Das VIII. Capitel.

[684] Ferrnere fortstellung deß Arsidas Reise/ der von Krieges- schiffen auffgefangen wirdt/ vnd in wehrendem Gefängniß mit dem Capitain Kundschafft machet.

Das VIII. Capitel.

DEr Schiffmann fiel zwey mal in das Gespräche von der Philosophy/ vnd gab dem Arsidas zuverstehen/ man müßte der schönen Zeit war- nehmen. Derhalben bedanckte er sich gegen dem Priester seiner ge- habten Müh/ vnd weiser Vnterrichtung wegen/ nebenst erzeigung noch anderer Freygebigkeit am Gelde/ damit er auff morgen für jhn vnd die seinigen der Fortunen widerumb opfferte; gieng also in be- gleitung deß Priesters biß an das Vfer zu Schiffe. Also segelte er mit gutem Winde das Landt Latin fürbey/ hernach durch das Hetruri- +

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scheMeer/ dessen Strandt voll schlammiger vnd gefährlicher Sand- bäncke ist. Auff dieses gelangte er an die seitte der Ligurier/ da jhm dann von ferrnen nicht wenig Schiffe/ so noch den Wolcken/ oder herfür ragenden Felsen ähnlich sahen/ in das Gesichte kamen. Als sie etwas näher waren/ sagte der Schiffmann/ es beduncke jhn eine KriegsFlotte zuseyn/ es sey dann daß es Räuberschiffe weren/ die selbiges Revier antasten wolten. Hielte er es derowe-[685]gen für den sichersten Weg/ daß man an das Landt/ wiewol sie darinnen frembde/ abführe. Es stunden jhnen aber die scharffen abgehawe- nen Klippen an dem Strande am Wege/ an welche das Schiff wegen der gefährlichen Steine im Wasser nicht kommen kundte; vnd da sie gleich angelendet hetten/ würden sie doch keinen Weg vber das gehlinge Gebirge hinauff zu steigen gefunden haben. In dem der- halben die Schiffer zweiffelten was sie thun solten/ vnd eine Gefahr gegen der andern hielten/ waren sie schon von den Galleren so gegen sie lieffen/ vmbringet. Arsidas war gäntzlich entschlossen sich zur Wehr zusetzen; aber die forchtsamen Schiffer hielten jhme den ge- meinen Schiffgebrauch ein/ daß nämlich auff der schützung jhr ge- wisser Todt bestünde. Wann sie nur mit niderlassung der Segel sich ergeben/ so hette man sich eines bessern zugetrösten. Dann im Fall sie von rechtmässigen Soldaten gefangen würden/ so köndte jhnen ihre Ergebung wenig verfänglich seyn; weren es Räuber/ als- dann müßte man sie mit der Beuth vnd guten Worten sänfftigen. Dieses erzehlten die Schiffer vnd Ruderknechte dem Arsidas/ wel- cher als er schwerlich einwilligen wolte sich zu geben/ liessen sie die Segel auß eigenem Bewegnüß nider/ vnd erwarteten mit auffgehabe- nen Rudern/ was die so da kamen/ begehren würden. Nachdem nun diese das Schiff mit einem Hacken an eines der jhrigen gefasset hatten/ fiengen sie glimpfflich an zu fragen/ wer sie weren/ [686] vnd von wannen sie kämen. Die Schiffer giengen gerade zu/ sie se- gelten auß dem grössern Griechenlande nach Massilien/ vnd weren von einem Außländer gedinget worden; zeigten also auff den Ar- sidas. Als er befraget ward/ vnd mit allem nicht herauß wolte/ kam er in Verdacht als ob er Feindt were: Derhalben wardt er gefangen/ + + +
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vnd in ein anders Schiff genommen; seinen Leuten aber wardt be- fohlen mit jhrem zu folgen. Doch beleydigten sie jhn weiter nicht/ vnnd entschüldigten auch dieses freundtlich/ daß sie jhn zu jhrem Obristen auff eine Vnterredung führeten. Nicht weit darvon kam das Hauptschiff mit vollen Segeln ohn Ruder gelauffen. Der Capi- tain/ als er den Arsidas bringen sahe/ gieng er jhm mit darbietung der Faust entgegen/ vnd versicherte jhn in Griechischer Sprache/ es solte jhm kein Leydt wiederfahren. Aber/ sagte er/ der Krieges- brauch bringt es also mit sich; man muß auff allen Seiten zu- schawen/ vnd nicht allein den Feinden zuvor kommen/ sondern auch bey frembden vnd Vnbekandten bißweilen Nachfrage halten. Wann ich selber in ewer Schiff gegangen were/ so wolte ich nach Besprechung euch an ewerer Reise/ im Fall dieselbe nötig ist/ nicht verhinderlich gewesen seyn. Arsidas/ der wegen so leutseliger worte sich alles guten versahe/ sagte jhm alles was er sagen dürffte; Er sey ein Sicilier/ vnnd reise in Franckreich zu einem guten Freunde; hoffete also/ [687] baldt loß gelassen zu werden. Der Capitain aber/ als er den Namen Sicilien hörte/ gab noch genawer Achtung/ vnd be- gehrete zuwissen/ was er in Franckreich zuverrichten hette. Vnd ich bitte euch/ fieng er an/ es nicht vbel zu vermercken/ daß ich euch diesen Abendt zum Nachtessen bey mit behalte. Ihr sollet in meinem Schiffe schlaffen/ da wir euch sämptlich angenehme Dienste nach Vermögen leisten wöllen. Ich bin eines grossen Königes Offi- cirer/ welcher nicht weit von hier mit Heeres krafft folget. Für diesen wil ich euch morgendes Tages bringen. Dann weil jhr auß Sicilien kompt/ so wirdt er froh seyn euch zu sehen/ vnnd vielleicht etwas von euch vernehmen das er zuwissen begierig ist. Ihr wer- det es für eine sonderliche Gunst deß Glückes schätzen/ so einen Demütigen Fürsten zuschawen. Arsidas merckte/ daß es sein bestes nicht were/ wann er schon vergeblich wiederstünde. Dann also kundte er sich in grösseren Verdacht/ vnd in härtere Verhaff- tung bringen. Darumb erzeigte er sich gleichsam willig/ vnnd stalte dem Capitain alles zu seinem Gefallen. Dann ein gefangener vnnd sonderlich ein vnschüldiger Mensch müste sich für keinem zu er- scheinen/ er were gleich wer er wolte/ entbrechen.

Nach diesen Worten beyderseidts zwungen sie Gesichte vnnd + +

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Hertze/ sich mit allerley Gesprächen einer Fröligkeit anzunehmen: zwar dieser/ da-[688]mit Arsidas vnbesorget bliebe; jener aber/ daß er nicht mercken liesse/ als ob jhm die Bestrickung entgegen were. Darumb fragten vnd hörten sie viel voneinander; also daß der ge- neigte Wille/ der bißher nur ertichtet gewesen/ sich mehr vnd mehr in eine rechte Zuneigung verwandelte: wie es dann mit Mensch- licher Natur beschaffen ist/ daß gute Gemüter sich leichtlich in ein- ander verlieben. Arsidas zwar/ ob er wol verhafftet/ vnnd an seiner Reise gesaümet wardt/ verziehe es jhnen leichtlich/ daß man etwas an jhm thete was er in gleichem an einem andern gethan hette: sonderlich weil er in dieser höfflichen Verwahrung nicht länger als eine Nacht zu verbleiben gebetten worden. Der Capitain aber ent- hielte jhn/ an dem er nichts schuldiges verspürte/ mit allen Ehren/ daß er jhn als einen Freundt wieder von sich lassen köndte. Als sie derwegen beyde in dem hintertheile deß Schiffes sassen/ vnnd etwas von der See/ den Winden/ vnnd dem vnterscheide der Galleren ge- redt hatten/ fieng entlich Gobryas (also hieß der Capitain) glimpff- lich an den Arsidas von dem Zustande Siciliens vnnd der Gelegenheit deß Landes zufragen. Arsidas erzehlete kürtzlich den Verlauff der Bürgerlichen Kriege/ die Empörung vnnd den Todt deß Lycogenes/ deß Meleanders Alter/ vnnd was er sonsten ohn erwehnung deß Poliarchus sagen kundte. Dann er hütete sich mit Fleisse jhn zu nennen/ damit er nicht von jhm einem der jhn nicht kennete er- zehlen muste. [689] Gobryas erlustigte sich vber diesem nicht ge- meinem Gespräche/ vnd gerechtem Außschlage deß Krieges. Als hernach Arsidas zu wissen begehrete/ wie der König für welchem er erscheinen solte/ hiesse/ in welchem Lande er regierete/ vnd wor- zu er eine solche Schiffsmacht beysammen hielte/ bleib er ein we- nig in Gedancken bey sich selber; dann er wolte dem Frembden mit Berichtung gleiche thun/ vnd war begierig seines Landes für- nemste Zufälle ebener massen zuerzehlen. Derhalben/ ob zwar/ sagte er/ wir mit Außländern nicht viel handlen/ als welches die Kauffleute allein zuthun pflegen; doch haben wir nichts destowe- niger von dem einheimischen Vbel das Sicilien betroffen hat gehö- ret. Es ist aber keine Wahr/ so eher auff der See verdirbt als die Warheit. Das Geschrey hatt vns viel vngewisse Dinge/ viel das ewe- rem jetzigen Bericht zugegen läufft/ zugebracht. Hergegen zweiffele +
[Druckausgabe S. 416]
ich auch nicht/ jhr werdet ingleichen von den Vnordnungen vnd vn- glückseligem Verlauffe vnseres Landes etwas vernommen haben: aber sie werden entweder auß Boßheit/ oder auß Vnwissenheit de- rer die sich darvon zu reden vnterstehen selten recht erzehlet. Wann ich mich aber nicht besorgete/ euch mit zu langem Gespräche ver- drüßlich zu seyn/ wolte ich euch nicht allein das so jhr begehret/ sondern auch die Blindtheit meines Königes/ welche vnter die Hi- storien gesetzt zuwerden würdig ist/ von Grunde auß erklären. Die [690] schöne Sache solcher Erzehlung machte dem Arsidas eine Be- gier/ daß er zur Antwort gab/ wann es dem Gobryas gefiele/ so wolte er dieses mit sonderbarer Lust vernehmen.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),