Das XVIII. Capitel.
ALs Nicopompus weiter reden wolte/ stewerte sich der König auff den Cleobulus/ vnd gieng fort. Die andern giengen mit Lachen her-
nach. Cleobulus aber erinnerte den König/ daß ob gleich hinder
diesem Frembden nichts steckte/ so köndte er dannoch schaden/ vnd
müßte man jhn mit Spott nicht fortlassen. Dann weil man jhn gereitzt
hette/ so köndte er leichtlich außgeben/ daß die Gestirne auff
nichts gutes zeigeten/ vnd die Soldaten zu allerley [338] Forcht vnd Aberglauben bewegen. Derhalben beruffen sie jhn/
der schon etwas trawrig war/ vnd sagten jhm Danck für seinen guten Willen.
Daß man aber seiner nicht gebrauchte/ stunden die Zeiten am We- ge;
in Ansehung/ daß es königlicher Majestet nicht zum Ansehen gelangete/ wann er/ als ob er am Siege zweifelte/ nach der Be- stimmung
seines Geburtstages so hoch fragen wolte: Doch solte er für solche seine
geneigete Meinung vnbelohnet nicht bleiben.
Der-
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[Druckausgabe S. 209]
halben
schickten sie dem Warsager ein halb Talent/ zur Vermeidung
deß vbel nachredens/ dessen sie sich besorgeten. Nach diesem fien-
gen sie an wichtigern Geschäfften obzuliegen; dann es kam ein Bott
nach dem andern/ die vom Anzuge deß Lycogenes Zeitung brach- ten/ welche nicht sehr
angenehm war. Dann in deß Königes Heer nicht mehr als zehen Tausendt wol
außgerüsteter Soldaten zu Fuß waren: Zwey tausendt zu Roß; Drey tausendt
Fünffhundert Schüt- zen vnd Schleuderer: Dreyssig Sichelwägen: zehen
Schirmschiffe/ vnd Zwantzig andere/ so zum Kriege kondten gebraucht
werden. Die Hyperephanier rebellirten nicht alle: sondern ein jeder folgete
seiner Zuneigung; etliche hielten es mit dem Könige/ etliche mit dem
Lycogenes. Aber bey diesem Auffstande war mehr Volck vnd
Stärcke auff deß Lycogenes seiten. Nach der Musterung nicht weit von
Syracuse hatt er sie in Regiementer außgetheilet. Es haben sich
dreyssig Tausend Fußknechte/ vnd Sechstausendt Reu-[339]
ter bey jhm vnterhalten lassen. Damit es auch an einem guten
Zei- chen nicht mangelte/ so hieß der erste auff der Rolle Nicon/ wel- ches deß gemeinen Pöfels Aberglauben/ als ob es
ohngefehr sich so zugetragen hette/ für eine gute Anzeigung aufnahm.
Lycogenes war wol versichert/ daß er nicht lenger
herschen/ als sie toben würden. Derentwegen zohe er stracks mit gantzer
Heereskrafft auff den König/ weil sie noch hitzig waren. Der König
hergegen rückte zu einem kleinen Wasser/ welches mit seinem Strome das
Erdtreich durchschwemmet hatte/ daß es sehr tieff floß. Weil die Feuchtig-
keit/ vnd das Wasser so nicht vnlengst groß gewesen vnd außge-
rissen war/ die Erde durchweichet hatte/ als war dem Boden nicht
zutrawen. Durch vermittelung solcher Vorwehr hette wenig Volck dem
Lycogenes die Spitze bieten können/ der sich doch sehr starck
sehen ließ: Als er aber durch den gefehrlichen Ort vberzusetzen sich bemühete/ wardt er von deß Königes Volcke/ wo er auch gleich durch
begerte/ zu rück getrieben. Damit er aber vnter dessen die Zeit gleichwol
nicht verliere/ schickte er seiner Schwester Sohn Anaximandern vnd den Menocritus deß Oloodemus Brudern mit etlichen Fahnen/ daß sie Enna vnd
Catana belägern solten. Auß seinem vnd deß Königes
Läger geschahen sehr viel Scharmützel/ so
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[Druckausgabe S. 210]
daß sie beyderseits mit vnterschiedenem Glück täglich von
einander kamen. Doch war dem gantzen Heer durch solche leichte treffen
auff beyden Theilen nichts sonderlich benommen.
[340] Wer solle vermeinen/ daß in so schrecklichen
Zerrüttungen/ vnd bey augenblicklich bevorstehender Gefahr ein
Mensch sich mit anderen Affecten vnd Begierden vberwerffen könne. Nichts
desto- weniger wurden Archombrotus vnd Argenis von jhren geheimen Sorgen mehr
geplaget/ als von denen die man offentlich sahe. Jene hatte allezeit deß
Poliarchus Tugend für augen/ wardt häger/ ver- zehrte mit einsamen klagen alle Kräfften jhres Gemütes/ vnd sagte
außdrücklich/ man müste deß Lycogenes alten Feindt/ welcher jhm obzusiegen gewohnet
were/ wieder fodern. Archombrotus aber hatte anderen Kummer. Es machte jhn die
mühselige Süssigkeit der vn- gewissen Hoffnung so vnruhig/ daß er baldt
den Krieg verfluchte/ weil er in wehrendem Vnwesen den Rahtschlag
seine Liebe zuoffen- baren nicht köndte fortstellen/ baldt sich frewete/
daß er anlaß be- kommen hette/ seine Mannheit vnd Stärcke zuoffenbahren:
so daß jhn alle beyde diese Vrsachen wieder den Feindt reitzeten. Doch
klagte er sich offtmals selber an/ daß er in solcher Gefahr Melean- ders vnd der Argenis allein zugegen were. Er hette vielmehr ein
Heer auff die Füsse bringen/ vnd durch die grösse solcher Wolthat
zugleich seine Liebe/ vnd hohen Standt zuerkennen geben sollen. Gewiß
er würde dieses auch nicht vnterlassen haben. Aber es wolte viel Zeit
darzu gehören/ diesen Zustandt Siciliens in sein Vatter- landt
zuwissen machen/ das Volck hernach werben/ vnd die gantze Macht
vber-[341]führen: weil sonderlich Lycogenes geschwinde were/ vnd solcher langsamen Hülffe
schwerlich erwarten würde. So stundt er auch nicht in geringeren Sorgen
deß Poliarchus wegen/ welchen der wütende Eyfer seinem krancken
Gemüte allzeit zeige- te: darumb lobete er jhn mit verdrucktem
Hasse bey dem Könige auff solche weise/ daß er sich bedüncken ließ als ob
er seinethalben gar nichts thete. Er zohe es für einen Vngehorsam an/ daß
Poliarchus/ wie er deß Lycogenes Brieff geschickt/ dem Könige schrifftlich nichts
zuentbotten hette. Er hette bey solcher seiner Nachlässigkeit oder
Hoffart/ seiner vnd deß Königes vergessen. Es würde auch dem
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[Druckausgabe S. 211]
Könige zum Ansehen nicht dienen/ wann er jhne zum ersten
durch Schreiben begrüssen wolte: also daß deß Königes Ohren sich diese
boßhafftige vnd tägliche Schmeheworte zuhören angewehneten;
sonderlich weil er vermeinete/ daß zwischen dem Archombrotus vnd Poliarchus nichts wiederwertiges fürgelauffen were. So merckte
auch Gelanor/ daß Archombrotus nicht mehr das Gemüte gegen dem Poliarchus hette/ wie damals als sie von einander abschiedt
genommen. Weil er aber sahe/ daß er bey Hofe in grossen Gnaden war/
als schrieb er diesen Hochmuth leichtlich seinem Glücke zu/ welches
hernach die alten Freunde/ gleichsam als sie der gegenwer- tigen Würden
nicht werth/ oder beschwerlich were/ zukennen be- dencken träget.
Vnterdessen hatte er gleichwol seines Herren Haus (weil er [342]
es auff Befehl deß Königs von den Fürstehern wider
einbekommen) auff gutbedüncken der Argenis also bestellet/ daß ein jeder meinete/ man were seiner stündlich gewärtig.
Im vbrigen/ wiewol er eylete in Africa wider vmbzukehren/ so ward er doch mit vergebener
Auffwartung lange Zeit gehindert. Biß der König/ auff eingeben deß
Archombrotus/ jhn vnbeschenckt/ vnd auch nicht mit gar
freundlichen Worten von sich ließ/ vnd jhm befahl/ dem Poliarchus zu vermelden: Er were ein König/ vnd kein
Vergiffter. Was seine Sach belangete/ so were sie an dem Oloodemus vnd
Eristenes hinauß geführet worden. Im vbrigen so wüßte er nicht besser
warumb Poliarchus nicht an jhn geschrieben hette/ als warumb
Lycogenes hette an den Poliarchus geschrieben.
Gelanor ergrimmete sich vber der harten Abfertigung/ vnd ver-
mochte den Zorn kaum zu halten. Doch bedachte er sich/ daß er mit dem
König redte/ vnd es dem König weniger an der Rache/ als jhm an Worten
mangelte; sagte derowegen nur so viel: Poliarchus
würde nicht allein schreiben/ sondern sich auch vnverdrossen ein- stellen; damit er es köndte wider gut machen/ im Fall er an etwas
gejrret hette. Nach diesem tratt er ab/ vnd machte daß Meleander/ der ohne diß nunmehr vber allen Sachen forchtsam
war/ in allerley Gedancken geriethe. Hernach gieng er zur Argenis/ mit
vermel- dung/ wie vngnädig der König vom Poliarchus geredt hette. Sie
[343] aber kundte die Threnen kaum verhalten/ vnd
fieng an: Mein
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[Druckausgabe S. 212]
Gelanor/ die Götter haben alles herfür gesucht/ dadurch mir vnd
dem Poliarchus kan geschadet werden. So sind wir beyde desto
elender/ weil wir zertrennet leben/ vnd eines sich wegen deß andern
Schmertzen verzehret. So kömpt auch die Gefahr von Lycogenes
deß Königreiches halben darzu/ welches jhm auch bekümmerlich
seyn wirdt/ weil er mich lieb hat. Was wirdt es jhm helffen/ daß man
jhn mit vbrigem Trawren belade/ vnd jhm von meines Vattern Zorn
wieder jhn eröffnet? welchen/ wie ich dafür halte/ nicht etwan ein böser
Wille/ sondern seine Noht vnd Wiederwertigkeit an- ders gemacht
hat. Wo ich euch darff etwas vberbitten/ so thut mir vnd jhm es
zugefallen/ Gelanor/ vnd last jhn dieses nicht erfahren. Ich wil darob
seyn/ daß meinen Vattern dieses Irrthumbs berewen/ vnd er den Poliarchus gewiß lieben solle. Zur Belohnung ewerer
Verschwiegenheit sage ich euch alles das zu/ wessen ewerer Standt kan fähig werden. Ihr dörfet nicht hoffen/ daß ich es nicht erfahre/
im fall jhr ewrem Herren das geringste offenbahret. Wie sehr er euch
verheisset/ daß er alles heimlich wolle halten; bescheren mir jhn die
Götter nur wieder/ so wil ich jhn bezwingen mir alles zu entdecken/ vnd
wol erfahren/ wie sehr jhr mich werdet betrogen haben. Was ich bey
jhm außrichten könne/ weiß niemand besser als jhr selber. Als Gelanor bethewerte/ daß er jhr in allewege gehorchen wolte/
gab sie jhm die Schreiben [344]
an den Poliarchus: vnd bate darneben/ daß er auffs ehiste in
Sicilien kommen möchte. Dann wo es dem Lycogenes bestimmet were/ daß er müßte vberwunden wer- den/ so köndte es fürnämblich durch jhn geschehen. Würden aber
die Götter ein Vnglück vber sie verhängen/ so würde er sie/ vermög
seiner rechtmässigkeit in wehrender Flucht schützen können. Letzt-
lich als sie jhme Verehrungen gegeben/ ließ sie jhn Abschiedt nem-
men/ vnd auff die Schiffe zu gehen.
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[Druckausgabe S. 213]
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),