[253] Wo Poliarchus mit seinem Schifflein hinkommen. Sein Streitt wider die Seeräuber. Eine seltzame Geschicht. Von deß Lycogenes Schreiben. Deß Poliarchus Vnruhe; Vnd seine Reiß in Africa.
Das X. Capitel.
ALs das Schiff auff welchem Poliarchus von Rhege nach Franck- reich wolte in der Flut zerstossen war/ vnd sich vor grosser Last der
So bald sie auß dem kleinen in das grössere Schiff kommen wa- ren/ hielten sie mit jhrer Betriegerey nicht lang hinder dem Berge/ sondern wolten sich vnterstehen jnen Ketten anzulegen. Poliar- chus erschrack vber dem Abenthewer/ vnd/ was sol das seyn/ sagte er/ jhr Leute? was habt jhr zu vns? oder womit seynd wir euch so geschwind zuwider gewesen/ da jhr vns doch erst gewürdiget habt/ daß wir mit ewerer Gefahr auß der Flut seynd errettet worden? Po- liarchus war mit seinem Degen auch nit langsamer/ vnd [256] wolte sich durchauß nicht binden lassen. Als sie aber auff Poliarchus Wort nichts gaben/ sondern sich nur hefftiger ergrimmeten/ vnd zur Wehr griffen/ mochte Poliarchus nicht länger jnne halten/ vnd straffte denselben der jhm die Kette wolte anlegen dermassen/ daß er ihn durch vnd durch stieß; den andern fertigte er eben so ab. Gelanor der auch allbereit einen darnider gemacht hatte/ tratt ne- ben seinen Herren: also stunden sie mit den Rücken beysammen/ daß man sie nicht vmbringen kundt/ vnd boten den Feinden auff beyden seiten die Stirne. Sie zubrachen auch die Ruder welche sie funden/ vnd gebrauchten die Laffen darvon an statt der Schildte. Die Boßleute welche die Räuber mit dem Poliarchus eingeholt vnd bin- den wöllen/ wurden durch solche Exempel auffgefrischet/ ergrieffen Stangen/ vnd fiengen ingleichem an sich zu widersetzen. Es waren vber diß etliche andere Gefangene nur mit Riemen gebunden/ ohne die jenigen welche an Ketten geschmiedet/ rudern mußten. Diesel- + +
Die vberbleibung von der Schlacht wandte sich auff die andere seitte deß Kampffs/ wo nämlich die Gefangene stritten/ welche von ihren Banden entlediget worden. Aber dieselben waren nicht weni- ger wegen deß glücklichen Fortgangs doppelt behertzter als zuvor. Sie vmbringten die Räuber auff einer/ vnd Poliarchus vnd Gelanor auff der andern seitten/ so daß Poliarchus kaum hat können abweh- ren/ daß sie nicht alle haben nidergehawen. Dann er wolte sie viel lieber fangen/ vnd zu verdienter Straffe [258] vorbehalten. Derent- wegen ließ er drey so jhm zu Fusse fielen in die Ketten schlagen: vnd wie das arme Volck jhm danckete/ daß sie durch seine Vermitte- lung der Mörder Gewalt entgangen weren/ empfandt er einen gros- sen Trost/ daß er solche seine Müh dem allgemeinen Wolstande zum besten angeleget hette. Sie schrien einhellig/ daß er jhr Beschirmer vnd jhr Gott were der sie beschützete; er hette die Meineidigen Leut mit mehr als Menschenkrafft vberwunden vnnd verdienete/ daß alle betrübte in der gantzen Welt Zuflucht bey jhm sucheten. In solcher allgemeinen Frewde waren aber die Stimmen vnter
Poliarchus/ damit er sie nicht mit seiner eigenen Gefahr loß lies- se/ fragte nach der Ordnung wer desselben Schiffes Herr/ wer der Patron darauff sey/ vnd von wannen die Rauber weren? Einer von den Ruderern ruffte: Mein Herr/ erbarmet euch meiner. Ich habe diß Schiff mit meinen vncosten gebawet/ ich bin Herr vnd Patron darüber gewesen/ vnd habe allzeit meinen Handel in Africa vnd Spanien getrieben. Ich hatte ohn gefehr auß dem Außgange des [259] Flusses Betis abgestossen/ vnd kauffte nach meiner Abladung andere Spanische Wahren ein/ wie diese Seeräuber/ vnter dem scheine als begehrten sie mit mir fort zuschiffen/ mich in diß Elendt gesetzt haben. Damit ich wegen jhrer Anzahl keinen Argwohn schöpffen solte/ kam je einer nach dem andern. Sie gaben auch für/ daß sie in vnterschiedenen Porten außsteigen wolten. Diese zu Adru- met/ jene zu Clupea/ oder Vtica. Sie handelten auch mit mir vmb das Schifflohn; daß also ich Armseliger sie alle angenommen/ vnd auff den ehrvergessenen Betrug nie gedacht habe. Damit sie mich auch desto behutsamer herumb führeten/ als giengen sie so lange wir am Port lagen/ oder von einem Orte in der Nähe hülffe gewarten kundten/ mit einander also vmb als keiner den andern kennete. So baldt vns aber der Windt weit vom Lande getragen hatte/ vnd viel von den Schiffleuten wegen deß guten Gewitters entschlaffen wa- ren/ vberfielen sie vns plötzlich/ vnd mich zwar schlugen sie von dem Stewerruder herunter/ die andern trugen sie noch halb schlaffend zu den Ruderbäncken/ bunden sie/ vnd wie Räuber ge- brauch ist/ an stat daß sie nur mit vns vberschifften/ wurden sie Herrn/ vnd fuhren nach jhrem belieben. Es hatte einen vnter jhnen/ der deß Schiffwesens gar wol kündig war: vnter dem Schein jhrer Bürden aber vnd Gerähtes führeten sie Ketten bey sich/ welche sie +
Wie Poliarchus dieses höret/ fragte er einen von diesen ange- schmiedeten Räubern/ ob sich alles so verhielte wie der Schiffer sag- te? Er bekandte alles mit stillschweigen. Aber Poliarchus fußte der letzten That ferner nach; ob sie der Königin in Mauritanien Schatz geraubet hatten; wie sie darzu kommen können/ vnd in welchem Orth deß Schiffes dieser Diebstal läge. Er sagte/ er were durch das groß Geschrey/ so allenthalben von den köstlichen Steinen der Königin erschollen/ zu solchem kühnen Anschlag bewogen wor- den. Sieben von seiner Rott weren vmb Mitternacht auff der Gassen gewaffnet gestanden/ gleichsam als man sie auff Befehl der Köni- gin dahin gestellt hette/ damit sie die so fürüber giengen hetten zu rücke gewiesen; biß zweene von jhnen [261] das Fenstereysen/ so mit dicken Hacken in einander geflochten gewesen/ durch verbor- genen Werckzeug beugen können: daß wir also/ sagte er/ sindt hinein kommen. Nach erlangtem Begehren machten wir vns wider zur See/ vnd gaben die Flucht; daß noch keiner den Schatz nicht berüh- ret hat; dann von demselbigen Vfer an hat vns erstlich die Flucht/ hernach das Vngewitter so viel Zeit nicht gelassen. Auß Forchte auch daß vns solche fürnehme Außbeuthe nicht möchte aneinander hetzen/ haben wir gewartet/ biß wir sie bey der Windtstille theilen köndten. Gieng derhalben Poliarchus vnter die Schiffbühne/ vnd der Rauber vor jhm her/ der jhm den mächtigen Mauritanischen Schatz/ so mehrentheils Weiber-Schmuck war/ zeigete.
Damals/ gleichsam als beruffte jhn das Glück zu newen An- schlägen/ bedachte er sich lange bey sich selber. Es hatte das An- sehen/ als ob die Götter seine Reise auff Franckreich verhindert/ +
Nachdem er sich dessen entschlossen/ sagte er also wider den Rauber: Die Gerechtigkeit verbindet mich der Königin das jhrige wider zugeben/ vnd euch ehrlose Leute nach Verdienst zu straffen. Wir müssen vnsere Schiffart auff Mauritanien richten/ damit sol- che schröckliche Verwegenheit nicht vngerochen bleibe/ oder an- dere Vnschuldige in ewerer bösen That verdacht gerahten. Stracks ließ er den Herren deß Schiffs/ von dem er alle Gelegenheit der Meerräuber verstanden/ auß den Ketten schlagen/ vnd wider einen Stewermann geben. Die andern/ so auff den Ruderbäncken sassen/ verbott er loß zumachen. Dann er bedurffte nicht allein Ruderer damit er in Africa käme: sondern wolte auch so vielen vnbekandten Leuten/ vnd die vielleicht jhrer Ketten wol werth weren/ nicht trawen/ vnd Gelegenheit lassen jhn zu beleydigen. Derentwegen suchte er die Schlüssel zu den Ruderbäncken vnd Fesseln fleissig zusammen/ vnd gab sie dem Gelanor zu verwahren. Damit sie sich aber gleichwol vber diesem Sieg etwas zu frewen hetten; Wolan/ sagte er/ jhr Ruderer/ ewer [263] Glück blühet schon. Macht nur daß wir baldt in Mauritanien ankommen/ ich sage beym Jupiter zu/ euch alle auff freyen Fuß zustellen. Was darff es euch frembde für- kommen/ daß ich/ zu vergeltung ewerer Freyheit/ eine kleine Müh begehre/ deren ich aber nicht entberen kan. Wann der Schiffpatron gerade zusaget/ so wöllen wir in zweyen Tagen da seyn. Hernach wird sich zugleich mein schiffen vnd ewer Gefängnüß enden.
+Als die Ruderer solche Hoffnung bekommen/ theileten sie sich dermassen mit der Arbeit ein/ daß es schiene/ als ein jeglicher nicht in Africa/ sondern nach Hause vnd zu den Seinigen gelangen solte. Der Patron zeigete beynebenst an/ das Meer pflegte keine Leichen auff den Schiffen zuleyden; vnd die Seegötter erzürneten sich hier- über; so daß solch Erbarmung gegen den Todten/ offtmals die Le- bendigen in grosse Gefahr gebracht hette. Es lagen drey von den Räubern/ so in vorigem Kampff vmbkommen/ auff dem Getäfel deß Schiffes. Poliarchus durffte mit vngelegener Frömmigkeit der all- gemeinen Einbildung der Schiffenden nicht widersprechen. Darumb entschuldigte er sich Ehrerbietig gegen den Hellischen Göttern/ daß er sie vnbegraben außwürffe; So bald sie jhn in Africa bringen würden/ wolte er jnen an dem Vfer Grabstätte auffrichten. Gab also zu/ daß sie sich mit den Cörpern der entleibten fasseten. Damit aber nicht etwas vergebens vmbkäme/ suchten sie in jhren Klei- dern/ ob was guts [264] darinnen were. Bey zweyen funden sie etwas von Geldt. Der dritte/ gleich als were er was fürnehmers/ hatte Kniebänder vmb die Schenckel. Wie dieselbe ein Schiffer abnam/ fiel ein Schreiben herab/ welches der Mensch/ wie man sahe/ mit fleiß dahin gebunden hatte. Poliarchus hieß jhm solches hingeben/ vnd als er es geöffnet hatte/ stund er gantz verstarret/ weil er sahe/ daß der Brieff an jhn/ vnd zwar vom Lycogenes gegeben worden. Solte Lycogenes jhme schreiben? vnd dieser Brieff/ solte er jhn durch solch Abendthewer vberkommen? Er vermochte fast nicht zu glauben was er sahe/ sonderlich als er laß: Lycogenes wünd- schet dem Poliarchus alle Wolfahrt. Er hieß bald den Leichnam auffrichten/ vnd halff dem Gelanor genawe zuschawen/ weil er erst kurtz verschieden/ vnd sich im Gesichte noch nicht geändert hatte/ ob sie jhn erkennen möchten. Aber es kundte sich keiner erinnern daß er jhm jemals fürkommen were/ weil er ein schlechter Mensch/ vnd nur auß den gemeinen Dienern deß Lycogenes war. Als sie auch fleissig nachgesuchet/ ob er noch mehr Schreiben oder son- sten wunderliche Sachen bey sich trüge/ warffen sie jhn vber Bortt/ vnwissendt ob er Freundt oder Feindt gewesen. Es war aber eben der jenige/ welchen Lycogenes zum Poliarchus abgefertiget hatte. Dann er hatte sich/ in dem Timonides auff seinem Gut verblieben/ auff die Reiß gemacht/ vnd weil jhn die Räuber gefangen bekom- +
Poliarchus/ der von diesem Handel gantz nichts wuste/ lehnete sich an den Mast. Hernach veränderte er Gesichte vnd Gemüte/ vnd lase ein jedes Wort mit Schrecken. Meleander wardt einer Gifft- beybringung beschüldiget; Lycogenes war der Ankläger. Er ver- nam daß Meleander jhn wolte hinrichten; hergegen Lycogenes seine Freundtschafft antrüge. Was were aber diß für ein Armbandt? oder wohin were Timonides zu jhm geschickt worden? Er meinete nicht daß er den Brieff lese/ oder recht wachete. Hernach als er zu sich sel- ber kommen/ vnd den Brief noch ein mahl vbersahe; Gelanor/ sagte er/ das Ding hat was grosses auff sich. Ich habe mich fürm Lycoge- nes niemals mehr gefürchtet als jetzundt/ da er sich vmb meine Wohlfart bekümmert. Wann der noch lebete so den Brieff bey sich hatte/ vielleicht könte man etliche Anzeigungen auß jhm bringen/ darauß wir etwas gewisses erzwingen möchten. Nun aber zweiffele ich/ was ich gedencken/ oder wie ich hinder die Warheit kommen sol. Hernach erwuge er bey sich selber/ ob es auch möglich were/ daß jhn Meleander ohn alle seine Schuldt vnter dem scheine der Freundtschafft hette verletzen wöllen? Es war der Arglistigkeit deß Lycogenes gemäser/ daß er vom Könige gelogen/ als daß der König so einen vnauffrichtigen Betrug erdacht hette. Mit diesen vnd der- gleichen Gedancken gieng der [266] Tag fürüber; wie jhm auch die Nacht allerley vnd fast vnsinnige Einbildungen machte. Vnter an- dern Anschlägen sahe er fürs beste an/ wann er den Gelanor in Sicilien schickte; vnd zwar ohn alles andere Schreiben an den Kö- nig: sondern nur mit eben diesen deß Lycogenes Brieffe/ welchen er dem Meleander vbergeben solte. Besser köndte er die Warheit nit erfahren. Dann es würde dem König kümmerlich fürkommen/ ent- weder wegen der Schmach/ vber außbreitung deß Betrugs der jhm gefehlet hette/ oder wegen deß vnbillichen Verdachts den man auff jhn würffe. Vnd würde Gelanor auß deß Königs vnd der Vmbste- henden Augen und Worten genugsam abnehmen können/ was er von solcher deß Lycogenes Zeitung glauben solte. Er ließ es sich auch nicht anfechten/ daß Lycogenes hierdurch möchte beleydiget +