Das XIV. Capitel.

Der Zweck deß Nicopompus/ dahin auch der Author siehet: Fürstel- lung dieses Buchs.

Das XIV. Capitel.

DArauff fieng Nicopompus an/ entweder auß einer Hitze der Ju- gent/ oder auß vngedult täglich so viel vbels bey Hofe zu sehen/ vnd beklagte sich nicht allein vber das Glück/ sondern auch vber den Ly- cogenes vnd den König selber. Wie lange/ sagte er/ werden wir vns der Vnbedachtsamkeit an statt der Vernunfft gebrauchen? wöllen wir dann vnsere Rhatschläge nicht nach dem richten/ was für einen Außgang jetzundt wir/ vnd vorweilen vnsere Voreltern gehabt ha- ben? Wie viel besser were es gewesen (bey vertrewlichen [289] Freunden rede ich weitleifftiger) daß der König seine Vorfahren an- geschawet/ vnd auß jhrem Anschlage oder Irrthumb sich für seinem Vnheil hette hüten lernen; als daß er erst Artzney suchen soll/ nun jhm die Wunde schon geschlagen ist? Was können doch diese Re- bellen/ welche sich wieder jhn auffgelehnet haben jhrer Empörung für einen Schein vnd Nahmen erdencken/ der nicht lengest zuvor bey dergleichen Auffruhr vnredlich gemachet vnd verdammet ist worden? Sagen sie/ daß sie dem gemeinen Wesen/ dessen Vnter- gang für der Thür sey/ helffen oder den Königen wollen zeigen/ wie man die Götter ehren solle? Gewiß die Götter/ die sie so offtmals verachtet haben/ loben solche heilose Waffen nicht; vnd das Vat- terlandt/ welches von so vielen Niderlagen verwüstet ist/ kan jhren Trost vnd Hülffe nicht leiden. Sie mögen jhr Beginnen schmücken vnd beschönen wie sie wollen/ so haben doch andere Auffwiegeler dasselbe schon vor langer Zeit beflecket. Ich weiß nicht mit was für hitzigem Eingeben die Götter mir mein Gemüte treiben daß ich die vnruhigen Köpffe schenden/ die Verbrecher straffen/ vnd zur Rache greiffen muß. Damit jhr aber nicht vermeinet/ daß ich mich etwas grössers vnterstünde als ich getrawete hinauß zuführen/ so haben mir eben dieselbigen Götter die Waffen der Wissentschafft gegeben/ welcher Streiche/ wann sie mit Bedachte vnd Billigkeit geschehen/ keine Kräfften aufffangen/ vnd keine Zeit vertilgen kan. Ich will endtlich solcher meiner [290] Bewegung jhren Lauff lassen/ vnd mit freyer Hand auffsetzen was ich gedencke: ich wil schreiben worinnen der König geirret habe; Vnd wil in diesem vnserem Schiff

[Druckausgabe S. 179]
bruche der vns für Augen stehet zeigen auff den heilsamen Ancker/ welchen vns die Historien verwichener Zeiten an die Handt geben. Alsdann wil ich solchen Auffrührern jhre Larue wegreissen/ daß der gemeine Mann sehe wer sie sindt; daß er erfahre was sie hoffen oder fürchten: daß er lerne wie man sie wieder zum Gehorsam brin- gen/ oder da sie auff jhrer Halßstarrigkeit bleiben/ mit jhnen ver- fahren solle. Ich wil dem Volcke auch die Thorheit seines wütens vnd tobens nicht bergen; gewiß nicht/ mein Antenorius/ vnd solte ich es gleich wider ewre Meinung thun.

Wo jhr mich höret/ sagte der Priester darauff/ (vnd verwandte halblachende das Haupt mit Verwunderung) so haltet mit ewrem Eyfer innen. Zu was Ende/ oder wem zu gefallen wollet jhr dieses schreiben? Gedencket jhr den König hierdurch zu warnen? zum wenigsten sol es heimlich geschehen. Welch ein schönes Muster aber zurahten ist dieses/ wann jhr offentlich von euch schreibet/ was jhr vermeinet worinnen er gefehlet habe: vnd jhn noch ärger verhast machet/ im fall jhr was mehrers als das gemeine Volck/ an seinem Leben habt auffgemerckt? Köndte auch Lycogenes etwas vorwegeners thun? Ja in diesem ist es noch schlimmer/ daß/ weil jhr einer von denen seidt die jhm wol wöllen/ man euch de-[291]sto- mehr glauben wird/ vnd daß jhr jhm werdet schädlicher seyn als die Feinde. Ihr gedenckt aber der Auffrührer Laster zu offenbahren; jhr wöllet mit darstellung der Geschichte verwichener Zeiten in jre Rahtschläge dringen/ vnd muthmassen wie es künfftig werde hergehen? Gleichsam als sie auff ewre Wahrzeichen was geben/ vnd sich nach ewerer Philosophy was richten würden/ da sie doch nach den Göttern selbst nicht fragen/ vnd durch jhre Hoffnung Waffen- vnd Lasterrasendt gemacht sind. Mein Nicopompus/ ladet euch nicht so grosse Arbeit auff den Hals. Man hat nun ein lange Zeit her solcher Art der Weißheit nicht geachtet. Sie wissen gar wol daß sie jrren; sie begeren sich aber nicht zubessern/ ob man sie schon warnet. Gesetzt auch/ daß jhr solche Lehren fürschreibt/ deren Vorsichtigkeit ein solchen Nachdruck hette/ daß sie derselben wüten anhalten könne die sie lesen würden/ alsdann etliche Kranckheiten sind die man mit Flöten vnd Pfeiffen heilen kan; wie viel wird jhrer seyn die es lesen werden? Die allein werden es thun/ die von ste- them Neyde getrieben euch nur damals für beredt werden halten/ wann jhr Fürsten vnd Herren mit empfindlichen vnd vngebürli- chen Worten werdet angegriffen haben. Oder auch gemeine Leute

[Druckausgabe S. 180]
von der Schulen/ die zu Emptern nicht gelangen/ vnd nur auß den Büchern wissen/ wie dem allgemeinen Wesen sol fürgestanden werden. Wöllet jhr diesen zu gefallen schreiben? Ist es euch genug wann sie euch loben? Ich geschweige der Gefahr/ [292] wegen der Freyheit deren jhr euch anmasset. Auch diese so erkennen wer- den/ daß jhr jhnen die Warheit einhaltet/ die werden euch den- noch hassen/ als einen durch welchen sie in Spott gerahten.

Auff diese Lehren deß Antenorius sagte Nicopompus: Ihr köndt mich billich forchtsam machen/ heiliger Priester/ wann ich jemanden gedächte zu schmähen/ oder wann ich auß auffgeblasener Einbildung von einem jedwedern zu vrtheilen mit solcher Leicht- sinnigkeit/ wie vnter dem gemeinen Pöfel gebräuchlich ist/ herauß stossen wolte. Gleichsam als ich nicht noch für Augen hette die Leichtfertigkeit deß Poetens/ der seinen Fürsten mit Ehrenrührigen Worten angegriffen hatte; darumb er dann zu Belohnung seines Verdiensts den Galgen/ vnd den Namen welchen er jhm durch sein lästern zu machen gedachte/ durch sein letztes Vrtheil erlangete. Von andern mag ich nicht sagen/ welche geringer sündigen/ oder Weißheit herfür bringen/ die nichts kluges hinder sich hat/ denen es Straffe genug ist/ daß man jhre Sachen zu lesen nicht würdig achtet. Ich habe weit ein anders für mir/ mein Antenorius. Wisset jhr nicht was man für Griffe hat den Kindern die Artzney einzu- bringen? So bald sie den Apotecker mit dem Trancke sehen/ so fra- gen sie nicht so sehr nach der Gesundheit/ als daß sie dieselbe so schwer soll ankommen. Aber die welche mit solchem jungen Al- ter wissen vmbzugehen/ miltern entweder die Stärcke deß bitteren Geschmacks mit süssen Säfften; oder bringen sie [293] durch ver- heissung der Geschencke dahin/ daß sie sich lassen gesund machen/ vnd betriegen jnen mit schönheit der Becher die Augen/ daß sie weder sehen noch wissen können/ was man jhnen zu trincken gebe. Ich wil eben dergleichen thun. Ich begehre dieselben welche das gemeine Wesen vnruhig machen/ mit hartem anklagen für Ge- richt nicht zu fordern; weil ich auch so vielen Feinden nit köndte +

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die Wage halten. Sondern ich wil sie/ ehe sie es jnnen werden/ mit solchen Vmbschweiffen dermassen herumbführen/ daß sie sich mit Lust vnter frembden Namen sollen verklagen sehen. Antenorius vnd Hieroleander wurden durch solche Wort auffgefrischt/ vnd sagten/ sie weren begierig zu hören/ was er solcher artlichen Erfin- dung für ein Gestalt wolt geben. Ich/ sagt er/ wil ein weitläufftige Fabel in gestalt einer Historien herauß butzen. In derselben wil ich wunderliche Geschichte erzehlen/ vnd allerley Schlachten/ Heu- rathen/ Blutvergiessen vnd Frewde mit seltzamer Verlauffung durcheinander mengen. Die angeborne Eytelkeit der Menschen wird jhnen ein Lust zum lesen machen/ vnd sie werden desto fleis- siger vber meinen Sachen seyn/ wann es kein Ansehen wird haben als ich sie zu lehren/ oder jhnen etwas zuverweisen begehrte. Ich wil jhre Gemüter mit beschawung vieler sachen/ gleichsamb als mit einer gemahlten Landschafft/ sättigen. Also werde ich durch vorbildung der Gefahr Barmhertzigkeit/ Forcht vnd Schrecken bey jhnen erregen: wann sie hernach im Zweifel stehen/ wil ich sie widerumb [294] auffheben/ vnd mit dem hellen Wetter meines Ge- mütes das Vngewitter vnd verwirrung deß jhrigen vertreiben. Welche ich wil/ wil ich der Gewalt die vber vns ist nehmen/ vnd ge- ben. Ich kenne vnsere Gemüter. Weil sie darfür halten werden/ daß ich nur Mähre sagte/ so wirdt mich ein jeder hören/ vnd sich an mir ergetzen als an einem Spectakel in der Comedien oder auff den Fechtplatze. Wann ich sie nun also zur Lust deß Trancks werde an- gebracht haben/ alsdann wil ich die heilsamen Kräuter darunter mischen. Ich wil Tugend vnd Laster fürstellen/ nebenst der Vergel- tung die beyden gehörig ist. In dem sie das lesen/ vnd gleichsam an- dern Personen vngünstig oder geneigt seyn werden/ so werden sie in sich selber gehen/ vnd wir auß einem gegenüber gesetzten Spiegel die Gestalt vnd Verdienst jhres Gerüchts erkennen. Vielleicht wer- den sie sich schämen die Person auff dem Schawplatz dises Lebens länger zuhaben/ welche man jhnen/ wie sie selbst befinden werden/ in dieser Comedie nicht zu vnrecht gegeben hat. Auff daß auch nie- mand sich möge zubeklagen haben/ man hette jhn angestochen/ als sol keiner außdrücklich eingefüret werden. Damit ich dasselbe ver- + +
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meyden möge/ wil ich viel erfinden/ das sich zu denen welche ich berühre nicht wird reimen können. Dann weil ich keine History schreibe/ die sich genaw an die Warheit binden muß/ so werde ich mich dieser Freyheit sicher gebrauchen dürffen. Also wil ich die Laster/ nicht die Menschen beleydigen; daß keiner sich zuentrüsten Vrsach [295] habe/ als der welcher durch ein vnverschämptes Be- kändtnüß deren verbrechen die man tadeln wird/ sich schuldig er- kennet. Vber diß so wil ich allerley eingebildete Namen hierzu ge- brauchen/ damit nur die Laster vnd Tugenden jhre gewisse Perso- nen haben: daß sich der so wol jrren wird der alles/ als der jenige der nichts von solcher Erzehlung für wahr wird halten wöllen.

Diese newe Art zu schreiben gefiel dem Antenorius sehr wol/ rie- be frölich die Händ zusammen; vnd ich bitte/ sagt er/ laßt diese Ar- beit herauß kommen. Ihr solt es gäntzlich thun/ wann jhr euch vnd die jetzige Zeit ansehet. Diß Buch wirdt ein lange Zeit bleiben/ vnd seinen Autor bey den Nachkommenen in grossen Beruff bringen. Es hat auch einen grossen Nutzen/ die Griffe böser Gemüter an das Liecht zu führen/ vnd die Frömmigkeit wider sie außzurüsten. Ni- copompus antwortete: Ihr verbindet mich euch/ mein Vatter/ daß jhr euch solchen Anschlag gefallen lasset/ vnd angesehen daß jhr solches für gut befindet/ so wil ich es ehist ins Werck richten/ weil die Sach new ist/ vnd das Hertz noch hitzet. Ich wil meiner Regung freyen Lauff geben/ vnd mich auff Art deß Poetischen Antriebs auß- lassen. Die Fabel muß verfertiget seyn/ in welcher ich weder ewerer Person/ Gelanor/ noch deß Poliarchus zu vergessen gedencke. Wie er außgeredt hatte/ damit er diese Hitze/ welche jhme die Götter zum schreiben verliehen/ nicht verliesse/ kundte er/ als er in das Losament kommen/ kaum erwarten biß das Nachtessen verbracht ward/ [296] begehrte nachmals seine Tafeln/ vnd fieng an die sehr nutzliche Fabel auffzusetzen. Dem Gelanor gefiel solches nicht vbel. Dann was solte Nicopompus vom Poliarchus anders schreiben/ als was jhm zu Ruhm vnd Ehren gelangete/ weil er schon längst sein Freund/ vnd dem Lycogenes gram gewesen.

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[Druckausgabe S. 183]



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),