Das I. Capitel.

Radirobanes/ als jhn seine Hoffnung betrogen/ schreibet dem Me- leander vnd entdeckt jhm die Heimligkeit welche er von Selenissen erfahren die Argenis vnd den Poliarchus betreffendt. Seine Ehrenrührige Schmähung.

Das I. Capitel.

IN dessen durffte keiner von den Sardiniern den Radirobanes anre- den. Er tobete hefftig/ vnd sein Gemüthe war bey solcher vngleichen Regung in vnterschiedenen Gedancken. Es vberlieff jhn baldt die Scham/ baldt der vnglückselige Fortgang seines Anschlags. Wie- wol hette sich der [612] Anfang angelassen? wie lange hette er die Argenis sampt Meleandern im Zelt in seiner Gewalt gehabt? Ob dann sein Fürhaben nachmals jrgendt durch einen Geist oder durch einen Menschen verrhaten worden? Er muste nur also die Schmach vertragen/ welche durch keine Belohnung deß Vbelen Fürnehmens köndte gelindert werden. Nach Erlösung Siciliens/ vnd Befleckung deß rhümlichen Sieges muste er nicht allein als ein Feindt/ sondern auch als ein Rauber davon ziehen. Vnter diesem gieng er vnsinnig langst dem Vfer hin vnd wieder/ ohn so geringe Empfindung ande- rer Sachen/ daß er auch nicht merckte/ daß die Nacht hierein fiele. Endlich vnterstundt sich Virtiganes herbey zugehen/ vnd zwar/ da- mit der wütende Mensch jhn destogedültiger hören möchte/ so nam er sich erstlich eben solcher rasenden Gedancken an. Als er ihm durch diesen Grieff einen Weg jhn zuwarnen gemacht hatte/ Es ist allbereit Nacht/ sagte er/ vnd jhr verweilet euch gleichwol hier/ Gnädigster König/ mit gar zu grosser Sicherheit ewerer Stärcke we- gen. Es stehen viel Leute vmb euch her; vnd es ist nicht vonnöhten daß ein jedweder wisse in was für Zustande ewer Gemüte sey. Wo wöllet jhr auff die Nacht hin? Meleander möchte euch in die Stadt beruffen. Aber wer kan gläuben daß jhr euch sicherlich wieder mit +

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jhm vertragen könnet? Wir sind euch lieber/ als daß jhr vns durch Furchte solcher ewerer Gefahr halben soltet hinrichten. Euch [613] wird besser in ewren Schiffen seyn. Traget Abschew für diesem Lan- de/ welches euch so vielen Kummer vervrsacht hat. Wann jhr ne- benst wenigen in ewrer Gallere werdet allein seyn/ werdet jhr mehr Fug haben ewren Zorn außzulassen/ vnd zu schliessen wie der Sache zuthun sey. Radirobanes sahe sich nicht vmb/ als ob er den Virtiganes nie gehöret hette/ gieng doch nichts destoweniger in das kleine Schiff so auff jhn wartete. Er sagte kein Wort/ entweder/ auß Vbermässigkeit deß Zornes/ oder auß gewisser Entschliessung/ biß er in die königliche Gallere kam.

Nach dem er aber nebenst nicht mehr als dreyen seiner fürnem- sten Leuten in einem Zimmer zunechst dem Hintertheil deß Schiffes war/ vnd nach vielfältigen verworrenen Gedancken zu sich selber kam/ rieß er erstlich der Argenis Bildnüß/ so mit edelen Gesteinen eingefasset war/ vom Halse. Dann die anderen Begierden waren dem Hasse vnd Zorne gewiechen; hernach sahe er den Virtiganes an/ vnd/ Ich wilmachen/ sagte er/ daß dieser Tag Meleandern schwerer als mich ankommen sol. Er wird betrübter von seiner Argenis/ als von mir gehen. Ich wil der Furien Ampt an mich nehmen; vnd den Alten seiner Ehre/ die Tochter aber jhres guten Nahmens berauben. Hernach wil ich dieses Spiel mit Lust anschawen/ vnd mich an dem Vbel meiner Feinde ergetzen; oder dasselbe/ wo ich empfinde/ daß es mein bestes ist/ mit Kriege noch grös-[614]ser machen. Gebt mir eylends Papier vnd Dinten her/ vnd baldt darauff fieng er also an zuschreiben. Radirobanes an Meleandern. Als ich deine Feinde vber- wandt/ wuste ich nicht/ daß du so vnbillig gegen Freunden werest. Ich bitte die Sicilier vmb Verzeihung/ welche ich/ als sie von deiner Tyranney gewiechen/ mit meinen Waffen bezwungen/ vnd deiner Grawsamkeit wiederumb vntergeben habe. Im vbrigen wann es dir beschwerlich gewesen/ mich täglich zusehen/ durch dessen Handt vnd Hülffe du noch König bist; so hettest du mich doch freund- licher können fortlassen/ als mit dem verdachte eines Verräthers. Dann welchen hast du nicht wissen wöllen/ daß du mir höchlich mißtrawest; angesehen daß deine Argenis Kranckheit erdacht hat/ + +

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vnd du plötzlich auß meinem Zelt in die Stadt auffgebrochen bist? Du hast durch solchen Schein der Beleidigung alles das vermeinet außzuleschen/ was du mir schüldig bist. Aber du kanst keinen be- triegen. Dann warumb hette ich dich beleydigen wöllen/ der ich mein Leben in Gefahr gesetzt/ damit du nicht beleydiget würdest? Ich habe aber deine Tochter zu heyrathen begeret/ vnd/ als dir solche Verbindung nicht gefiel/ sie vermeinet zu entführen. Las dir ja deine Argenis ferner solche Eitelkeit nicht einbilden. Das Königliche Sar- dinische Geblüte kan keinen Spott deß Ehebettes vertragen. Mit was für Augen solte ich die jenige vber die Schwelle meines keuschen Hauses sehen eintretten/ welche deß Gürttels/ der [615] Hauben vnnd anderen Ziehrates der Jungfrawen nicht würdig ist/ vnd sich ich weiß nicht mit was für einem Poliarchus vermischet hat? Was erschrickst du für dem vnverhofften Worte? Warumb verliegt dir der Athem vber dieser schändtlichen Zeitung? Ihm ist nicht an- ders Meleander. Lerne nun/ der du gar zu mißträwlich gegen Fremb- den bist/ wem du nicht hettest trawen sollen. Die Theocrine/ welche du für die Pallas gehalten hast/ hat dein Hauß beflecket/ vnd/ damit ich deutlicher rede/ Poliarchus hat dich vnter diesem Namen betro- gen. Durch Beförderung der Argenis zu solchem Betruge ist er erst- lich in das Frawenzimmer an statt einer Jungfrawen/ vnnd baldt darauff in die Tempel an statt der Pallas genommen worden. Heltest du diese noch reine zuseyn/ welche auß Entzündung der Liebe gegen einen Jüngling den ersteiger deß Schlosses verschwigen hat/ wel- ches du für das Frawenzimmer allein geheiliget hattest? welche mit jhrem liebsten so lange Zeit gelebet/ vnd letzlich/ welche jhren Vat- ter betrogen hat? Laß derwegen den Argwohn/ der meinem Stande vnnd Fürhaben vngemäse ist/ fahren/ vnd bilde dir nicht ein/ daß ich/ nach eingezogenem Berichte von dieser Sache/ derselbten Hey- rhat begehre/ an der nichts keusches mehr zufinden ist. Zwar ich bin nicht in Abrede/ daß sie mir bey meiner Ankunfft zu euch lieb gewesen sey/ ehe ich hinter jhr vnzimliches Leben gerathen bin. Aber die Götter haben Sicilien beyge-[616]standen/ daß jhr mich/ als jhr sie mir hettet anhencken können/ eine Fehlbitte habet thun lassen. Nachdem ich aber in erfahrung der geheimen Schmach kom- + + +
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men bin/ habe ich dennoch durch fürgebung der Liebe meinen Eckel also verdeckt/ daß ich/ mit vergnügung mich zuhüten/ sie gleich- wol nach Verdienste nicht beleydigen wöllen. Behalte dir deine Tochter. Behalte dein Königreich/ welches du durch meine Hülffe widerumb erlanget hast. Damit dir aber deine Vndanckbarkeit nicht so gar zu Nutzen gereiche/ vnd du meiner Gelindigkeit nicht gäntzlich spotten mögest/ als wil ich nit/ daß die Sardinische Schatzkammer ewerer Vnsinnigkeit wegen Schaden leyde. Es ist schon zuviel/ daß du so viel Blut der Meinigen auffgerieben hast. Dann ich geschweige meiner eigenen Arbeit/ die ich nicht verkauffen wil. Aber erstatte mir ein Theil der Vnkosten/ welche billich von dir allein hetten erlegt werden sollen. Dann dieselben habe ich auff Schiffsnotwendigkeit vnd Besoldung der Soldaten auffgewandt/ damit du bey Leben bleiben vnd regieren köndtest. Es mag alles auff dreyhundert Talent geschätzet seyn. Wie viel ich mehr aber für dich auffgewandt habe/ würden dir meiner Rentmeister berechnungen leichtlich außweisen. Gib mir aber dieses wenige wider/ wo du nicht wilt/ daß es von dir erzwungen werden sol. Die Freundschafft auff- zusagen were ein vberflüssiges Wesen/ weil du solches mit Anthuung deß vnrechts zum ersten allbereit gethan hast. Nichts destominder [617] wirstu auß demjenigen was ich dir entdecket/ meine Trew er- kennen. Dann ich habe dich nicht betrübet ehe du mich gezwungen hast/ vnd bin zufrieden gewesen/ daß du deine Argenis lieb hettest so lange möglich were.

Als er dieses geschrieben/ beruffte er/ gantz auffgeblasen wegen Ertichtung dessen Schelmstückes/ seine getreweste Leute/ zeigete jhnen den Brieff/ vnd hatt wegen Hoffnung deß Kummers/ den er anderen machte/ deß Seinigen fast vergessen. Sie erschracken vber der Erfindung dieser newen Boßheit: lobeten aber gleichwol mit einer grausamen Art der Dienstbarkeit das jenige offentlich/ für welchem sie im Hertzen Abschew trugen. Letzlich war die Frage/ durch wen man dieses Schreiben Meleandern zuschickte. Dann diese Verwegenheit schiene vnsicher vnd hauptbrüchlich zu- seyn. Aber Radirobanes/ der auch gegen die seinigen vnbarmhertzig war; Derjenige/ fieng er an/ welcher es hinbringet/ muß von seiner Gefahr nicht wissen. Er wird vnerschrocken darzu seyn/ vnd sich nichts besorgen/ weil er von mir kömpt. Im Fall Meleander vbel mit +

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jhm verfehret so werde ich vergnüget seyn/ daß ich durch das Blut eines geringen Menschens meine Klage vnd Anlaß zum zancken an- bringen können. Derhalben als sie eine Zeit lang Raht gehalten/ ward einer von den Soldaten/ welchem Virtiganes lange abgünstig gewesen/ vnd jhn jetzt für tüchtig darzu fürschlug/ zu diesem Ge- [618]schäffte ernennet. Er war frölich/ in Meinung daß Virtiganes auff sein bestes gesehen/ legte einen Heroldrock an/ vnd ließ sich mit frühestem Morgen in einem kleinen Nachden an den Port führen.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),