Das XXV. Capitel.

Eurimedes vnd Archombrotus offenbaren einander jhren Argwon: Entdecken jhn dem Meleander: Argenis nimbt sich einer Kranckheit an: Deß Radirobanes Bemühung die Argenis anzuhalten: Sein Vnwillen nach Mißgelungenem Anschlage.

Das XXV. Capitel.

ALs diese eylends zu jhrer Verrichtung gegangen waren/ kehrte Archombrotus zum Vfer vmb; da er dann nicht weit von deß Ra- dirobanes Zelte den Eurymedes antraff/ vnd mit ver-[603]worrenem Gesiche/ Ich fürchte/ sagte er/ das Glück habe vns einen newen Ly- cogenes zugeschickt. Beynebenst erzehlte er jhm kürtzlich die an- zeigungen der Verrätherey/ vber die er gerahten were; man hette von deß Radirobanes Vorrhate die köstlichsten Sachen weg geführt/ deß Virtiganes Bruder/ wie wol er kranck sey/ were fort/ vnd gienge kein Sardinier vngewaffnet her. Eurymedes ließ jhn nicht alles auß- reden/ vnd sagte/ er verstünde es mit Frewden/ daß Archombrotus eben mit seiner Meinung stimmete. Er hette diesen verdacht schon längst gehabt/ were auch für den Sardiniern erschrocken/ welche nicht vmbsonst Rotten weise vmb das Zelt hergiengen. Nachdem Archombrotus jhm dieses angezeiget hette/ trüge er wegen eines bö- sen Anschlages keinen Zweiffel. Wo kömpt vns/ sagte er/ dieser Piri- thous her? oder welcher Theseus hat jhn verwegen gemacht eine Princessin weg zurauben? Mann muß aber behüttsam gehen/ da- mit sich Meleander von dieser Gefahr erlösen lasse. Er fürchtet sich dermassen den Radirobanes zubeleidigen/ daß er sich selber nicht achtet. Gehet jhr erstlich hin/ Archombrotus; vnd wann jhr + +

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jhn wegen grösse der Noth werdet beweget haben/ so wil ich baldt neben euch stehen/ vnd die Anzeigungen vnnd Gefahr noch ein- mahl grösser machen. In dessen wil ich die Soldaten/ so jetzige Nachtwache halten sollen/ nicht weit von hier zu aller Bereitschafft auffführen. Es traff sich gleich/ [604] als Archombrotus zu den Kö- nigen kam/ daß Radirobanes mit der Argenis redete/ vnd Melean- der allein stundt. Zu welchem er vnvermercket anfieng: Gnädigster König/ ich stelle mich frölicher/ als die Sache/ von der ich euch sa- gen wil/ erfodert: damit nämlich die Meuchelmörder so vmb euch herstehen nicht mercken/ daß jhr gewarnet werdet. Im vbrigen wisset/ daß dieser gantzer Auffzug für euch als ein Opffer angestel- let ist; weil ich verstehe/ daß Radirobanes euch nebenst der Toch- ter hinwegführen wil. Hierumb zeucht er die versprochenen Schawspiele biß in die Nacht auff/ biß er zu Abende den Tumult vnd Diebstal zuverbringen Gelegenheit haben wird. In dem er fer- ner die Anzeigungen dieses Anschlages erzehlte/ kam Eurimedes darzu/ vnd jagte dem Könige solche Furcht ein/ daß er gantz zit- ternde vnd vngewiß fragte/ was sie in so plötzlicher Noth rahtsam zuseyn vermeinten. Es war vnleugbar/ daß man entweder stracks/ weil die Hinterlist noch nicht reiff were/ fliehen/ oder sich mit Volcke vnd gewaffneter Hand daselbst beschützen müste: die Flucht aber schiene am sichersten zuseyn. Dann man kundte doch so viel Sol- daten ohn Offenbahrung deß Argwohnes nicht zusammen bringen; also/ daß man mehr das Vnrecht durch Furchte anzufangen/ als abzulehnen schiene. Vber diß/ warumb solte man Meleandern vnd die Argenis in Gefahr setzen? weil man sonderlich von der Verfüh- rung vnd Anstellung der Vbelthat keinen Nach-[605]richt eingezo- gen/ vnd die Sardinier vielleicht den nächtlichen Anschlag so für- sichtig angestellet hetten/ daß man sie mit einem vnordentlichen Kampffe nicht könte abhalten. Ich wil/ sagte der König/ gantz stille vnd gleichsam spatzierens wegen auß dem Zelte gehen: vnd den Radirobanes vermahnen mir zufolgen/ wie auch die Argenis/ welche jhr/ Eurimedes/ vnterweges warnen könnet/ daß sie/ wann sie vnter vnseren Leuten seyn wird/ eine plötzliche Kranckheit für- wenden soll. Also wird sie wegen Abschiedes entschüldiget seyn/ vnd ich wil jhr als betrübet das Geleite geben. Vnter diesen Worten sahe er den Radirobanes vnd die Argenis an/ vnd/ fieng er an/ wir +
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lassen den schönen Abend fürüber lauffen. Last vns lieber vnter den freyen Himmel spatzieren/ der sich jetzt nach Verlierung der Sonnen abkühlet. Wir haben hernach Zeit genug vns hier zuver- weilen/ wann die Schawspiele werden angehen. Zugleiche tratt er auff die Thür deß Zeltes zu/ wie sie jhm dann sämptlich folgeten. Bey Fortdringung solchen Hauffens fieng Meleander an mit dem Radirobanes zu reden/ daß er jhn beseite führen/ vnd Eurimedes der Princessin seinen Befehl destoleichter entdecken köndte. Wie dann sie auch/ ob jhr schon niemand die Vrsache solchen jhres Vatters Rhates gesagt hatte/ von gehlinger Einbildung gerühret ward/ vnd mit furchtsamen Gedancken nicht viel von der Warheit jrrete.

[606] Archombrotus vermahnete indessen alle deß Königes Leute die er antraff/ sie wolten von jhres Herren Seiten nicht wei- chen. Es waren auch allbereit die Rotten der Soldaten/ so er vnd Eurymedes erfordert/ hin vnd wider im Felde/ als Argenis/ wie jhr eingegeben worden/ das Häupt/ so jhr nieder sanck/ in die Handt nam/ vnd sich gegen der Selenissen wandte/ vnd mit gelinder Stimme sagte: Mutter/ mir ist sehr vbel: blieb also baldt darauff stehen. Radirobanes/ so vber dem vnvorsehenen Fall erschrack/ schrie embsiglich zu hülffe nach Wasser/ Wein vnd Balsam. Strack vmbringte sie/ welche darnieder fiel/ ein vbermässiges zugeläuffe von Leuten. Vnd Meleander/ der ein wenig vorhin gieng/ kehrete mit ertichtetem Schrecken zurücke. Argenis aber: Wer heist die Senfftenträger kommen? sprach sie. Als man sie auch wegen der Kranckheit fragte/ gab sie nichts gewisses zur Antwort/ als daß jhr nebenst einer Ohnmacht die Augen tunckel wurden/ vnd das Haupt mit jhr vmbgienge. Radirobanes aber ruffte/ es were der Senffte nicht vonnöthen/ sie köndte geschwinder auff einem Stule wider in das Zelt getragen werden. Meleander hergegen wandte ein/ die Statt were beydes der Artzney vnd der Ruhe wegen bequemer; vermahne- te also etliche nach der Senffte zulauffen/ vnd bedanckte sich zu- gleich gegen dem Radirobanes/ daß er auß zu grosser Höffligkeit/ eines andern halben jhm Vngemach thun wolte. Er/ der nicht allein der Argenis/ sondern auch seiner V-[607]belthat Fortgangs halben + +

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bekümmert war/ sagte/ er köndte es nicht gestatten/ daß die kran- cke Princessin gantzer tausendt Schritte (dann so weit war es nach Epeircte) solte gerüttelt werden; sie wurde auch in diesem ernsten Anfall der Vnpäßligkeit/ welche vielleicht nicht wehren köndte/ viel besser in dem Zelte ruhen.

Als sie in solcher gleichsam noch freundtlicher vnd wolmeinen- der Außredung waren/ bließ Virtiganes dem Radirobanes heimlich ein/ der Anschlag seines Glückes sey nicht eben an diesen Tag so hoch gebunden/ daß die verhoffte Gelegenheit nicht köndte wieder- kommen. Er solte die Argenis fortlassen/ vnd sich selbst mit jhr nach Epeircte machen/ mit auffschiebung der verheissenen Spec- tackel/ biß sie gesundt würde/ vnd der Vatter auß gleicher Einfalt sie zu hinwegraubung an das Vfer auffs newe führete. Er hette es jhn fast verredet/ wann deß Radirobanes Artzt/ welchen etzliche herzu geholet/ nicht kommen were. Dieser begrieff der Princessin den Puls fast wieder jhren Willen/ vnd sahe erstlich mit Verwunde- rung auff jhre Augen vnnd Athem; hernach sagte er/ daß er kein Zeichen einiger Kranckheit spüren köndte. Wandte sich also zum Meleander/ vnnd versicherte jhn/ er möchte gäntzlich vnbesorget seyn: es were was es wolte das die Argenis angestossen hette/ so würde es nicht viel zu bedeuten haben. Radirobanes aber fiel in hefftigern Argwohn/ vnnd merckte endtlich [608] wol/ daß man durch fürgebung der Kranckheit die Flucht beschönen wolte. Er wunderte sich wer hinter seinen Anschlag kommen were/ wer Me- leandern solchen offenbahret hette; ergrimmete sich hefftig/ vnnd war mit Gewaldt zuverfahren gesonnen/ schawete vmb sich/ grieff auch zum Degen/ sahe aber weniger Sardinier als Sicilier vmb sich; so daß er sich keines Sieges vertrösten kundte/ da gleich die Sache zun Waffen geriehte. In dessen kam auch deß Meleanders Artzt/ der vom Eurymedes angestifftet worden was er solle fürgeben; dieser sagte von der Argenis Schwachheit weit anders als deß Radi- robanes Diener/ daß sie nemlich eine tödtliche Kranckheit ange- stossen hette: solte man derwegen mit jhr nach Hoffe eylen/ angese- hen daß jhr weitere Säumung hochschädtlich were. In dem er also redete/ fieng der vorige Artz an/ sich mit jhm zu zancken/ vnd wolte jhm seine wissenschafft nicht verachten lassen/ fragte also: was er für Zeichen der Vnpässligkeit befinde? Was jhr Gesichte/ vnd die Farbe der Lippen anzeigete? Ob etwann ein kalter Schweiß auff der Stirne stünde? Ob der Puls nicht richtig schlüge? Der Sici

[Druckausgabe S. 368]
lier wuste sich nicht weniger auß zuführen; so daß die Vngewiß- heit der Medicin durch ein schönes Specktakel gezeiget wardt/ wann sie der Tumult vnd die Wichtigkeit der Sache welche fürlieff/ dieser Lust hette abwarten lassen.

In dem nun diese mit Worten streiten/ fuhren [609] die Sänff- tenträger die Argenis in aller höhe davon. Radirobanes aber/ wel- cher wol wuste daß sie nicht würde zurück kommen/ vermochte sich nicht zuhalten; legte Hand an die Sänffte/ vnd bate höchlich/ Arge- nis möchte bleiben. Die Sardinier vnd Sicilier waren auch zu streite gerhaten/ vnd Archombrotus trat herzu/ die bedrängte Sänffte dem Radirobanes mit Gewalt außzureissen/ Meleander tratt in die mitten. Sicilien solte das Glück dieses Tages erkennen. Wie viel stattlichen Geblütes hette diese Auffruhr vergiessen sollen? Dieses Vbel war weit genug Sicilien zuverschlingen/ vnd den auch abwesen- den Poliarchus hinzurichten. Aber Meleanders fürsichtigkeit rich- tete das zuhangende Vnglück auff besseren Weg. Er redete mit dem Sardinischen Könige noch als ein Freundt/ darumb sich der ander schämete jhn zu beleydigen. Vnd als der Tumult nur so vnd so ge- stillet war/ setzte sich Meleander gleichsfals in die Sänffte/ vnd be- gab sich mit Begleitung der Seinen in die Statt.

[610: Kupfer Nr. 13]




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),