens; das ist/ daß er Gott wie sie ist. So daß er beydes ist/ das ist/ das sie sindt/ das ist Gott; vndt ist das sie nicht sindt/ das ist ein anderer/ in betrachtung der person; nemlich/ nicht der Vater/ nicht der Sohn/ sondern der H. Geist.

576 mitt beyden vor der zeit.] Das ist/ mitt beyden ewig. Dann gleich wie der Sohn ewig ist mitt dem Vater/ ob er zwar auß dem Vater gebohren ist/ wie die H. Schrifft sel-[59]ber von jhm redet: also ist der H. Geist ewig mitt allen beyden/ ob er wol von allen beyden außgeht.

579 Zue richten alles fleisch.] Gleich wie es die vollkommene vnterthänigkeit des Herren Christi war/ welche verheißen/ daß er dermal eins vor vns gevrtheilt/ ja vervrtheilt werden solte: also verheißt seine vollkommene herrligkeit/ daß er dermal eines vrtheilen werde; nicht allein die welche jhn vervrtheilt haben/ sondern auch alle die seinem vrtheil wollen vnterworffen sein/ vnd lieber haben seine rechtfertigung zue erwarten/ als seine barm- hertzigkeit an zue nemen.

[60] 582 O großer starcker Löw auß Israel entsprungen] Das ist/ der Löw auß dem stamme Juda; gleich wie der Herr genennt wirdt/ Apocalyps. 5:5. Vndt (spricht er) einer von den Eltisten sagte zue mir: Weine nicht/ siehe der Löw auß dem geschlechte Juda/ die wurtzel Davids/ hatt überwunden. Doch der Autor nennet jhn also angesehen seine aufferstehung. Wie auch Ber- nardus/ da er sagt: Der ein lamb war in seinem leiden/ ist ein löwe worden in seinem aufferstehen. Der löwe von dem ge- schlechte Juda ist aufferstanden/ vndt überwinder worden: der den todt/ welchen er durch vnsere schwachheit auff sich geladen/ durch seine krafft vndt aufferstehung mitt füßen ge- treten hatt.

[Druckausgabe S. 358]

594 DasSachanmerkung Moses hatt gesehn] Moses hatt den Sohn Gottes gesehn im geiste/ vndt durch vnterschiedene offenbahrungen/ vndt an vnterschiedenen enden. Darumb nennt Tertullianus gegen Marcionem den Herren Christum den Gott Mosis/ vndt sagt: Was hatt der mitt Moses zue thun/ der den Gott Mosis verwirfft?

594 vndt Josue.] Der das volck in das gelobte landt gebracht hatt/ vndt also ein fürbildt war deßen/ der vns in das rechte gelobte landt bringen solte.

596 Den Jacob Vater heißt/ vndt bist auch Benjamin.] Jacobs Vater war der Herr Christus als Gott/ vndt also der Gott Jacobs. Benjamin/ weil er der Sohn Jacobs/ ja der liebste Sohn Jacobs war/ nach der menscheit/ wie Benjamin; als der Juda von Jacob selbst verheißen wirdt. Genes. 49. v. 10.

598 dem frommenSachanmerkung auffgeschrieben Die handtschrifft in die lufft.] Nemlich den regen bogen; welcher Noe zue versicherung des menschlichen geschlechtes gegeben vndt gleichsam in die lufft ge- mahlt ist worden/ zue einem festen zeichen/ daß die welt nicht mehr mitt wasser vergehen solle. Sieh Genes. 9. v. 9.

601 Den Jacob hatt gefühlt.] Im ringen. Siehe oben/ vndt Genes. 2:24.Sachanmerkung

[61] 601 vndt Salomon gesungen.] Salomon hatt den Herren Christus gesungen in seinem Hohen Liede/ wie oben gesagt.

602 Den Samson fürgebildt.] Von dem die alten Väter sagen daß er ein vorbildt zum ersten der verfolgung/ zum andern des leidens Christi gewesen sey. Sonderlich Prosper Aquitanicus in seinem an- dern theile/ im 11. vndt 12. cap. Von den verheißungen vndt an- kündigungen.Sachanmerkung In welchem buche er erweiset/ wie das jenige was im alten bunde geschehen vndt von vielen gesagt/ in dem newen allein in Christo sey erfüllt worden

603 der Moab vmb gebracht] Sieh Num. 24.:17. da Balaam sagt/ Daß entsprißen soll ein stern auß Jacob/ vndt das auffstehen soll eine rute auß Israel/ welche die Haubtleute Moabs/ schlagen vndt alle söhne Seth verwüsten soll.

[Druckausgabe S. 359]

604 Den Amalec geschewt.] Siehe Exod. 17.Sachanmerkung da Amalec fleucht für dem zeichen das Moses machte: welches die alten Väter auß legen auff das creutze des Herren. Siehe vnter andern Prosperum Aquitanicum in seinem ersten hiebevor erwehnten buch/ cap. 40.

604 vndt Davidt viel bedacht.] In einem großen theile seiner Psalmen.

[62] 605 O warer menschen-sohn.] Dieser name wirdt dem Her- ren an vielen orten in der Schrifft zuegeschrieben/ vndt in sonder- heit von jhm selbst/ die warheit der menschlichen natur zue be- zeugen.

606 der andere des namens.] Dann der erste Jesus ist gewesen/ Josua der Sohn Nun/ der die Israeliten in das gelobte Landt gebracht hatt. Der Autor sagt/ der andere des namens/ nicht daß nicht mehr deßen namens gewesen sind (als Jesus Josedec der auch mit Zorobabel ein großes theil der Juden in Jerusalem gebracht hatt/ vndt also gleich falls etlicher maßen ein fürbildt des Herren Jesu von etzlichen genennet wirdt) sondern weil Josue/ der Jesus NaveSachanmerkung von Sirach/ dem Griechischen texte/ vndt den alten Vätern genennet wirdt/ der besondere vndt erste fürläuffer des Herren gewesen ist; der vns in das ware Canaan bringen muß. Wie dann der rechte vndt ware Jesus auch eben dieser vrsach wegen Fürst von Canaan von dem Autor ist genennet worden. Siehe denselbten Prosper Aquit. in seinem andern jüngst gemeldeten buche/ c. 14. 15. 16. da weitleufftig erwiesen wirdt/ das Jesus Nave/ vndt diß waß von jhm im alten testamente verzeichnet ist/ ein vorbildt des Herren Jesu gewesen sey.

608 sich beugen alle knie.] Siehe den Apostel Paulus Philip. 2:10. Auff daß in dem namen Jesu sich beugen sollen alle knie/ derer die im himmel/ auff der erden/ vndt vnter der erden sindt.

614 O rechter Jonathan! süß’ über alle frawen.] Der Autor hatt außgedruckt die beweglichen worte des Königs David. damit er 2. Sam. 1. den todt Jonathans beweinet/ vnd vnter an-[63]dern sagt: Jonathan mein bruder/ ich bin in bangigkeit deinet wegen: ich habe große frewde vndt frömigkeit/ an dir gehabt. Deine liebe war mir sonderlich/ über die liebe der Frawen.

[Druckausgabe S. 360]

618 Gestorben vndt auch nicht.] Dann der Herr Christus ist gestorben in dem fleische/ aber nicht gestorben mit dem fleische: weil er als Gott mehr war dann alles fleisch. Er ist auch wol warhafftig gestorben/ durch diß daß die seele vndt der Leib von einander ge- scheiden gewesen sindt: aber nicht gantz gestorben/ weil das Wort oder die Gottheit mitt der seele vndt dem leibe vereinigt geblieben sindt. Ja also ist er mensch verblieben/ auch da er todt gewesen: in ansehung nemlich dieses bandes/ nicht der menschlichen natur. Da- rumb sagt der Autor/ Gestorben vndt auch nicht/ (oder/ Ge- storben ohne sterben).

619 schon in der schoß bey Gott Da du noch ohne fleisch.] Der Herr Christus/ sagt der Autor/ war in der schoß des Vaters/ ehe er das fleisch an sich genommen/ ja als er das fleisch annam/ vndt nach dem annemen des fleisches. Dann der in der schoß des Vaters überal regieret/ sagt ein Altvater/ hatt in dem leibe der Jung- frawen das fleisch an sich genommen. Derselbte hat selbiges auch in die schoß der erden niedergelegt/ ohn das er dennoch auß der schoß des Vaters gegangen ist: biß das er aufferstanden vndt gen himmel gefahren ist. Vndt darumb strafft Cirillus in seinem buche gegen die Anthropomorphiten die jenigen/ welche sagen durfften/ daß der eingebohrne Sohn Gottes/ als er mensch worden/ den himmel seiner Gottheit beraubt/ vndt niedergelegt habe stehen laßen. Auch darumb sagt Nyßenus sehr wol/ daß der Herr gesendet/ aber nicht geschieden worden. Er wirdt/ sagt er/ als er von der geburt redet/ gesendet durch die liebe so er zue den menschen trug/ nicht geschieden: weil die Natur der Gottheit nicht ge- schieden wirdt. Wie auch die Väter in dem Synodo zue Nicenen: Er ist/ da er Gott war/ kommen auff die erde/ hatt mitt dem fleische die größe seiner Gottheit bedecket/ vndt diß nach sei- nem willen. So daß er den himmel nicht verließ; gleich wie er auch/ ehe er daß fleisch annam/ nicht außer der Welt war. Er war Gott/ er ist Gott; wie Gelasius wol sagt. Darumb wie es war ist/ das er blieb wo er war/ weil er blieb das er war/ als er gebohren wardt: [64] also ist es war das er blieb wo er war/ auch in dem tode: als weil er blieb bey Gott/ blieb Gott/ blieb im leben/ vndt blieb daß leben.

622 Begraben wardt das fleisch mitt hoch erkaufften gaben.] In diesem verse ist nichts vergeblich gesagt/ ja selbst die letzten worte. Der Autor versteht durch die hoch erkaufften gaben die Myr-

[Druckausgabe S. 361]
rhen vndt Aloe/ so Nicodemus zur begräbniß gegeben auff daß auch deßen leib nicht solte vergehen/ der das leben selber war. Vndt darumb können wir ohn schrecken vndt trost diß nicht be- dencken/ als das auff eine zeit das fleisch in der erde gewesen/ die seele im himmel/ die Gottheit bey allen beyden: welche den Sche- cher dahin gezogen wo die seele war/ vndt gemacht daß das fleisch nicht verwesete welches in dem grabe war. So daß das wort vndt die seele geblieben sindt wie sie waren/ da das fleisch in dem grabe war/ vndt daß fleisch so in dem grabe war ohn verterb ge- blieben ist als es in dem grabe war: durch die krafft der Gottheit vndt ewige versehung deßelbten/ deßen fleisch eine versicherung des vnsrigen war/ das im grabe ruhen soll: ein trost vnserer natur/ die in Christo mitt der göttlichen mitt dem fleische aufferstanden vndt auff genommen ist/ vndt in einem jeglichen von vns noch aufferstehen soll. Ja die aufferstehung des Herren stellt ein gesetze für die vnsrige; weil er den leib/ den er von vns genommen/ in seiner aufferstehung vernewret hatt/ vndt alle glieder dahin zeucht wo das haupt ist. Zum letzten zu erfüllung des ortes/ Psal. 16:10. Du wirst nicht zuelaßen/ daß dein geliebter das verterben sehe. Wie diß auff Christum auß gelegt wirdt/ Act. 2:31.

623 Die seele stets bey Gott.] Der Autor hatt hier fürsichtig ge- redet/ zue wiederlegen die meinung des Euthimius/ vndt etzlicher anderer Griechischen Väter/ welche den ort Luc. am 23:43. da der Herr dem schecher/ der als ein mörder an das creutze kommen war/ vndt durch sein bekendniß starb als ein märterer (wie S. Hieronymus von jhm sagt) zuesagt/ daß er heute mit jhm solle im Paradeiß sein/ von der Gottheit des Herren verstanden haben/ die doch überall ist/ vndt auch bey dem mörder als er diß verhieß: wie auch gegen andere/ welche sagten/ der Herr rede von dem Paradeis welches Adam für dem fall bewohnet hatte. Vndt spricht darumb/ Daß die seele des Herren bey Gott vndt dem mörder war/ daß ist/ bey der ruhe/ die den seligen nach diesem leben vom Her- ren bereitet ist.

[65] 627 Da sehen wir euch drey vndt doch nur eines sein.] Weil die Gottheit dreyfaltig in personen/ vndt dennoch einig in drey- faltigkeit ist. Darumb wann wir glauben an den Vater/ den Sohn/ den H. Geist/ welche drey sindt; so glauben wir an Gott/ der einer ist/ (nicht an Götter/ die viel sindt/ wie die Heiden thun) dieweil sie ein Gott sindt. Dann angesehen daß sie Vater/ Sohn/ H. Geist

[Druckausgabe S. 362]
sindt/ muß man wißen daß sie personen einer Gottheit sindt: angesehen daß sie Gott sindt/ muß man wißen/ daß die per- sonen eine gemeine Natur haben; vndt diß wiederumb/ weil sie ein Gott sindt.

629 O rechter todestodt.] Weil er vndt kein anderer für vns gestorben ist/ der/ als er auff solche weise gestorben/ den todt überwunden hatt/ daß er den todt im tode [66] nicht gefühlet hatt; sagt Fulgentius/ in seinem 3. wieder Thra- simundum.

637 O könig sey gegrüßt.] Hier beginnt der Autor zue reden von den dreyen ämptern Jesu Christi dem königlichen ampte/ dem prophetischen ampte/ dem priesterlichen ampte. So war er auch ein König nicht allein der Juden/ wie die Juden spottes weise von jhm schreiben; sondern aller seinigen: ein priester nicht allein vor die seinigen; sondern auch vor seinen eigenen leichnam: ein Pro- phet vndt Herr aller Propheten/ die von jhm vndt durch jhn jhr ampt kräfftig bedient haben.

639 Melchisedech recht gleich.] Melchisedech war König: der Herr Christus ist König. Melchisedech war priester ohn ende: daßelbige ist der Herr Christus. Melchisedech war ohne muter: der Herr Christus ist ohne muter in ansehung seiner Gottheit. Mel- chisedech war ohne Vater: der Herr Christus ist ohne Vater in an- sehung seiner menscheit: Melchisedech war ohne geschlechte: der Herr Christus ist über alle geschlechte/ vndt ohn einiges ge- schlechte/ als der Gott ist. Melchisedech war über Abraham/ als dem Abraham den zehenden opfferte: der Herr Christus sagt Johan- nis 8:58. Ehe Abraham geboren gewesen ist/ bin ich gewesen. Vndt giebt darmit zue erkennen/ nicht allein daß er vor jhm war mitt der zeit/ sondern auch an herrligkeit vndt würden. Siehe von Melchisedech Genes. 14. Vndt die entgegen stellung des Herren Christi vnd Melchisedechs/ welche der Apostel macht zun Hebreern 7:1. vndt ferner. Vnter den Alten Vätern sonderlich Athanasium in seinem buche/ darinnen er zeiget/ Warumb Mel- chisedech gesagt wirdt ohne Vater/ ohne Muter/ ohne geschlechte zue sein.

640 Levit in ewigkeit] Weil er der rechte erstgeborne vnter seinen Brüdern/ das ist/ der rechte Israel gewesen ist/ beydes Priester in opfferung seines leichnams vndt Levit. Als wie dieselbigen den Prie- stern in jhrem ampte halffen vndt beystunden.

[Druckausgabe S. 363]

641 Gesalbter sey gegrüßt.] Das ist/ Christe/ oder Meßia. Siehe Esai. 61:1. Actor. 10:38.Sachanmerkung da von dieser salbung geredet wirdt.

643 Mitt specerey der frewd’ vndt öhl.] Siehe Psalm. 44:8.Sachanmerkung

644 Zue dem drey toppeln ampt.] [67] Oben allbereit erkläret.

644 auß dem du bist ernannt.] Nemlich Christus/ das ist/ Gesalbter.

[68] 645 weg/ warheit vndt das leben] Wie der Herr Christus sich selber nennt/ Johan. 14:6.Sachanmerkung Jesus sagte zue jhnen: Ich bin der weg/ die warheit/ vndt das leben. Der weg [69] (sagt Hilarius) weil wir durch jhn zum Vater kommen können. Die warheit/ weil er die lügen nicht kennet. Das leben/ weil er macht daß alles lebet.

646 Gott’s weißheit.Sachanmerkung] Der Sohn Gottes/ nicht allein die weißheit Gottes/ sondern die weißheit als Gott. Dann er wirdt die weißheit genennt/ zum ersten als Sohn/ zum andern als Gott. Gott der Va- ter/ sagt Augustinus/ ist die weißheit selbst: vndt der Sohn wirdt genennt die weißheit des Vaters/ gleich wie er genennt wirdt das liecht des Vaters/ das ist/ wie ein liecht auß dem liechte/ vndt alle beyde ein liecht. So daß sie beyde eine weißheit vndt ein wesen sindt. Wie die Väter vndt Petrus Lombardus/ der Meister der Sententien genannt/ beweisen; der mehr örter auß denselbigen/ welche hierzue dienen/ zue sammen gesucht hatt/ in seinem ersten Buche Distinct. 5. So wirdt auch der Sohn Gottes eigentlich die weißheit Gottes genannt. Siehe oben/ vndt selbigen Lombard. distinct. 10. Da er beweiset/ daß die weißheit Gottes bißweilen von der Göttlichen natur/ bißweilen von der person/ nemlich dem Sohne/ gesagt wirdt.

647 Das wort/ der schatz] Der Autor geht fort in diesem Verse/ wie er in den zweyen vorhergehenden angefangen hatt/ vndt setzt zuesammen die trefflichen namen/ welche dem Herren Christo in der H. Schrifft/ angesehen seine Gottheit/ rechtfertig- keit/ güte/ weißheit/ selig-machung/ versamlung der Kirchen vndt aufferbawung/ sampt noch mehr eigenschafften/ zuege- schrieben werden. Hilarius/ da er den Herren/ den Schatz nennet/ vndt saget/ daß er in der Schrifft also genennet werde/ in seinem

[Druckausgabe S. 364]
Buche von der einigkeit des Vaters vndt des Sohnes/ scheinet ge- sehen zue haben auff den ort 2. Cor.Sachanmerkung 4:7. da die erkändtniß Gottes in Christo Jesu ein schatz genennet wirdt: oder auff den andern zun Coloß. 2:3. deßen wir vnten erwehnen: wo der Autor den Her- ren Christus nicht allein einen schatz/ sondern einen grund- losen schatz/ nennet. Er wirdt (sagt vorgemeldeter Hilarius) ein schatz genennet/ weil alle verborgene reichthümber der himmel in jhm solten bekandt werden.

647 das netz’.] Siehe das gleichniß Matth. 13:47. da das Him- melreich einem netze vergliechen wirdt/ oder selbst der König des Reiches/ wie die Väter sagen/ der ein rechtes netze ist/ (spricht Hilarius in selbigem buche) weil durch jhn vndt in jhm eine menge der Heiden/ gleich als fische/ auß der [70] see des welt- lichen lebens in der kirchen/ da der vnterscheidt zwischen gue- ten vndt bösen verstanden wirdt/ versamlet wirdt.

647 der wunder-ackersman. Der seine schauffel tregt.] Also wirdt der Herr Christus genennt von Johannes dem Täuffer. Matth. 3:12. der auch die vrsach darbey setzt. Der die schauffel in seiner handt hatt/ vndt wirdt den dreschboden saubern/ vndt das korn in die schewren versammlen. aber die sprew mitt vnaußlesch- lichem fewer verbrennen. Welches anders nichts ist als eine be- drewung für die heuchler/ die in der Kirchen vndt vnter den glau- bigen verborgen liegen/ vndt jhnen selbst behagen/ wann sie von den menschen nicht erkandt werden: vergeßen aber darzwischen daß der jenige/ welcher das haupt ist seiner waren glieder/ auch der richter vndt vnterscheider der falschen sein wird. Welches ist der Herr Christus allein/ dem auch allein die schauffel zuegeschrie- ben wirdt/ damit er das korn von der sprew abscheiden sol. Wel- ches den Aposteln selbst (sagt Cyprianus in seinem 21.Sachanmerkung schreiben) nicht gegeben ist. Vndt in dem 21. Daß dem Sohne von dem Va- ter allein ist gegeben das korn von der sprew/ oder von dem vnkraute ab zuesondern.

651 der eckstein für das hauß.]Sachanmerkung Also wirdt der Herr genennet Esa. 28:16. Siehe ich lege in Sion einen grundtstein/ einen pro-

[Druckausgabe S. 365]
birstein/ einen köstlichen eckstein/ der wol gegründet ist. Psalm 118:22. Der stein den die bawleute verworffen haben/ ist der eckstein worden. Siehe auch Marc.Sachanmerkung 12:10. Luc. 20:17. Epheß. 2:20.Sachanmerkung da der Apostel sagt: daß die von Ephesus gebawet sindt auff den grundt der Apostel vndt Propheten/ nemlich Jesu Christum/ den eusersten eckstein. Welcher ort offentlich erweiset/ daß alle die andern von dem Herren Christo zue ver- stehen sindt; der/ wie Theophylactus sagt/ der rechte stein ist darauff die kirche gebawet steht/ verworffen von den weisen vndt lehrern dieser welt; insonderheit von den Juden/ wie der Herr auch vorgemeldeten ort Davids wieder sie gebraucht/ Matth. 21:42. Marc. 12:10. Luc. 20:17.

651 der bodenlose schatz] Weil der Apostel sagt/ Col.Sachanmerkung 2:3. Daß im Herren Christo alle schätze der weißheit vndt erkendniß verborgen sindt.

652 Der mitt der großen faust.] Sihe Esa. 40:12. Wer mißt die wäßer mit der faust vndt faßet den himmel mitt der spannen? [71] 653 Das Pascha.] Der Herr Christus wirdt das Pascha ge- nennt 1. Cor. 5:7. weil er ist das ware lamb/ das für die sünden der welt geschlachtet ist: wie das Lamb so auff das Pascha fest ge- schlachtet wardt/ auch das Pascha genennet wirdt/ Exod. 12:11.

653 brunn vndt quell.] Der Herr Christus wird ein brunquell ge- nennt (sagt Hilarius in seinem buche von der einigkeit des Vaters vndt des Sohnes) weil auß jhm die durstigen hertzen mitt der gnade Göttlichen waßers gelabt werden. Siehe Johan. 4:13.14. Der Autor nennet jhn/ den brunn vndt quell der lust voll nach genügen: weil alle lust/ so außer dem Herren Christo ist/ als wel- cher der einige quell der gnaden ist/ dardurch wir mitt Gott ver- söhnt vndt zue dem schmacke der rechten vndt vollkommenen lust gebracht werden/ eitelkeit vndt närrischer wahn ist.

654 Der erstling auß der schar die in der erden liegen.] Also wirdt der Herr Christus genennt 1. Cor. 15:23. von wegen der krafft seiner aufferstehung/ welcher alle die seinigen sollen theilhafftig werden. Dann wie vnsere Natur in jhm gebohren worden/ vndt seine geburt/ wie Leo sehr wol sagt/ vnserer anfang ist/ weil die geburt des haupts/ auch die geburt des Cörpers ist: also ist auch dersel-

[Druckausgabe S. 366]
bige im aufferstehen. Vndt darumb wirdt er der erstling der auff- erstehung genennet. Der erstling ist aufferstanden: hernach die Christo zuegehören/ sollen auffstehen in seiner zuekunfft/ sagt der Apostel.

655 Der rechte Friedens-Fürst.] So wirdt der Herr Chri- stus genendt Esa. 9:5. da er sagt/ als er im geiste von seiner zuekunfft redet: Dann ein kindt ist vns gebohren/ ein Sohn ist vns gegeben/ die Herrschafft ist gelegt auff seine schultern. Man wirdt jhn heißen WunderbarSachanmerkung/ Rhat/ Gewaltig vnd mäch- tig/ den Vater der Ewigkeit/ den Fürsten des Friedens.

655 der große menge voll Der starcken etc.] Der Autor hatt hier sein augenmerck gehabt auff den ort Esa. 53:12. da vom Herren Christus gesagt wirdt: Darumb wil ich jhm große hauffen zur beutte geben/ vndt er wirdt die starcken zum raube haben/ weil er sein Leben in den todt gegeben hatt.

657 Derselbe diesen tag.] [72] Der Autor hatt angesehen auff den ort Hebr. 13:8. Jesus Christus ist heute vndt gestern der- selbige/ vndt in ewigkeit.

658 Des Rhates Engel auch so lange war verborgen.] Der Engel/ das ist/ der bote. Dann das Griechische wort/ von dem das vnsrige herkömpt/ so viel bedeutet. Nun stehet hier zu mer- cken/ das die Väter in dem orthe Esa. 9:5. der oben schon angezo- gen worden da andere Dolmetscher nach dem Hebreischen texte es übersetzen: Wunderbar/ Rhat/ oder der wunderbare Rhat/ den ort also außgelegt haben/ nach dem Griechischen texte/ wel- cher hatt der Engel oder bote des großen rahtes. Wie dann vnter denSachanmerkung Griechischen gethan haben Athanasius/ Justinus Martyr in seiner andern verantwortung der Christen/ vndt gegen Try- phonem; Epiphanius gegen die Arianer; Dionysius Areopagita in seinem Buche von den himmlischen kräfften/ cap. 4. Acacius Bischoff zue MileteneSachanmerkung in dem Synodo zue Epheso. Vnter den La- teinischen Tertullianus im buche vom fleische Christi/ Cyprianus im andern von den zeugnißen wieder die Juden/ Hieronimus über die worte Esaiae. Welcher auch die vrsachen darbey setzt/ warumb die Dolmetscher im selbigen vom Hebreischen texte ge- wichen sindt. Petrus Diaconus im Buche von der Menschwerdung

[Druckausgabe S. 367]
vndt gnade Jesu Christi; Hilarius im 4.Sachanmerkung Von der Dreyeinigkeit; Augustinus im 18. von der Stadt Gottes/ vndt im 2. von der Drey- einigkeit/ cap. 13. Vndt Novatianus in seinem; Ambrosius über das 10. cap. zun Römern/ Epiphanius in seinem Ancyrotus. Vndt mehr andere. Doch der Herr Christus wird also genennt in an- sehung seines Prophetischen amptes. Vndt dannenher sagt Ter- tullianus sehr wol in seinem erstgemeldeten buche: Er wird ge- nennt der Engel oder bote des großen rhates/ zue erkennen zuegeben nicht seine Natur/ sondern sein ampt. Vndt Diony- sius: Daß er der Engel des großen rahtes genennet wirdt/ weil er/ wie er auch englischer weise von jhm selber redet/ alles das jenige was er vom vater gehöret hatt/ vns verkundtschaffet hatt. Vndt Augustinus im 18. Von der Stadt Gottes sagt: Es sey sich nicht zue verwundern/ das der Herr Christus der Engel deß Allmächtigen Gottes genennt wirdt. Dann wie er ein knecht/ (spricht er) genennt wirdt weil er in knechts gestalt zue denSachanmerkung menschen kommen ist; also wirdt er auch ein Engel genennet/ wegen des Evangelii/ welches er den menschen verkündiget hatt. Daß auch der Sohn Gottes allenthalben in der H. Schrifft der Engel genennet wirdt/ ist be-[73]kandt. Als Genes. 48:16. nennet jhn Jacob den Engel/ der jhn von allem übel bewahrt habe. vndt an andern orten der Engel deß Jehova/ vndt/ der Engel des bundes. Siehe auch die trefflichen orte/ Exod. 3:2. 23:20.Sachanmerkung vndt 23. Dann im 16. Gen.Sachanmerkung da der Engel Jehova der Agar die geburt Ismaels verkündiget/ will Hilarius daß es Gott selber/ daß ist/ der Sohn Gottes solle gewesen sein. Wie wol Tertullianus dasselbige nicht zuestehet.

658 Des Rhates.] Nemlich/ der seligmachung: oder/ wie es S. Hieronymus außlegt: daß die Juden auff eine zeit verworffen werden/ vndt die Heiden die seligmachung empfangen solten.

659 Der Engel der sein Volck.] Der Autor hatt gesehen auff den trefflichen ort Exod. 23:20. da der Herr sagt: Siehe ich sende meinen Engel für dir her; auff das er dich bewahre auff deinem wege/ vndt das er dich bringe an den ort welchen ich

[Druckausgabe S. 368]
dir bereitet habe. Siehe daß du achtung auff jhn habest/ höre seine stimme/ vndt verachte jhn nicht. etc. welcher Engel ge- wesen ist der Herr Christus; der Engel Gottes/ vndt Gott selbst.

663 Des Davids deines knechts Herr/ meister/ Capitein.] Der Herr Christus ist ein Sohn Davids gewesen nach dem fleische/ vndt ein Herr vndt Meister deßelben nach seiner Gottheit. vndt darumb sagt ein Altvater sehr wol: Wie der Herr/ angesehen daß er mensch ist/ auß Abraham ist; so ist er auch/ ange- sehen daß er Gott ist/ für Abraham. Vndt wie er als mensch ein Sohn Davids ist/ so ist er als Gott ein Herr Davids. Vndt darumb sagt David von sich selber/ Psalm. 110: Der Herr hatt gesagt zue meinem Herren/ setze dich zue meiner rechten.

664 der weingart.] Also nennt Herr Jesus sich selbst Johann. 15:1.

664 vndt der wein.] In der einsetzung des großen Sacramentes/ das vns mitt jhm vereiniget.

664 Der hirt.] Siehe Johan. 10:11. da der Herr sagt/ Er sey der guete Hirte.

664 vndtSachanmerkung das schaff.] Also wirdt der Herr Jesus mehrmals in der H. Schrifft genennt/ [74] angesehen seine vnschuldt vndt gedult im leiden. Vnter andern bey Esa. 53:7.

665 Die fackel.] Also wirdt der Herr Christus/ oder wie es die andern geben/ die erlösung welche er seinem Volcke gethan/ vnter andern genennt von Esai. im 62:1. welcher anfengt: Ich wil nicht schweigen vmb Sions willen/ vndt vmb Jerusalems willen wil ich nicht innhalten/ biß daß jhr gerechtigkeit auff- geht als ein glantz/ vndt jhr heil entbrennt als eine lampe; oder fackel. Welches eine treffliche propheceyung ist von der herrlig- keit vndt fürtreffligkeit mitt welcher der Herr Christus seine Kirche ziehren soll wann er zue jhr kömpt; vndt von seiner gunst vndt sonderbaren liebe die er jhr beweisen soll.

665 das liecht.] Simeon in seinem Lobgesange nennt den Herren Jesum ein liecht zue erklärung (oder erleuchtung) aller völcker. Luc. 2:32.

666 Die in der finsterniß] Siehe den Lobgesang Zacharie/ Luc. 1. da er sagt/ daß der Herr Jesus kommen sey zue erscheinen denen/ die da sitzen im finsterniß vndt schatten des Todes.

[Druckausgabe S. 369]

667 Das ware horn deß Heil’s.] Siehe eben jhn Luc. 1:69. da der Herr Christus genennt wirdt das horn des heiles/ oder/ der seligkeit/ erwecket auß dem hause David.

667 die perle groß von preiß.] Der Autor hatt sein absehen ge- habt auff das gleichniß Matth. 13:45.Sachanmerkung da gesagt wirdt/ daß himmel- reich sey gleich einem kauffmann/ der guete perlen suchte/ vndt da er eine köstliche gefunden/ all das seinige verkaufft habe/ dieselbte zue kauffen. An welchem orte S. Hieronymus durch die perle versteht das gesetz vndt die Propheten/ derer ende/ ja auch innhalt der Herr Christus ist. Andere/ wie Chrysostomus/ die warheit: welche der Herr Christus selber ist. Das meiste theil der Vätern den Herren Christum selbst. Siehe vnter andern Theo- phylactum/ der mehrentheils überall Chrysostomo nachfolgt: vndt Isidorum Pelusiotam/ der absonderlich darvon gehandelt hatt im 28. Schreiben des 1. buches.

668 Die Sonne] Also wirdt der Herr auch in der H. Schrifft ge- nennt/ als Malach. 4:2. die Sonne der Gerechtigkeit. Euch aber/ sagt er/ die jhr meinen namen fürchtet/ soll auffgehen die Sonne der gerechtigkeit.

[75] 668 die stets scheint] Die nicht vntergeht. Vndt also sagt Esaias vom Herren/ 60:20. Deine Sonne wirdt nicht mehr vnter- gehen/ noch dein Monde den schein verlieren. Dann der Herr wirdt dein ewiges liecht sein/ vndt Gott deiner herrligkeit.

668 die rechte seelen speis’.] Also nennt der Herr Jesus sich selbst/ vnten in dem orte da er sein heiliges Nachtmal einsetzt/ Johan. 6. vndt beweiset daßselbte mitt vielen vrsachen.

669 DerSachanmerkung Adler] Also wirdt der Herr genennt. Jerem. 49:22. Siehe/ er fleucht herauff wie ein adler/ vndt wirdt seine flügel außbreiten über Botsra. Die vrsach wirdt hier vom Autorn ge- geben. Vndt vom Hilarius/ welcher auff diesen ort deutet/ vndt saget: Er wirdt der Adler genennet/ weil er nach seiner hoch- würdigen aufferstehung/ als mitt rudren der flügel/ zue dem Vater wiederumb ist auffgeflogen.

671 o schlang’ auß ertz erdacht.] Moses/ wie von jhm ge- schrieben steht Num. 21:9. machte eine metalline schlange/ vndt richtete sie auff zue einem zeichen; vndt wann jemanden eine schlange bieß/ so sahe er diese schlange an/ vndt blieb beym leben.

[Druckausgabe S. 370]
Gleich wie auch alle die/ so von der schlangen in Adam gebießen sindt/ sterben: es sey dann daß sie mitt augen des glaubens das an dem holtze des creutzes auffgerichtete zeichen anschawen/ vndt also lebendig bleiben. Wie die außlegung von dem herren sebst gemacht wirdt.

674 auch Daniel erfahren] Siehe die Historie von Bel zue Babel im 14. Danielis/ nach der gemeinen übersetzung;Sachanmerkung worinnen der Griechischen Theodotionis nachgefolget ist.

675 Durch welchen Sidrach frey] Siehe Danielis 3:19. vndt ferner/ wie Sydrach/ MescacSachanmerkung/ vndt Habednego/ durch befehl Nebucadnezars in den glüenden offen geworffen/ (dieweil sie das bildt das er setzen laßen nicht anbeten wollen) vndt von dem Engel darauß sindt erlöset worden. Vom vierdten hatt Nebucadnezar be- kannt/ daß er sey gleich als ein Sohn Gottes. Welches andere an- ders/ die Väter aber auff den einigen Sohn Gottes außgelegt haben. Dann weil er über die andern Engel war/ hatt der Heidnische Keyser/ der niemals [76] vom Sohn Gottes etwas gelesen hatte/ geglaubt daß er es were/ vndt also gevrtheilt/ sagt Ambrosius im 1. vom glauben. Siehe Tertull. im 4. wieder Marcionem: da er diesen ort zwey mal also außlegt. Siehe auch denselbten wieder Praxean: sampt den meisten von den Alten.

681 Laß deinen willen sich] Der Autor giebt nun zue erkennen/ daß der wille des gueten im menschen/ muß kommen von dem jenigen/ der den willen im menschen guet gemacht hatte; der/ wie der Apostel sagt/ in vns wircket das wollen vndt das voll- bringen.

683 vndt armer wille schwach] Vnser wille ist so in vns verter- bet/ daß er in dem verterbten menschen entweder vngebürlich zum bösen geneiget ist/ oder nicht gebürlich nach dem gueten stehet. Vndt diß ists was Fulgentius in seinem buche von der verordnung vndt Gnade/ fast mitt eben solchen worten sehr trefflich saget: Wir gefallen Gott nicht es sey dann daß wir wollen: aber von jhm wirdt es vns gegeben daß wir wollen/ von welchem wann der willen des menschen nicht zum gueten verendert wirdt/

[Druckausgabe S. 371]
so sucht er entweder allzeit das böse/ oder stehet niemals ge- bürlich nach dem gueten.

690 An rechte sicherung] Das ist die sicherung/ darvon der Apostel redet/ Coloß. 2:2. allda er dieselbte πληϱοφοϱίαν nennt/ das ist/ eine rechte vndt feste sicherung/ die in vnserm hertzen erweckt wirdt von dem H. Geiste/ vndt kräfftig zeuget von der liebe Gottes zue den menschen/ vndt sonderlich zue einem jeglichen be- sonders; mitt der versicherung/ daß vns nichts scheiden könne von der liebe Gottes in Christo/ vndt daß wir von jhm zur seligkeit ver- ordnet sindt. Auß welcher sicherung/ als auß seinem brunnen/ daß vnaußsprechliche seufftzen des geistes entspringet. Worvon gere- det wirdt Rom 8:26. vndt das vnaußsprechliche vertrawen/ welches rufft/ Abba Vater. Galat. 4:6.

691 Wie deine Märtyrer.] Die Märtyrer sindt die trefflichsten/ getrewesten vndt stärckesten sodaten der Herren Jesu; sindt auch von jhm gewaffnet worden/ gegen das fleisch/ den todt/ die hölle/ vndt den teuffel mitt einem starcken/ vnüberwindtlichen/ Gött- lichen glauben/ dadurch sie mitten in der pein/ als sie mitt dem geiste über alle pein/ über alle macht/ über fleisch/ todt/ hölle vndt teuffel gestanden/ mitt einem hohen vndt freyen gemüte/ jhren Herren/ capitein/ vndt meister bekandt/ gelobt/ gepriesen/ ja zue letzt jhm auch gefolget ha-[77]ben. Wormit sie vollkömmlich zue er- kennen gegeben/ wie Athanasius wol sagt/ daß der Todt von jhrem capitain allbereit überwunden were; den sie so wenig furchteten/ daß sie denselbten durch jhren glauben überwunden/ vndt jhnen zun füßen legten.

701 Wir lassen Esau stehn.] Der Autor übergehet mitt still- schweigen alle tunckele vndt vnnötige streithändel diesen punct betreffendt/ wordurch (Gott sey es geklagt) die Kirchen an jetzo zerrüttet werden; vndt leßt die jenigen darvon reden/ die es mitt gewalt verstehen wollen. Wordurch es offtmals geschiehet/ daß man jhm selber so viel zue thun macht/ daß man keine zeit hatt den außdrücklichen willen Gottes in acht zue nemen/ vndt den- selben mitt einem reinen hertzen zue bedencken. S. Augustinus saget in seinen schreiben/ darinnen er handelt/ Wie man Gott sehen solle/ sehr wol: Mich dünckt es sey mehr daran gelegen denen sachen nach zue suchen/ daß man wiße wie man leben muß/ als wie man reden muß. Dann die so vom Herren Jesu Christo sanfftmötig vndt niedrig vom hertzen zue sein gelernt

[Druckausgabe S. 372]
haben/ sollen mehr frucht bringen mitt gedancken vndt ge- beten/ als mitt lesen vndt hören. Er sagt auch/ er laße Esau stehn/ weil er außer Christo war/ von dem dieser Lobgesang redet: er war außer der Verordnung Gottes/ oder der Praedestination/ belangendt die Kinder Gottes/ die außer Christo/ vndt in den gott- losen keinen platz hatt. Gleich wie auch niemandt in Christo/ oder von Gott/ durch die Verordnung zum bösen gebracht oder ge- zwungen wirdt/ wiewol Gott das böse zue vorhin weiß/ vndt das verterben zue vorhin siehet; deßen vrsache das böse ist: nicht er der guet ist/ vndt den menschen also geschaffen hatt.

[78] 702 warumb Gott kein behagen Zue jhm trug eh er war.] Der Autor redet nun von der verwerffung vndt Erwehlung/ die eigent- lich vnter der verordnung oder Praedestination begrieffen wer- den: wie wol die Alten diß wort mehrentheils von der Erwehlung allein gebrauchen. Durch diß dann das wir wißen/ daß Jacob so wol als Esau in der erbsünde ist empfangen vndt gebohren worden/ vndt daß keiner von jhnen bey den mitt dem Glauben oder deß- elbten krafft (als wie Pelagius meinete/ daß der glaube in der macht der Natur were) ist empfangen vndt gebohren worden/ fragen etz- liche/ warumb Gott Esau weniger als Jacob erwehlet habe. vndt ob eine andere vrsach gewesen sey/ als das guetbedüncken des Her- ren/ welcher sich erbarmet weßen er will Exod. 33:19. Röm. 9:15. nemlich die sünde in Esau/ vndt daß er Gottes gnade verworffen hatt.

705 Beginnt von vnten an.] Dieweil etzliche die vrsach der Er- wehlung mitt macht vndt gewaldt erforschen wollen/ vndt höher gehn als sie begreiffen können/ vndt diß zwar zue vnruhe jhrer seelen/ wie auch zue zanck mitt jhrem nechsten/Sachanmerkung kömpt der Autor allhier/ vndt giebt den gottesfürchtigen einen gueten rhat/ in dem er alle schlechte einfeltige menschen anweiset/ wie sie gerühiglichSachanmerkung vndt mitt frewden jhrer seligkeit die lehre der verord- nung oder Praedestination gebrauchen/ vndt jhrer Erwehlung ver- sichert sein sollen. Welches/ sagt er/ geschehen wirdt/ wann wir von unten an/ das ist/ von den früchten/ vndt nicht von der vr- sach der Erwehlung/ beginnen. So das ein jederer nachfolge den fuß- stapffen des Herren Jesu/ seine augen habe auff alle dem was er ge-

[Druckausgabe S. 373]
than vndt vns gelehrt hatt/ bitte vmb seinenSachanmerkung geist/ vndt stehe durch hülffe deßelbten ab von allen sünden/ verendere sein altes leben/ vnd beginne ein newes. Worauß er empfinden wirdt die krafft des glaubens vndt die liebe Gottes/ welche das rechte zeichen der Er- wehlung ist: also das er nicht weiter gehet/ noch von oben an- fengt/ das ist von der vrsach der Erwehlung redet. Dann die so sich vmb dieselbige zue sehr bekümmern/ begreiffen sie nicht/ vndt verlieren auch die früchte.

[80] 710 den du wirst offenbahren.] S. Augustinus/ als er von dergleichen streit sachen redet/ Als dann wirdt man wißen (sagt er) nemlich im ewigen leben/ warumb von zweyen kindern das eine ist angenommen worden durch barmhertzigkeit/ vndt das andere verworffen durch gerechtigkeit.

716 nur das er jhm es gab.] Nemlich/ den glauben/ der von dem Herren kam. Der Autor hatt außgedruckt die Synodalischen worte der Väter oder Bischoffe in Africa/ so deß glaubens wegen in Sardinia verbannet worden/ welche von dieser Außerwehlung also schreiben: Vorwar der Herr hatt in Jacob nicht erlesen noch außerkohren die menschlichen wercke/ sondern die Göttlichen gaben.

722 da wirdt von vns vertrieben Die ruhe/ die süße rhue.] Dann in dem die menschen suchen das geheimnis Gottes/ verlie- ren sie das erkendtniß Gottes; vndt in dem sie wißen wollen was sie nicht wißen können/ laßen sie nach zu wißen das jenige was sie wißen mußen. Wordurch sie letzlich auch verlieren (wie ein Altvater wol sagt) die ruhe vndt frieden/ durch welchen sie Gott verlieren. Vndt dencken nicht auff diß was vom Augustino auch sehr trefflich gesagt wirdt/ Daß es besser ist an verborge- nen sachen zue zweiffeln/ als von vngewißen zue hören.

725 wirdt vns der Sohn genommen] Ohn welchen niemandt verstehen kan den willen des vaters; alß der durch jhn geoffen- bahret ist. Darumb fallen die jenigen/ welche außer vndt ohn jhn von Gott vndt seiner Natur wißen wollen/ in den abgrundt der vn- wißenheit/ vndt werden ein spot des teuffels/ der vns allzeit ver- sucht weg zue leiten von Christo/ damit er vns bringe von Gott: zue welchem wir durch seine lehre vndt menschwerdung kommen mußen. Dann der Sohn Gottes vereiniget vns auff zweyerley art

[Druckausgabe S. 374]
mitt dem Vater. Erstlich/ durch seine lehre/ weil er vns dadurch bringet zue dem Vater: Zum andern/ durch seine menschwerdung/ weil er/ wie Cyprianus wol sagt/ das bandt ist/ welches vns mitt dem Vater vereiniget: mitt vns menschen/ als mensch; mitt Gott dem Vater/ als Gott vndt ein Gott. Wie er auch/ weil er im Him- mel [81] ist/ vnser fleisch bewahret zue einem pfande: vndt vns seinen Geist allhier leßt zum gegenpfande. Darumb/ damit wir zue Gott kommen/ mußen wir seiner lehr allein folgen/ vndt außer derselbten nicht gehen: vndt/ damit wir mit Gott vereinigt werden/ mußen wir erstlich mitt jhm vereinigt werden/ durch seine lehre/ vndt den gebrauch der siegel derselbten. Welches die jenigen nicht thun können/ die sich mitt vnnöttigem gezäncke vndt tieffen ge- heimnißen zue sehr bemühen.

[82] 746 Dich suchen da du scheinst.] Daß ist/ da du wilst erkandt sein; nemlich/ in deinem worte.

747 wie Moses dich erkandt.Sachanmerkung] Das es der Sohn Gottes gewesen sey/ der das gesetze in Sina verkündigt hatt/ bezeugt die H. Schrifft selber. Wie oben erwiesen ist auß dem orte Hebr. 11:26. Ac- tor. 7:38. Siehe auch mehrentheils alle alte Väter/ so hierinnen derselbten nachfolgen.

748 Mitt fewer gantz vmbringt.] Siehe Exod. 19:18. vndt von da ferner. Wo beschrieben wirdt/ mitt was für vnaußsprechlicher Majestet der Herr bereitschafft gemacht sein gesetze zueverkün- digen. Die jehnigen welche den Heiden jhre ceremonien vndt ge- setze gegeben haben/ als Minos/ Lycurgus/ Numa vndt andere/ damit sie jhnen bey dem Volck ein ansehen machten/ sagten das sie dieselbten etwan von einem jhrer Götter empfangen hetten: Minos vom Jupiter/ Lycurgus vom Apollo/ Numa von Egeria. Der Gott der heerscharen ist mitt fewer/ mitt schrecklicher Majestet/ mitt grawsamen klingen der Posaunen vndt Trompetten/ mitt vmgewütter vndt Donner auff den berg kommen/ vndt hatt allda sein gesetze verkündiget: nicht allein größer an Majestet als alle menschen/ sondern deßen gegenwart seiner Majestet wegen kein mensch vertragen kundte. Siehe Exod. 24:17. wo die gegenwer- ttigkeit des Herren ein verzehrendes fewer genennet wirdt. Dann daß Moses allein für jhn kam/ kam allein von jhm/ der jhn stärckete.

[Druckausgabe S. 375]

757 Vndt als dich Pharao.] Gleich wie die H. Schriefft vns klärlich zue erkennen giebt/ daß es der Herr gewesen sey/ der das gesetze verkündigt hatt/ worvon biß hieher ist [83] geredet worden: also lehrt vns auch dieselbige/ daß kein anderer dieses übertreffliche mirackel/ zue beschützung seines volckes/ gethan habe als der Herr Jesus; der nemlich in einer wolcken gestanden/ mitt Israel gefochten/ vndt den Pharao letzlich in das meer gestürtzet hatt. Dann Exodi im 14. cap. da diese historie beschrieben wirdt/ sagt der H. Geist/ Daß der Engel des Herren gegangen sey vor dem läger Israels/ vndt hernach sich hinter sie gemacht/ vndt hin- ter jhnen gegangen sey. Nemlich im 19. verse. Vndt wiederumb hernach im 14. cap.Sachanmerkung daß Gott selber/ in einer fewersäulen/ vndt in der wolcken/ seine augen auff das Egyptische läger gewendet/ vndt solches geschlagen habe. Welchem die Väter recht gefolget/ vndt es dem Herren Christo zuegeschrieben haben: Man ließt auch noch einen Griechischen Lobgesang auff das begräbniß Christi/ welcher sich anfengt: Der mitt dem waßer der see bedeckt hatt den ver- folger/ Den tyrannen: der habe vnter der erden Bedeckt die kinder des volckes welchen er damals geholffen hatt. Wie auch einen andern Damasceni: der sich auch von selbigem mirackel anhebt. Auff daß alle große seelen sich frewen/ wann sie dencken vndt betrachten/ daß sie einen Seligmacher haben/ der/ auch da er Gott allein war/ bey seinem Volcke gewesen/ jhm geholffen/ vndt seine feinde geschlagen hatt. Dann für die anderen/ welche darmit spotten/ wirdt er ein richter sein. Der Autor aber hatt diß hier nicht vergeblich einführen wollen/ sondern überall auff die Schriefft vndt die Väter ein auge gehabt/ damit er beweisen möchte/ Daß wir den glauben nicht mußen leiten wohin wir wollen/ sondern folgen wohin er leitet: vndt den nachkommenen nicht das vnsrige geben/ sondern diß bewahren was wir von den alten haben. Wie Vincentius Lirinensis sehr wol sagt in seiner Vermah- nung wieder die Ketzereyen.

759 Dein so erkohrnes theil.] Also wirdt das volck Israels ge- nennt. Deuteron. 32. vom Mose in seinem trefflichen Lobgesange/ da er sagt: Dann desSachanmerkung Herren theil ist sein volck/ Jacob ist die schnur seines erbes.

[Druckausgabe S. 376]

759 vndt erbschafft.] Daßelbige volck wirdt das erbe/ vndt erbtheil/ oder erbschafft des Herren genennt an vielen orten/ als 1. Reg. 8:53.Sachanmerkung Siehe auch Deuteron. 4:20. 2. Sam. 21:3. Psalm. 47:5. Zach. 2:12.Sachanmerkung

759 herde.Sachanmerkung] Ist der Herr Christus/ wie oben gesagt/ vndt er sich nennet/ ein hirte/ [84] so muß auch Israel/ welches eigentlich in der ersten zeit vndt allein sein volck genennet wirdt/ auch seine herde vndt vieh sein. Wie es auch geheißen wirdt an vielen orten. vndt insonderheit beym Jerem. im 13:17. vndt im 23. cap.Sachanmerkung im 2. auch kurtz hernach im 3. verse.

760 mitt dem winde.Sachanmerkung] Daß der Herr den windt gebraucht habe in verterbung Pharaons vndt der seinigen/ erscheint auch auß dem 1. Lobgesange Mosis/ Exod. 15: da er sagt im 10. verse; Da ließest du deinen windt blasen/ vndt das meer bedeckte sie/ vndt suncken vnter wie bley im mächtigen waßer.

766 Wirst neben bey was wir.] Nemlich mensch/ das wir sindt. Dann der Herr Christus/ wiewol er das fleisch annam/ blieb doch gantz in dem Vater das er war: vndt wardt gantz in der Jung- frawen das er nicht war: vns zue helffen auß dem jenigen das wir waren/ vndt zue machen das wir nicht waren. Wir hatten nichts von dem jenigen das er war: er hatte nicht das jenige das wir waren. Biß das er angenommen hatt das jenige das wir sindt: vns mitt zue theilen das jenige das er hatte. Welches allen trost vndt alle hohe gedancken übertrifft. Vndt diß ists was Ambrosius sagt: Ich hatte das seinige/ er hatte das meinige nicht/ auff daß er mir mit- theilete von dem seinigen.

766 neben bey.] Diß wort ist nicht vergeblich oder vnkräfftig: sondern zue verstehn zue geben/ daß die Gottheit nicht sey ver- endert worden in die menscheit/ sondern daß die menscheit/ die er nicht hatte/ angenommen wardt von der Gottheit/ die in jhm blieb das sie war. Der Autor braucht das wort neben bey/ an zue deuten daß er/ der von ewigkeit Gott war/ als er mensch worden/ nicht verlaßen was er war; wie Gennadius wol sagt/ sondern sich neben bey/ erniedriget habe/ damit er würde was er nicht war.

[Druckausgabe S. 377]

768 Vereiniget mittSachanmerkung dir.] Vnsere Natur ist mitt dem Herren ver- einiget/ sagt der Autor/ solcher maßen/ daß er/ der des Vaters Na- tur hatte/ auch des menschen Natur hat haben wollen. auff daß/ wie er eben derselbte bleibt mitt dem Vater/ in ansehung seiner Natur/ da er ein anderer ist als der Vater in ansehung der person/ er auch/ als dieweil er zwo naturen hatt/ des Vaters vndt vnsere/ dennoch nur einer verbleiben solte in ansehung der person. Vndt auff daß/ wie der Sohn nicht kan gescheiden werden vom Vater/ der einigkeit der Natur wegen/ auch der Mensch nicht solte geschei- den werden von Gott/ als deßen Natur [85] von dem Sohne Gottes in einigkeit der person angenommen ist. Dann es eben derselbige ist; Christus Gott/ vndt Christus Mensch: vndt alles beydes zue troste des menschen. als der Gott gewesen/ Gott blieben/ vndt mensch ist worden wegen des menschen.

769 So daß die menscheit.] Die menscheit/ sagt der Autor/ sitzt wo die Gottheit ist in Christo. das ist/ zur rechten handt des Vaters. Vndt diß ists was von Ambrosio gesagt wirdt im 4. Vom glauben: Daß wie wir zur rechten handt des Vaters in jhm (nemlich Christo) sitzen/ nicht daß wir mitt jhm sitzen/ sondern daß wir in Christo sitzen/ durch die vereinigung des leibes Christi/ wir auch also in Christo leben/ durch die vereinigung seines leibes.

769 So daß die menscheit.]Sachanmerkung Die menscheit ist in Christo erhaben/ wiewol die menschen noch zue dem nicht erhaben sindt: ja vnser haupt ist erhaben/ vndt wir die glieder in dem haupte. Vndt darumb sagt Maximus Taurinensis/ als er von diesem geheimniße redet: Wo ein theil von mir regiert/ da glaube ich daß ich auch re- giere: wohin mein blut erhaben wirdt/ empfinde ich daß ich erhaben werde: wo mein fleisch verkläret wirdt/ da weiß ich daß ich verkläret werde. Vndt ein wenig darnach: Dann wie vnser Gott in jhm ist also ist vnser blut in jhm. Vndt darnach: Dann vnser fleisch hatt vns in Christo lieb; weil wir sindt seine glieder vndt fleischSachanmerkung; wie der H. Apostel sehr wol sagt. Kürtz- lich/ der Herr ist fleisch von unserm fleische worden in seiner ge- burt/ wir werden fleisch von seinem fleische in vnserer wiederge- burt. So daß wir notwendig in jhm sindt was er ist/ der vnsert-

[Druckausgabe S. 378]
Vndt darumb lehret der Apostel 1. Cor. 6.Sachanmerkung Das wir Christi glieder/ ja nicht vnser eigen sindt: daß vnserer leib/ vnserer geist/ durch jhn vndt in jhm Gott zuegehören. daß der Herr vns erwecken wirdt durch die krafft deßen der erwecket ist: an welchen wir gebunden vndt fest verknüpffet sindt/ als wie glieder an einander; vndt folgendes also/ daß die glieder allbereit in dem haupte erhaben sindt. Wie er deutlich saget Ephes. 2:6. Daß der Herr vns sampt Christo in das himmlische wesen gesetzt habe.

770 hatt gleiche macht bekommen In dir der beydes ist.] Dieweil sie mitt der Gottheit in eine person vereiniget ist. Vndt darumb sagt Chrysostomus über die Epistel an die Hebreer gar recht: Es ist eine sache die groß/ die schrecklich vndt wunder- barlich ist/ daß vnser [86] fleisch oben sitzet/ vndt von den Engeln vndt Ertzengeln vndt Cherubin vndt Seraphin ange- betet wirdt. Welches wann ich offtmals betrachte/ gehe ich außer mich selbst/ vndt kriege ein großes gefallen an dem menschlichen geschlechte. Vndt auch sehr billich/ als welches der Herr Christus mitt einem dreyfächtigen bande in sich vereini- get hatt: Erstlich/ seiner ewigen erwehlung/ damit er vns zue seinen gliedern erkohren hatt: zum andern/ vnsers fleisches/ das mitt jhm in einer Person vereiniget ist: zum dritten durch das bandt seines Geistes/ der vns vollkömmlich in vndt mitt jhm vereiniget.

777 Damit nun vnsrer sinn.] Zue beschließung des Lobge- sanges deutet der Autor an das wie die menschheit im Herren Christo mit der Gottheit also vereiniget ist/ daß kein mensch/ ohn den Mittler zwischen Gott vndt menschen/ den menschen Christum/ zue Gott kommen kan; also auch derselbige vns ein mittel hinterlassen hatt/ mitt jhm vollkömlich vereinigt zue werden: nemlich die speise seines fleisches/ den tranck seines blutes. Wo- rinnen das leben der gleubigen/ die mittel des leichnams vndt des geistes deßelbigen theilhafftig zue werden/ vollkömlich bestehen. Wie dann auch diß das rechte brodt der Engel ist/ darvon der Pro- phet David redet/ Psalm 78:25. die rechte malzeit der seelen/ das ware manna der gnaden/ welches den hunger vertreibt in ewigkeit weil es ist das brodt von ewigkeit. Das Himmlische brunnenwaßer welches [87] den durst stillet/ weil es kömpt auß dem felßen der wegen dahin kommen wo wir sindt/ vndt worden ist was wir sindt.

[Druckausgabe S. 379]
Christus war/ wie der Apostel wol sagt/ 1. Corinth. 10:4. welches vnsere seele also nährt/ daß wir in das jenige was wir nemen auff- genommen/ in das jenige was wir eßen verendert werden. Wann wir deßen genießen wie wir sollen/ mitt einem festen glauben/ einem reinen gemütte. So das der Herr gleichsam in vns vndt für vnsern augen gecreutziget wirdt/ durch das gedächtniß seines lei- dens: vndt wir in jhm/ durch das tödten vnsers lebens.

781 nur nicht durch täglichs brodt.] Das ist/ durch vergäng- liches brodt/ oder das tägliche brodt/ darumb wir in dem gebete vnsers Herren täglich bitten. Wiewol S. Augustinus/ über die worte des Herren bey S. Luca/ auch daß brodt darumb wir bitten/ auff diß brodt deutet: wie auch Cyprianus in seiner außlegung über das gebet des Herren/ neben noch andern Vätern; weil sie deßelbten täglich zue genießen pflegten.

786 Wir lauffen mitt dem geist’ auch inner deine wunden.] Cyprianus sagt von diesem Sacramente in seinem buche welches er darvon geschrieben: Wir hangen hierdurch an dem creutze/ wir saugen hierdurch das blut/ ja wir stecken gar hierdurch in den wunden vnsers Seligmachers.

787 vndt mesten vns.] S. Augustinus/ über die worte des Herren bey S. Luca: Es ist wenig/ sagt er/ das wir empfangen/ vndt werden in dem hertzen gemesstet: dann das jenige nähret was wir glauben; nicht was wir sehen.

[88] 792 o großer Pelican!] Siehe hievon in der außlegung so vnten folgt/ da alle solche worte vndt art zue reden weitleufftig erklärt werden.

796 biß das wir truncken sein.] Cyprianus an erst gedachtem orte: Wie trefflich ist der kelch/ wie heylig ist diese truncken- heit da durch wir auß vns selber gehen/ vndt gehn zue Gott: vergeßen das vorige/ strecken vns auß zue dem folgenden. Vndt kurtz hernach: Diese trunckenheit steckt die sünde nicht an/ sondern lescht sie.

800 Zertreten Behemoth.] Also nennt der H. Job. 40:10.Sachanmerkung wie etzliche sagen/ den Elephanten: wie andere/ alle große vndt schreckliche thiere; zue verstehen zuegeben/ die macht des Her- ren. Der Autor hatt das wort hier gebraucht für alle gewalt/ son- derlich des teuffels.

[Druckausgabe S. 380]

800 stehn auff Leviathan.] Also wirdt in selbigem cap. Job. v. 20. der wallfisch genennt/ oder/ wie etzliche meinen/ alle grosse fische des meeres. Wie Esai. 27:1. daßelbige wort für den großen Drachen/ das ist/ den teuffel genommen wirdt. Da Procopius ver- zeichnet/ daß das wort Levithan ein eigner namen ist/ vndt also bey den Hebreern gebraucht wirdt; jedennoch aber den teuffel be- deutet. der nicht allein/ sagt er/ schlange/ drache/ sondern auch walfisch/ basiliscus vndt Löwe in der Schrifft genennet wirdt. Der Autor gebraucht sich mitt dem Propheten Job aller beyden worte/ anzuedeuten/ alle gewalt vndt kräfften/ die den menschen er- schrecken können/ oder die jhm zue mächtig sindt.

801 Erlöser.] Verstehe hierunter den namen Jesus.

801 Gesalbter.] Verstehe den namen Jesus.

[89] 802 Der du wirst ewig sein/ vndt ewig bist gewesen.] Apocal. 1:4.Sachanmerkung

803 O Alpha sey gelobt.] Das ist/ der anfang: wie das Alpha bey den Griechen der erste buchstaben ist vndt bey vns das A. Also wirdt der Herr genannt Apocal. 1:8. vndt 11.

804 O mega sey gegrüßt.] Das ist/ das ende: weil das Omega/ das ist/ das große O/ der letzte buchstaben in der Griechischen sprache ist. Als wie auch Christus das ende aller dinge ist. Apocal. 1:8. vndt 11: Ich bin das A vndt O: der erste vndt der letzte. Vndt Wer solte jhn nicht preisen/ (sagt Gregorius/ als er von der geburt des Herren redet) der von anfange ist? Wer solte jhn nicht loben/ der der letzte ist? Wer ferrnere außlegung auff diese buchstaben haben wil/ in ansehung daß sie auff den Herren Chri- stum gedeutet werden/ lese Tertullianum in seinem buche De Monogamia, Epiphanium in seinem Ancyrato/ der dieselbten auff die zwo naturen im Herren deutet: vndt OriginenSachanmerkung über Jo- hannem. Wir sollen vns an die worte des Heiligen Johannis halten/ vndt darbey bleyben.

Ende der Geistlichen auß- legungen.

[Druckausgabe S. 381]
[90]

Außlegung Etzlicher Weltlichen Historien/ wörter vndt arten zue reden/ die in diesem Lobgesange gebraucht werden.

DEr Autor hatt diesen Lobgesang also geschrieben/ daß er zue- weilen sich etzlicher Poetischen wörtererSachanmerkung/ anstadt anderer/ welche gemeiner sindt/ hatt gebrauchen wollen. Als da er die see Tethys/ das waßer/ Achelous genennt hatt. Welches dann niemandt ta- deln kan/ als wer die alten Lehrer/ denen er/ als den gelehrtesten vndt Gottseligsten nachfolgern der Propheten vndt Apostel/ auch darinnen folgen wollen/ nicht gesehen noch gelesen hatt. Vnter denen S.Augustinus nicht der geringste/ vndt der keine Poesie ge- schrieben/ im buche vom verstande der Christen die lehre be- treffendt/ das wort Tethys ingleichen für die see gebraucht hatt. Ja was mehr ist/ S. Ambrosius in seinem 3. vom Glauben/ hatt sein erstes capitel wieder diß volck geschrieben/ Die sagt er wann sie nichts wißen im glauben zu tadeln/ so tadeln sie etwas in wor- ten. Vndt erweiset/ daß der H. Apostel Paulus Actor. 17:28. sich gar hatt dürffen der worte des Poeten Aratus gebrauchen/ da er mitt denen von Athen redet. Vndt das die Propheten selbst/ nach der al- ten übersetzung/ Poetische worte gebraucht haben. Zum exempel/ Gigantes, Valles Titanum, vndt beym Esaias vndt Jeremias/ Sirenes, filiae Sirenum, welche worte von den Poeten entlehnt sindt. hatt gleich der Autor das wort Cocytus gebraucht/ als er von der höllen vndt ihrem pfuhl redet: so kan er doch sagen/ daß eben daßelbte gelesen werde in der Alten übersetzung Job. 21:33. Hatt er das wort Pytho/ für den teuffel/ daß ist/ die rechte schlange ge- braucht so wirdt er vnterschiedene örter auß der H. Schrifft an- ziehen/ wo eben diß geschehen ist. Alß Deuteron. 18:11. 1. Reg. 28:3. vndt 7.Sachanmerkung Wie auch 2. Reg. offtmals. Esai 8:19. 19:3. 29:4. Actor. 16:16. In welchen orten diß wort nicht allein für warsäger/ sondern auch für den bösen geist/ von den Dolmetschern genom- men wirdt. Als wie in dem letzten orte der Griechische text auch selbst hatt/ πνευ̃μα Πύϑωνος, der Geist Pythons. Worauß ge-

[Druckausgabe S. 382]
nungsam erscheint/ daß der H. Geist die lehre der Heiden ver- worffen habe/ aber nicht die worte. Diß sey dann allein für [91] die jenigen/ die ohn wissenschafft vrtheilen/ vndt meinen nach jhrem vrtheil; als wie sie auch vrtheilen nach jhrem verstande.

174 Der mitt dem plitze spielt.] Der Autor hatt auß gedruckt das Griechische wort τεϱπικέϱαυνος, welches der Poet Homerus ge- braucht hatt. Das ist der mitt dem plitze spielt/ oder/ sich er- getzet. Vndt schreibt daßelbige mitt beßerem rechte dem lebendi- gen vnd einigen Gott zue.

217 Neptunus.] Die namen dieser Götter sindt oben kürtzlich er- kläret. Der Autor sagt/ das da der Herr Jesus in das fleisch kam der der rechte vnd ware Gott mitt dem Vater war/ sey alles was er ge- macht hatte vnter die abgötter außgetheilt gewesen: nicht anders als eines sein guet getheilet wirdt/ der abgestorben/ oder außer- halb landes ist/ vnd für tod gehalten wirdt. Dem Jupiter/ welcher bey jhnen der Gott des Himmels war/ hatten sie den Himmel gege- ben/ dem Neptunus demSachanmerkung Gott der see die see/ dem Pluto dem Gott der hellen die hölle. So daß von allem was gemacht war nichts übrig blie- ben ist für den Schöpffer der alles gemacht hatte. Vndt diesen gantzen ort hatt der Autor genommen auß seiner Tragoedie/ Infanticidium, oder der todt der vnschuldigen kinder genannt/ die Herodes vmbge- bracht;* welche noch nicht ist herauß gegeben.

* Sie ist herauß kommen diese Michaelismesse/ vnter dem titul: Dan. Heinsii Herodes Infanticida.Sachanmerkung

225 Der Obrist’ über sie.] Jupiter: deßen schändliche wollüsten vndt Hurereyen vom Homerus vnd andern Poeten beschrieben werden. Worauß die Väter Tertullianus/ Cyprianus/ Arnobius/ Lactantius/ Minutius Felix/ Cyrillus/ Nazianzenus/ Theodoretus vndt mehr andere/ gegen die Heiden beweisten/ das es kein Gott sein könne/ der als ein ehebrecher von seinen eigenen dienern be- schrieben wirdt.

228 Wirdt baldt ein weißer Schwan.] Die Poeten sagen/ Jupiter habe sich in einen schwan verendert/ als er bey Leda der Helenen muter gelegen.

228 vndt baldt ein falscher Stier.] Da er sich zue Europa ge-

[Druckausgabe S. 383]
sellete. Siehe Ovid. 2. Metamorph. Moschum in seiner Europa, Apollodorum in seinem 3. Hyginum, vndt andere.

229 Was alle welt sonst strafft.] Auß der erst erzehlten Tra- gedie/ da der Autor sagt:

[92]
Quodcunque lex coercet, aut damnat pudor,
Virtus Deorum est.

Vndt:

Quod quisque peccat, Graia gens caelo dedit,
Colitque in aris. Roma suscepit nefas
Misitque in omnes, velaque errori suo
Pedemque laxat: Qua triumphatas videt
Sol ire gentes, et Quiriti limitem
Unaque terris figit extremum mare,
Arae sequuntur, templaque, et magni Dei
Gentis Latinae, sacra Victoris sui
Unaque habenas barbarus discit puer.
Qua serus Ister claudit errantes viros,
Cultorque Mithrae Tigris, et fluctu minor
Inobsequentes volvit Euphrates aquas,
Pontisque Araxes immemor terram premit,
Ubique Roma est: illa quos fecit Deos,
Indixit orbi.

236 Leßt seine Sonne stehn.] Dann die Persianer hatten die Sonne zue jhrem Gott/ die sie Mithram nennten.

237 Vndt da Araxes laufft] Ein fluß in Armenien. Der Autor nennt denselbten hier brückeloß/ wegen seiner geschwindigkeit vndt vnsinnigkeit die keine brücke vertragen kan. Vndt hatt ge- sehen auffSachanmerkung diß was Virgilius von jhm gesagt hatt:

pontem indignatus Araxes.Sachanmerkung
Araxes der sich grimmig regt/
Vndt keine brücke nicht vertregt.

239 vnartig] Der Autor nennt die Scythen vnartig (oder vn- freundlich) weil sie von den Griechen ἄξενοι, daß ist/ vnfreund- lich/ vndt feinde aller gäste vndt frembdlingen genennt werden.

[Druckausgabe S. 384]

240 Vndt auff den wagen lebt.] Die Poeten vndt andere Auto- ren schreiben/ daß die Scythen auff wagen leben/ vndt also jhre eygene häuser fortführen/ wann sie verreisen. [93] Darumb wer- den sie auch von den Griechen ἁμαξόβιοι, daß ist/ völcker so auff wagen leben/ genennet.

243 Läufft nach Eleusis zue.] Eleusis war eine stadt in dem gebiete der Athenienser/ da Ceres bey nachte gefeyert wardt; vndt diese feste oder heilige nächte worden Sacra Eleusinia genennet; darvon die Athenienser so viel hielten/ das sie dem Hercules den zuegang zue denselbigen verweigert haben: vndt worden so heim- lich vndt mit solchem einhelligen schweigen gefeyret/ das man von den jenigen welche schweigen/ vndt etwas sehr verbergen/ das sprichwort gebraucht hatt: Die Athenienser halten das fest des Eleusis. Vndt darumb nennet es vnserer Autor in obgedachter seiner Tragedien furorem tacendi daß ist/ ein wahnsinnigkeit oder/ vnsinnigkeit des schweigens. Vndt diß ist/ die ketzerey der Eleusis/ darvon Tertullianus in seinem buche gegen die Va- lentinianer redet/ vndt sagt/ alles was sie schweigen/ ist schande zue erzehlen. Siehe bey ihm die vrsachen.

243 nimpt fackeln in die handt.] Vorgemeldete nächte der Eleu- sis worden gefeyert zue ehren der Ceres/ die jhre tochter Prosper- pina mitt brennenden fackeln gesucht hatt/ nach dem sie vom Pluto entführt worden: Vndt darumb worden in denselbten auch fackeln angesteckt/ vndt mit der handt geschüttert. Worvon Sene- ca in Hippolyto, Euripides/ Claudianus/ vndt andere.

246 Vndt sucht Osiris sehr.] Dann Osiris war bey den Egyptern derselbige/ der Bacchus bey den Griechen war: welcher/ als jhn sein bruder Typhon zerrießen/ allererstSachanmerkung von Isis gesucht wardt. Welches die Egyptier mitt großem getümmel vndt abgötterey nach thaten.

247 Das weitberhümte kalb.] Der Autor versteht Apis. Also nannten die Egiptier das kalb welches sie anbeteten: Vndt das die Israeliter nach machten/ Exod. 32:4.

247 an einer seyten bundt.] Weil das kalb welches sie anbeteten vndt Apis hießen/ eine weiße plaße (wie Plinius bezeuget) an seiner rechten seiten hatte; fast wie die hörner des Mondens/ wann er an- fängt zue wachsen.

248 Den wilden Crocodil.] Ein wolbekandtes thier in dem Egyp-

[Druckausgabe S. 385]
tischen waßer Nil; welches die Egyp-[94]tier anbeteten. Der Autor nennet es wildt/ weil es auch offtmals der jenigen kinder ver- schlungen/ die es angebetet haben. Siehe vnter andern Maximum Tyrium im 38. gespreche.

248 Anubis] Siehe Plutarchum im buche von der Isis.

250 Helt viel auff Aarons rock.] Der Autor versteht die kleidung Aarons/ darvon geredet wirdt Exod. 28.Sachanmerkung da der Herr dem Moses be- fiehlt im 2. vndt 3. verse/ daß er Aaron solche kleider solle machen laßen/ als jhm zum dienste von nöthen weren. Insonderheit aber/ weil er vom rocke redet/ versteht er den langen rock/ der biß zun füßen des Aarons gieng/ voller augen/ gleich wie das werck ist/ welches wir Partrysoogen (Rebhünner augen) nennen; da ein anderer viel kürtzerer darüber gezogen wirdt/ Meghil Ephod ge- nannt/ daran granaten vndt glöcklein hingen. Siehe S. Hierony- mum im buche von Aarons kleidung.

282 Tritt Tityrus herbey.] Tityrus vndt Corydon sindt bey den Poeten/ Theocritus vndt Virgilius/ namen der hirten/ welche der Autor hier für alle hirten gebraucht/ wie Luc. 2:9. 10. 11. vndt ferner gesagt wirdt/ daß die Engel die geburt des kindes den hirten zum aller ersten angekündigt; Vndt das sie nach Bethlehem gegangen sindt/ vndt das kindt besucht haben.

292 Nicht Daphnis alte pein.] Auch ein namen eines hirten/ von deßen tode vndt betrawrung man sagt/ daß die aller ersten hirten lieder gemacht sindt. So daß es beym Theocritus ein sprichwort ist: τὰ Δάφνιδος ἄλγεα: Die pein oder schmertzen des Daphnis/ da die hirten bey demselbten von großem betrübniß reden wollen.

292 Melibeus.] Auch ingleichen eines hirten name.

293 Romulus wölffinn.] Von der die Historienschreiber vndt Poeten sagen/ daß Romulus vndt Remus seyen erzogen vndt ge- nährt worden. alß dann Livius/ Dionysius/ Plutarchus/ Virgilius/ Ovidius/ Propertius vndt andere bezeugen.

329 Gleich wie der schöne stern.] Der Autor scheint das gleich- niß 2. Reg. 23:4.Sachanmerkung im sinne gehabt zue haben/ Gleich wie das liecht vom morgen des morgendts scheinet ohne wol-[95]cken/ vndt gleich wie durch den regen das kraut herfür scheußt auß der erden. Wiewol es hier anders gebraucht wirdt.

[Druckausgabe S. 386]

348 Plejas.] Plejas ist das siebengestirn.

349 Orion geht durch jhn.] Ein zeichen im himmel bey dem andern/ Taurus genannt.

350 steht mitt dem bloßen degen.] Weil die Poeten sagen/ Orion stehe mitt einem bloßen gewehr im himmel/ vndt drewe.

351 Der wagen.] Das himmlische zeichen/ im Latein Ursa ma- jor, von den Griechen ἅμαξα, das ist/ der wagen genannt.

352 Der auß der kalten flut.] Der Autor hatt dem Homerus gefolgt/ welcher von diesem himmlischen zeichen also sagt:

.Sachanmerkung
Vndt Arctos den man auch den wagen offtmals nennt/
Der so die kalte flut der Tethys nimmer kennt.

352 der Tethys.] Das ist/ der see. Dann die Poeten sagen/ daß Tethys des Oceans haußfraw sey.

362 Laß jhm den purpurrock.] Der Autor versteht den rock/ den die Keyser vndt Feldtobristen der Römer anzogen/ wann sie triumphirten:Sachanmerkung den sie nenneten Togam palmatam; vndt von pur- pur mitt sternen gestickt war.

363 die Thonaw vndt der Rein.] Das ist/ Germania. Dann auch der Ister (oder die Thonaw) wie wir wißen/ daselbst entspringet. Wir wißen auch/ daß der Keyser Augustus durch seinen stieffsohn Drusum ein wenig für dieser zeit den ersten sieg auß Germanien erlangt hatt/ welchen nachmals Tiberius vndt Germanicus ver- mehrt haben. Wiewol mich bedünckt/ daß man dieses bequemer verstehen möge von der gräntzen des Römischen Reiches; welches vom Augustus biß auff Trajanum seine vollkommene größe ge- habt; darvon auch Au-[96]gustus die gräntzen/ in Ost den Eu- phrates/ in West den Ocean/ in Nort den Ister vndt Rein erstlich gesetzt hatt.

366 Biß auff Tarpejus berg.] Einer von den sieben bergen zue Rom sonst Mons Capitolinus genannt; auff den die Feldtherren stiegen/ wann sie triumphireten.

[Druckausgabe S. 387]

371 Daß Sina frölich werd’.] Der berhümbte berg in der wüsten oder wildtniße Pharan in Arabien/ auff dem das gesetze gegeben wardt/ vndt darauff der Herr mitt Moses redete/ mitt beseitschaf- fung darvon alles volckes/ der gegenwart seiner majestet wegen. Exodi 19. vndt 20.

372 Jordanes trost gewinn’.] Ein Fluß in Judaea/ wo die lade des bundes durchgegangen ist. Josue 4:11. vndt worinnen der Herr Christus/ die rechte lade des bundes/ ist getaufft worden; Matth. 3:15.

371 vndt Basan komm’ herbey.] Das landt des Königs Og/ das zum theil an den halben stam Manaße gefallen war/ vndt der berg in demselbigen gelegen; deßen die H. Schrifft offtmals erwehnet. Als Psalm 68. wirdt gesagt/ daß der Berg Basan/ ein berg Gottes sey/ vndt voll hoher klippen.

372 vndt Sion lustig sey.] Der erkohrene berg Gottes/ inner dem alten Jerusalem/ darauff der Palast Davids stundt/ vndt sein grab. als wie die Römischen Keyser auff dem berge/ Mons Pala- tinus genannt/ wohneten.

374 Vndt seine palmen trug’.] Dann Idumea war voller palmen/ welche auch bey den Römern den sieg bedeuteten/ vnd in der vic- torie gebraucht worden; als wie auch das wort palma selber für die victorie genommen wirdt.

375 die Cesar selber tregt.] Es war bey den Römern gebräuchlich/ daß der Feldtobriste nach dem triumphe auff das Capitolium auff seinen knien kroch/ vndt daselbst wartete biß jhm die botschafft gebracht wardt/ daß die gefangenen/ denen es sich gehörte/ vmb- gebracht weren. So baldt er die bottschafft empfangen hatte/ gieng er vndt legte einen lorberzweig in die schoß des Jupiters/ der allda gefeyert wardt.

488 Der Amphitrite selbst.] [97] Des Neptunus haußfraw/ des Oceans vndt der Doris tochter/ die von den Poeten für die see ge- braucht wirdt; als wie auch hier.

489 du solt die großen plagen So von dem Monden sindt.] Der Autor versteht die kranckheit/ welche man im Latein morbum Lunaticum, das ist/ die Mondensucht/ oder morbum comitialem: wir aber die fallende sucht nennen. Siehe Matth. 4:24.Sachanmerkung vndt 17:15.

495 Vndt Achelous naß.] Ein name eines alten flußes/ von dem die Poeten alles waßer also genennet haben: Als Aristophanes/

[Druckausgabe S. 388]
Virgilius/ vndt andere: wie auch der Autor allhier selber thut/ der hierunter das mirackel versteht/ so geschehen in Cana Galilaea/ Johan. 3.

537 Der vater Atlas.] Ein König in Mauritanien: von dem die Poeten sagen/ daß er in einen berg verendert sey/ vndt noch auff seinen schultern den himmel trage.

543 biß an Cocytus pful.] Ein höllischer fluß/ der von dem ge- häule vndt gethöne/ welches daselbst gemacht wirdt/ den namen hatt.

545 Der tolle Cerberus.] Der dreyköpffichte hundt; von dem die Poeten sagen/ daß er die thür der höllen bewahre.

549 Tisiphone.] Weil die Poeten sagen/ es seyen in der höllen drey Furien/ oder Göttinnen der wahnsinnigkeit/ welche die bösen plagen. Tisiphone/ Alecto/ Megaera.

551 Phlegethon.] Ein höllischer fluß/ also genannt/ weil er allzeit brennet. Vom Griechischen worte φλεγὲϑειν.

553 Gleich als auch Etna scheußt.] Der berhümbte berg in Sicilien/ so allzeit brennet.

554 Ein’ vngegründte see.] Der hochfliegende Pindarus geht niergendt so hoch/ als in seiner beschreibung des berges Aetna, vndt des Typheus der darunter liegt; im ersten liede seines andern buches/ Pythionica genannt/ welches andere sonsten falsch Pythia nennen. Vndt darumb haben die alten (vnter andern Ma- crobius im 5. buche Saturnal. im 17. cap.) des Pindari ort mitt des Virgilii/ so mehrentheils auß jenem genommen/ vergliechen vndt gegen einan-[98]der gestellt. Wie auch zue vnserer zeit vom großen Scaliger geschehen ist. Pindarus sagt vnter andern/ daß auß den innerlichsten winckeln des berges fewer quelle gespeyet werden; vndt daß gantze flüße der flammen herauß kommen/ die eine flut von schwartzem rauche herauß giessen. Welche treffliche hohe worte der Autor außgedruckt/ vndt ihnen nach- setzen/ ja auch zum theile das jenige hatt verbeßern dürffen was Pindarus gesagt/ in dem er nicht allein von fließen vndt quellen/ sondern gar von einer gantzen grundtlosen see der flammen redet.

Gleich als auch Etna scheußt auß seinen tieffen klüfften

Ein’ vngegründte see der flammen in die lüfften.Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 389]

555 In der Typheus steckt.] Typheus oder Typhon/ ein riese also genannt/ gebohren von Terra: der/ als er den himmel bestreiten wollen/ wie die Poeten sagen/ vom Jupiter vnter den berg Ina- rime; oder/ wie Pindarus/ Strabo/ Ovidius/ vndt der Autor wol- len/ vnter den berg Etna ist geworffen worden. Worbey sie auch sagen/ daß/ so offt er sich rhüre/ die gantze insel darvon erbebe. Welches anders zue verstehen ist. Dann daßelbige wort bedeutet einen starcken wirbelwindt/ der das schwefel so in dem berge liegt ansteckt; vndt weil solches nicht ohn großes krachen ge- schiecht/* sagt der Autor/ das Thypheus einen schrey von sich gebe.

* Heinsius: en geeft van onder eenen schreeu.

557 Trinacria.] Die insel/ sonst Sicilien genannt/ bey Italien.

729 Gleich als Bellerophon.] Ein Sohn Glaucus/ von dem die Poeten sagen/ daß er das fliegende pferdt Pegasus gezäumet/ vndt darmit gen himmel zue fliegen versucht habe/ durch hochmuth vndt hoffart.

731 Pegasus.] Das fliegende pferdt des Bellerophons/ wie erst gesagt.

731 vndt gleich als Phaeton.] Der Sohn des Apollo vndt der Cly- mene/ von welchem die Poeten sprechen/ daß er auff seines Vaters Apollo wagen zue sitzen versucht habe/ vndt von seinen pferden sey abgeworffen worden/ daß er auß dem himmel auff die erde gefallen.

792 o großer Pelican!] [99] Die alten sagen/ der Pelican sey von solcher art/ daß er jhm selbst die brust auffhacke/ vndt mitt dem blute so herauß laufft seine jungen speise. Andere sagen/ wie auch Epiphanius in seinem buche Physiologus genannt/ daß des Pelicans junge/ wann sie von der muter zuetode gefretzetSachanmerkung worden/ durch das männlein auß gar zue großer liebe wiederumb zum leben gebracht werden/ als welches seine seite verwunde/ vndt sie mitt dem blute welches herauß läufft wiederumb erwecke. Eines so wol als das andere schicket sich trefflich auff den Herren Jesum/ vndt darumb wirdt auch diß gleichniß hundert mal bey den alten Theologen gefunden: ja in allen alten häusern vndt kirchen/ wo der Herr an dem creutze hangt/ siehet man einen Pelican bey

[Druckausgabe S. 390]
jhm gemahlt vndt gemacht stehn. Wiewol die jenigen/ welche die Natur des Pelicans recht kennen/ diß auff keinerley weise können für warheit-gemeße halten. Der Pelican ist der vogel/ der vom Plinius Platea, vom Cicero Plateala, vom Plinius/ Hieronymus/ Eucherius/ Onocrotalus, von vns löffler oder löffelgans genennet wirdt; hier zue lande wol bekandt vndt gemein: mitt einem breiten schnabel (darvon er auch den namen hatt) vndt also vnbequem sei- nen leib zue durchbohren; wiewol er scharff gemahlet wirdt. Vndt scheinet diß darumb viel eher eine eigenschafft zue sein eines andern Vogels in Egypten/ den alten beßer als vns bekandt; von dem die Väter diese eigenthümberSachanmerkung genommen/ vndt so viel überall schreiben.

Ende.

[Kolophon: siehe Einleitung]




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),