Das VII. Capitel.

[47] Timoclee vnd Archombrotus nemen den Poliarchus in den Ein- gang der Höle. Poliarchus Pferdt wirdt loßgelassen fort zulauffen: Gelanor gibt Rhat/ er wolle außsprengen/ sein Herr sey todt.

Das VII. Capitel.

IN dessen hatten sie den Weg vberstrebet/ vnd Timoclee zeigete dem Archombrotus den Schlunt der Hölen der gar leichtlich auff- zumachen were. Einwerts fasseten zween eiserne Rigel den Stein/ der für dem Außgange lag/ welche so feste in die Erden eingedrun- gen waren/ daß sie keiner Gewalt so von aussen geschehen möchte/ nachgeben kundten. Innwendig aber vermochte man sie quer vber den zweyen Gruben/ welche sie also widerhielten daß sie von der Last deß Außganges so an ihnen ruhete nicht weichen durfften/ ohne mühe zubringen. Als sie derentwegen außgehaben/ vnd der Stein beseite gerücket war/ daß Archombrotus die Höle auffmachte/ so gieng Timoclee hinauß/ vnd schwange die Fackel jhrem verlas- sen mit dem Poliarchus nach; leschte aber das Fewer baldt auß/ daß es nicht/ wann es zulange brennete/ andern/ als sie begehrte/ zu Ge- sichte kommen/ vnd allerley Arg-[48]wohn vervrsachen möchte. Er/ so deß Wegs nicht vorfehlet hatte/ standt am Wasser/ vnd wart- tete auff diß Zeichen; nach welchem er stracks zu der Frawen kame. Sie zweifelten aber lange/ was sie mit jhren Pferden machen solten; biß Gelanor anfieng: Gehet in die Höle/ vnd haltet Rhat mit- einander; in dessen mögen sie/ biß jhr euch derenthalben beredet habt/ an den Erlen gebunden bleiben die weit ausser dem stege an dem Flusse stehen. In dem sie hinunter steigen/ vnd noch voller Furchte nicht wissen wessen sie sich verhalten sollen/ hatte Gela- nor die Pferde schon angeknüpffet/ vnd kam zur Hölen/ in welche sie jhn liessen. Hernach lehneten sie den Stein wider den Eingang/ legten die Riegel für/ vnd huben an sich zu berhatschlagen. Poliar- chus sahe es für gut an/ daß man seinen Diener fortlassen solte/ der alles außkunschaffete/ was man jhm für Schuldt gebe/ wie der Kö- nig auff solche newe Grawsamkeit gerhiete/ vnd ob seine Freunde + + + +

[Druckausgabe S. 39]
in wehrender Widerwertigkeit jhn noch auffrichtig meineten. Diß ist nicht böse erdacht/ sagte Timoclee/ wann man nicht wiste/ daß er von den Leuten zu allererste gefraget würde werden/ in welchem Ortte jhr verborgen leget. An seiner Trewe zweifele ich gar nicht; aber wann er ewern Feinden in die Hände gerhiete/ so möchten sie wol mit martern die Warheit auß jhm erzwingen. Gelanor hub auß Vnwillen an/ daß in Sachen seines Herren Wolfart betreffendt keine Pein noch Quaal etwas auß jhm [49] bringen würde. So hette er jhm auch schon außgesonnen/ wie er die Widersacher solte herumb- führen. Er wolte fortreitten/ als ob er gantz bestürtzt vnd verwirret were/ vnd wann ein vnbekandter oder verdächtiger nach dem Poliar- chus fragte/ so wolte er/ jhm destoeher zu glauben/ mit trawriger Stimme antworten: Er sey nicht mehr auff der Welt. So were es auch nicht gäntzlich erlogen/ weil er vnter der Erden steckte/ da jhn die Sonne nicht beschiene. Begehrten sie zuwissen wie er ge- storben sey/ so wolte er fürschwatzen/ daß er im Wasser Himera vom Pferde gefallen were. Dann als er auß Erschreckniß deß Königs Befehls halben in der Flucht durch den Fluß setzen wollen/ hette er deß Furtes verfehlet/ vnd were/ als das Pferdt vnter jhm wegkom- men/ der schweren Rüstung halben vntergeschossen vnd ersoffen. (Dieser Betrug war auch besser zubehelligen/ weil gleich damahls der Himera vber Gewonheit hoch angelauffen.) Ferner/ sagte er/ wil ich sprechen/ daß mir vnmöglich gewesen jhme beyzuspringen/ weil jhn der Strom bald in das Meer gerissen hette. Durch diese Fabel wird das Geschrey von ewerem Todte allenthalben außgebreittet werden; welches vns dann wol zustatten mag kommen. Dann es wird die Feinde ersättigen/ vnd ein Mitleiden erwecken bey denen/ welche die Tugendt zu loben pflegen/ wann sie nicht mehr vorhan- den ist. Hernach könnet jhr viel freyer seyn; man wird auff die Ha- fen vnd Schiffe nicht so scharpffe Achtung geben [50] wie jetzt: vnd wann man auffhören wirdt die Nachfrage zuhalten/ welche ewernt- wegen angestellt worden/ so werdet jhr leichtlich entweder ver- borgen bleiben/ oder fliehen können. Wir vermögen vnsere Lügen nicht besser zubestättigen/ als durch eine solche Art deß Todes/ durch welche gar nichts von euch vbrig bleibt/ so wil ich auch ewer + +
[Druckausgabe S. 40]
Roß frey lauffen lassen wohin es wil/ gleichsamb als ihm ewer Todt solche Freyheit gegeben hette.

Sie lobten Gelanors Verschlagenheit sämptlich; Poliarchus befahl jhm nur dieses noch/ wann jhm Arsidas auffstiesse/ welchem er vnter allen Siciliern am meisten trawete/ so möchte er jhm den gantzen Zustandt kühnlich offenbahren/ vnd jhn in seinem Namen bitten/ daß er jhn in diesem vnverschuldeten Vnglück zu besuchen nicht vnterliesse. Oder im fall es vnmöglich were/ daß er jhm doch im Vertrawen zuwissen machen wolte/ wessen er sich zuverhalten hette. Archombrotus vermeinete auch/ daß er nach vollbrachtem Befehl so eylends zu der Hölen nicht zurück kehren solte/ weil man jhn doch wann er anklopffete so eigentlich nicht vernehmen köndte/ vnd der Ort/ da jemandt fürbey gienge/ verdächtig möchte werden. Sondern er solte an der Timocleen Thor kommen/ vnd eben gegen jhren Leuten wie gegen den andern sich solches Fundes gebrauchen/ vnd seines Herren Todt mit Seufftzen [51] beklagen: darmit er also durch Timocleen Hülffe verborgener weise zum Poli- archus köndte. Sie waren ferrner bekümmert/ was man mit seinen fahrenden Gütern vnd Dienern thun solte. Dann er hatte ein Hauß mit solchem Vorrathe/ welches der Gnaden vnd Freundschafft die er bey dem König hatte nicht vngemässe war. Aber er trawete auch seinen eigenen Leuten nicht. Auß seinem Lande war der einige Ge- lanor; das ander waren Außländer/ vnd jhm mehrentheils vnbe- kandt. Nach seinem Gute fragte er nicht viel/ vnd pflegte vnter sei- nen Kleidern Edelgesteine hohen Werths/ vnd etwas von Golde zu- führen/ damit jhm das Vnglück abwesendt nicht alles hinweg raffen köndte. Derentwegen befahl er dem Gelanor nichts zu ver- rücken/ wann schon Meleander seine als einer verurtheileten Per- son Güter zu sich nemme/ oder es sein Gesinde vnd Knechte weg- raubeten: vnd solte er sich nur für dem Einfall eines Hauses das zerstöret würde hüten. Mit diesem Vnterricht liessen sie jhn fort- ziehen. Archombrotus selber vnd Timoclee durfften sich nicht viel länger bey dem Poliarchus verweilen. Dann es war sich zuhüten/ daß die Knechte nicht möchten früh auffstehen/ vnd ohngefehr vleissiger weren/ als man damals gerne gesehen hette. Solten sie nun der Frawen Hülffe gegen dem Poliarchus jnnen werden/ so möchte es nicht wol ablauffen. Baten sie jhn derhalben/ daß [52] er +

[Druckausgabe S. 41]
sich mit der Tugendt trösten wolte/ welche kein Creutz verschulden kan/ noch vnterliegen/ wann es jhr ohn Verdienst angethan wird. Sie weren erbötig/ so offte sie köndten jhn zubesuchen. Reichten jhme also ein Küssen/ darauff er ruhen möchte/ vnd etliche Kertzen/ deren Trimoclee in zimblicher Menge mit sich genommen; namen also jhren Weg vnter der Erden auff das Bette zu. Wie dem Poliar- chus zu muthe gewesen/ was für Zorn vnd Klagen er in der Ein- samkeit außgeschüttet/ ist dannher zuermessen/ daß er nicht so sehr bekümmert war zuleben/ als mit Ehren zusterben/ vnd wußte daß der jenigen Leben welche er höher als sich selbsten hielte/ an dem seinigen hienge.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),