Meleander entschleust sich die Argenis dem Archombrotus zu ver- heyrathen: Er erkundiget jhre
Meinung/ mit Anzeigung seines An- schlags: Erklärt sich
gegen jhm/ seine Tochter jhm zugeben: Argenis begehret zwen Monat
Auffschub zu Anordnung solcher Vermählung.
Das V. Capitel.
Meleander/ als er diese Sorgen dem Eurymedes vbergeben hatte/ bekümmerte sich
vmb andere Sachen. Bevorauß stundt er [655] der
Argenis halben in Zweiffel. Diese/ ob sie zwar vnschüldig were/ vnd
nichts vbriges an sich hette als jhre zu grosse Vollkommenheit/
doch were sie an diesen Empörungen Vrsache gewesen. Lycogenes/ derwegen jhrer Heyraht sich aller
Rebellion vnterfangen/ were nicht so bald/ vnd zwar mit
blutigem Siege erleget worden; dessen wüten dann Radirobanes nachgefolget hette; wie man dann nicht
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[Druckausgabe S. 396]
wissen köndte/ was für ein Außgang dessenthalben
erfolgen möchte. Er bildete jhm beynebenst ein/ es würden auch ins
künfftig sich noch andere durch eine so schöne Tochter vnd Hoffnung
der Krone Siciliens entzünden lassen/ wann er nicht der vbrigen
Begier zudämpfen einem allein solche Glückseligkeit zuliesse.
Der Sele- nissen Tod/ vnd die Theocrine/ welche vnbekanter weise so lange
verborgen gelegen/ machten jhm nicht geringen Kummer. Endlich
war er gantz vnd gar entschlossen/ die Tochter zuverheyrahten;
weil zu Abstellung solcher Empörungen dieses das einige Mittel were. Vnd also fieng er nicht allein an auff einem Eydam/ sondern auch auff Kindes Kinder zugedencken/
vnd ward durch diese Er- getzung zu dem angenemen Fürhaben mehr vnd
mehr gereitzet. Welchen solte er aber zu solchem Glück erkiesen? Es
war in be- nachbarten Landen keiner königlichen Stammes/ der Alters
halben heyrahten kundte. Aber/ sagte er/ muß man dann zu
solcher Ehe Kron vnd Scepter suchen? Gleichsam als Königreiche vnd
nit Menschen vermählet würden/ [656]
oder
als ich meiner Tochter ein anders Königreich/ vnd nicht einen Mann
suchte? Vielmehr haben vnsere Vorfahren sehr weißlich ein Gesetz
geordnet/ daß der oder die jenige/ so in Sicilien
herrscheten/ durch Heyrath kein Scepter an sich bringen solten das
reicher vnd mächtiger als das Sicilische were; damit daß diß Landt
von seinen Königen nicht verlassen/ vnd von dem Stärckern zu seiner
Provintz gemacht würde. Sicilien ist an sich selbst gar genug seine
Könige zuerhalten; vnd es wirdt meiner Tochter bestes seyn/
sie also zuvermählen/ daß der Mann jhr seine Glückseligkeit
zudancken habe. Die Thracier pflegen jhre Wei- ber zukauffen. Wann
der Argenis Mann von Adel/ Natur vnd Tu- gendt gut ist/ so ist es
gar genug; dann an Reichthumb wirdt es jhr nicht mangeln.
Zu dieser Entschliessung machte jhn noch
geneigter das Ver- langen seinen schon vor vieler Zeit
fürgenommenen Anschlag hin- außzuführen; daß er nemlich den
Archombrotus/ welchem er von Hertzen günstig war/
durch Heyrath seinen Erben zuseyn schawen möchte. Er hielte dafür/
Argenis würde es nicht außschlagen: im Fall sie auch sich
weygerte/ so wolte er sein Vaterrecht mit Zwang gebrauchen. Es war
nichts mehr vbrig/ als seine Ankunfft zuerfah- ren. Dann er
gedachte seine Tochter einem von geringem Stande
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[Druckausgabe S. 397]
nicht zu geben/ er were auch so Tugenthafftig als er
jmmer wolte. Nach erwegung aller Vmbstände gieng er in der Argenis
Zimmer/
[657]
vnd/ damit er sein Begehren desto leichter bey
jhr erhalte/ fieng er als ein Vatter vnd ein König also an wider
sie zu sagen: Ich weiß/ meine Tochter/ daß Sicilien nicht
weniger vber das Säum- niß vnserer Erklärung/ als wir vber seine
Empörungen/ klaget. Dann die Regiersucht vnd die Hoffnung deiner
Heyrath hat den Lycogenes vnd Radirobanes auff die Wahnsinnigkeit welche wir
empfunden haben/ geleitet. Welchem allen wir begegnet weren/ wann wir euch bey Zeiten vermählet hetten. Was halten wir
vns auff/ den Quell solchen Vbels zuverstopffen? Mich belangendt/
so hab ich mir fürgesetzt/ ewer bestes/ vnd meines Alters Ruhe zu
befördern. Ich mache mir auch keinen Zweifel/ es werde mit
ewerm Willen geschehen/ was ich auß Vätterlicher Macht zuthun befugt bin. Saget mir/ Argenis/ bedüncket es euch nicht gut
zuseyn/ daß euch ewer Vatter einen Bräutigam erwehle? Das
allgemeine vnd Privatrecht gibt mir solche Gewalt; es wolte sich
auch ewerer Sittsamkeit zu widerstreben nicht gebühren. Die
Princessin/ so in ängsten stundt/ gab zur Antwort/ sie wolte sich
besinnen. Wöllet jhr euch besinnen/ sagte der König/ ob jhr
thun sollet was ewers Ampts ist? Man hat lang genug Auffschub
genommen. Ich frage euch noch einmal/ meine Tochter/ wöllet jhr mir
gehorchen? Arge- nis/ als sie sahe/ daß jhr der Vatter mit solchem
Ernst zusetzte/ sagte mit forchtsamen vnd doch ertichtetem Munde/
Ja. Meleander
lobte jhren Gehorsam/ küssete sie/ vnd/ [658]
jhr wisset/ sagte er/ wie sehr ich euch liebe. Ich
begehre länger nicht zu leben/ als damit ich euch wol versorgen
möge. Ihr thut recht/ daß jhr ewerm Vatter vnd seinen grawen Haaren
glaubet.
Den andern Tag/ als er ohngefehr im Garten spatzieren
gieng/ er- forderte er den Archombrotus/ vnd/ mein junger Mensch/ sagte er/
wann ich euch feindt oder vnbekand were/ vnd nach ewerer An-
kunfft fragte/ so möchtet jhr dieses als eine fürwitzige Frage für
verdächtig halten. Weil aber ich ewerer Freundt lange Zeit Gedult
getragen in Zweifel zu stehen wer jhr weret/ vnd ewer Geschlecht an
jetzo zu erfahren begierig bin/ warumb wöllet jhr nicht
glauben/ daß solches so sehr euch als mir zu gut geschehe? Es sind
wichtige/ vnd wie ich verhoffe/ euch angenehme Sachen/ die ich mit
euch ab- handeln wolte/ wann ich mich nicht zuvor von ewerer
Herkunfft erkündigen müßte. Wie viel ich euch/ ob wol einem
Außländer
ge
[Druckausgabe S. 398]
trawethabe/ verstehet jhr selber. Die Heimligkeiten deß
Reichs sindt euch offenbahr gewesen. Es hat mich weder das Alter/
noch ewer außländisches Herkommen abgeschreckt/ euch alles das
Meinige zu entdecken: Vnd zu diesem hat mich auch ewre Trew in Warheit verbunden. Dann/ anderer Ding zugeschweigen/ ich kan
nicht vergessen/ wie jhr mein Leben mit darsetzung deß ewern auß
dem Wasser errettet/ vnd den Lycogenes hingerichtet habt. Nach solchen Gutthaten
beyderseits was verhindert euch [659]
mir ewern
Stamm zu melden? wie ich dann/ dessen Jupiter Zeuge sey/ ewerer Ehren vnd Nutzens
wegen hiernach frage. Diese deß Mele- anders Bitte machte deß
jungen Menschens Gemüth sehr bestürtzt. Auß was Vrsachen begehrte
er jetzundt so embsig das jenige zu- wissen/ welches er jhm ohn
sein vbel vermercken so lange Zeit hinderhalten? oder was müßte das
für eine Wolthat seyn/ die er jhm nit eben so wol erzeigen
köndte/ wann er jhn schon nicht ken- nete? Der Argenis Heyrath/
weil sie jhm fort für fort im Kopff steckte/ kam jhm alsobaldt mit
fürstellung der eussersten Glück- seligkeit in die Gedancken.
Hergegen/ in Meinung/ solche zweifels ohn vergebene vnd vnbilliche
Hoffnung auß den Sinnen zu schla- gen/ fieng er mehr mit
sittsamen Worten als ruhigem Gemüthe an: Bißher/ Herr/ habt jhr
ewere Gunst gedoppelt/ vnd euch von dem jenigen zu ehren
zugelassen/ dessen Geschlecht euch vnbekandt gewesen; Ich weiß auch
jetzt nicht/ was es euch Nutzen könne brin- gen/ im Fall ich
sündige; das ist so viel zusagen/ im Fall ich meiner Mutter
Befehl vbertrette/ welche mir meinen Standt zuverschweigen gebotten
hat. Nichts desto weniger/ damit jhr mich nicht möget für
halsstarrig ansehen/ wil ich euch ohne deß Landes vnd der Eltern
Namen alles eröffenen. Ich bin königlicher Ankunfft/ vnd besitze
das Meinige in Frieden. Auch habe ich mich nicht mit Gewalt/ oder
wieder meinen Willen hierher begeben/ sondern auß gut
befindung
[660]
meiner Mutter/ welche mir außdrücklich
mitgegeben hat/ ewere Sitten vnd Tugenden anzuschawen.
Auff solche Rede fiel jhm der König für newer Frewde vmb
den Hals/ vnd/ Wie ist euch bißhero/ sagte er/ vnser Sicilien/ wie
ist euch vnser Hoff fürkommen? oder/ damit ich das Gemüte/
wie ewers ist/ destomehr rege/ was hat euch an meinem Alter/ vnd an
meiner Tochter Sitten gefallen? Als er/ schon mit besserer Hoff-
nung/ zur Antwort gab/ daß er dieses sämptlich hoch ehrete. Aber
(sagte der König) ich begehre euch wolfeiler als mit
demselbigen
[Druckausgabe S. 399]
nicht zu kauffen. Ich sage nicht/ daß jhr den
Lycogenes getödet/ vnd mich beym Leben erhalten
habt. Es ist noch etwas grössers gewesen/ mit dem jhr mir das Hertz
genommen habt. Ewere tu- gendhafftige Sitten/ die glimpffliche
Bescheidenheit/ vnd sonderlich die grosse Freundschafft/
damit jhr mir beygethan gewesen. Ich wil euch in Ewigkeit nicht von
mir lassen. Wann jhr/ wie jhr an- deutet/ vnd ich mir einbilde/
königlichen Geblüts seydt/ so ver- sprech ich euch gutwillig die
Argenis/ nach welcher so viel bißher gestanden sindt. Ihr möget
herrühren auß so einem grossen Hause jhr wöllet/ dennoch
werdt jhr euch jhrer nicht schämen dörffen. Es mangelt nur an
diesem noch/ daß jhr nur ewern Zustandt ver- träwlicher erklärt/
vnd mir verheisset/ mich auff mein hohes Alter nicht zu verlassen.
Archombrotus zitterte für grosser Frewden/ vnd als
er sahe/ daß man jhm das jenige/ so er mit darstellung seines Bluts gesucht [661]
hatte/ selber antrüge/
wuste er nicht ob er den Göttern oder dem Könige dancken solte. Er
fiel Meleandern zun Füssen/ vnd hielte jhn wieder seinen
Willen: vnd als er nicht auff- hörete Danck zusagen/ frewete sich
Meleander nebenst jhm/ küs- sete vnd vmbfieng jhn.
Alle die zugegen waren verwunderten sich vber dem grossen
vernehmen derer zweyen Personen/ die einander mit so vngewöhnlicher
Höffligkeit begegneten. Der König aber befahl dem Archombrotus/ er wolte die Sache denselbigen Tag
nicht lassen außkommen; gieng also zu den anderen Anwesenden/
vnd verbrachte eine kleine Zeit mit Fröligkeit vnd vielfaltigen Ge-
sprächen. Hernach als er wieder nach Hoffe kommen/ vnd
Archom- brotus nahe bey jhm war; wie lange/ sagte er/ wöllet jhr
euch für vns verbergen/ vnd vnsere Frewde säumen? wegen eben dieser
Sache/ Herr/ gab er zur Antwort/ wolte ich euch anreden. Ich bitte
auff zwey Monat vmb Vrlaub jnner welcher Zeit ich meiner Mutter von meinem Glück Bericht thun/ vnd nebenst gebürlicher
Außstaf- fierung mit Meldung meines Geschlechtes zurück gelangen
kan.
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[Druckausgabe S. 400]
Meleandern kam auch nur der Nahmen deß Vrlaubes
beschwerlich für; vnd/ ich wil nicht zulassen/ hub er an/ daß jhr
von vns reiset/ Archombrotus; es sey dann daß jhr vnser Bündtniß
verachtet/ oder vns darumb geringe haltet/ weil wir euch zu erst
vnsere Liebe ange- deutet haben. Wann jhr Sinn zu vns
[662]
traget/ so schreibet nach Hause: dann euch
selber mag ich jetzund der See vnd Gefahr nicht vberlassen.
Archombrotus ward durch solche Freundtlichkeit deß
Alten erinnert was er zuthun hette/ küssete dem Könige die Hand/
vnd erbote sich/ ohn seinen Gefallen nichts fürzunehmen.
Der König hatte der Argenis noch nicht
angemeldet/ welchem er sie vermählen wolte. Als derwegen Archombrotus abgetretten war/ foderte er sie für
sich/ vnd/ nach Wiederholung der Erinnerungen so er vorhin wegen
Notwendigkeit deß Heyrahtens gethan/ satzte er dieses hinzu/ daß er
nunmehr einen solchen Eydam erkoren hette/ deßgleichen man an
Fürtreffligkeit nicht besser wündschen könte; vnd zwar von
königlichem Geblüte/ wie auch seine Tugen- den bezeugeten;
kürtzlich/ es were Archombrotus/ welchem zu einem Zeichen künfftiger
Verbindung die Götter verliehen hetten/ daß der König auff dem
Wagen der mit Wellen vmbringet gewesen/ erhalten/ vnd
Lycogenes durch seine Hand gestürtzet worden.
Solches sagte Meleander mit dergleichem Eyfer/ daß die Rede
vielmehr einer Gewalt als einem Rahtschlag ähnlich sahe. Argenis
hette sich fertig gemacht den Vatter mit einem Scheine zubegnü-
gen/ vnd ob sie zwar vnmutig war/ daß sie wider jhren Willen einem
vnbekandten versprochen würde/ jedoch/ als ob sie in deß
Vattern Meinung willigte; Es ist sich nichts/ fieng sie an/ allhier
mehr zube- sor-[663]gen/ als daß nicht
etwan so eine plötzliche Heyrath/ derer sich niemand von den
ewrigen versehen/ zu vbelem Nachklang auß- schlage/ vnd man etwan
sagen möge/ Radirobanes sey darumb zu vnrecht abgetriben
worden/ damit jhr dem Archombrotus zu ge- fallen seyn köndtet. Man muß
etzliche Zeit fürbey gehen lassen/ damit solche Newigkeit
gebillichet/ vnd ehe gehöret werde/ daß Archombrotus mein Liebhaber als mein Bräutigam sey.
Melean- der befand diese Einwendung nicht für böse; in besorgung
gleich- wol/ daß die Princessin nicht etwan zu verhinderung
dieser Ehe- stifftung solch Säumnüß machte/ sagte er mit versuchung
auff diese Meinung zu jhr: Man muß freylich dem Geschrey etwas/ dem
Glück aber nicht zuviel raum vnd weile lassen. Bekennet auff ewere
Trew/ meine Tochter/ wie viel Zeit vermeinet jhr daß von
nöthen
[Druckausgabe S. 401]
sey? Sie wolte nichts darzu sagen/ mit Einwendung/
solches stünde nicht in jhren/ sondern in deß Königs Händen. Als
aber der Vatter noch mehr anhielt/ fieng sie zu letzt mit Mühe/ vnd
als ob sie jhr das Ziel deß Lebens setzte/ an: wie ich sehe daß die
Sach beschaffen ist/ so wirdt es vielleicht an zweyen Monaten
genug seyn. Alsdann zweifelte der König fast nicht mehr/ daß die
Tochter solche Zeit mehr jhrer Person als deß gemeinen Gerüchts
wegen begehrte; da- mit er aber nicht in allem zu hart were:
Verheisset jhr/ sagte er/ daß euch nach verflossener Zeit an der
Hochzeit weiter nichts verhinde- ren soll? Ja/ [664]
ich thue es/ gab sie zur Antwort; vnd ich wil
euch/ wann es den Göttern gefällig ist/ weder mit meinen Worten/
noch dem Leben jemals verdrießlich seyn. Solches sagte sie desto-
weitleufftiger zu/ weil sie verhoffte/ Poliarchus würde in dessen an- kommen/ vnd jhrer
beyder Leben in Sicherheit stellen. Solte er aussenbleiben/
so sahe sie mit entschliessung das Leben zu verlas- sen auff die
Freyheit deß Tods. Der König aber/ so in besserer Hoff- nung
stundt/ hatte jhre Wort also angenommen/ als ob sie die Be-
gierden/ welche zuvor jhr Gemüth gefangen gehalten/ vnter dem
Befehl deß Vattern zähmete. Derhalben ließ er sie auff so freund-
liche Vnterredung von sich/ als einer der gesieget/ vnd
sich weiter nichts zubesorgen hette.
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),