[595] Zubereitung deß Sardinischen Königs/ Meleandern nebenst der Argenis zu entführen. Anschlag wegen
der künstlichen Fewer. Ar- chombrotus entdecket die
Verrätherey.
Das XXIV. Capitel.
ES lobten jhrer viel die Erfindung solcher
königlichen vnd kost- baren Wollust: etliche rühmeten deß Radirobanes Reichthumb/ andere seine Leutseligkeit. Er
aber/ der wegen Begiehr seines fürge- nommenen Lasters nicht ruhen kundte/
gieng nach vbel zuge- brachter Nacht mit dem Tage an das Vfer/ vnd besahe
das Schiff welches zum Scheine auff das Meer solte geführet werden/
damit der König vnnd Argenis sich dahin begeben möchten. Hernach
wandte er sich gegen dem Theile deß Strandes/ wo das Königliche Mahl
auff seinen Befehl zugerichtet wardt. Sie haben grosse Zelte mit
eingegrabenen pflöcken vnd Stricken eingepflantzet/ vnd von
[Druckausgabe S. 360]
Stroh geflochtene Tecken vber den Sandt gebreitet. Der Ort
war vber diß von allerley Feldtlust außgeziehret/ als mit Zweigen vnd
Eppichblettern/ darauß Kräntze vnd der Argenis Namen/ wie auch
allerley Abbildungen der Menschen vnd Thiere gemacht waren/ die
auff beyden Seiten/ vmb den Ort [596]
da man Tafel
halten solte/ hergieng. Diesen Morgen hatte Meleander/ nach opfferung den Göttern/ die Abgesandten der
Stätte zu sich beruffen/ mit erzehlung wie hohe Gnad er jhnen erwiesen;
darnebenst die Befehle welche Cleobulus auffgesetzet/ offentlich anschlagen vnd in die Stätte
vmb- her senden lassen/ auch verheissen/ zuvorderst darob zuseyn/
wie ingleichem der Gerichtshändel wegen/ denen man so eylends nicht
rahten können/ eine bessere verfassung möchte gethan werden. Als auff
solche geschwinde Entschliessung das Volck beydes seiner Wolfahrt/ vnd
auch deß Festes wegen frölich worden/ hat es den Meleander vnd die Argenis zu deß Radirobanes Zelten mit grossem Frolocken begleitet. Er/
nachdem er die Argenis/ als seinen vnfehl- baren Raub/ ersehen/ vnd sich
vber etwas anders dann man ver- meinete/ erfrewet/ hat er sie mit solcher
Freundligkeit vnd zube- reitung deß Panckets tractiret/ als man erdencken
mögen. Es waren noch vier Stunden biß zur Nacht/ wie sie nach
abgenommenen Speisen zu besichtigung deß Schiffs auffstunden. Man hörte an
dem Vfer Trompeten vnd Paucken hin vnd wider/ vnd an den Spitzen der
dreyen Mastbäume hiengen Lagen von vnterschiedenen Farben/ welche nach dem
Winde vmbher flatterten. Das Getäfel war voll von Schiffern vnd
Kriegsleuten/ gleichsamb als man einen Triumph oder Schlacht begienge. Es
war weder am Strande noch auff den kleinen Schiffen raum genug für
das [597]
Volck; welches dann ein grosses Geschrey
anfieng/ so offte man jhnen wegen fortgange deß Werckes ein Zeichen
gab.
Es geschahe mit Fleisse/ daß das Schiff langsam auß
dem Hafen gelassen wardt. Radirobanes hielte auch Meleandern anderwerts auff/ wegen vertröstung der Fewer/
die nicht weit vom Vfer auß
+
+
+
+
[Druckausgabe S. 361]
dreyen Schiffen/ wie auch dem gantzen Wasser vmbher
erscheinen solten. Diese newe Erfindung/ welche noch von wenigen ersehen
worden/ machte allen die es höreten eine Begiehr hierzu. Derhalben
führte er in solcher Hoffnung Meleandern sampt der Argenis wieder in sein Zelt/
erzehlte jhnen weitläufftig/ was sie schawen solten/vnd wie die Gestalten
der Fische in der See auß den Maülern würden Fewer speyen/ welches nicht
verleschen kundte/ ob sie wol die Köpffe in die Flut stiessen. Damit aber
die Schiffe von diesen Fi- schen nicht beleidiget würden/ als solten sie
beschützet werden von fewrigen Bildern/ derer Spiesse niemals
heisser brenneten als vnter dem Wasser. In wehrender Erzehlung trug er
bißweilen Sorge der herzu nahenden Thatt halben/ verließ den Meleander/ vnd vermah- nete den Virtiganes sampt den vbrigen so darumb wusten/ sie wol- ten
weder mit zu grossem Säumnisse noch zu schnellem eilen seine Hoffnung verderben. Es waren Hundert Lampen in dem Zelte/ auß welchem
die Könige zuschawen solten/ auffgehencket. Diese solte man nach gegebenem
Zeichen außleschen (dann sie hiengen an
[598]
wenigen Seilern) hernach die Argenis nebenst dem
Könige er- greiffen vnd zu Schiffe tragen. Den Sardinischen Obristen vnd
Sol- daten/ wiewol die wenigsten vmb den Anschlag wusten/ ward all-
gemach befohlen hienan zutretten/ vnd zu vollbringen was sie Virti-
ganes heissen würde; welcher/ wiewol vngern/ nebenst zweyen hier- zu
angestiffteten Befehlichshabern die vertrawte That ins Werck zurichten
embsig war.
Es ist fast nicht glaublich/ daß Sicilien einer so
für Augen schwe- benden Gefahr hat mögen entriessen werden. Aber die
Göttligkeit pfleget offtermals so zu würcken/ daß sie vnsinnige Anschläge
in dem Augenblicke jhrer Vollziehung straffet/ damit die bösen nie-
mals ohn Furcht/ vnd die gedrückte Tugend niemals soll ohn Hoff- nung seyn. Als die anderen zuschaweten wie die Gallere auff das
Meer gieng/ spatzierete Archombrotus/ der das Spectackel ver- achtete/ nicht weit
darvon ohngefehr an dem Strande herumb. Er war in der Sardinischen Sprache
nicht vnerfahren/ wiewol er es noch zur Zeit heimlich gehalten. Als nun
ein Soldate auß deß Radi- robanes Leibtrabanten/ der erst vom
Virtiganes kam/ einen seiner Rottgesellen vngewaffnet an
dem Vfer gehen sahe: Dürfft dann jhr heute alleine/ fieng er an/ ohn Spieß
vnd Degen auffziehen? Als
+
[Druckausgabe S. 362]
dieser darauff zur Antwort gab/ es were jhm der Waffen
halben nichts anbefohlen/ [599]
haben sie sich
beyde vnter andern ver- menget/ daß Archombrotus von jhren Reden nichts weiter verneh- men
können. Gleichwol wunderte er sich/ was die Sardinier im Frieden vnd
bey wehrenden Bancketen dürfften bewehret seyn/ gieng auff vnd ab
gleichsam Lust halben/ besichtigte sie alle/ vnd sahe daß keiner
vngewaffnet war. Diese trugen vber den Degen noch einen Spieß/ andere
Bogen/ vnd viel Italienische Schäffeline. Ihrer wenige aber/ vnd zwar
diese als ob sie auß der königlichen Guardie weren/ hatten Helm vnd
Schild/ damit die List durch zu grosse Bereitung nicht etwan offenbahr
würde. Dem Archombrotus/ der ohn diß den Sardiniern abgünstig war/ kam
dieses verdächtig vnd schrecklich für: Es geschahe auch nicht ohn
göttliches Ver- hengniß/ daß er sich hefftiger besorgte/ als er zwar sonst
auß sol- cher geringen Anzeigung hette thun mögen. Dann ein anderer
vn- achtsamer würde zu diesen Waffen gesaget haben/ daß Krieges-
gebrauch es nicht anders mit sich brächte. Er aber/ entweder weil er
die Argenis liebete/ oder wünschete daß Radirobanes etwas ver- brechen möchte; Wehe mir/ sagte er:
Wil der Liebhaber/ den man so offt verworffen hat/ mit Gewalt
verfahren? Vermeinen sie auch Meleandern hinweg zu führen/ vnd sind mit der Argenis allein nit
zufrieden? Dann warumb hat man sie mit solchen Vmbschweif- fen zum
Vfer gebracht? Warumb bittet man/ sie möchten diese Nacht hier verbleiben?
Vber solchen plötzlichen schrecken hielt er dafür/ [600]
daß er diese Verbindung an niemand besser mercken köndte/
als an deß Virtiganes Bruder. Er war an gefährlicher Kranckheit
etliche Tag darnider gelegen. Vnd es war nicht glaub- lich/ im Fall die
Sardinier etwas zuthun gesonnen weren/ daß sie jhn in der Statt verlassen/
vnd in Gefahr deß Gefängnüsses setzen würden. Derhalben stieg er
gantz schwitzende hinauff gen Epeircte/ vnd als er an das Theil deß Pallasts kam worein
die Frembden lo- siert waren/ stieß jhm zu gutem Glück deß Radirobanes Diener auff/ welcher das königliche Zimmer in
Verwahrung hatte. Sein Name war Libochanes. Als dieser hinweg gehen wolte/ vnd das Ge- mach einschloß/ entschloß sich Archombrotus also baldt/ vnd redte jhn an: Er wolte in
selbigem Zimmer etwas beschawen/ wann der Diener Zeit darzu hette. Dieser/
der beydes den Archombrotus ehre- te/ vnd auch von dem Anschlag seines
Herrn nichts wußte/ trug kein Bedencken auffzumachen. Archombrotus erinnerte sich/ daß er/
[Druckausgabe S. 363]
als er Meleandern zwey mal zum Radirobanes begleitet/ nicht weit vom Hauptküssen seines
Betthes auff der Tafel eine sehr schöne Truhen von Ebenholtze vnd
Helffenbein/ mit außgeetztem Silber vmb die Bänder vnd den Randt/ gesehen
hette. Er hatte gehört/ daß die köstlichsten Steine/ vnd geheimen
Brieffe darinnen behalten würden. Darumb betrachtete er ohne annehmung
einiger Sache den leeren Tisch/ vnd sahe sich im gantzen Gemach vergeblich
nach der [601]
Truhen vmb. Damit aber der Knecht
dieses nicht merckte/ wußte er jhn leichtlich zubetriegen. Es hiengen zwey
Tafeln an den Tapezereyen/ so dem Archombrotus sehr lieb waren. Auff der einen setzte ein
Adler/ als ob er vom Gestirne herunter käme/ deß Radirobanes Vattern die Kron auff. An der andern war Apollo
gemahlet/ der sich roch an dem Marsyas welcher schon gantz verblutet war.
Diese Gemählde sahe er mit solchem Fleisse an/ als ob er deßhalben
were hinein gegangen. Dann man hatte sie daselbst gelassen/ wie dann auch
sonst nichts von Vorrath oder Zier ohn die Truhen auß dem Zimmer genommen
war.
Als derhalben die Muthmassung vnd Argwohn beym Archom-
brotus wuchs/ verließ er den Libochanes/ vnd als er zum Virtiganes
gieng/ war niemand der jhm auffmachte; so daß er wegen deß ledi-
gen Zimmers wol spüren kundte/ sein krancker Bruder müßte hin- weg
seyn. Vnd diesen zwar hatten sie mit dem frühesten Morgen in einer Sänffte
zu den Schiffen getragen/ als ob er auff Raht der ärtzte durch die
Bewegung deß Meers ein Mittel suchen wolte. Archom- brotus stundt
in Forchten/ es möchte jhm/ in dem er alles so ge- naw außforschete/ die
Nacht vnd Hinderlist zuvor kommen. Der- halben forderte er zween
Hauptleute von denen so das Schloß be- wahreten/ zu sich/ (dann wie hette
man die andern Soldaten so baldt mögen zusammen bringen/ was für Fleiß
auch were ange- wendet worden?) vnd als [602] Meleander jhn abgefertiget hette/ Gehet/ sagte er/ zu ewern
Knechten/ vnd führet sie alsobaldt/ doch ohne Tumult/ zum Vfer. Wann jhr
sie Rottweise werdet fortge- schickt haben/ so sollen sie alle bey deß
Radirobanes Zelte zusam- men kommen. Es ist genug daß sie
mit Degen vnd Spiesse bewehret sindt/ darmit man nicht Anlaß zu
reden habe/ wann sie völliger
+
+
[Druckausgabe S. 364]
außgerüstet weren. Ich wil der erste am Hafen seyn/ vnd
euch heim- lich andeuten was der König befehlen wirdt. Gehet hin/ vnd
seydt fleissig dem König zu dienen.
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
(abgerufen am: )
Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),