Das IV. Capitel.

[871] Trawrigkeit der Argenis: deß Archombrotus Zorn vber den Poliarchus: Gobrias gelanget in Sicilien/ vnnd spricht Meleandern an: Seine Beschönung die Argenis zusehen.

Das IV. Capitel.

NAchdem alles zum fortschiffen bereitet war/ nam Archombrotus von der Argenis Abscheidt/ vnnd entschüldigte sich seines verrei- sens wegen. Es kränckte auch dieses die armselige Princessin nicht wenig/ daß er nicht verstehen wolte wie wenig sie jhn achtete; vnd daß sie wegen der Einblidung so man von jhrer Liebe gegen jhm führete/ jhren Feindt zu solchen Gütern vnd Zuneigung der Sicilier gebracht hette. Derhalben gab sie vnwillig zur Antwort/ sie liesse es jhr gefallen/ daß er zu seiner Mutter gedächte. Dann es were nie- manden jrgend besser als in dem seinigen. Die außdrücklich herben Worte biessen den Archombrotus; welche durch jhre Geberden vnd saweres Gesichte noch scheinbarer worden. Aber die Zeit vnd der Ort mochten kein Klagen noch Einwenden leiden. Vielmehr/ als er nicht merckete/ daß man seiner Wiederkunfft nicht begehrte/ gab er zur Antwort; man hielte das Vatterland in dem die liebste gebohren worden viel höher/ vnd were jhm auch mehr verpflich-[872]tet als seinem eigenen. Vnter diesen Worten kam Meleander. Als Argenis jhn sahe/ ließ sie etwas von jhrer harten Rede nach/ vnd machte dem Archombrotus wider jhren Willen ein Hertze; der auff voll- brachte Opfferung am Vfer sich mit dem gantzen Heer auff die See machte. Nachdem er sich mit den Herren in seiner Gallere ge- nugsamb beredt hatte/ gieng er in sein Zimmer/ als ob er ruhen wol- te/ vnd machte sein Gemüth den anklopffenden Sorgen auff. Dann der Argenis Rede war jhm wider einkommen. Wannher aber mußte die Princessin auff solche Härtigkeit gerahten seyn? Ob die lächerliche Warnung/ er solte zu Hause ruhen/ jhm zum Auffruck geschehen were/ daß er gantz hinweg reisete/ oder ob sie schlecht + + +

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wegk seiner Heyrath nicht begehrte? Ferner betrachtete er/ was jhm zuvor von der Argenis freundliches oder vngütiges begegnet/ vnd kundte die beschwerliche vngewißheit der Hoffnung vnd Forcht kaum regieren. Weil jhm ferner die Zeichendeuter am Vfer ange- zeigt hetten/ das Verhängniß verliehe jhm eine glückliche Schiff- fahrt; Ach! sagte er/ ist es so weit zuverstehen/ daß mir die Götter die Zurückkunfft verbieten/ weil sie meinen Abschiedt zwar mit gutem/ aber gleichsam bestimmeten Winde fördern? Vber diesen vngleichen schmertzlichen Meinungen kränckte jhn deß Poliarchus Gedächtniß sonderlich. Dann/ ohn den alten Argwohn der jhn schon gegen jhm verbittert gemacht/ hatte er auch auß fliegender Rede vernommen/ was durch [873] Selenissen were entdeckt worden. Wiewol er nun voll von trübseligen Gedancken war/ vnd seinem Kummer mit vielem Nachsinnen gar zu sehr verhieng/ so machte jhm doch Meleander noch Hoffnung/ der jhm sehr wol wolte/ vnd die Heyrath selbst angetragen hatte. Was findete aber Argenis an jhm zu tadeln? oder vielmehr/ wer mußte jhr doch sonst besser ge- fallen? Niemandt als Poliarchus. Wann mir das Verhängniß/ sagte er/ jhn doch einmal vnter Augen brächte; wie viel lieber wil ich jhn als den Radirobanes selber mit dieser Hand vnd diesem Degen zu- gleich von seiner Liebe vnd Leben bringen? Er verdienet auch durch meinen Haß zusterben/ angesehen daß er mir/ vnd der Princessin selber so viel Kummer macht. Wann er sie nicht bezaubert hette/ würde ja ich sie beugen/ der ich so fürnehmen Geschlechts vnd ein Herr eines solchen Königreiches bin; der ich durch so viel Anzeigun- gen meine Liebe/ ja meine ritterliche Stärcke (wie ich stillschwei- gendt gegen mir sagen darff) zu erkennen gegeben habe. Wo sol ich jhn aber herfür suchen/ der seines schlechten Wesens halben vnbekandt vnd sicher ist? wo sol ich jhn verfolgen? wann er sich deren Hoffnung/ die er jhm vngebürlich eingebildet hat/ nicht zu- geringe hielte/ er würde so lange nicht aussen seyn/ oder allenthal- ben verborgen liegen/ vnd sich Meleandern nicht zu erkennen ge- ben. Wie vnglückselig bin ich! wann er mir gleich auffstiesse/ vnd ich meinen Zorn vber jhn außzugiessen Fug hette: so möchte ich wol [874] eben durch die fürgenommene Rache der Princessin all- bereit zweiffelhafftiges Gemüth noch ärger von mir abwenden. + +
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Nein; ich bin versichert/ daß mir nichts am Weg stehet als sein Le- ben. Ob mir sein Todt auch werde verhinderlich seyn/ wil ich den Göttern heimstellen. Zum wenigsten wird sie von einem Todten nichts zuhoffen haben/ vnd erfahren/ daß der jenige der stärckste gewesen sey der vberwunden hat.

Archombrotus legt also bey sich selbst seine vnbesonnene An- schläge auß/ vnd zuweilen thet es jhm wehe/ daß er sich dermassen vber den Poliarchus/ der für diesem sein Freundt gewesen/ erzürnen muste. Der Windt hatte jhm Sicilien noch nicht auß den Augen ge- nommen/ als Gobrias nicht weit von Syracuse Ancker warff/ vnd durch Abfertigung eines Herolds sich an dem Lande erkündigen ließ/ wo der König anzutreffen. Als jhm angesagt worden/ daß er auff einer Vestung an dem Vfer deß Namens Epeircte zu diesem mal Hoff hielte/ schiffte er gleichsam Proviant einzuholen mit einer eini- gen Gallere nach Syracuse. Von dannen schickte er etliche der sei- nigen/ dem König zuvermelden/ es were ein grosse Flotte der Gal- lier/ so in Griechenland vnd von dannen in Asien segeln wöllen/ durch Vngestümmigkeit in der See zerstrewet worden. Von dersel- ben erwartete ein Theil jhrer Mitgesellen in dem Sicilischen Meere/ ob sie vielleicht durch jrrung auch dahin möchten verworffen wer- den. Er der Obriste thete Ansuchung/ der König wolle jhn für sich lassen. [875] Wann er das Glück hette einen solchen grossen Fürsten zuschawen/ so wolte er dieses Vngewitter/ das jhn hieher verschla- gen/ noch für einen Gewinn halten. Meleander/ wie er dann sehr Leutselig war/ wiewol er zweiffelte/ was doch eine so grosse Flotte in Grecien thun wolte/ dennoch schlug er es nicht ab jhn zuhören. Derhalben kam Gobrias mit zwantzigen seiner Freunde vnd Diener. Als er nach Epeircte kam/ wardt jhm Eurimedes entgegen geschickt/ der jhn in sein Hauß zu sich nam/ vnd dem Meleander/ weil er son- derliche Höffligkeit an jhm spürete/ zum besten anbefahl. Auff den folgenden Tag wie man jhn nach Hofe brachte/ that er dem zuver- trawen/ welches Eurimedes jhm gemacht hatte/ in allem ein Genü- gen; ohn daß Meleander dafür hielt/ als er jhn gefragt zu was Ende Gallien diese Schiffsmacht abgefertiget/ daß er nicht gerade herauß vnd vnvordächtig geredt hette. Derwegen/ weil er sich besorgete/ er möchte etwan ein Kundtschaffer seyn/ bestalte er heimlich als ob es Ehren halben geschehe eine Wache/ die auff alles thun/ ohn +

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seine Besorgung daß man sich für jhm fürchtete/ genaw solte Ach- tung geben.

Gobrias aber war in höheren Gedancken/ durch was mittel vnd Hülffe er sich heimlich mit der Argenis bereden könte. Letzlich er- innerte er sich das Purpur/ der nirgend köstlicher als in Gallien die farbe an sich nimpt/ in seinen Schiffen were/ welchen Poliarchus jhr machen lassen: schickte er also darnach hin/ als [876] ob er jhn der Princessin gleichsamb zur Dancksagung für die erzeigte Wol- that in diesem Lande verehren wolte. Sie aber war allbereit nicht in geringern Sorgen/ vnd gedacht bey sich selbst/ ob sie wol glauben dörffte daß diese Schiffe vom Poliarchus/ der etwan ein grösser Heer zusammen brächte/ voran geschickt worden. Doch weil sie in diesem Trost nit genugsamb gegründet war/ ließ sie jhre gewöhn- liche Trawrigkeit baldt darnach auff wenig gutes gedencken: daß sie auch jhrer selbst spottete/ wegen der geringen Fröligkeit vber der Hoffnung welche sie geschöpft hatte. Warumb bliebe aber Arsidas aussen? Were daß Saümniß an jhm/ oder an dem Glück gelegen? Die bestimmten Monat zu der Widerkunfft waren verlauffen. Sie lebte nur noch nicht durch seine Hülffe/ sondern durch deß Archom- brotus Vnglück/ der krieges wegen in Africa verreisen müssen. Ach/ Poliarchus! der jhr beständig/ weise vnd werth zu lieben seydt mir zum Schmertzen; warumb habe ich euch gesehen? Warumb habt jhr mich allein außerkohren/ mich mit so vielfaltigem Tode hinzu- richten? Von mir zu sagen/ wann ich euch niemals gekandt hette/ so were ich zwar dessentwegen vnglückselig; aber doch würde ich solches auch nit empfunden haben. Es hette auff der Welt an an- dern Personen nicht gemangelt/ die jhr mit besserm Glück lieben können. Ich muß die Straffe ewerer Tugenden vnschuldig tragen/ deren eine jegliche mich zur Verzweifflung treibet/ wann ich von euch zertren-[877]net/ oder auch wol verachtet leben sol. Wehe mir! was weiß ich/ ob jhr euch an jetzo nicht eben so sehr beklaget? wie wann jhr vberfallen lieget von dem Schmertzen den jhr fühlet/ vnd in dem jhr mich zu seyn vermeinet? wie wann jhr vber dieses alles förchtet/ daß ich mich mehr vber euch als vber das Glück erzürne/ vnd die Schuldt euch zumesse/ welche dem Verhängniß zuzuschrei- ben ist? O glückselige Leute/ deren Heyrath entweder geschwinden Fortgang hat/ oder die durch einen schnellen Todt der Götter Vn- barmhertzigkeit vnd jhrem Elendt entgehen!

Wie sie ohngefehr in diesem klagen war/ vnd Gobrias etliche Tage

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sich bey Hofe auffgehalten/ sagte jhr Eurimedes an/ daß der fremb- de Gallier sie mit Purpur/ der in seinem Lande gefärbt worden/ be- schencken wolte. Die Princessin weigerte sich nicht die Verehrung anzuschawen/ vnd merckte gleichsamb allbereit/ Gobrias würde diese Bequemigkeit sich mit jhr zubereden gesucht haben/ vnd mehr mit sich bringen/ als Eurimedes glaubte. Wie derwegen Gobrias hinein kommen/ vnd die edele Wahr so die Tyrischen selbst vber- traff/ außgebreitet hatte/ vermochte Argenis das was gezeiget wurde kaum zusehen; redte nicht recht bescheiden/ vnd gab auff der andern Wort keine Achtung. Also hatte jhr das forchtsame Ver- langen etwas vom Poliarchus zu hören alle Sinne hinweg genom- men. Es mangelte nicht viel/ daß sie den vnbekandten Menschen nicht zum ersten fragte. Gobrias aber tratt nahe zu jhr/ vnd als [878] er sahe/ daß alle vber Beschawung deß Geschenckes embsig waren; Damit/ fieng er an/ diese Verehrung/ Gnädigstes Fräwlein/ euch möge destoangenehmer seyn/ so wisset daß sie der jenige schicke/ zu dem jhr den Arsidas abgefertiget habet. Vber solchen Worten ver- lohr Argenis alle jhre Kräfften; daß Gobrias auß dem zitternden Stillschweigen abnehmen kundte/ sie muste hefftig getroffen seyn. Derhalben nachdem sie offentlich etwas anders geredet hatte/ sagte sie heimlich/ als ob sie jhm für das Geschencke danckte/ zum Go- brias: Mein Freund/ ich bitte/ wollet euch diesen Abend zu Hauß finden lassen. Ich wil euch erfordern/ wann wir nach verlauffener Menge deß Volckes können allein seyn. Also nam Gobrias seinen Abtritt; sie aber lobete gegen dem Frawenzimmer das Geschencke sehr/ sagte von seinem Werthe/ vnd fieng wieder Timocleen an; Sie kündte kaum glauben/ daß diese Verehrung von einer schlechten Freygebigkeit herkäme. Ich bin in den Gedancken/ der Frembde werde etwas von dem Könige erlangen wöllen/ vnnd vermeine jhm dessen Geschenckes wegen durch mich einen freyen Zutritt zuma- chen. Dann er hat auch gebeten/ wann es Gelegenheit gebe/ daß ich jhn eines rechten Gespräches würdigen wolte. Ich wil jhn heute noch seiner Bitte gezweigen; damit ich jhm/ wann etwas zuerlangen + + + +
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ist/ Verheissung thun könne; oder/ wann die Wichtigkeit zu groß ist/ jhn mit vergebener Hoffnung nicht auffhalte/ [879] vnd herge- gen vor seinem Abschiede nach Billigkeit für seinen Purpur wider- umb beschencke.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),