Eroberung Enne: Verschlagne Gütigkeit deß Lycogenes: Kummer vnd Zweifelhafftigkeit deß Meleanders: Vnverhoffte Hülffe deß Kö- nigs auß Sardinien/ vnd was jhn bewegt habe in Sicilien zu kommen.
Das XIX. Capitel.
ES waren allbereit zween Monat/ daß Enne die Belägerung außge- standen hatte. Die Proviant war abgegangen/ so war auch kein Hoffnung/ daß jhnen der König mit Entsatzung zu hülffe köndte kommen. Als sie derwegen nichts ohn jhre Trew vnd Redlichkeit mehr vbrig hatten/ schickten die Innwohner an den Lycogenes mit erbietung sich zu ergeben. Er ward froh/ daß er zugleich erweisen kundte/ daß er nicht allein sieghafft/ sondern auch [345] gütig were/ vnd gab zur Antwort; Er wünschte nicht mehr/ als daß sie begeh- ren möchten glückselig zu seyn. Er hette auch zu keinem andern Ende mit Gewalt an sie gesetzet. Sie solten zu dem gantzen Cörper Siciliens tretten/ von dessen einhelliger Stimmung wieder den Mele- ander sie sich vnfürsichtiger Weise getrant hetten. Nichts desto- weniger hielten jhrer viel an/ daß man sie sicher zu dem königlichen Läger wolte tretten lassen. Nach dem jhnen solches vergünstiget worden/ haben sie vnter deß Meleanders Soldaten grössere Furchte als Beystandt gebracht: weil sie zu entschüldigung der Ergebenen Stadt jhr außgestandenes Elendt vnd die Macht der Feinde mit Worten vermehreten. Durch Einnehmung Enne kriegte der Lycoge- nes ein grösser Hertze/ vnd versuchte Mittel vnd Wege/ wie er durch das Wasser vnd Morast vber welchem der König lag kommen köndte/ Meleander trug Beysorge/ er möchte den Ort in die länge nicht erhalten können/ ließ derwegen zu anfange der Nacht durch das gantze Läger Fewer machen/ damit der Feindt deß aufbrechens nicht jnnen würde/ vnd rückte ohn alles Trompetten blasen mit seinem Läger wiederumb auff das Feld vnterhalb Epeircte. Auff den andern Tag folgete Lycogenes mit außgebreitetem Heer vber alle Felder in schrecklicher Gestalt/ vnd die Soldaten auß Barbarischer Hoffart mehr mit Vnsinnigkeit/ als menschlicher Vernunfft.
+Der König brachte wegen so vieler sorgen keinen [346] Schlaff in die Augen: bißweilen wolte er sich eine Schlacht zuliefern vnterfangen: bißweilen sich in den Mawren der Statt versichern: vnd zu Zeiten war er auch gesonnen in Africa zufliehen/ gleichsam als die Sache schon gäntzlich verloren were. Es trug sich ohngefehr zu/ daß er/ weil er nicht ruhen kundte/ mit dem Tag auffgestanden war/ vnd gantz allein in den Garten spatzieren gieng. Der Ort lag hoch/ vnd kundte man von dannen weit vber die See hinauß sehen. Als er nun daselbst hin vnd her gedachte/ was in solcher eussersten Noth am rühmlichsten were/ kam er auff die behertzte Erklärung/ er wolte schlagen: in Erwegung aber/ daß er ein Alter Mann were/ vnd ein Vatter darzu/ vermahnete jhn die Fürsorge für seine Tochter auff einen sicherern Rahtschlag zu gehen. Solte sein Kind ein Raub deß Vberwinders seyn? solte die/ welche zum Scepter geboren worden/ jre Freyheit verlieren? hergegen kam jhm auch die vnbequemigkeit der Flucht in die Gedancken/ widerumb bald der Zorn der Götter/ vnd/ welches in einem vnverdienten Vnglück das elendeste ist/ die Glückseligkeit in welcher er zuvor gewesen war. In dem er sich mit solchen Gedancken schlug/ warff er plötzlich die Augen auff das Meer/ vnd das Gewölcke/ welches sich von dem nechsten Gebirge gesetzt hatte/ vnd von der Sonne/ die ziemlich herauff kam/ zertri- ben ward/ ließ jhn allgemach eine seltzame Gestalt frembder Dinge/ vber denen er sich entsetzte/ erblicken. Dann es schiene die See/ so [347] nicht weit vom Hafen mit Schiffen vnd darauff fligenden Fah- nen bedeckt war/ einen newen Krieg/ vnd ein newes Schrecken an- zubringen. Ein mächtiger Schiffzeug/ mit vollen Segeln/ vber diß ein widerglentzung der Waffen/ vnd grosse menge deß Volcks. Als sie dem Port so nahe waren/ daß man sie mit einem Wurffgeschoß erreichen können/ liessen die Schiffer mit großem Geschrey Ancker fallen/ vnd blieben behalten. Der König gedachte nit lang nach/ was es für Leut weren/ oder wannher sie kämen; sondern/ weil er ohn diß schon zur Forcht geneigt war/ stieß er den Fuß etlich mal wider die Erde/ vnd/ Ach/ sagte er/ ist mir dann nit nur so viel Glück be- schert/ daß ich fliehen möge können? Da hab ich deß Lycogenes + +
Bald führte man den Heroldt etwas zu ruhen. In dessen ruffte der König den Raht zusammen/ vnd [350] befragte sich/ ob er dem Radirobanes selber entgegen solte/ oder etzliche von seinen Für- nembsten Leuten schicken/ wegen mehrer Versicherung. Sie waren vnterschiedener Meinung; weil sie einem solchen Glück weder miß- trawen/ noch gäntzlich glauben wolten. Dann warumb solte Radi- robanes so viel Vnkosten vnd Arbeit zu eines andern Nutzen an- wenden? sonderlich vngebeten/ vnd da Meleander vnd er niemals noch beysammen gewesen weren? Es sey alle Gunst die zu groß ist verdächtig; vnd were kaum zu glauben/ daß er diesen Schiffzeug mehr dem Meleander/ als jhm selber außgerüstet hette. Dann auch mein Vatter (sagte der König) mit deß Radirobanes Vattern/ wie jhr wisset/ viel Widerwertigkeit gehabt hat: biß sie miteinander/ mehr auß ermüdung vom Kriege/ als auß beylegung deß hasses/ in Bündtnus gerathen sindt. Auff diesesmal weiß ich nicht waß ich glauben sol; ob es Hülffe oder Betrug sey. Cleobulus aber fieng an: der König solte zum Radirobanes zu gehen kein Bedencken tragen. Dann wo er als ein Freundt angelangete/ so käme gewiß die Hülffe zu rechter Zeit; vnd würde keine Ehre zu viel seyn/ die man jhm erzeigte. Hergegen wo er den König entweder von sich selber an
Vnd zwar den Cleobulus betrogen seine Gedancken nicht. Dann das Gerüchte von der Argenis/ vnd die Begierde zu dem Königreiche Sicilien/ welches an die Princessin kommen solte/ hatten dem Radi- robanes dieses zuthun eingegeben. Er hatte diese Flotte in bereit- schafft gehabt/ wegen eines Zuges wider die Mauritanier/ welchen er fürzunehmen gesonnen war. Das Geschrey aber von dem Sicili- schen Kriege machte/ daß er seinen Weg in Africa verschub/ vnd zu einem löblichern Ende dem Meleander zuschiffete.
[352: Kupfer Nr. 8]