Das II. Capitel.

Archombrotus hawet deß Lycogenes Kopff ab. Flucht der Rebellen: Vnruh der Argenis in wehrender Schlacht. Ihre Ankunfft in das Lä- ger nach erlangtem Siege. Begräbniß der Soldaten so auff Meleanders seiten blieben.

Das II. Capitel.

IN solchem jhrem Schrecken satzte Archombrotus mit seinem Volck weiter nach/ vnd machte jhr gantz Heer verzagt/ sonderlich als er deß Lycogenes Kopff bey dem Haar erwüschte/ vnd in aller Höhe herumb schwang; daß sie also an jhrer Niderlag nicht zweiffeln durfften. Wie er es aber genugsamb gewiesen/ warff er es dem Mele- ander zun Füssen: Schawet hier/ sagt er/ Allergnädigster König/ den Lycogenes der nun Frieden helt/ vnd dem jhr ins künfftig wol trawen dörffet. Die Götter wöllen eben mit solchem Ernste verfah- ren gegen andere die sich ewerer Gnade nicht achten. Meleander ließ deß [399] Lycogenes Haupt verwahren/ vnd verfolgte seinen Sieg weiter vnd weiter. Dann es war durchs gantze Feld nicht mehr ein Kampff/ sondern ein würgen. Es durffte keiner deß Vberwinders erwarten/ vnd dem Menocritus gehorchen welcher sie zurück ruffte. Etliche flohen auff die Berg zu/ etliche welche der örter kündig wa- ren in die nechste Hölen/ gemeiniglich aber jrreten sie hin vnd wi- der wo sie jhre Forcht oder Glück zu leitete. Viel lieffen sich auß dem Athem/ vnd fielen darnider/ welche von den Pferden so jhnen nach- eileten jämmerlich zertretten wurden/ vnd war kein Elend das sie nicht betroffen hette. Radirobanes folgte dem Menocritus/ welchen er auß der Rüstung vnd Sturmhauben erkandte/ vnd befahl jhn auff zu fangen. Er aber/ wiewol er weiter zu fliehen nicht vermoch- te/ wehrete sich doch ritterlich/ biß er gefangen vnd stracks gebun- den ward/ daß er so weder seinem Feinde/ noch jhm selber Schaden zufügen kundte. Es war Abend/ ehe die/ welche den Feinden nach- gesetzt/ alle zum Meleander wider vmbkehrten. Vnd der König/ wiewol der Krieg ein Ende genommen/ verblieb doch die Nacht vber im Läger/ das so sehr verwüstet war. Das wüten aber der vorigen Nacht machte/ daß sie mit jrem frölich seyn noch jnnen hielten/ vnd allenthalben Wache auffführten/ damit der Krieg sich nicht +

[Druckausgabe S. 245]
auffs new erhübe. Deß morgends/ als der König auffgestanden/ schickt er zum Radirobanes/ ob es seiner Gelegenheit gebe jhn zu- besuchen; vnd gieng bald drauff mit seinen fürnemmen Leuten zu jm [400] in sein Zelt. Er/ ob er zwar mehr als zu viel betrachtete/ wie sehr er Sicilien geholffen/ vnd wie Manhafft er sich erwiesen; doch kränckete es jhnen nebenst seiner hoffertigen Frewde sehr/ daß Archombrotus den Lycogenes erleget hette. Als er sich gleich mit solchem Neide vberwarff/ kam Meleander zu jhm/ mit grosser Bedanckung wegen geleisteten beystandes; vnd schrieb allen Ver- lauff dieses Fortganges seinen Sardiniern zu. Daß der Sieg auff vnsere seiten gefallen ist/ sagte er/ haben wir euch zu dancken: also daß/ wann ich mich der Sachen gebrauchen werde/ die ich durch ewer Zuthun wieder bekommen/ mir öffterer einfallen wirdt/ daß ich sie von euch empfangen/ als euch/ daß jhr mir sie gegeben habet. Indessen wöllet jhr euch derer Güter gebrauchen/ die durch ewre Hülffe erworben sindt/ vnd auß dem Frolocken deß Volckes er- kennen/ was für Wolthat jhr vns habet erzeiget. Radirobanes/ ob er schon mehr als wol gläubete/ daß solches sich also verhielte/ je dennoch vermahnete er den König/ jhn nicht mehr schamhafftig zu machen/ vnd sagte/ daß solches alles der gerechten Sache/ vnd deß Meleanders Glückseligkeit zu zu schreiben were: auch hielte er sich jhm selber verpflichtet/ daß er jhm erlaubet hette/ sich mit der Bil- ligkeit seiner Waffen verbindtlich zumachen.

Vnter diesem Reden wirdt angemeldet daß Argenis ins Läger kommen sey. Den vorigen Tag stundt sie auff der Mawren zu Epeircte/ da sie die [401] Schlacht sehen kundte; vnd vergoß nit weniger jhre Threnen/ als das Volck sein Blut. Sie war gantz bleich/ vnd befand sich niemals besser/ als wann die Furcht jhr alle Sinne genommen hette. Bißweilen verhieng sie den Schmertzen/ bißwei- len kam sie wider zur Hoffnung vnd Kräfften/ nach Zeitung der Botten/ welche sie in wehrendem Treffen außschickte. Doch kam jhr Poliarchus nie auß dem Gemüthe; welchen sie bey sich selber bald demütig/ bald erzürnet anredete. Sol ich lieber wündschen/ sagte sie/ liebster Freund/ daß jhr von diesem meinem Weinen möchtet wissen/ oder daß sie euch/ wie auch geschiehet/ verborgen blie- ben? Gewiß jhr würdet nicht leben können/ wann euch meine + + +

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grosse Schmertzen einfielen. Im Fall jhr hören werdet daß ich ge- fangen sey/ oder daß sich Argenis mit eigener Handt vnd jhrem Blute vor der Feinde Schmach gerettet habe/ o Vnglück? o traw- rige Liebe? so wird es nicht genug seyn daß ich nur einmal todt bin/ sondern wiederumb durch ewren Todt auffs newe sterben. Aber jhr seydt abwesendt/ Poliarchus: sol ich ewers Verzuges halben euch/ oder einen von den Göttern der vns hasset anklagen? Wann- her kömpt solche Vergeßligkeit? welche Zauberey helt euch in Afri- ca auff? Hat euch nicht ewer guter Geist sagen können/ was an- jetzt allhie fürläufft? Hat der Haß meines Vatters mehr Gewalt vber euch/ als das Recht vnserer Freundschafft? Oder habt jhr/ dem zu ruhen vnmöglich ist/ eine mehr anmutige Gefahr angetrof- fen? Ach/ weret jhr hie/ [402] Poliarchus/ vnd strittet mit dem Feinde/ ich wolte mich deß Siegs wol versichert wissen. Mein Vater würde Sicilien vnd mich euch zudancken haben; welches jhr nun entweder vntergehen/ oder einen andern das Lob seiner errettung/ davon tragen lasset. Dann wann es euch geliebt/ so möchten euch weder die Elementa/ noch einiger zufall/ noch die Natur selber von ewerer Zurückkunfft abzuwenden. Nachdem sie jhn gleichsam also gescholten/ schämete sie sich/ als ob sie eine Todsünde begangen/ daß sie wider den Poliarchus zürnen dörffen/ vnd wandte sich auff andere Gedancken. Sie hab gnug Schmertzen vnd Kummer/ daß jhr Vatter in solchem Treffen sey. Solte vber diß auch Poliarchus in dieser Gefahr schweben/ so würden jhr die Sorgen zuertragen vn- möglich seyn. Ihr Götter/ sagte sie/ ich bin euch verpflichtet/ daß ich vnter so vielem Betrübniß mich gleichwol wegen deß Poliar- chus nit beförchten darff. So lang er leben wird/ so lange er wirdt gesundt seyn/ warumb sol ich mich für elendt schätzen? Oder war- umb betrübe ich mich? als ob er wider seine Trew/ oder die Götter/ die so gerecht vnd billich sind/ wider jhn etwas thun köndten.

In dem sie dieses vnd anders mehr vnter dem weinen/ welches sie mit fürgezogenem Schleyer etwas verbarg/ betrachtete/ fieng sie an/ wegen verkündigung der Feinde Flucht/ die sie selbst auch er- blicken kundte/ mutiger zuwerden; verlaubte Selenissen vnd ande- rem vmbstehenden Frawenzimmer mit jhr zu reden/ vnd jhre Frö- ligkeit zu bezeugen. Als sie her-[403]nach wider in den Pallast vmb- kehrte/ folgte jhr das Volck Hauffenweise/ vnd war/ seinem Ge- brauch nach/ ohn alle maß mit Frewden außgelassen. Auff folgen- den Tag machte sie sich mit dem grössesten theil der Bürgerschafft

[Druckausgabe S. 247]
in das Läger. Was aber jhre Frewde nicht ließ vollkommen seyn/ war dieses/ daß vnter dem Volck ein allgemeines Geschrey gieng/ Radirobanes were mit jhr verlobt. Welchs dann dermassen für gewiß gehalten ward/ daß sie gleichsamb als mit Glückwünschung/ die der Princessin lieb were/ offentlich darvon sagten. Der König/ so jhr von Hertzen holdt war/ weinete vor Liebe als sie zu jhm kam/ vmb- fieng sie/ vnd/ Nunmehr/ sagt er/ vmbfasse ich euch meine Toch- ter/ eine Erbin Siciliens. Sie sind gestorben/ die das Recht der Völcker verkehren/ vnd mein Königreich an sich reissen wöllen. Hernach sahe er auff den Radirobanes/ vnd/ Schawet hier/ sagte er/ meine Argenis/ dieser ists den wir vnter die Zahl der Schutzgötter Siciliens rechnen mögen. Durch Gunst der Götter vnd seine Tugend besitzen wir heut vnser Königreich. Beynebenst lobte er den Arch- ombrotus sonderlich/ wie auch die andern/ vnd fürnämblich die frembde Obristen/ nach eines jeglichen Verdienst. Argenis be- danckte sich mit gebürlichen Worten gegen einem jeden/ vnd hörte jhre Entschuldigung vnd Glückwündschung hinwiderumb: allein daß sie sich von den Schmeichelworten deß Radirobanes/ für wel- chem sie sich allein befahrete/ so viel sie mocht vnd kundte/ bey- seit wendete.

[404: Kupfer Nr. 10]




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),