.1 Quod expetisti .2 Vnd ihr/ Herr Breutigam
[Hochzeitsgedichte für Johann Geißel]

[Druckausgabe S. 147]

40 1619 .1 Quod expetisti .2 Vnd ihr/ Herr Breutigam [Hochzeitsgedichte für Johann Geißel]

Beide Gedichte wurden laut Z. 28 von .1 im Herbst [1619] in Hei- delberg geschrieben. (Rubensohn, der II, 65 Anm. 1620 angesetzt hatte, korrigiert sich später.) Sie sind zweifellos kurz danach in einer Hochzeitsschrift veröffentlicht worden, die jetzt verschollen ist. Wir müssen daher den deutschen Text der Sammlung A, den lateinischen der Sammlung Silvarum libri III. entnehmen. Über Johann Geis(s)el war nichts zu erfahren. Zu den Gedichten siehe Rubensohn II, 65 Anm.; VI, 63 und VI, 241 Anm.

Bemerkenswert ist, daß Opitz sich noch jetzt (auf lateinisch) entschuldigt, ein deutsches Hochzeitscarmen zu schicken. Für dies benutzte er, wenigstens motivisch, von Z. 70 an Daniel Heinsius’ auf seine eigene Hochzeit verfaßtes Gedicht ›Op zijn eygen Bruy- loft, ex persona sponsi‹, wovon Kirchner 1618 ein Exemplar aus Holland mitgebracht hatte.

Nach Seitenhieben auf fremdtümelnde Deutsche, die ihre Mut- tersprache verachten, kündigt Opitz in dem lateinischen Gedicht (Z. 16) an, es werde bald ein wichtiges Buch von ihm, »Cornelia de nuptiis«, zum Verkauf kommen. Unter dem Eindruck der sich rasch verschlechternden Zeiten wird der Dichter das Cornelia- thema, wahrscheinlich zugunsten der Trostgedichte, aufgegeben haben.

[.1]
AD IOH. GEISELIUM
DE EPITHALAMIO EI TRANSMISSO.

QUod expetisti nuptiis carmen tuis,
Quis verba denegaret, illud hic habes:
Sed non Latinum. Nam quid hos moros morer,
Qui rure natas Teutonum voces putant,
5 Sibique probro ductitant lingua sua
Altae expedire sensa mentis? Atque ita,
Sachanmerkung

[Druckausgabe S. 148]
Magni nepotes Romuli, potant, vorant,
Stant et sedent. Quid plura? Concumbunt quoque
Credo Latine. Non inaequales iis
10 Quorum catervas hic videre tot licet,
Qui nec pedem extulere finibus Alpium,
Et mentiuntur se tamen Gallos meros
Veste atque voce. Qui mihi galli quidem
Damnentur absque testium auxilio velim.
15 Porro locantem ferre me si quis nequit,
Paulisper expectet precor; brevi liber
Prostabit ingens, arte protrusus mea,
Corneliae de nuptiis, in queis senis
Mentum Catonis, et supercilium grave
20 Veterum parentum, et Stoa tota gens erit.
Quod si nec hoc me excusat, illis qui deam
Amoris opere quam logis malunt coli,
Assentior libenter: illa quae thori
Requirit ordo et lex maritalis iubet,
25 Et ut poetae classico non accinant,
Fieri queunt. Vale, atque praesta te virum.
Urgente praelo raptim et insubida manu
Dabantur Heidelbergae ad actas Neccari,
In messe, quam tuam esse non minus putes.
+

[.2]
Auff Herrn Doctor Johann Geissels Hochzeit

VNd jhr/ Herr Breutigam/ vermeinet frey zubleiben
Bey Venus Regiment/ last vnder jhr euch schreiben/
In dem gantz Teutschlandt fast nunmehr zu Felde ligt/
Vnd frembde Tyranney mit alter Freyheit kriegt.
Sachanmerkung + + +

[Druckausgabe S. 149]
5 Vmbsonst/ gewiß vmbsonst/ vns muß die Macht des Löwen/
Vom Himmel/ vnd dem Reich der Welt geschenckt/ befreyen
Vor feindlicher Gewalt/ könt jhr dann sicher sein
In ewrer Liebsten schutz? Ich achte warlich nein.
Auch hier ist Streit vnd Krieg. Ich will nicht viel vermelden
10 Wie die Amazonen gleich allen hohen Helden
Sich mit der Faust erzeygt/ die Brüste weggebrandt/
Den Spieß daran gesetzt/ vnd auff den Feindt gerandt.
Erwehne gleichfalls nichts von den Spartaner Frawen/
Wie sie jhr Hertze mehr dann Weiblich lassen schawen/
15 Als Pyrrhus in jhr Land die Elephanten bracht/
Vnd jhre Männer selbst verzagt dadurch gemacht.
Will von der Böhmischen Valasca nichts auch sagen/
Die sieben Männer hat in einem Streit erschlagen/
Vnd vielen andern mehr die mit gewehrter Handt
20 Nicht weniger behertzt/ nur minder sein bekandt.
Diß laß ich alles stehn/ ich will allein berühren
Wie Venus Krieg auch pflegt gleich jhrem Mars zuführen.
Die Jugendt zuvorauß taug vnter beyder Fahn:
Ein alter Knecht ist schwach/ so auch ein alter Mann.
25 Sie halten beyde wach: Der stehet sehr gemeine
Für seines Hertzens Hauß: Der für dem Capitäine.
Sie wenden jhr Gemüth vnd Augen für vnd für/
Der auff des Feindes Thor: Der auff der Liebsten Thür.
Ein Kriegesmann muß fort durch Wind/ Schnee/ Frost vnd
Regen:

30 Ist dessen schönste weg er läst sich nichts bewegen/
Zeucht vber Stock vnd Stein/ fragt nach den Wellen nicht:
Sein Wind ist jhre Gunst/ sein Nortstern jhr Gesicht.
+ + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 150]
Soldaten müssen sich nicht sehr nach Rheinwein sehnen/
Offt löschen auß der Bach: Ein Buhler mit den Tränen.
35 Der Krieg ist vngewiß: Auch hier ist schlüpffrig Eiß/
Man weiß nicht was man will/ vnd will nicht was man
weiß.

Diß Volck ist auch bewehrt: die Stirnen sein die Schantzen/
Die Oberwehr der Mund/ die Augen jhre Lantzen/
Die Brüste sein der Schildt. Wer Lieben Faulheit nennt
40 Der gibt genug an Tag/ daß er es nicht recht kennt.
Achilles niemals ist so laß von Troja kommen/
Als wann Briseis jhm sein starckes Hertz benommen.
So müde Hercules vom Kämpffen nimmer kam/
Als wann jhn Omphale/ er sie gefangen nam.
45 Den edlen großen Held hat noch des Löwen Rachen/
Noch die Stymphalides/ noch bleiche Gifft des Drachen/
Vnd was des Wesens mehr/ nie vnter sich gebracht:
Doch ward sein hoher Sinn gelegt durch Weiber Macht.
VNd also köndte wol vielleichte mancher sagen.
50 Mich aber meines theils/ Herr Breutigam/ zu fragen/
Ich halt es gantz mit euch. Hier ist kein ander streit
Als der erreget wirdt durch Lieb’ vnd Freundligkeit/
Durch Lieb vnd Freundligkeit. Wol dem der weit von Kriegen/
Von Kämpffen/ Haß vnd Neydt/ hier schöpffet sein genügen/
55 Hier findet seine Lust/ nimbt keines Feindes war/
Ist jnner Rast vnd Ruh/ vnd ausser der Gefahr.
+ + + + + + + + + + + + + + +
[Druckausgabe S. 151]
Hört nicht das Feldgeschrey vnd der Posaunen krachen/
Darff von dem Donner der Karthaunen nicht erwachen/
Sieht nicht die Lufft voll Staub/ die Stätte voller Brandt/
60 Die Felder ohne Feld/ die Leichen in dem Sand:
Darff auch in Todesforcht nicht augenblicklich schweben/
Kan weit von falscher Lust mit seiner Freundin leben/
Legt aller Sorgen Last in jhren Armen hin/
Stellt nur auff Gott vnd sie sein Hertze/ Muth vnd Sinn.
65 Nun diesen Port solt jhr/ O werther Freund/ erlangen:
Die schöne Zierligkeit/ der Schnee der weissen Wangen/
Der hellen Augen glantz/ die freundliche gestallt
So euch fieng zuvorhin/ habt jhr jetzt in gewalt.
Die Lippen. Aber secht das grosse Liecht der Erden
70 Die Sonn ist in das Meer mit jhren schnellen Pferden/
Der Silberweisse Mond’ hat sich herfür gemacht/
Streckt seine Stralen auß/ steht in der Lufft vnd wacht.
Viel tausendt tausendt par der wunderschönen Sternen
Sindt vmb den Himmel her euch zu zusehn von fernen/
75 Vnd gantz bey sich bedacht/ so lange da zustehn/
Biß sie euch sehn nicht so wie jetzt vonsammen gehn.
Die schöne Venus kompt mit jhrem kleinen Knaben:
Der führt die Braut herzu/ der will die Fackel haben/
Ein jeder ist bemüht: Die Göttin selber lacht/
80 Sieht Braut vnd Breutgam an/ wündscht jhnen gute
Nacht/

Vnd singt fast vberlaut: Geht hin/ jhr Kinder/ gehet/
Vnd flieht dasselbe nicht da manches Sinn nach stehet:
Geht hin/ jhr liebes par/ geht geht das streiten ein/
Ohn welches zwischen euch sonst nicht kan Friede sein.
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Zitierempfehlung:

Martin Opitz, .1 Quod expetisti .2 Vnd ihr/ Herr Breutigam [Hochzeitsgedichte für Johann Geißel], in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. Band I, hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: https://opitz.hab.de/edition/band-i/i_40/ (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, .1 Quod expetisti .2 Vnd ihr/ Herr Breutigam [Hochzeitsgedichte für Johann Geißel], in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.), Band I