Accipe, quae vester

30. Sz 91 1618 Accipe, quae vester

Dies im Druck nicht erhaltene Gedicht entstammt der Hand- schrift Kl 175 (= R 402, 794). Das zu erwartende deutsche Epi- thalamium ist verloren.

Über Jonas Melideus, auch Milde genannt, siehe Einleitung zu Nr. 10. Er muß zweimal verheiratet gewesen sein. Die Verlobung mit Anna Coschwitz fand am 29. November 1627 statt (siehe Nr. 87), aber darauf paßt unser Gedicht nicht. Oesterley hatte das Datum der Hochzeit, wofür unser Gedicht geschrieben wurde, fälschlich als den 4. Dezember 1628 angegeben. Der Tag mag stimmen. Witkowski, Arist. 14, Anm. 4, äußerte dagegen, daß dieses Gedicht wohl in Heidelberg entstanden sei, was immerhin möglich ist. Eine Andeutung dafür ist aber nicht vorhanden,

[Druckausgabe S. 116]
weder im Text noch in einer Beischrift. Das Gedicht kann sehr wohl vor Opitz’ Abreise nach Heidelberg geschrieben worden sein. (Für seinen Freund Bartsch, der sich am 27. Januar 1623 verheiratete, schrieb Opitz z. B. schon am 7. Mai 1622 ein Epitha- lamium – kurz vor seiner Abreise nach Siebenbürgen –, und ein zweites am 31. Mai auf der Reise selbst.) Krause 70 behält den Tag bei, gibt aber das Jahr als 1618 an. Szyrocki folgt Oesterley.

Daß Opitz sich seinem früheren Lehrer gegenüber auf latei- nisch entschuldigt für ein deutsches Epithalamium; daß er seine gedrückte Stimmung und seinen Kummer mit Asterie erwähnt, daß er schließlich ehrgeizig ankündigt, der deutsche Ovid werden zu wollen – das sind Gedanken, Motive und Empfindungen der Görlitzer Zeit, die nur noch in abklingendem Maße in Heidelberg zum Ausdruck kamen. (Man vergleiche die Hochzeitsgedichte für Kirchner, Nr. 34/35, und die ähnliche Situation und ihre Behand- lung in den Epithalamien für Johann Geißel, Nr. 40.)

Krause 82, Anm. 1 zitiert die Zeilen 3–10 als Beleg für des Dichters »ergreifende Schwermut«. Doch wäre zu bedenken, daß es vorwiegend jungen Dichtern gegeben ist, die Melancholie von der alle jungen Menschen gelegentlich befallen werden, in Worten festzuhalten.

AD IONAM MELIDEUM
cum illi in Nuptiis exhiberet carmen germanicum.

ACcipe, quae vester tibi vilia carmina vates
Ad thalamos offert, docte poeta, tuos.
Da veniam, Latio quod non incedo cothurno,
Nec mea soccum Italae Musa Dionis habet.
5 Hos quoque succidit nobis sors impia nervos,
Et me vix memini sic potuisse loqui.
Vestibulum vitae mihi famae est terminus: ausus
Eminus aspicio post mea terga meos.
Succumboque mihi: primo se in limine fregit
10 Ingenii flos et vena benigna mei.
Materiem teneris tibi suppeditabit in ulnis
Sylvia, plusque satis quod mediteris erit.
Me rigida Asterie censuque superba potenti
Ad dominas iussit perdere verba fores.

[Druckausgabe S. 117]
15 Bis vivus morior, diverso saucius hoste,
Fortuna et iaculis, saeve Cupido, tuis.
Sentiat haec, si quis dulces odisse puellas
Cypridis haut ullo victus ab igne potest.
Te foveat placido, vatum clarissime, vultu
20 Appendix colli Sylvia blanda tui.
Hoc solum Ausonio potui deducere plectro:
Caetera Teutonicis sunt animata sonis.
Illa etiam quisquis patriis non invidet astris,
Vix cernet Latiis inferiora modis.
25 Scriptor Romani Naso celebratur amoris:
Germani scriptor dicar amoris ego.
Hac nos absolvat paupertas conscia dote,
Hac urant flammae lege, Cupido, tuae.
Charior ut reliquis est patria terra, paternae
30 Charior hic linguae sic quoque foetus erit.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Accipe, quae vester, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. Band I, hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: https://opitz.hab.de/edition/band-i/i_30/ (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Accipe, quae vester, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.), Band I