.1 Herr Buchner/ nennt .2 Aut ne Phoenicem .3 Du güldne Leyer/ meine ziehr .4 O Nüßler/ meine ziehr

63. Sz 52 1624 .1 Herr Buchner/ nennt .2 Aut ne Phoenicem .3 Du güldne Leyer/ meine ziehr .4 O Nüßler/ meine ziehr

Herren Bernhardt | Wilhe〈l〉m Nüßlers | Vndt | Jungfrawen Justinen Gierlachinn | Hochzeitslieder. | [in der Mıtte der Zeile ein Doppelpunkt; links und rechts davon je eine nach den Seiten weisende Eichel]

4°: A–B Exemplare: Breslau 4 E 515/16 und 4 gen

Auf A2a–A3a steht ein Gedicht von 60 holperigen Alexandriner- zeilen, das durch die Unterschrift unter dem unmittelbar darauf

[Druckausgabe S. 319]
folgenden Vierzeiler als von August Buchner ausgewiesen wird. Opitz’ Antwort auf dieses Gedicht samt der lateinischen Überset- zung schließt sich an. Auf Bl. A3b bis B2a steht »Du güldne Leyer«; es folgt .4 von Mitte B2b bis B3a. Den Beschluß, von der unteren Hälfte von B3a bis B3b, bilden zwei Sonette Wilhelm Bundschuches [sic], die »An den Bräutigam« und »An die Braut« betitelt sind. Die Signaturbezeichnung von A2 lautet fälschlich B2.

Unsere Angaben über Nüßler in der Einleitung zu Nr. 7 sind dahingegehnd zu verbessern, daß das Empfehlungsgedicht, wel- ches Opitz aus Siebenbürgen an Nüßler schickte, sich auf Opitz’ eigenen Lobgesang über die freudenreiche Geburt ... Christi bezieht. In dem Hinweis auf die Leich-Oda ist die Nummer von 60 auf 61 zu ändern.

Nach Witkowski, Arist. 37, Anm. 5, fällt die Hochzeit etwa in den September 1624. Diese Datierung würde weiter bestätigt, wenn wir annehmen dürfen, daß sich der Anfang von Opitz’ Brief vom 5. Oktober 1624 an Buchner auf Buchners Epithalamium bezieht, welches in unserer Hochzeitsschrift abgedruckt ist, sowie auch auf den als unsere Nr. 63.a gedruckten Vierzeiler, worauf Opitz zu der Zeit schon seine Antwort (63.1) verfaßt hatte, auf die er in dem Brief ebenfalls hinweist. Opitz ließ kurz darauf 63.3, »Du güldne Leyer« – nach Witkowski, Arist. 193, Anm. 4, ein aus verschiedenen Ronsardschen Oden zusammengestelltes Gedicht, »so daß kaum der kleinste Teil als Opitzens geistiges Eigentum betrachtet werden kann« – im 7. Kapitel des Buches von der Deut- schen Poeterey als Muster einer pindarischen Ode wiederholen. Der liebenswürdige Schluß, das Bild des mit halbem Munde Verse kürmelnden und lachenden Kindleins, geht nach der Randnotiz Barths (S. 125 seines Exemplars von B) auf Heinsius zurück: am Ende des Epithalamiums auf Hugo Grotius und Maria Reigers- berg heißt es »quicquid ridebitur illi | Et primum male facundo assurgat ore | Carmen erit« (Poemata 1617, S. 30). Gel. würdigt diese Ode auf S. 230 f.

Der letzte Beitrag, »O Nüßler/ meine zier« erscheint in der Sammlung B auf S. 171–73 als Teil eines längeren »An Nüßler« betitelten Gedichts; wir bringen die Lesarten dort.

[Druckausgabe S. 320]

[.a] An Herren MARTINUM OPITIUM, den Phoenix der Teutschen Poeten.

WAnn diese meine Reim/ euch ohngefehr zu lesen/
Herr Opitz kämen für/ bitt ich/ jhr wollet nicht
Die Augen brauchen gantz: Dann wann vff sie gericht
Würden all derer strahln/ müsten sie stracks verwesen.

AUGUSTUS BUCHNER Professor Poesios zu Wittenberg.

Sachanmerkung

[.1] Seine Antwort:

HErr Buchner/ nennt mich nicht den Phoenix der Poeten/
Ihr gebet anlaß nur daß andere mich tödten/
Vnd/ wo jhr mehr mich lobt/ so bringt jhr es so weit/
Daß das was er jhm thut/ mir thue hernach der neidt.

[.2] Eadem sententia Latine.

AUt ne Phoenicem vatum, doctissime vates,
Me, qui vix vatis sum levis umbra, voces:
Aut scelus invidiae et tetro flagrantia succo
Tela mihi facient, quod facit ille sibi.
Sachanmerkung
[Druckausgabe S. 321]

[.3] Martin Opitzes Gesang.

Στϱοφὴ α.
DV güldne Leyer/ meine ziehr
Vndt frewde/ die Apollo mir
Gegeben hatt von hand zu hand/
Zwar erstlich/ das mein Vaterlandt
5 Den Völckern gleiche möge werden
Die ihre sprachen dieser zeit
Durch schöne Verse weit vnd breit
Berhümbt gemacht auff aller Erden:
(Italien/ ich meine dich/
10 Vnd Franckreich/ dem auch Thebe sich/
Wie hoch sie fleuget/ kaum mag gleichen/
Dem Flaccus willig ist zu weichen.)
Vndt dann/ daß derer heller schein
Die gantz nach rhum’ vndt ehren schweben/
15 Bey denen welche nach vns leben/
Auch möge klar vnd prächtig sein:
Ἀντίϱοφος α.
Du güldne Leyer/ nun ist zeit
Zu suchen alle ziehrligkeit
Die ein Poete wissen soll:
20 Jetzt solt du billich mehr als wol/
O meine lust/ Pindarisiren;
Dein bester Freund der leben mag/
Der Musen rhum/ hebt diesen Tag
Ein newes Leben an zue führen:
Sachanmerkung + + + +
[Druckausgabe S. 322]
25 Sein gantzes wündtschen wird erfült;
Ein Bildt/ ein außerwehltes Bildt
Ersättigt alles sein begehren:
Die Lieder/ die gelehrten zehren/
Darmit er vormals war gewohnt/
30 Weit außer dem gemeinen hauffen/
Nicht einen schlechten weg zu lauffen/
Die werden reichlich jetzt belohnt.
Ἀντίϱοφος α.
Krieget nicht gar recht vnd eben
Solchen danck ein hoher Geist/
35 Welcher einig sich befleißt
Bey dem Himmel selbst zu schweben/
Ist auff lob vndt rhum bedacht/
Wenn die schöne Sonn’ erwacht/
Vnd der Tag dem schaten weichet;
40 Wie gar hoch der Name reichet
Welchen giebt der Künste liecht
Denen die nach Tugendt trachten/
Ist es minder doch zu achten/
Wann der liebe Lohn gebricht.
Στϱοφὴ β.
45 Die lieb’ hatt erstlich Gott gerhürt
Daß er der dinge grundt vollführt;
Sie ist es die den baw der Welt
Vor allem brechen frey behelt;
Sie pflegt die sternen zu bewegen
50 Daß sie den elementen nicht
Versagen jhrer schönheit liecht;
Das fewer pflegt die lufft zu regen
Durch hitz auff ihren angetrieb/
Die lufft hat dann das wasser lieb/
55 Das wasser das bewegt die erden;
+ + + +
[Druckausgabe S. 323]
Vnd widerumb die wasser werden
Gesogen von der erden klufft/
Das wasser zeucht die lufft zu sammen/
Das fewer wird mit seinen flammen
60 Verzogen in die kühle lufft.
Ἀντίστϱ. β.
Das hier vnd dorte Berg vnd Waldt
Mit grünen Bäwmen mannigfalt
Sehr lustig vberschatet steht/
Daß so manch heilsam kraut auffgeht/
65 Daß Wiesen Felder Büsch’ vnd Awen
Mit zarten Blumen sein geziehrt/
Daß Saate newes Korn gebiehrt/
Daß so viel Wildtpret ist zu schawen/
Daß wann der Lentz das Jahr verjüngt
70 Ein jeder Vogel frölich singt/
Vndt lest sich nicht gern’ vberstimmen/
Das so viel Fisch’ im Meere schwimmen/
Ja daß wir Menschen selber sein/
Vndt vns das blutige beginnen
75 Der waffen nicht hat tilgen können/
Das thut die Liebe nur allein.
Ἐπῳδ. β.
Liebe nun wer nur zu lieben
Rechten fug vndt mittel hat;
80 Es ist keine solche that
Die verboten ist zu üben/
Wann du nur bestrickt nicht bist
Von der wollust hinterlist/
Die mit jhrem falschen scheine
Jung vndt nicht jung in gemeine
85 Leitet an verkehrten wahn:
Außer diesen eiteln sachen/
+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 324]
Die den klügsten wahnloß machen/
Liebe wer da lieben kan.
Στϱ. γ.
Du/ Bernhard Wilhelm/ den zuvor
90 Der dreymal dreyen Schwerstern chor
Mit alle dem was er gehabt
Gantz ohne maße hat begabt
Wirst jetzt von Venus auch verehret
Mit einer ohne welcher gunst
95 Du hassen kanst verstand vnd kunst/
Vnd was zur wissenschafft gehöret;
In derer Augen freundligkeit/
Im Munde die verschwigenheit/
Zucht in den höfflichen geberden/
100 Im gange Demut funden werden;
Die der Natur bekante macht
An tugend/ witz’ vnd andern gaben
Fast über jhr geschlecht’ erhaben/
Vnd alß jhr meisterstück’ erdacht.
Ἀντίστϱ. γ.
105 Nichts bessers wündsch’ Ich selber mir:
Du wirst hinfort mit grosser ziehr/
Durch deine hochgelehrte hand/
Die ohne diß weit ist bekand/
Dein’ eigne frewde können schreiben:
110 Du wirst besitzen alles gutt
Was Hermus auß der gelben flut
An seinen reichen strand soll treiben;
Was der verbrante Mor besitzt
Wo stets die rote Sonne hitzt/
115 Was Spanien von edlen dingen
Pflegt aus der newen Welt zu bringen.
+ + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 325]
Getrewe Hertzen bleiben rein
Von kummer schätz’ vnd Goldt zu kriegen;
Ihr meistes hoffen vnd genügen
120 Ist lieben/ vnd geliebet sein.
Ἐπῳδ. γ.
O Ihr seligen zwey Liebe/
Venus schickt jhr Abendlicht/
Vnd erinnert daß man nicht
Ihre frewde mehr verschiebe.
125 Bräutlein leget euch zu rhue/
Jupiters Fraw saget zue
Aus den sawersüssen Nöhten
Einen artigen Poeten.
Waß das liebe Kindelein
130 Wird mit halbem Munde machen/
Waß es kürmeln wird vnd lachen/
Werden lauter Verse sein.
+ + + + +

[.4] Aus einem weitleufftigen Getichte deß Opitzes/ vor etlichen Monaten an den Bräutigam ge- schrieben.

O Nüßler/ meine ziehr/ vndt Kind der Zwölff Göttinnen
Der künst’ vndt freundligkeit/ wie recht ist dein beginnen/
Daß du/ wie ich dir dann gantz trewlich darzu rieth/
In dem dein alter noch wie eine Rose blüht/
5 Den Standt der Eh’ ergreiffst. Es ist mir recht zu sagen
Vnmöglich/ wie mich dünckt/ was für ein groß behagen
Vndt lust Ich nechst geschöpfft/ als die Justine kam/
Dein allerwehrtstes Lieb/ vndt dich mit frewden nam
[Druckausgabe S. 326]
In Ihrer Armen bandt/ vndt warff zu hundert mahlen
10 Mit höchster freundligkeit auff dich die klaren stralen
Der Augen voller ziehr/ aus welchen schon die lust
Zu sehen mich bedünckt/ die dir wird sein bewust
Nach einer kleinen zeit/ wann euch ohn’ alle sorgen
Die Kummerwenderin die Nacht biß an den Morgen
15 Vollauff ergetzen wird/ vndt der nicht harte streit/
Der Liebe zweck vnd ziehl/ Euch stelen wird die zeit
In der man sonsten schläfft. Doch ist mit diesem Wesen
Nicht alles noch gethan: Wann du wirst Bücher lesen/
Wirst gantz vertieffet sein zu wissen was die Stadt
20 Der Römer vndt Athen vns hinterlassen hat/
Wirst auch der Poesie zue weilen nicht vergessen/
Vndt schreiben gleich wie Ich/ so wird dein Weib in dessen
Nicht minder embsig sein/ wird dencken wie sie dir/
Wann du studieret hast/ begegne mit gebühr/
25 Bestelle deinen Tisch/ vndt kommen etwan Gäste/
Sie erstlich gerne seh’/ allsdann auch auff das beste
Bewirthe wie sie weiß/ vndt einig vndt allein
Sich mühen deine Frewd’ vndt höchster trost zu sein.
Woll also dir vnd jhr. Wo soll nun Ich verbleiben?
30 Soll Ich die Ohren dann mit Wachse mir verkleiben/
Zu rettung meiner selbst? Soll Ich aus haß der pein
Mein Hertz’ in heisse gluet/ mein Haupt in harten Stein
Die Seufftzer in den Wind/ die Augen voller zehren
In einen Fluß/ die Füß’ in einen Stock verkehren/ etc.
Sachanmerkung



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, .1 Herr Buchner/ nennt .2 Aut ne Phoenicem .3 Du güldne Leyer/ meine ziehr .4 O Nüßler/ meine ziehr, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. Band II, 1, hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: https://opitz.hab.de/edition/band-ii-1/ii_1_63/ (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, .1 Herr Buchner/ nennt .2 Aut ne Phoenicem .3 Du güldne Leyer/ meine ziehr .4 O Nüßler/ meine ziehr, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.), Band II, 1