Gelanor vbergibt dem König deß Lycogenes Schreiben; vnd geht zur Argenis. Meleander erforschet auß Raht deß Cleobulus die vergiff- ter deß Armbandes: Eristenes vnd Oloodemus
werden befragt. Ihre Verdammung vnd Todt.
Das XV. Capitel.
DEn andern Tage/ als Hieroleander seine andächtige verrichtung glücklich vollbracht
hatte/ ließ er den Nicopompus so länger ver- warten muste/ sampt dem Antenorius im Tempel; Er aber name seine Reiß in Gesellschafft deß
Gelanors auff Epeircte zu. Als er der Argenis mit Frewden angemeldet/ wie
Apollo auff alles gutes ge- deutet/ vnd die Eingeweyde deß Opffers sich gantz
recht befunden hetten/ sagte er beyneben/ daß jhm deß Poliarchus Diener im Ein- gang deß Tempels begegnet/ vnd an jetzt
in der Statt were; vnwis- send/ daß er durch solche [297] Zeitung der Princessin Gemühte also sehr erregen würde. Sie muthmassete
stracks/ daß die Götter durch den glücklichen Abgang deß Opffers deß Gelanors Ankunfft gebil- lichet hetten/ zitterte für Frewden/ vnd
fieng an zu zweiffeln; Ob Gelanor ohn den Poliarchus angelanget were; oder ob er sich ver- borgen hielte/
damit er heimlicher Weise mit jhr zu rede kommen möchte. Zum wenigsten
hoffte sie von dem Gelanor zu hören wo er were/ wie es jhm gienge/ was er jhr zu thun
zuentbieten liesse/ vnd was er selber im Willen hette. Gelanor war nicht weniger begierig die Princessin an zusprechen.
Als er aber dem Eurimedes ohngefehr zu Gesichte kommen/ vnd es nicht verbergen
kundte/ daß er zum Könige geschickt worden/ ward er stracks für jhn
geführet; da er dann/ wie sich auch gebührete/ weder mit erschrockenem noch
trewhertzigen Gesichte diese wenige Worte sagte: Herr/ Poliarchus
küsset euch in aller Vnterthänigkeit die Hände/ vnd vbersändt euch dieses
Schreiben welches Lycogenes an jhn abgehen lassen/ damit jr nicht vermeynen
sollet daß er nicht wisse/ oder daß er gläube das jenige/ was jm von ewren
Anschlägen wider ihn zugebracht wird. Zugleich vberantwortete er das Schreiben.
Der König/ als er solches gelesen hatte/ ward er vber dem frembden Wesen
bestürtzet/ fo- derte den Cleobulus vnd Eurimedes/ vnd gab es jhnen zu vbersehen. Sie
ertheileten nichts anders zur Antwort/ als daß es eine verdäch- tige vnd
gefährliche Sache were. Es [298] war jhnen sämptlichen
[Druckausgabe S. 184]
niemals etwas verwirreters fürkommen; weil auch Gelanor weder mit bitten/ noch fast mit drewen etwas sagte (wiewol
er nichts kundte sagen) dadurch man hinter des Lycogenes Betrug kommen mögen. Er erzehlete/ wie jhm dann nicht
anders war/ daß dieser Brieff vnter eines entleibeten Sachen/ gelegen
hette; mehr were weder jhm noch dem Poliarchus bewust. Der König fieng an: Gela- nor/ ich kan gleichs
fals auß diesem tunckelen Wesen nichts neh- men. Argenis hat dem Poliarchus auff meinen Befehl ein Arm- bandt zugeschickt: welches
Timonides jhm vberantworten sollen. Aber von dem Giffte weiß
ich nichts/ vnd kan mir auch nicht einbil- den/ wie Lycogenes vom Armbande gewust habe. Lasset es nur bey euch bleiben/
damit niemandt jnnen werde/ wannenher ich solches erfahren habe. Die Götter vnd
ich wöllen Sorge tragen/ wie der Feinde vnehrliche Stücke mögen herfür gebracht
werden. Als er nachmals fragte/ wo er dann den Poliarchus vnd Timonides ge- lassen/ sagte Gelanor/ Poliarchus hette weder Timonides noch das Armbandt gesehen: er aber were nach seiner
Abreisung von Rhege lange Zeit des Vngewitters wegen auff der See weit vnd breit
her- umb zu jrren gezwungen worden.
Als jhn der König nachmals abtretten lassen/ gieng er
zur Sele- nissen/ vnd vbergab der Argenis bey vorfallender Gelegenheit das
Schreiben/ nebenst Erzehlung vbriger Sachen/ wie jhm Poliar- chus [299]
mit gegeben; daß er nemlich in Africa sey/ vnd alda erwartete/ biß sie jhm zu entbieten liesse/
waß sie vermeinete/ daß jhm von jhrer beyder wegen zu thun von nötten sey.
Wann es Gewaldt bedürffte/ wolte er sich baldt/ nicht nur allein/ vnd als
eine Priuat person/ wie zuvor/ einstellen. Oder wo sie etwas für besser hielte/
solte sie jhm ohne schew befehlen; er thete nichts anders als was sie begehrete.
Im vbrigen vermahnete er sie deß getroffenen Bündtnisses in seiner
Abwesenheit nicht zu- vergessen/ noch dasselbe jemals bey zulegen. Er wolte es
aber nicht für ein geringes Pfandt jhrer Liebe achten/ wann sie jhm offen-
bahrte/ ob Lycogenes jhn auffrichtig gewarnet hette. Argenis er- schrack vber
solcher Furchte deß Poliarchus/ vnd der schändtlichen Aufflage welcher man jhren
Vatter beschuldigte; mit einem thewren
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[Druckausgabe S. 185]
Schwur daß solche böse That vom Könige nicht herrührete. Poliar-
chus thete auch fast vnrecht/ daß er jhm einbilden köndte/ wann ja jhr
Vatter auff etwas dergleichen vmbgieng/ daß sie solches auß zuforschen vnd jhm an
zu melden säumiger sein würde als Lycoge- nes. Wie Gelanor ferrner erzehlete/ in was für Gefahr Poliarchus
gestanden/ wie er nach Vntergange deß Schiffes sich auff einem Steinfelsen
erhalten/ vnd hernach grössere Lebens Gefahr bey der Räuber Hülffe als in
wehrendem Schiffbruche außgestanden hette/ kundte sie die Abmahlung solcher
schröcklichen Gefahr nicht er- dulden/ hieß den Gela-[300]
nor bald schweygen/ bald weiter sagen/ vnd zitterte dermassen zu
allen Worten/ gleich als ob sie es selber anschawete/ oder dasselbe was sie
hörete noch nicht fürüber were.
Der König war in grossem Kümmernüß/ hatte auch das Arm- bandt/
den Lycogenes/ vnd das Gifft allzeit im Gemühte vnd Augen/ vnd
hielte zweene Tage darvon Nachfragung; gleich als Arsidas vnd Timonides nach Hofe kamen/ deß Poliarchus Schiffbruch/ wie sie darfür hielten/ anzumelden. Weil
sie derhalben vermeyneten/ Gela- nor were mit dem Poliarchus blieben/ erschracken sie als sie seiner ansichtig
worden. Als baldt musten sie zum Könige kommen/ daß sie gehöret würden/
wann sie vmb deß Lycogenes Schreiben etwan Wissenschafft trügen. Argenis war dazumal
entgegen; wie auch Cleobulus vnd Eurimedes. Wie sie jhre Sache anbrachten/ zohen sie
für allen Dingen die Schachtel herfür/ vnd auß derselben das Arm- bandt/
welches so viel Verwirrung gemacht hatte. Sie berichteten/ Poliarchus were vom Arsidas schon hinweg gewesen/ für deß Timo- nides Ankunfft; vnd/
wir sind/ sagten sie/ durch erhebliche Anzey- gungen bewegt worden/ daß wir/ in
Meynung er sey durch Schiff- bruch vntergegangen/ jhn schon betrawret haben:
hernach hat vns hier Gelanor widerumb Hoffnung gemacht/ der vns gesaget hat/ daß
sein Herr nicht allein noch lebe/ sondern frisch vnd gesundt sey. Nach diesem/
zeygete er jhnen deß [301] Lycogenes Schreiben an den Poliarchus; vber welchem als sie bestürtzt waren/ gedachte
Cleobulus den Sachen scharpffsinniger nach/ Laßt schawen/ sagte er/
ob das Armbandt noch vnverletzet sey/ vnd ob der gewürckten Seyden daran
nichts mangele/ daß also diese Lügen hier bald
offen-
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[Druckausgabe S. 186]
bar
werde: oder ob es vergifftet sey/ vnd zu solcher Verleumbdung
Anlaß gegeben habe. Als sie damit vmbgehen/ vnd die Glieder auß einander
wickeln/ werden sie in dem seydenen Zindel/ an welchen die Steine mit silbernen
Faden gefast waren/ deß grünlechten Gifftes jnnen/ so dem andern/ wegen der
kleinen Flecke die hin vnd wider stunden/ an Farbe nicht ähnlich sahe. Als
Cleobulus solches er- blickete: Was ist dieses anders/ sagte er/
als das Gifft dessen Lycoge- nes erwehnet? Aber wir wollen zuschawen/ wer das
Geschencke so schöne muß eyngeschmieret haben. Herr/ jhr sollet meiner Muht- massung nimmermehr weiter glauben/ wann Lycogenes vnd sein Anhang hieran nicht schuldt haben. Dann
Eristenes/ der gewesene Schatzmeister welchen jhr gefänglich haltet/ hat diß
Armbandt vn- ter seinen Händen gehabt. Vnd warumb wollet jhr nicht glauben/
daß sie durch jhre List oder Verrähterey der ewrigen erfahren ha- ben/ daß dieses Geschencke dem Poliarchus solte zugeschickt wer- den; vnd also auß boßhafftigem
Neyde durch solche Vergifftung jhn das Leben/ vnd euch vmb ewer gutes Gerüchte zu
bringen willens gewesen seyn? Aber durch glückselige Anzeygung der [302]
Götter ist alles wol hienauß gelauffen: diß Schelmstück sol den
Anfängern gewiß den Hals brechen/ jhr haltet den Oloodemus vnd Eristenes
(welche ohn alle Widerrede sterben müssen) zwar wegen verborge- ner
verbrechen für straffwürdig; man hat sie aber offentlich von nichts wegen vber
weisen/ vnd für dem Volcke zu schanden ma- chen können. Wirdt man nun dahinter
kommen daß sie an dieser That schuldt tragen/ so wird sie jederman
einhellig verdammen. Der König befahl dem Cleobulus/ sich dessen/ was er jhm so weißlich eingebildet hette/
besser zu erkündigen/ vnd die Malefitz personen fürzunemen. Er aber deutete an/
daß es durch den Eurimedes am besten könde geschehen/ vnd gab kürtzlich rhat/ wie
man mit der sachen verfahren solt.
Eurimedes begehrte sich solchen Befehlichs nicht zuentbrechen/
sondern gieng hin zu dem Orte/ wo der Eristenes verwahret gehalten wardt/
vnd fieng stracks im hinein schreiten (wie Cleobulus jhm recht eingegeben hatte) mit anmeldung grosser
Traurigkeit an: Ihr habt ja endtlich noch getriumphiret vber den Poliarchus/
Eri-
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+
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[Druckausgabe S. 187]
stenes. Er ist von dem Armbande gestorben/
das jhr vergifftet habet. Wöllet jhr es euch dann/ wie zwar Oloodemus thut/ für
eine Ehre vnd Ruhm halten/ daß jhr zu solchem Bubenstück rhat vnd that ge-
geben habt? Eristenes erschrack nicht anders als ob jhn plötzlich ein
Vngewitter vberfiele/ vnd vermochte kein Wort zumachen. Er hörete daß Poliarchus todt were/ wie [303]
dann sein
täglicher wundsch gewesen. So vberzeugete jhn sein gewissen wegen einhal-
tung solcher Vbelthat. Was solte er ferner viel aufs leugnen tretten/ weil
Oloodemus (dann also hatte Eurimedes fürgegeben) der Ver- gifftung
allbereit geständig gewesen? Man ließ jhm auch nicht Zeit bey sich raht zuhalten/
oder sein Gemüte wieder zuerholen. Derent- wegen hielte er/ als in Sachen mit
denen es aufs euserste kommen/ darfür/ es were am besten daß er nicht vergebliche
Vmbschweiffe machte/ vnd die That hinterhielte; denn hierdurch würde er sich nur
an den Tag geben/ daß er dieses beginnen selber für strafffällig er-
kennete. Als derentwegen Eurimedes auff jhn drang: Es sey wol/ sagte er; Die
Götter mögen mit mir machen was sie wöllen. Mir be- gnüget/ daß ich den Feind
Siciliens den Poliarchus vberlebet habe. Auff dieses grübelte Eurimedes/
gleichsam als ob jhm alles wol be- wust were/ weiter nach/ damit er hinter
jhren Anschlag käme; vnd hielte jhm letzlich deß Lycogenes meineidt ein/ in dem er durch das Schreiben an den
Poliarchus deß Königes vnschuldt verdächtig machte/ wegen eines
vnehrlichen verbrechens das er selber began- gen hette. Dessen Eristenes mit
lächeln geständig war. Gieng also Eurimedes von jhm zum Könige/ vnd zeigte
jhm nicht ohn entset- zung an/ wessen er geständig gewesen: nunmehr were nichts
vbrig/ als daß sich Oloodemus durch ebenmässiges bekentnüs verdammete.
[304] Meleander erfrewte sich/ daß die That so glücklich were her- auß
gebracht worden/ lobete den Eurimedes/ vnd schickte jhn zum Oloodemus. Er
aber/ als der sich geschwinder entschliessen kundte/ wolte von der Vergifftung
nichts wissen; sondern als man jhn dar- umb befragte/ so begehrte er mehr zu
hören/ vnd machte jhm das Wesen gantz frembde. Wie jm auch gesagt ward/ daß
Eristenes die That allbereyt bekandt hette/ meynete er es were nur ein Betrug/
vnd sagte/ er glaubete nicht/ daß sich Eristenes/ eines solchen
Bu-
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+
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[Druckausgabe S. 188]
benstückes
vnterwinden köndte: da er es auch je gethan hette/ so were
es ihm nicht wissendt. Endlich vberwand Eurimedes seine Halßstarrigkeit mit
solchem Anschlage. Er ließ den Oloodemus auff einen heimlichen Ort tretten/ auß
dem er den Eristenes ver- nehmen kundte: mit dem er die vormals gepflogenen
Reden wider- holete. Eristenes/ seine Beständigkeit zu bezeugen/ wolte weder
sein/ noch seiner Mitgehülffen Verbrechen laugnen: biß Oloodemus dermassen
vngedultig darüber ward/ daß er anfieng zu schreyen: O Eristenes/ welch ein Narr
seydt jhr entweder: oder ein Verrhäter der ewrigen? Darauff möchte er
nicht weiter Vmbschweiffe brau- chen/ vnd sagte/ er were alle der seinigen
Vntergang/ vnd allein deß Vnglücks werth/ in welches er so viel stürtzete.
Eristenes ward zu langsam jnnen/ daß jhn Eurimedes betrogen/ vnd Oloodemus
nichts von jhrem allgemeinen Verbrechen geoffenbahret hette. Er wolte [305]
seinen Fehler/ so viel es die Zeit vnd der
Schmertzen zugaben/ gegen dem Oloodemus mit Worten entschüldigen. Aber/ weil
die Sache in Beyseyn gnugsamer Zeugen klar war/ worden sie in vnterschiedene
Gefängnüß gesetzt/ vnd auff den andern Tag für offentliches Gerichte geführet:
damit nit die Außfragung/ wann sie nicht für jedermänniglich geheget
wurde/ hernachmals von der Thäter Anhange vnd Leuten als vntüchtig vnd vnrecht
freuentlicher Weise möchte geschmähet werden. Wiewol aber der König wegen
der Bürger zu Epeircte wol versichert war; jedoch ließ er zu Ver- wahrung der
Vbelthäter seine Leibwache auff den Platz stellen. Sie musten auch auß
einem solchen Orte Rede vnd Antwort geben/ von da man sie/ wann Entpörung vnter
dem Pöfel entstanden were/ leichtlich widerumb auff das Schloß/ vnd in jhre
Gewahrsam bringen kundte. Das Volck/ so durch offentliches Außschreyen auff den
Marckt beruffen worden/ kam hauffen weise zusammen; vnd der so für
allgemeinem Gerichtstul deß Königs Sachen fürzubringen pfle- get redete auff
solche Meynung: Das Volck wisse/ wie mit grossen Gnaden der König jhm beygethan
sey/ so trage der König hergegen auch keinen Zweiffel/ er habe an jhnen getrewe
Vnterthanen. Der- halben/ ob er gleich den Eristenes vnd Oloodemus/ weil sie sich
mit vielfaltiger Vbelthat an jhm vergriffen/ von Rechtes wegen eygen-
thümlich verdammen können; jedoch hette er die Sache [306]
für
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[Druckausgabe S. 189]
offentliches gehegtes Gerichte verschieben wöllen/ damit seine
ge- horsame Leute selber vber sie sprechen möchten. Sie solten jhr
Verthädigung anhören/ vnd den Richtern mit jhrer Stimmung an die Handt
geben/ wie mit jhnen zuverfahren were. Es sassen drei- ßig Malefitzrichter/
welchen Eristenes vnd Oloodemus fürgestellet worden. Darauff sie der Kläger mit
kurtzer Verfassung beschül- digte/ wie sie sich vieler bösen Thaten gegen dem
Könige vnter- standen/ den Frieden offtmals gebrochen/ vnd mit den Feinden
Verständtnus gehabt hetten. Hernach kam die harte Beklagung we- gen
deß Giftes/ vnd Aufflage der Vnredligkeit/ darmit sie den König beschüldigen
wöllen. Als hierüber jhre eigen Bekentnüs/ die Zeu- gen vnd die Schreiben zum
Beweiß herfür gebracht worden/ wurden die Inwohner zu Epeircte dermassen beweget/ daß viel sie vnver- vrtheilet
zusteinigen gesonnen waren. Der Kläger aber bate jnn- ständig/ sie wolten
zufrieden seyn/ biß die Richter würden erkandt haben. Dann es sey höchlich daran
gelegen/ daß den beklagten eine offentliche Verantwortung zugelassen würde. Es
solte sie jhre eigene Rede vnd der Vberweiß jhres erschrockenen Gewissens
schwerer ankommen/ als die Worte deß Klägers. Im fall sie es auch begehrten/ so wolte jhnen der König zwey Stunden zu jhrer Verthä- digung frist
lassen. Vnd zugleich hieß er die Beklagten/ jhre Ent- schüldigung anzubringen/
fürtretten. Aber sie/ wie er jhm schon
[307]
eingebildet hatte/ wusten wegen Vngerechtigkeit jhrer
Sache nichts zu machen. Dann der That kundten sie nicht in Abrede seyn/ vnd das Volck in gleichen nicht versöhnen. Derenthalben sagten sie
furchtsam gar wenig; vnd dasselbe war mehr eine Ankla- gung deß Königes als eine
Beschützung jhrer selber. Letzlich stimmeten die Richter sämptlich/ vnd
erkandten/ daß sie Leib vnd Leben verfallen hetten.
Sie wurden alsbaldt in das Gefengnüs geleget/ damit sie/
als die einen andern durch Vergifftung hinrichten wöllen/ selber mit Giffte
getödtet würden/ wie sie verdienet hatten. Daselbsten gebrauchten sie sich
jhrer trawrigen vnd letzten Freyheit/ welches denen so auff solche weise sterben/
von den Gesetzen zugelassen worden. Sie
fien-
+
+
+
+
[Druckausgabe S. 190]
gen
an den König zuverfluchen/ den Lycogenes vmb Rache anzu- ruffen/ vnd die Hellischen Götter
zubitten/ daß jhre Feinde noch ein schrecklicher Ende als sie haben/ vnd es jhnen
zu einem solchen Tode nicht kommen möchte. In dessen war der Todbecher schon vorhanden/ welchen Oloodemus dem Hencker zum ersten auß der Handt rieß/
vnd/ wolan/ sagte er/ wir wollen es dem Meleander zu- trincken. Vns belangendt/ so kommen wir dem Elende
ab/ damit wir jhn ärger darnieder reissen nun wir todt seyn werden/ als er sich
dessen befahret hatt weil wir noch lebeten. Als er diß gesagt/ machte er jhn mit einem Truncke auß. [308]
Wie er widerumb voll
gefüllet worden/ reichte man jhn dem Eristenes/ der die Stirne runtzelte/
vnd sich starck vmbsahe/ mit den Worten: wer wil es meinen Freun- den zu
wissen thun/ was sie dem Meleander schüldig sindt? Als sie außgetruncken hatten/ warnete sie
der Hencker/ damit das Gifft desto leichter die Adern durchtringen/ vnd
sie ohn wenigern Schmertzen sterben köndten/ als solten sie so weit sich das
Gefäng- nüß erstreckte herumb spatzieren; biß jhnen die Schenckel schwer
würden/ vnd sie fühleten/ daß sie allgemach von vnten auff ver- starreten.
Als sie jhm folgeten/ vnd jhnen die Füsse kalt worden/ fielen sie in die
Bette: daselbst nam sie der Nebel deß Gifftes wie mit einem Schlaffe eyn/ daß sie
nichts empfunden; biß sie nach Tödtung der Hüfften/ gleichsam als ob sie mit
etwas gestochen würden/ eine Anzeygung von sich gaben/ daß die Gewalt deß Gifftes
die edelsten Glieder schon eyngenommen hette; vnd storben also kurtz hernach. Die Poeten säumeten sich nicht Verß hiervon außzustrewen; von denen
etliche die verurtheileten mit verächtlicher Freyheit mehr als billich war
angriffen; etliche aber sie warneten/ gleich als sie nach jhrem Tode Busse thun
köndten; vnd jhnen von jhrem Ende weissagten/ wie sie schon wegk waren. Man
hielte die jenigen für die besten/ welche mehr den Ehrgeitz als die
verdampten schmä- heten.
+
[Druckausgabe S. 191]
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
(abgerufen am: )
Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),