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Hercinie
Einzeldruck X: Von X existiert nur eine Ausgabe, die aber in zwei Ausführungen vorkommt. Der Unterschied besteht einzig im Wort- laut des Titelblattes.
Ausführung a: Martin Opitzen | Schäfferey | Von der Nimfen Her- cinie.
Ausführung b: Martin Opitzen | Schäfferey | Von der Nimfen Her- cinie. | Gedruckt zum Brieg/ | In verlegung David Müllers Buch- | handlers in Breßlaw. 1630. [Kolophon auf Bl. [I2a], identisch in beiden Ausführungen] Gedruckt in der Fürst- | lichen Stadt Brieg/ durch | Augustinum Gründern. | A. C. 1630.
4°: A–I2. Exemplare: Ausführung a – Genève BB; Ausführung b – Genève BB; Breslau (drei); Göttingen UB; Yale UL, FdF 218
Gliederung: Bl. [A1] Titelblatt, Rückseite unbedruckt. A2a (= S. 3) bis A3b (= S. 6) Widmung an Hans Ulrich, SchaffGotsch ge- nannt. S. 7 (= Bl. A4a) bis S. 66 (= I1b) der Text des Werkes, Prosa mit eingelegten Versen. Bl. I2a (= S. [67]) Kolophon; I2b unbe- druckt.
Der Druck ist einfach und relativ sorgfältig hergestellt. Die ver- wendete Schrift ist die Mittelfraktur; die Gedichte sind fast alle (au- ßer S. 37) aus der Cicerofraktur gesetzt. Die normale Prosakolumne enthält 29 Zeilen, doch kommen Seiten zu 28 und 30 Zeilen vor. Das Büchlein weist nur drei Verzierungen auf: ein kleines Ornament am
Bei den Kustoden kommt es sechsmal vor, daß das Merkwort in größerem Typengrad gesetzt worden ist als das dann folgende An- schlußwort; außerdem erscheinen folgende Unregelmäßigkeiten: S. 20 dann 21 Dann; 23 Dkf rrzehl- 24 erzehlten; 26 erwehnte 27 erwehnete; 43 Dkf Der 44 Den; 54 Wann 55 wann. Kustoden fehlen S. 14 u. 55. Die Seitenziffern stehen 1. und r. an den oberen Außen- rändern; keine Zahlenangaben auf S. 1 und 2 sowie 67. Alle zu er- wartenden Blattsignaturen sind fehlerfrei vorhanden; Titel- und Kolophonblatt sind unsigniert.
Das weniger häufige Vorkommen von Fassung a läßt sich vielleicht so erklären: während der Arbeit an Bogen A bemerkte man in der Druckerei Gründer, daß der Verleger nicht genannt war. Die Kor- rektur wurde vorgenommen und die restlichen Bogen ausgedruckt, ohne daß die schon fertigen eingestampft wurden.
Von Xb liegt ein im Format leicht verkleinerter Reprint vor: Mar- tin Opitz, Die Schäfferey ... herausgegeben und eingeleitet von Karl F. Otto, jr. (Nachdrucke dt. Lit. des 17. Jh.s, Bd. 8), Herbert Lang, Bern 1976.
Der zweite authentische Druck befindet sich in der Sammlung F II (1644). Die Hercinie steht dort als letztes Werk des Vierten Buches der Poetischen Wälder von S. [397] bis 464 wie folgt: [397] der Son- dertitel MARTINI | OPITII | Schäfferey/ | Von der Nimfen Herci- nie. [Kleines Ornament, 3 Eicheln um (o) gruppiert]. Die Kolum- nentitel beginnen auf S. 398 und laufen bis 463: Mart. Opitij Vierd- tes Buch || Der Poetischen Wälder. Nur auf S. 464: M. Op. IV.
Die Herstellung des Druckes F geschah weniger sorgfältig als die des Erstdruckes. In F wimmelt es von Setzerfehlern, Schlimmbesse- rungen und Versehen. Andererseits finden sich aber auch Beispiele für auktorielle Änderungen, wovon hier einige erwähnt seien (Anga- ben nach der Seitenzählung von X aber zumeist in der Schreibung von F; Hervorhebung durch Kursivschrift): S. 25 dein erschöpfftes Vatterland [Zusatz] Buntzlaw ist ...; 27 Historien mit [getilgt] klei- nen Muscheln ...; 36 Herr Caspar [statt zue Trachenberg] / so das Lähnhauß gehalten; ibid. eine hochverständige [statt hoffverstän- dige] Gemahlinn; 54 die zarten Rinden [statt birken] hier | Die Bir- cken [statt fichten] lassen ... u.s.w.
Weitere Abdrucke der Hercinie finden sich in den Werk-Ausga- ben von 1645 und 1689 (1690); diese halten sich an den Wortlaut von F II. Bei Bodmer und Breitinger (1745) geht dem Werk selbst eine längere kritische Untersuchung voraus, S. 519–29, in der die Schweizer das Wunderbare der Hexenszene herausstellen und be- dauern, daß Opitz sich nicht eingehender mit der Gestalt des Berg- geistes Rübezahl befaßt habe. Die spärlichen Anmerkungen regi- strieren die Abweichungen in F und bringen einige Erklärungen zu Personen und Sachen.
Triller (1746) erwähnt in seiner charakteristisch gönnerhaften Weise mancherlei Quellen und Vorlagen, besonders aus der klassi- schen Literatur. Tittmann (1869) wie Oesterley in der DNL (1889) läßt die Widmung weg. Für die Ausgabe bei Reclam, Stuttgart 1969, ist Peter Rusterholz verantwortlich; sein Nachwort verdient beach- tet zu werden. Der schon erwähnte photomechanische Reprint von Karl F. Otto jr. (1976) stellt die bisher umfangreichste Ausgabe dar; sie enthält u. a. eine Einleitung, die auch die Nachwirkung der Her- cinie berücksichtigt, ferner Erläuterungen, Gedichtanfänge, ein Verzeichnis der Druckfehler u. s.w. In der Anthologie Die deutsche
In der erhaltenen Korrespondenz des Dichters findet sich nur spärliche Auskunft über dies Werk. In einem von Breslau aus an Buchner gerichteten Briefe vom 31. Dezember 1629 überrascht Opitz den Wittenberger Freund durch diese Mitteilung: »Nunc au- daciam meam vide, qui clarissimum nomen tuum meis schedis adji- cere ausus fuit.« Die Rolle eines Sprechers in der Hercinie werde Buchner nun nicht mehr ablegen können. Der andere Gesprächs- partner, Nüßler, lasse grüßen. (Venator wird nicht erwähnt.) Opitz hofft auf Buchners Verständnis: »aut enim minus recte vales, aut minus me amas. Res est solliciti plena timoris amor«. Ende Februar werde er über Leipzig und Hamburg nach Paris reisen. Vor dem Tore stehe im Augenblick schon das Pferd, das ihn nach Glatz beför- dern solle (Geiger 57).
Die Entfernung Breslau–Glatz beträgt in Luftlinie etwa 80 km, war also zur Not und bei gutem Wetter in einem längeren Tagesritt zu bewältigen. In der Tat ist die Widmung der Hercinie »zue auß- gange des 1629. Jhares«, d.h., den 31. Dezember, datiert. Opitz kann sich also ohne dichterische Freiheit dieses hervorstechenden Datums bedient haben. Wir sind leider nicht über Tätigkeit und Reisen von Hans Ulrich von Schaffgotsch in genügend Detail unter- richtet, daß ein Aufenthalt in Glatz an diesem Tage verifiziert wer- den könnte. Falls er sich in Glatz befand, hielt er sich gewiß in der dortigen Residenz des Fürsten Heinrich Wenzel von Münsterberg auf; dieser war gut kaiserlich gesinnt und stand auf freundschaftli- chem Fuße mit Karl Hannibal von Dohna. Wahrscheinlich über- reichte Opitz dort also Hans Ulrich eine Abschrift, wenn nicht schon ein gedrucktes Exemplar der Schäfferey, wie zu Ende der Widmung angegeben.
Bibliographische Angaben der Sekundärliteratur finden sich bei Trunz’ Reprint von Opitz Geistliche Poemata 1638, Niemeyer, Tü- bingen 1975, S. 36*, bei Rusterholz und Otto. Ferner zu beachten sind: Eine Analyse von Klaus Garber in Der Locus amoenus und der locus terribilis, Böhlau, Köln 1974, S. 111–16, auch 18, 28 etc.; ders. »Martin Opitz’ ›Schäferei von den Nymphe Hercinie‹ [als] Ursprung der Prosaekloge und des Schäferromans in Deutsch- land«, Daphnis 11 (1982), 547–603, mit außergewöhnlich vollstän-
Die Rückseite des Titelblattes – unbeziffert – zählt als S. [2].
Dem Hochwolgebornen Herrn/ Herrn Hansen Vlrichen/ Schaff- Gotsch genant/ des Heiligen Römischen Reiches Semper-Freyen/ von vnd auff Kinast/ Greif- fenstein vnd Kemnitz/ FreyHerrn auff Trachenberg/ Herrn zur Praußnitz vnd Schmiedeberg/ auff Gierßdorff/ Hertwigswalde vnd Rauschke; Röm. Kays. auch zue Hungarn vnd Böhaimb Kön. Mäy. Cammerern/ Kriegesrhate/ vnd Obristen/ meinem Gnädigen Herren.
HOchwolgeborner Herr/ Gnädiger Herr vndt Obrister; Die Deut- sche sprache/ von welcher etzliche jhare her hoffnung gewesen/ daß sie/ sonderlich durch vermittelung Poetischer schrifften/ des eingemengten wesens der außländer ehist möchte befreyet/ vnd in jhre alte ziehr vnd reinigkeit wiederumb eingesetzt werden/ hatt zu jhrem vnglücke gleich eine solche zeit angetroffen/ da nicht die gewalt der waffen/ die auff landt vndt leute vndt nicht auff bestrei- tung der wißenschafft angesehen/ sondern die menschen aller tu- gendt dermaßen gehäßig sindt/ daß guete gemüter/ so hierbey das +
Etzliche vernichten die Poeterey gar miteinander: die als leute von keiner vernunfft/ auch keiner antwort würdig sindt. Etzliche/ vndt diese die klügesten/ gestehen zwar/ daß hierdurch die spra- che mercklich verbeßert/ die beredtsamkeit in schwang gebracht/ vndt viel guetes herfür gesucht werde; sagen aber/ es geschehe doch nicht ohn verletzung der alten einfalt/ vndt deutschen fro- men sitten: weil in dieser art büchern gleichwol nicht wenig zue finden sey/ daß ärgerniß zue vermeiden wol köndte nach bleiben. Wie nun freylich zue wündtschen were/ daß edele gemüter jhre stattliche beschaffenheiten lieber an sonst etwas/ als eine vndt an- dere außschreitung verwenden vndt anlegen wolten/ so mußen wir doch auch gestehen/ daß eben in solchen weltlichen schrifften + + + + + + +
E. Gn.
Glatz/ zue außgange des 1629 Jhares.
gehorsamber Diener Martin Opitz.
+ +Martin Opitzen Schäfferey von der Nimfen Hercinie.
ES lieget dißeits dem Sudetischen gefilde/ welches Böhaimb von Schlesien trennet/ vnter dem anmutigen Riesenberge ein thal/ de- ßen weitschweiffiger vmbkreiß einem halben zirckel gleichet/ vndt mitt vielen hohen warten/ schönen bächen/ dörffern/ maier- höfen vndt schäffereyen erfüllet ist. Du köndtest es einen wohn- platz aller frewden/ eine fröliche einsamkeit/ ein lusthauß der Nimfen vndt Feldtgötter/ ein meisterstücke der Natur nennen. Daselbst befandt ich mich/ nach dem ich die zeit zue vertreiben/ vndt meinen gedancken desto freyer nach zue hengen/ vor zweyen tagen von einem andern orte/ welcher eben mitt diesem gebirge gräntzet/ vndt des außgestandenen vbels wegen bey jtzo schwe- benden jämmerlichen kriegen/ nicht vnbekandt ist/ entwiechen war.
Der Monde machte gleich mehr stunden zue den träwmen/ Der
stock stundt ohne wein/ das obst war von den bäwmen/ Der strenge Nortwindt
nam den püschen jhre ziehr/ Vndt auff die Wage tratt der Scorpion herfür;
Mitt einem worte: Es war zue ende des Weinmonats/ als die hirten im felde ein fewer zue machen/ vndt der ackersmann/ welcher nun vber winter außgeseet/ seinen rock herfür zue suchen begundte. Ich war vorige nacht auß müdigkeit beydes von sorgen vndt dem wege so harte entschlaffen/ daß ich nicht erwachte/ biß die muter der gestirne die Nacht verruckt war/ vndt die schöne Morgenröthe anfieng sich vndt zuegleich alles mitt jhr zue zeigen.
Vndt kanst du dennoch/ fieng ich wieder mich selbst an/ der- [8] maßen auff guetes vertrawen ruhen/ nach dem du zu gehor- samben dem jenigen/ dem du freylich das beste theil deiner wol- farth zuedancken hast/ der dich singen letßt was du wilt/ von der- selbten gewiechen bist/ ohn welche dich keine fröligkeit ergetzte/ vndt mitt welcher dich kein vnfall betrübete? Oder/ schläffest du darumb/ damit sie dir/ weil du jhrer gegenwart nicht genießen kanst/ zum minsten durch die wolthaten eines trawmes könne ge- zeiget werden? Vnter dieser rede sprang ich auff/ vnd grüßete die lieblichen stralen der Sonnen/ welche von den spitzen der berge herab blincketen/ vndt mich gleichsam zue trösten schienen; wor- über ich dann in meinung mir selber ein hertze zue machen/ auff diese worte gerhiete:
Weil mein Verhengniß wil/ vndt lest mir nicht das glücke
Bey dir/ mein Augen trost/ zue leben nur allein/
So giebet zwar mein sinn sich mitt gedult darein/
Doch sehnt vndt wündschet er auch stündtlich sich zuerücke.
5 Es ist ja lauter nichts wo diese schöne blicke/
Diß liecht das mich verblendt/ des güldnen haares schein
Das mein gemüte bindt/ diß lachen nicht kan sein/
Der mundt/ vndt alles das wormit ich mich erquicke.
Die Sonne macht mir kalt/ der tag verfinstert mich;
10 Ich geh’/ vndt weiß nicht wie; ich geh’ vndt suche dich
Wohin du nie gedenckst. was macht mein trewes lieben?
Ich seh’ vndt finde nichts; der mangel deiner ziehr
Hatt alles weg geraubt: zwey dinge sindt noch hier:
Das elendt nur/ vndt ich der ich darein vertrieben.
Aber/ sagte ich weiter/ was beschuldige ich mein Verhengniß?
fliehe ich nicht auß eigener wahl für jhr/ vndt für mir selbst? Wo-
ferren du mir meine augen/ so durch die deinigen geraubet sindt/
wiedergiebest/ verhoffe ich/ mein Liecht/ dich zue sehen/ ehe
5 noch das auge der welt die Sonne in das herzuerückende jhar se-
[9]hen wirdt. Was für ein Verhengniß aber wil ich kurtz hernach
anklagen? was für eine hülle werde ich finden/ zue bedeckung de-
ßen verbrechens/ daß ich mein Vaterlandt mitt so weit entlegenen
Provinzen vertauschen/ die meinigen sampt dem größeren theile
10 meines hertzens hinter laßen/ vndt mich in ein freywilliges elendt
verjagen wil? Es ist eine böse gewohnheit/ das wir menschen ge-
meiniglich auff das glück schelten/ welches wir vns doch auff dem
eigenen amboß unserer boßheit geschmiedet haben:
oder wollen
die zeit für gerichte laden/ die/ wann sie ie was böses begehen kan/
15 nichts ärgers thut/ alß daß sie sich uns so reichlich vndt milte ver-
leihet. Armer schäffer! Wilt du lieben/ warumb bleibst du nicht wo
du wirst geliebet? Oder gedenckest du der liebe zue entfliehen/ so
entfleuch erstlich deiner eigenen person/ vndt laß das gemüte zue
lieben daheimbe; wo du anders nicht einen krancken mitt dir füh-
20 ren/ vndt seine siecheit durch die bewegung mehr erwecken wilt.
Soll dir ie die freyheit/ welche dir von kindtheit an gefallen/ zue
theile werden/ so sey nicht allein anderswo/ sondern auch anders/
vndt segele mitt gebundenen augen vndt verstopfften ohren zue
der gedult dem hafen des kummers/ welche dich sampt jhrer mu-
ter der zeit in gewündtschte sicherheit setzen kan.
Mitt solchen vndt dergleichen gedancken schlug ich mich eine
lange weile/ biß ich in dem hin vndt wieder gehen nahe bey einem
5 klaren quelle/ das mitt anmutigem rauschen vndt murmeln von
einer klippen herab fiel/ zue einer glatten vndt hohen tannen kam
die mir dann bequem zue sein schiene/ ein gedächtnüß meiner
sorgen zue verwahren. Schnitte ich also auff jhre rinde nachfol-
gendts
Sonnet.
Es ist gewagt; ich bin doch gantz entschloßen
Jetzt noch ein mal zue laßen vnser landt/
Vndt hin zue ziehn wo auch ist mordt vndt brandt/
Wo auch das feldt mitt blute wirdt begoßen.
5 Es ist gewagt; heißt aber diß genoßen
Der liebe frucht? ist diß das feste bandt
Der waren gunst? schläfft deine trewe handt?
Ist deiner lust gedächtniß gantz verfloßen?
Wo bleibet dann der mundt/ die augen/ dieses haar/
10 Vndt was sonst mehr dein trost vndt kummer war?
Was thue ich dann? ich bin selbselbst verlohren
Verlier ich sie: verbleib’ ich dann allhier
So ist doch nichts als wanckelmuth an mir:
Ich habe recht den wolff jetzt bey den ohren.
Ich schnitzte noch über dem letzten worte/ als mir ein liebliches gethöne vnterschiedener querpfeiffen vndt wolldingender music zue ohren kam. Wiewol ich mich nun besorgete/ daß durch solche ankunfft anderer mir meine einsamkeit/ bey der ich mir jetziger beschaffenheit nach nicht ließ übel sein/ möchte abgestrickt wer- den: so zwang mich doch die begiehr die jenigen zue erkennen/ welche der schönen einstimmung wegen entweder der Musen söhne/ oder auch die Musen selbst zue sein schienen/ daß ich + + + +
Hierüber empfingen wir einander sämptlich. Vndt du Bruder/ fieng ich wieder Buchnern an/ bist mir ein angenemer gast in die- sen orten. Ich zweiffele nicht/ sagte er; aber du mir ein flüchtiger wirth. Jetzt habe ich erfahren/ daß der jenige niergendt sey/ der allenthalben ist. Es hatt seinen ort/ sagte Nüßler/ daß du dem/ der es so gnädig mitt dir meinet/ folge zue leisten/ von den grünen wiesen vndt fruchtbaren feldern vnserer Hauptstadt dahin gewie- chen bist/ wo wir dich ehegestern gesucht/ vndt von dannen wir der trifft nach hieherwerts gegangen sindt. Welche notwendigkeit aber leget dir auff/ die zeit dermaßen absonderlich zue verschlie- ßen/ vndt in solcher einsamkeit herumb zue wandern? Du weißest wol/ gab ich zur antwort/ daß ein mensch der gedancken hatt/ nie- mals weniger allein ist/ als wann er allein ist. Vnd was sindt es für + + + + + + + +
Ist mein hertze gleich verliebet
In ein schlechtes mägdelein/
Die mich tröstet vndt betrübet/
Soll ich darumb vnrecht sein?
5 Liebste/ deiner Schönheit liecht
Mindert sich durch einfalt nicht.
Was das Glücke dir nicht schencket/
Das verdient doch deine ziehr/
Vndt worauff mein hertze dencket
10 Solches hast du gantz bey dir;
Was mein hertze denckt hast du/
Vndt das hertze selbst darzue.
Das auß keiner furchte weicht/
15 Sucht jhm gleichfalls ein geblüte/
Eine seele die jhm gleicht/
Sieht für allen dingen an
Trew auff die es bawen kan.
Niemandt wirdt mir vnrecht geben;
20 Hohe brunst bringt furcht vndt neid;
Deiner liebe frucht/ mein Leben/
Ist begabt mitt sicherheit/
Die ich einig mir erkiest/
Vndt mein reiches armutt ist.
25 Dich mitt rhue besitzen können
Ist mein trost vndt gantze lust:
Bleib auff deinen trewen sinnen/
Liebste/ wie du jetzundt thust;
Meine freyheit soll allein
30 Deiner liebe dienstbar sein.
Der liebe dienstbar sein/ hub Venator an/ heißet die liebe zum herren haben: dann welcher dienet/ muß einen herren haben dem er dienet. Ist jhm nicht also? Ja sagte ich. Ein herr/ redte er wei- ter/ ist der jenige/ der das was er wil/ oder nicht wil/ zue thun oder zue laßen macht hatt. Wirdt dich nun die liebe zue halten begeh- ren/ die mehr einem tyrannen als einem herren ähnlich siehet/ weil sie nicht allein den leib/ sondern auch das freye theil des men- schen das gemüte zum sclaven macht/ so schawe du/ wie es vmb +
Andere sprechen:
Wer jhnen glaubt fengt windt auff mitt der handt/ Pflügt in das meer/ vndt seet in den sandt;welche worte ich sie dann verfechten laße. Wiewol auch eine stoltze abgeführte Dame/ (dann also nennen sie vnsere auffwar- ter) die niergendt schöner ist als in jhrem eigenen spiegel/ offtmals mit gleicher müntze bezahlt wirdt/ als in welcher kundtschafft sich einheimbische vndt frembde zue spielen pflegen/ nicht liebe zue suchen/ welche bey einem vnbestendigen weihe nur übel angeleget + + + +
Eine stattliche rede/ mein Bruder/ sagte ich/ vndt die leichtlich zue erkennen giebt/ in was für einer schulen/ bey was du für einem manne (der allein exempels genung ist/ daß ein weißer mann dem glücke die wage halten/ vndt dem vngestirne der zeiten gebie- ten kan) an den trechtigen feldern des Reines/ wo die Elle vndt Breusche von jhm verschluckt werden/ vorwiechener zeit gele- bet hast: deiner eigenen geschickligkeit/ welcher Apollo vndt der himmel nichts versaget/ zue geschweigen. Es leßt sich aber der- gleichen viel behertzter reden/ als in das werck richten. Doch ver- hoffe ich eine solche mäßigkeit in der liebe zue treffen/ daß sie mich an meinem fürhaben dennoch nicht verhindern soll. Wer sei- + + + + + + + +
Ich muß jhm gleichwol nicht gar hülffloß laßen/ fieng Nüßler an/ vndt bilde mir gäntzlich ein/ daß er jhm auff der Poeten art/ wel- che/ der Natur nichts nach zue geben/ offtmals sachen erdencken/ die nie gewesen sindt/ noch sein werden/ eine liebe mache/ die er nie in den sinn gebracht/ vndt zum theile anderer leute buhlschaff- ten/ eitelkeiten vndt müßige vnrhue durch seine ertichtete fürbil- den/ zum theile die einsamkeit/ darinnen er sich dieser zeit befin- det/ lieber mitt diesem/ als mitt nichts thun erleichtern wolle. Steckt aber auch etwas von dem anmutigen übel bey jhm/ das vnseren standes leuten nicht vngemein ist/ so schätze ich jhn frei- lich weniger glückselig als die jenige/ welcher er mitt seiner Poete- rey ein vnsterbliches lob vndt gerächte vervrsachen wirdt; wiewol das Frawenzimmer dergleichen offtmals entweder nicht verste- het/ oder vnsere getichte lieber als vns hatt. Ich hoffe aber gäntz- lich/ das reisen/ darzue mir bißher niemals der wille/ sondern das glück vndt die umbstände meiner gantzen wolfahrt gemangelt ha- ben/ werde jhm in kürtzen was anders an die handt geben.
Vndt ob ich wol/ liebster mittgeselle/ sagte er zue mir/ deine abwesenheit kaum mitt gedultigem hertzen werde ertragen kön- nen/ so finde ich doch nicht/ wann ich meine ergetzligkeit deinem fromen nachsetzen wil/ was ich dir aller beschaffenheit nach beß- sers rhaten/ oder auch wündtschen solle. Wie ein waßer das nie- mals gereget wirdt/ endtlich anfengt zue faulen vndt stincken: also werden auch vnsere gemüter durch vbermäßige rhue träge vndt + + + + + + + +
Von dir wil ich mir nicht einbilden/ daß du dich eines vndt ande- res trübes wölcklein vnsers Vaterlandes vertreiben laßest; dann du ja auß der aschen in das fewer/ vndt an die jenigen orte geden- ckest/ wohin das freßende wüten der waffen/ vndt die rache der gesuchten beleidigung/ sich auß hiesigen winckeln erst recht zue wenden/ vndt alles auff eine merckliche verenderung angesehen zue sein scheinet. Ich mache mir viel mehr rechnung/ daß die liebe der deinigen/ vndt die rhue welche dir bißher so gnädig ist verliehen worden/ deinen fuß offtermals zuerücke ziehen/ vndt deiner entschließung dieses vndt jenes in den weg wollen werffen. Wie nun freylich ein freundt ein lebendiger schatz ist/ der lange gesucht/ kaum gefunden/ vndt schwerlich verwahret wirdt: so ist doch die vngefärbte liebe an keinen ort gebunden/ vndt jhre abwe- senheit wirdt zum theil durch das gedächtnis voriger gesellschafft/ zum theil durch schreiben/ welches die rechten fußstapffen vndt kennezeichen trewer gemüter sindt/ nicht wenig erträglicher ge- + + + + + + +
So bist du in aller zeiten historien vndt exempeln dermaßen durchtrieben/ daß du wol weißest/ wie das frawenzimmer nicht allein offtmals die wangen/ sondern auch die worte zue färben pfleget/ vndt daß kein waßer geschwinder eintrucknet als weiber- threnen. Wie ich dir ferner mitt trawrigen augen nachschawe/ so bin ich der hoffnung/ der wahren welche du zue holen außzeuchst/ die kein Zöllner anhalten/ kein seerauber versencken/ kein fewer verzehren kan/ ehist durch dich zue genießen. Du bist in dem al- ter/ da die besten reisegesellen/ wahl vndt vrtheil/ mitt dir ziehen/ + + + + + +
Aber/ sagte Nüßler/ was halten wir vnsere gäste mitt anderen reden auff/ weil jhnen vielleicht lieber were/ in diesen plätzen vndt gefilden sich vmb zue schawen? Sie lißen es jhnen belieben/ satz- ten sich zuvor etwas vnter den schatten der hohen bäwme/ vndt [24] erzehlten von diesem vndt jenem/ was es theils in eines jegli- chen seinem vaterlande/ theils mitt jhrem eigenen zuestande für + + + + + + + +
Ihr hirten/ die jhr kompt zue schawen
Die quelle/ diese berg’ vndt awen/
Ihr hirten/ lauffet nicht vor mir/
Ich bin des ortes Nimfe hier.
5 Der Zacken den jhr mich seht gießen/
Der minste von den kleinen flüßen/
Führt oben silber klare flut/
Sein reiner sandt tregt goldt vndt guet.
Warumb sich freundt vndt feinde neiden/
10 Darbey könnt jhr die schaffe weiden.
Hatt ja die menschen hoch versehrt!
Die götter lieben solche sinnen/
Die güldinn’ einfalt lieben können;
15 So kompt/ jhr hirten/ schawet an/
Was ich/ vndt kein mensch zeigen kan.
Wir stunden verwundert vnd bestürtzt/ weren auch auß schre- cken zuerück gelauffen/ wann sie mich nicht mit höfflicher demut bey der handt genommen/ vndt die andern zue folgen vermahnet hette. Als wir in die höle hinein kamen/ sahen wir nichts für vns als ein lauteres waßer/ das sich gegen jhr wie ein berg aufflehnete/ vnd wir also trucken hindurch giengen. Von dannen befunden wir vns in einer fast kühlen grotte/ auß welcher nicht allein dieses wa- ßer sämptlich gefloßen kam/ sondern auch andere ströme durch verborgene gänge vndt adern der felsen hinauß drungen. Diß ist/ sagte sie/ die Springkammer der flüße/ darvon so viel felder be- feuchtet/ so viel flecken vndt städte versorget werden. Diese klei- nere bach (darauff sie dann mit jhren schneeweißen fingern zei- gete) ist auch ein theil des Zackens an dem jhr hieher gegangen seidt/ vndt wirdt nicht ferren von dem gebirge mitt dem andern vermenget. Hier zur seiten sehet jhr den vrsprung des fischrei- chen klaren Bobers/ der jhm in einem schattichten walde sein thor gesucht hatt/ darauß er sich durch berg vndt thal zwinget vndt windet/ vndt/ nach dem er bey Hirschberg den Zacken in sich ge- schluckt/ auch etzliche städte/ darunter/ sagte sie zue mir/ dein nicht allein dir sondern auch vns Nimfen liebes/ aber erschöpfftes Vaterlandt ist/ begrüßet hatt/ endtlich an dem ende des landes Schlesien seinen strom vndt namen der Oder/ dem haupte vndt regentinn der Schlesischen flüße/ zuegleich einantwortet. Wie dann die goldt-[26]führende wilde Katzbach/ derer brunnen + + + + + +
Wie wir vns nun über den seltzamen dingen der Natur verwun- derten/ vndt den vnerschöpfften lauff der gewäßer bestürtzt in augenschein genommen/ auch von wegen des großen gethönes vndt rauschens der auffspringenden fluten fast das gehör verloh- ren hatten/ gieng sie durch ein weißes thor/ welches vns von mar- morstein zue sein bedünckte/ für vns her/ vndt; Beschawet nun/ sagte sie/ das ort/ welches für mannes augen zwar sonst verschlos- sen ist. In diesem Erdengemache pflege ich sampt meinen schwe- stern der Thalien/ Arethusen/ Cydippen/ Opis vndt den andern die zeit zue vertreiben. Diese anmutige höle war nach art der alten tempel zirckelrundt/ vndt in zimlicher höhe. Ringes vmbher stun- den gefrorene cristallen säulen/ welche von der grünen bewachse- nen erden biß an die decke reichten/ vndt mitt jhrem durchsichti- gen glantze das gantze zimmer erleuchteten. Mitten innen saßen die Nimfen/ alle blüende vndt jung von antlitz/ auff grünen teppi- chen in einem kreiße vmbher/ sponnen/ stickten vndt neheten an der subtilesten leinwadt/ hatten allerhandt liebliche gespreche/ vndt [27] erwehnete gleich damals eine/ wie die stoltze weberinn Arachne der Minerven kampff angeboten; weil aber jhre arbeit der himmlischen nicht zuegesagt/ sich selbst erhenckt habe/ vndt nachmals in eine spinne verwandelt worden sey: daß sie nunmehr +
Nicht weit von jhnen lagen etzliche lauten/ geigen vndt andere musicalische instrumente; auch köcher vndt pfeile/ die sie/ wann sie nebenst den Waldtgötinnen vndt Bergnimfen sich mitt dem ge- jägdte ergetzen/ zue gebrauchen pflegen. An der wandt waren vnterschiedene historien mitt kleinen muscheln vndt kleinen steinlein/ vndt zwar so künstlich/ eingelegt/ daß wir hinzu giengen/ [28] vndt es mehr für eines Apellens werck als für sonst etwas + + + + + + +
Kompt weiter/ sagte Hercinie/ vndt beschawet die wohnung Thetis der vnsterblichen muter der Nimfen/ wann sie durch die verborgenen gänge des erdtreichs mitt jhren seeroßen hieher zue fahren/ vndt vns zue besuchen pfleget. Wir giengen in begleitung aller anderen Najaden/ denen die gelben haare vmb den zarten halß vndt brüste/ vndt die dünnegewebten mäntel vmb jhre bloße leiber flogen/ durch eine ärtzinne pforte/ vndt kamen in einen köstlichen saal von großer länge vndt breite. Der boden war an + + + + +
Ihr hirten/ fieng Hercinie an/ wir wißen was der himmel vndt die Musen euch verliehen/ vndt mitt was für begiehr der wissenschafft jhr behafftet seidt. So laßet euch nun/ indeßen das meine Schwe- stern den Vnsterblichen jhren dienst erzeigen/ vnd jhr gebürliches opffer fürtragen/ von mir zeigen/ was die gemelde vnd schrifften an den wänden allhier in sich halten. Wißet/ sagte sie ferner/ daß alles was jhr biß anher gesehen vndt noch sehen werdet/ inheimi- sche außbeute/ in diesen gründen geseiffet/ in diesen wäßern + + + + +
Ihr blinden sterblichen/ was zieht jhr vndt verreist
In beydes Indien? was wagt jhr seel vndt geist
Für jhren knecht den leib? jhr holet krieg vndt streit/
Bringt auß der newen welt auch eine weltvoll leidt.
5 Ihr pflügt die wilde see/ vergeßet ewer landt/
Sucht goldt das eisern macht/ vndt habt es bey der handt.
Den demant findet kaum der schwartze Moor so weiß/
Der jaspis ist vns schlecht/ die perlen tregt der Queiß.
Hieher mensch/ die Natur/ die Erde ruffet dir:
10 Wohin? nach guete: bleib: warumb? du hast es hier.
Nechst diesen Versen/ die in eine schwartze steinerne platten gehawen waren/ folgeten auff der einen seiten viel historien vndt bilder von erschaffung der welt; von der güldenen/ silbernen/ irr- denen vndt letzlich eisernen zeit; von den himmelstürmerischen + + + + + + +
Hierüber trat sie fort/ vndt; Dieser/ sagte sie/ welchen jhr in gantzem küriß stehen sehet/ ist der frey werthe heldt Gothardt/ oder/ wie damals den alten zue reden beliebet hatt/ Gotsche + + + +
Allerschöneste Nimfe/ sagte Nüßler/ wir müßen gleichwol die reime darbey vngelesen nicht laßen. Sie stellete es vns anheim/ vndt gab so viel zueverstehen/ sie weren darumb eingehawen. Rit- ters Gotschen überschifft war diese:
+ +
Ich werde recht von dir mein werther stamm geehret/ Weil
ich dir namen/ rhum vndt wapen hoch vermehret; Die roten striche hatt kein
geldt noch gunst erdacht/ Der Keyser hatt sie nur gelobt/ der feindt
gemacht.
Vnter dem wapen neben seiner tafel:
Nachfolgende drey/ redte Hercinie ferner/ sindt ritter Got- hardts Söhne. Der erste zur rechten handt eben des namens; de- ßen drey Söhne/ Vlrich/ Gotsche vndt Hans/ welcher fast für an- derthalb hundert jharen gestorben/ gleich vnter jhm sindt. Der dritte/ so zur lincken/ Henrich oder Hentze Schoff auff Kemnitz/ deßen zwey Söhne/ Henrich vndt Peter/ auch vnter jhm stehen. Der andere/ in der mitten/ ist Hans Schoffgotsche auff Kinast/ den wir in seinen nachkommenen noch anietzo blühen vnd wachsen sehen. Die sechse/ wie jhr sie ordentlich nacheinander allhier ge- setzt findet/ sindt seine Söhne. Der ältere ist Christoff/ den ein anderer edelmann wenig adelich vnversehens erschossen hatt. Der andere Ernst des namens/ welcher darumb ein zuesammen gerolltes schreiben in der faust hatt/ weil er der Fürstenthümber Schweidnitz vndt Jawer Cantzler gewesen; wie dann solche Cant- zelley nebenst dem ampte des Hoffrichters zur Schweidnitz/ von etzlichen hundert jharen an den Herren Schaffgotschen eigen- thümblich hatt zuegehört. Der dritte ist Jeronymus der blödtsin- nige. Der vierdte Antonius. Er siehet schwartz auß; sagte einer von vns. Man hatt jhn auch/ gab Hercinie zur antwort/ wie er sich dann selbst/ den Reppelgotschen geheißen/ ist ein statlicher mann/ vndt mitt einer gebornen Freyinn von Schumburg vermählt gewesen. Der fünffte Caspar. Der letzte Vlrich/ ein streitbarer mann/ der mitt seiner strengen faust die ritterschafft auff der +
Des ritters rhüm ich mich/ dieweil ich obgesieget: Ich bin kein kriegesmann der niemals hatt gekrieget/ Kein ritter ohne
feindt/ kein reuter ohne pferdt; Wer von mir wißen wil/ der frage noch mein
schwerdt.
Wie nun Christoff/ Jeronymus vndt Ernst leibeserben nicht ge- laßen; also sehet jhr vnter einem ieglichen der andern jhre Söhne. Des Antons sindt Friedrich/ Ernst/ Vlrich/ Ritter Anton/ welcher mitt einer ketten vmb die armen abgebildet/ weil er von den Sara- cenen gefangen/ an den pflug gespannet vndt sehr übel gehalten worden/ wiewol er endtlich in seinem Vaterlande verschieden; Rit- ter Hans Kayserlicher Rhat vnd Cämmerer/ vndt Bernhard auff Rurlach; deren kindeskinder theils noch bey leben. Vber dem An- ton waren diese worte eingegraben:
Ich wardt gefangen zwar/ vndt habe viel erlitten/ Du wilder
Saracen/ nach dem ich dich bestritten: Doch was dann hast du jetzt von mir in
deiner handt? Der himmel hatt den geist/ den leib das
Vaterlandt.
Caspar/ redete Hercinie weiter/ wie jhr sehet/ hatt fünff Söhne hinterlaßen: Watzlawen/ der jhm durch reisen vndt geschicklig- keit großes ansehen gemacht/ Hansen/ Christoffen/ Casparn (de- ßen einiger Sohn Adam/ Freyherr auff Trachenberg vndt Prauß- nitz/ wiewol er zwey gemahlinn/ deren die letzte eine Gräffinn war/ gehabt/ ohn erben gestorben ist) vndt Balthasern/ der vier Söhne erzeuget: wie dann der letzte ritterliche heldt Vlrich der fast vier- zig jhar über die Fürstenthümber Schweidtnitz vndt Jawer Haupt- mann gewesen/ vndt in die neunzig jhar alt worden/ Wolffen vndt Hansen erzeuget/ deßen Wolffens Sohnes Sohn Vlrich oder Vdal- + + + + +
Soll ich mich schämen dann des namens der Poeten? Ist
kunst vndt wißenschafft dem adel nicht von nöthen? Standt blüet durch
verstandt: hett ich nicht standt gehabt/ So hette mich verstandt mitt adel
doch begabt.
Obberhürte vier des Herrn Balthasars Söhne/ Freyherren/ sindt der zur rechten Herr Balthasar auff Langenaw/ der zur lin- cken handt Herr Caspar zue Trachenberg/ der neben diesem Herr Watzlaw auff Bernßdorff/ vndt der in der mitten oben an der in krieges vndt friedens tugenden erfahrene Herr/ Herr Christoff/ vnter deßen Sohne/ dem Hoch wolgebornen Herrn/ Herrn Han- sen Vlrichen/ dem freyen vnverzagten helden/ dieses vorgebirge/ diese wälder vndt brunnen/ vndt wir Nimfen solcher rhue/ solchen friedens genießen/ daß wir die angräntzenden fewer der blutigen Bellonen/ dieses klägliche getümel der waffen biß anhero zwar von ferren angeschawet haben vndt gehöret/ aber (welches zue einer gueten stunden geredet sey) nie erfahren dürffen.
Hierauff schwiege die leutselige Hercinie etwas stille; ich aber lase die reimen/ so bey Herren Christoffen seliger gedächtniß ver- zeichnet waren:
An tugendt bin ich recht/ vndt linckisch auch/ gewesen:
Warumb? dieweil ich diß geschrieben vndt gelesen Was thaten
würdig ist/ vndt gleichfals diß gethan Was der so thaten lobt gar wol
beschreiben kan.
Indeßen fragen die andern wegen der sachen die nach jhm stun- den. Hier zue nechste/ fieng sie an/ ist seine tapffere/ hochverstän- + + + +
5 Ich bin in diese welt von heldenstamme kommen/ Die
ziehr der helden hatt zur ehe mich genommen/ Ein heldt der kam auß mir an
dieses liechtes schein/ Wie solte dann nicht ich auch eine heldinn
sein?
Von jetzigem erst gemeldeten regenten/ sagte die Nimfe/ könnet jhr den jnhalt folgender tafeln weitleufftig vernemen. Seine hohe beschaffenheiten/ sein verstandt in anschlägen/ sein muth im strei- ten/ seine ritterliche thaten verdienten zwar von allen edelen ge- mütern sinnreicher Poeten in das register der ewigkeit eingetra- gen zue werden/ er aber/ als ein vollkommener Heldt/ ist auch mitt solcher demut begabet/ daß er nicht gern von jhm rhümen leßt/ was doch die that vndt warheit selber redet. Was jhr aber allhier sehet/ haben die Parcen/ Clotho/ Lachesis vndt Atropos/ als sie jhm auff befehl des himmels die faden des lebens gesponnen/ ein- helliglich gesungen/ vndt mitt buchstaben von demant dem roste der zeit zuegegen in diesen schwartzen cristall versetzt. Wir ver- wunderten vns nicht so sehr über der menge der edelen gesteine/ als über der fürtrefflichen arbeit/ welche von solcher kunst vndt schönheit war/ das wir wol abnemen kundten/ menschen hände würden dergleichen nach zue thun sich vmbsunst bemühet haben. Das getichte aber vndt weißagung der Parcen waren von worte zue worte diese:
Brich an/ du schöner tag/ vndt komm/ du edles kindt/
Dem götter/ vndt das hauß der götter günstig sindt/
Der himmel/ vndt auch wir. wir haben zwar gewunden
Ein garn/ ein weißes garn zue seines lebens stunden;
5 Wo ist die farbe hin? die faden werden goldt.
Brich an tag/ komm o kindt! die götter sindt dir holdt/
Dir schencken diß was viel wol wündtschen/ wenig haben;
+ + +
Mars seinen großen muth/ vndt Jupiter verstandt.
10 Komm an/ dein güldnes garn das wächst vns in der handt/
Vndt spinnt sich selber auff. schaw hier die schönen blicke
Der heldinn welche dich mitt solchem gueten glücke
Der liechten Sonnen zeigt/ der heldinn die jetzt dir
Das leben/ vndt hernach des lebens beste ziehr
15 Die tugendt geben wirdt. du wirst zwar waise werden
Durch deines Vatern todt/ der kürtzlich dieser erden
Soll geben guete nacht/ wie vnser buch vermag;
Doch die durch welche du gebracht wirst an den tag
Wirdt nicht nur muter sein/ wirdt auch mitt vatersinnen
20 Zur waren tugendt lust dich baldt gewehnen können/
Dir zeigen einen weg wohin der gehen soll/
Stracks wann er gehen lernt/ der edlen lobes voll
Will brechen durch die zeit. du wirst für allen dingen
Auff jhrem arme noch am liebsten hören klingen
25 Die trummel vndt trompet/ wirst reißen mitt der handt
Auff einen degen zue/ der etwan an der wandt
Mag auffgehencket sein. das mittel dich zue schweigen
Wirdt sein ein blanckes helm/ ein schönes roß zue zeigen/
Die lantz’ vndt rennebahn. ein solches tocken spiel
30 Liebt erstlich baldt ein kindt das nicht versawern wil
In seiner muter schoß. wann dann zue deinen tagen
Die sprache kommen wirdt/ wo wirst du lernen fragen
Nach dem was ritterschaft vndt lob der ahnen ziehrt;
Wirst werden zue der lust der weißheit angeführt/
35 Kein feindt der bücher sein. wirst Rom begierig hören
In jhrer sprache selbst/ dich laßen von jhr lehren
Durch was für witz/ vndt krafft sie jhr die gantze welt/
Was Titan überscheint/ zun fußen hatt gefellt.
40 Dir Leipzig/ Tübingen vndt Altorff weiter lesen/
+ + + + + + + + + + +
Vndt sagen/ daß ein heldt der große thaten liebt/
Den thaten noch mehr schein durch kunst vndt klugheit giebt.
Biß daß der hohe sinn dich vber berge treget/
Wo freyheit jhren grundt tieff in die see geleget
45 Von langen zeiten an/ vndt Nereus eine Stadt/
Die aber länder zwingt/ zue seinem weibe hatt.
Dann wirst du nechst darbey ein gast Antenors werden/
So lange Cynthia sechs mal den kreiß der erden
Mitt gantzem liechte füllt: du wirst hier deinen standt/
50 Dein edles ritterblut/ auch zeigen mitt der handt/
Die offtmals sagen muß was mancher führt im hertzen;
Wirst kunst zur mannheit thun/ vndt mitt dem degen schertzen/
Inkünfftig ernst zue sein; wirst legen deine zeit/
Die zeit so güldinn ist/ an güldne tapfferkeit/
55 An sprachen vndt verstandt. wirst hin nach Rom verreisen/
Vndt an den Tiberstrom daselbst dir laßen weisen
Wo Rom gewesen sey: hier stundt die ziehr der welt/
Wirdt sprechen wer dich führt; hier war der tugendt feldt/
Das ort von dem sich ließ der erdenkreiß beschönen.
60 Auff dieses solt du sehn die muter der Sirenen/
Der welt Sirene selbst; vndt
Bajas/ vndt jhr badt/
Was Cuma/ was Puzol für
lust vndt wunder hatt/
Der schawplatz der natur. dich wirdt zue roße setzen
Das blüende Florentz; es soll sich selbst ergetzen
65 Der weißen Nimfen schar am hohen Apennin/
Wann deine freye faust des pferdes stoltzen sinn
Wirdt brechen durch den zaum/ baldt sicher laßen fliegen
Mitt schäumender begier/ den winden ob zue siegen.
Dann leßest du die flut der see dich nach Meßan/
70 Von hier nach Malta zue/ von Malta auff Drapan
Darffst gegen Africa nach Tunis zue dich wagen/
Machst die Tyrrhener see dir weit vndt breit bekandt/
Biß Napolis dich setzt noch ein mal an sein landt/
75 Das reiche Napolis/ vndt dann auff Pisa sendet/
Diß wieder nach Florentz/ wo zwar der weg sich endet/
Nicht aber auch der fleiß; du wirst auffs newe hier
Die gantze sommers zeit vermehren deine ziehr
Durch sprachen vndt verstandt. hierauff nach Luca ziehen/
80 Von dar nach Genua wo krieg vndt friede blühen/
Vndt auff Minerven Stadt das künstliche Milan/
Vndt was die tafel hier sonst mehr nicht faßen kan:
Biß endtlich Spanien dir in den sinn wirdt kommen/
Das nunmehr beydes hauß der Sonnen eingenommen/
85 Vndt jhm verbunden hatt: dein weg soll Franckreich sein/
Der sitten meisterinn/ der künste liecht vndt schein/
An vieh vndt leuten reich/ das weit vndt breit beschloßen
Mitt starcken klippen steht/ mitt wäßern gantz vmbfloßen;
Verwahret mitt der see. du wirst durch Delfinat
90 Hin auff Marsilien/ von da auff Arelat/
Vndt ferner an den fuß der schneeichten Pirenen/
Die jhre spitzen fast biß an die wolcken lehnen/
Wo du begrüßen solt zum ersten Arragon/
Vndt dann nicht ohn gefahr das stoltze Barcelon/
+
95 Tortosa vndt Sagunt berhümbt vom hungerleiden/
Die Königinn Valentz/ wo Duria
viel weiden/
Viel blumen/ graß vndt waldt umb seine ströme hegt/
Biß dich ein langer weg hin nach Toledo/ tregt/
Von dannen nach Madrid/ auß denen jenes eisen
100 Vndt stahl/ diß weißheit hatt. dann wirst du rückwerts reisen
Da wo der Iber fleußt auff Saragosa hin/
Vndt auß der Sonnen brunst in beßer wetter ziehn.
Vndt schweigen/ also wirdt dich Franckreich reden lehren/
105 Der außzug aller lust/ der edlen demut landt/
In welcher jederman geehrt wirdt vndt bekandt
Der tugendt leiden kan. die erste rhue vndt wonne
Das wirdt Tolosa sein am strande der Garonne;
Auff diese Bordeaux; Roschelle nechst nach jhr/
110 Das Mars liebt vndt Neptun; hierauff der Musen ziehr [flüßen
Vndt künstmarckt Poictiers: dann wirst du sampt den
Der gelben Loir Angiers/ vndt Tours/ vndt Blois begrüßen/
Nicht minder Orleans das Bacchus also liebt/
Vndt dem Mercur das lob der reinen sprache giebt.
115 Wo laßen wir Paris? hier wirst du auch verbleiben/
Wo alle weißheit wohnt/ wirst deine zeit vertreiben
+ + +
Mitt übung die ein heldt vndt ritter haben muß.
Nach Franckreich/ wann du nun der stoltzen Seyne fluß/
Den faulen gang der Ar/ des Rhodans schnelles fliehen
120 Gesehn hast/ wirst du dann auch an die Temse ziehen
Dem wolgebawten strom/ beschawen Engellandt/
Das durch den Ocean von vns ist abgetrannt/
Dein rückweg sollen sein die starcken Niederlande/
Ostende/ Brug vndt Schluys/ vndt Gendt am Scheldestrande/
125 Vndt Brüßel/ vndt was mehr des Zepters willen hört
Das gegen Ost vndt West gehorsamb wirdt geehrt/
Nicht nur von einer welt: dann seine gegen wercke/
Die nun so lange zeit mitt großer list vndt stärcke
Sich wieder jhn gesetzt. hier halt die flügel an;
130 Hier schawe wieder heim; es ist genung gethan;
Die deinen ruffen dich/ du blum vndt ziehr der jugendt;
Sie wollen nunmehr sehn das reichthumb deiner tugendt/
Der reise newe frucht. was wirdt für wonne hier
Bey deinen quellen sein/ wann du/ jhr trost vndt ziehr/
136 Nach dem du alles das in augenschein genommen
Was sehens würdig ist/ vndt nicht nur feldt vndt landt
Vndt städte/ sondern auch die leute hast erkandt
Die Phebus oder Mars begreifft in seinem orden;
140 Wann dir der Musen volck zue freunde wirdt sein worden/
Zue Londen Casaubon/ vndt zue Paris Thuan/
Zue Leiden Scaliger/ vndt was man nennen kan
+ + +
Für etwan einen geist der nicht auß schlechter erden
Vom Titan ist gedreht. die grünen wiesen werden
145 Sich frewen vmb vndt vmb/ es wirdt thal/ pusch vndt feldt
Ein grünes kleidt anziehn/ es werden dir/ o heldt/
Die klaren bäche hier mitt lust entgegen fließen/
Die felsen höher stehn/ der Nimfen schar dich grüßen/
Der zarten Nimfen schar von dreyerley gestalt/
150 Als denen heilig sindt die flüße/ berg vndt waldt/
Bey welchen wir diß liedt in demant einverleiben/
Damit es von der zeit mag vnbetastet bleiben/
Mag sein ein stetes pfandt des himmels der dich liebt/
Vndt vns noch mehr befehl also zue setzen giebt:
155 Ihr schönes himmel volck/ jhr glatten Oreaden/
Du der Napeen heer/ jhr flüchtigen Dryaden/
Vndt jhr Najaden auch/ du Echo die du nicht
Was anders sagen kanst als was man zue dir spricht/
Ihr süßen Gratien/ du Pales/ du
Diane/
160 Seidt günstig wann er hier auff einem grünen plane/
Auff ewre püsche zue/ vmb ewer edles feldt/
Bey dieser einsamkeit nach schnellem wilde stellt/
Vndt sucht ergetzt zue sein. er wirdt die wälder ziehren
Mitt seiner gegenwart/ wirdt an den wilden thieren/
165 Ein newer Hercules/ versuchen seine krafft/
Vndt diß nach dem er hatt die sorgen abgeschafft
Mitt einer freyen lust/ vndt auch der rhue verhengen/
+ + + +
Wie selbst thut die Natur/ die nie stets winter macht/
170 Stets sommer/ oder lentz; stets regen/ oder nacht.
Dein bogen/ Delia/ wirdt gleichfalls abgelaßen;
Es pfleget Jupiter den becher an zue faßen
Mitt eben dieser handt in der er donner tregt:
So wirdt der heldt auch thun nach dem er abgelegt
175 Des Vaterlandes last/ für welches er soll streiten
Mitt ritterlicher faust/ wann gar in kurtzen zeiten
Auch diß ort/ welches jetzt der werthe friede ziehrt/
Auff krieg ohn alle schuldt wirdt werden angeführt.
Als wie des windes zorn die eiche nicht kan spalten/
180 Wie eine klippe pflegt die wellen auff zue halten/
So wirdt er vnverzagt auch eine kecke schar
Den kürtzern lehren ziehn/ wirdt suchen die gefahr
Durch die er wachsen soll: jhm wirdt der
hauffe weichen/
Als wie das schöne volck der sternen muß verbleichen
185 Wann etwan Cynthia das gantze liecht bekömpt/
Vndt einen vollen glantz von jhrem bruder nimpt
Der gegenüber steht; der starcke löwe zeiget
Vmbsonst die gelbe mahn/ die Thracer leyer schweiget/
Orion drewet schwach/ das groß’ vndt kleine thier
190 Schawt tunckel vmb sich her/ vndt blickt kaum halb herfür
Auß einer hellen lufft. er wirdt dem feinde weisen
Wie schlechtes glücke hatt wer hunger/ glut vndt eisen
Zue frembden leuten tregt/ vndt bringt ein armes landt
Vmb freyheit/ recht vndt heil ohn vrsach vndt verstandt.
195 Damitt er rhümlich auch mag nach dem tode leben/
So wirdt der himmel jhm viel edle zweige geben
Durch einen werthen stamm/ den du/ o heldt Piast/
Mitt Zepter vndt gewalt so weit erhaben hast;
200 Mitt jhrer frömigkeit; den Henrich hoch geziehret
Mitt blute für sein landt; dem seine grüne frucht
Kein wetter dieser zeit/ vndt keiner jhare flucht
Wirdt legen vnter sich. auch dieser heldt soll schawen
Sich selbst in seiner art/ soll schöne pflantzen bawen
205 Von aller tugendt ziehr/ die lust vndt fröligkeit
Vndt rhum jhm machen wirdt die gantze lebenszeit.
Genung; was sonst allhier ist vnverzeichnet blieben/
Das ist mitt golde doch in vnser buch geschrieben.
Wir hatten vns an der schönen tafel die augen/ an der weißagung aber/ welche wir nun mehrentheils erfüllet zue sein wußten/ auch das hertze erquickt/ vnd wünschten dem Helden solche ersprößli- che wolfarth/ wie jhm allhier zue ende angekündigt würde. Die andern Nimfen hatten sich vnter dem lesen alle hinauß verlohren/ Hercinie aber; Ihr hirten/ sagte sie/ so viel ist menschlichen augen allhier zue besichtigen erlaubet/ vndt jhr werdet mitt meiner vndt meiner schwestern anjetzo erzeigten gunst vergnüget sein. Also führte sie vns durch ein anderes thor in eine newe höle/ die zue weilen so enge war daß wir fast nach der seiten durch gehen muß- ten/ zueweilen aber viel thäler vndt berge in sich zue halten schiene. Nach dem wir eine guete weile also gegangen waren/ ka- men wir an einen fast heißen ort/ voll schweffelichten dampffes/ zue deßen beyden seiten ein knallen vndt prausen gleichsam eines auffkochenden waßers/ vndt ich wußte nicht was für ein gethöne gehöret wardt. Vns war nicht aller maßen wol bey der sache; Ich habe/ fieng aber die Nimfe an/ euch nicht ohn vrsach an dieses ort + +
Als wir nun vnter wehrendem gespreche gleichsam bergan ge- gangen waren/ kamen wir an den außgang einer höle/ darein der tag seine stralen mitt vollem scheine fallen ließ; Hercinie aber ver- schwandt ehe wir es gewar worden/ vndt kam vns weiter nicht zue gesichte. Wir wendeten vns gegen der grotten/ vndt ehrten die Nimfe vndt den ort/ darinnen wir so/ merckliche vndt wunderbare lachen gesehen vndt erfahren. Ob vns auch zwar die gelegenheit des gefildes da wir herauß gegangen etwas seltzam fürkam/ so kun- ten wir doch aller Beschaffenheit nach fast erkennen/ daß wir eben an der andern seiten des berges/ wo wir zuevor hinein gelaßen worden/ sein mußten/ stiegen also gemach vndt gemach gegen der spitzen zue. Wir waren noch zimlich ferren von der höhe/ als sich bey so lieblichem wetter dennoch ein dünner schnee sehen ließ/ der aber auff der erden alsobaldt zue tawe vndt waßer wardt. Wei- ter hinauff war es gantz heiter vndt stille; da wir dann nachfolgen- des gelubde in einen lindenbawm eingeschnitten funden:
Du geist der du allhier bewohnst den öden plan/
Du seist auch wer du wilt/ wann ich vollbringen kan
Was mein gemüte sucht durch deine kunst vndt rhat/
So wil ich dir allhier an dieser grünen stat
5 Erhöhen ein altar/ darauff zur danckbarkeit
Ein opffer das du liebst soll brennen iederzeit.
Du riesenherr/ du artzt/ du berggott/ komm herfür;
Der jene so dich ehrt erwartet deiner hier.
Dieser/ fieng Nüßler an/ hatt sich auch bereden laßen/ es sey ein Rübezal allhier/ wie jhn die jenigen nennen/ die jhn nie gesehen haben. Wir sindt eben auff dem rechten orte/ gab ich zur antwort/ da er sein soll/ vndt nicht ist. Ich habe gleichwol vernommen/ jhr Schlesier/ sagte Venator/ es solle nicht gar richtig bey euch sein. Freylich nicht/ fieng ich an; dann es liegt einer hier oben begraben der nicht mehr lebet. Ich weiß wol/ redte Buchner darzwischen/ daß jhr alle drey dem hauffen zuegethan seidt der nichts übrigs glaubet: was aber durch lange erfahrung bestetigt ist/ vndt die au- gen selbst sehen/ das kan das hertze ja glauben. Mitt einem stin- ckenden aaße/ sagt Nüßler/ ist wol sonst wenig an zue fangen. Dar- wieder bin ich auch nicht/ spricht Buchner; wiewol manches ehe verdirbet als ein anders. Ich habe viel mal gehöret/ wann einen der donner erschlagen hatt/ daß sein cörper nicht verfaulen; vndt wann einem mitt giffte vergeben ist/ daß das hertze vnvertorben bleiben soll. Ein mensch der mäßig gelebet hat/ wirdt nicht so baldt verwesen/ als einer so durch schwelgen vndt vollbretigkeit seinen leib zue einer pfützen gemacht hatt/ da alle feuchtigkeit vndt flüße hinein geronnen. Habt jhr nie gesehen/ daß den todten + + +
Wo bleiben dann die säuffer/ sagt Venator/ die so vngewisser augen/ vnstetigen ganges/ vndt seltzamer einbildungen sindt? Wann sie den kopff fallen laßen/ so kömpt es jhnen bißweilen für sie versincken; vndt wann die stube ein radt mitt jhnen macht/ so legen sie sich nieder/ vndt erwischen mitt beyden händen den bo- den: baldt erhebt sich ein sturm in jhren ohren/ daß sie meinen sie sindt zur see/ vndt schawen wie weit es noch zue lande ist; springen wol über jhren eigenen schatten/ vndt sehen jhn für einen graben/ eine katze für einen löwen an; in summa/ schlaffen wachende/ + + + + +
Auff diese weise wirdt mancher bezaubert/ sagt Buchner: aber ohn schertz/ jhr brüder/ von andern gespenstern redet die gantze welt/ vndt von diesem viel leute die hierumb wohnen; die jhn zue weilen in form eines schönen roßes/ einer kröten/ eines rabens/ einer nachteule/ eines bergmännlins/ eines mönches vndt derglei- chen gesehen haben. Eines mönches? sagt Venator. Warumb nicht/ giebt Buchner zur antwort? Pflegt sich nicht der teuffel in einen engel des liechts zue verkehren/ vndt hast du nie gehört/ daß er dem heiligen Martin in gestalt des Heilandes der welt erschie- nen sey? Muß er dann eben/ spricht Nüßler/ vmb diese felsen vnd tunckele hölen seinen wohnplatz haben? Er ist/ antwortet Buchner/ ein Vater der trawrigkeit/ vndt bezeuget solches mitt den einöden trawrigen örtern/ da er zue nisten pfleget. Vieleicht wil er jhm hierdurch ein größer ansehen machen/ fange ich an/ weil jhm nicht vnwißendt/ daß der so über vns ist an den stillen vndt einfaltigen orten mitt einfaltigem hertzen vndt ruhigem gewi- ßen von allen zeiten her hatt wollen geehret sein. Solches begehr- ten die vngöttlichen götter/ Rübezales gleichen/ daß man jhnen nicht weniger erzeigen solte; wie dann die alten nicht so sehr hel- ffenbeinerne vndt güldene bilder/ als dicke püsche vndt das ge- heime stillschweigen darinnen angebetet/ ja wälder/ wiesen vndt see geheiliget/ vndt sie mitt namen der götter genennt haben. Die Dacier auch berge/ hebt Buchner an. Freylich/ sage ich/ berge/ vndt die jenigen so einen schein der göttligkeit zue erlangen sich darein verborgen/ als Zamolxes vndt andere. Ich meinte/ sagt Venator/ du würdest vns dergleichen in deinen weitleufftigen be- richten von den Daciern außführlich machen. Zwar ich weiß [49] nicht/ ob es mir wie jenen bergen gehen möchte/ gebe ich zur + + + +
Vnter wehrendem reden/ als wir zwischen der trennung zweyer hügel/ dahin wir vns durch hecken vndt gestäude mehr einen weg gemacht/ als gefunden hatten/ gerichts eingiengen/ erblickten wir hinter den birckenbäwmen vnd eichen eine grüne wiese/ auff wel- cher von einem andern orte her ein altes weib/ mitt grawem haupte/ zitterndem gange/ krummen rücken vndt einem korbe darauff/ fast gekrochen kam. Wir winckten einander/ vndt legten vns vnvermerckt in die sträuche nieder/ zue erfahren was die red- liche muter guetes machen würde. Sie war fast in die mitten an einen Scheideweg zweyer engen stege kommen/ da ließ sie jhre geflickte schauben fallen/ striech die hägeren armen auff/ vndt fieng mitt klingender stimme also an zue ruffen:
Ist dann kein mittel nicht zue zwingen den gesellen
Der eine jungfraw fleucht? soll dann das heil der höllen
Erst sein herfür gesucht? es muß ja sonsten mir
Gehorchen was die welt in see/ in lufft vndt hier
5 In jhrer schoß verbirgt: die sternen mußen schwitzen;
Der monde stille stehn/ vndt seinen wagen stützen;
Der Nortwindt legt den sturm zue meinen füßen hin;
Der sommer schneyet mir: es machen wo ich bin
Die todten sich herzue; auff mein geheiße gehen
10 Die starcken eichen fort; die flüße bleiben stehen;
Die klippen sencken sich; die saate reiffet nicht;
Die thäler steigen auff; der schlangen leib zerbricht;
Den wilden tigersinn genungsam zue entzünden!
+
15 Du dreykopff/ Hecate/ die älter ist als ich;
Du geist der diesen berg beherrschet höre mich;
O Pluto/ komm herauff; ich achte nicht der sachen
Die meines alters volck zue langsam reicher machen;
Ich suche nicht metall/ nicht jaspis/ nicht demant;
20 Ein fester hertz’ als er soll werden vmbgewandt.
Dieweil kein krötenblut/ noch drummel in den rhoren/
Noch federn so die eul hatt vmb ein grab verlohren/
Noch heiße pferdebrunst/ kein westerhembde nicht/
Kein nagel von der handt/
kein haar/ kein blut/ kein liecht
25 Zue rhaten deiner trew/ o jungfraw/ derer schmertzen/
Wie hart’ vndt raw ich bin/ mir dringen selbst zue hertzen/
Bey jhm verfangen wil/ vndt ich vmbsonst gethan
Was menschen klugheit weiß/ so helffe was da kan.
Der glantz des himmels die Sonne/ welche/ wie wir auß vnserem schatten abnemen kundten/ den tag biß über die helffte gebracht hatte/ schiene für schrecken zue erbleichen/ kein geflügel hörte man singen/ es regte sich nichts als das zittern der bäwme/ vndt wir selber zweiffelten welches sicherer were/ zue lauffen oder zue bleiben. Sie zohe den lincken schuch auß/ nam ein tuch über den kopff/ kehrte sich zwey mal gegen morgen/ vndt zwey mal gegen Niedergang/ grub mitt einer sichel ein loch in die erden/ vndt machte darauff einen zirckel vmb sich her/ murmelte auch eine gute weile eines vndt anders was wir nicht verstehen kundten. Hiernach brachte sie auß jhrem korbe allerhandt kräuter/ welche +
So mußen gleichfalls auch deßelbten sinnen brennen/ Der von
sich selbst nicht wil den trewen sinn erkennen.
Ferner knüpffte sie einen haarlocken vmb drey federn von vngleicher farben/ vndt sprach:
Diß sindt die federn hier so ich zue diesem wesen/ Auß dreyen
nestern zwar/ vmb mitternacht erlesen Vom vogel den ich weiß; diß ist sein
eignes haar Das bey dem lincken ohr’ ein falsches zeichen war Der liebe
die er fleucht: die feder leßt das fliegen; Sein haar wirdt jetzt ein bandt; er
soll mir auch erliegen.
Auff diß sprützete sie drey mal in jhre schoß/ nam ein bildlein von jungfrawenwachse in die handt/ beraucherte daßelbte/ bandt jhm drey wöllene faden von dreyerley farben vmb den halß/ vndt sagte:
Vnter solcher rede stach sie mitt einer langen nadel drey mal hinein/ vndt fieng an:
+ + + + +
warff es hierüber in das fewer mitt diesem worte:
Nach dem nun alles nieder gebrennet war/ grieff sie auff die erden/ warff die asche drey mal über den kopff/ sahe nicht hinter sich/ vndt hub wie erstlich mitt verbrochenen worten an zue mur- meln. Sie hatte jhre schreckliche beschwerungen in dem maule herumb zue werffen nicht recht angefangen/ als sich ein mächtiges [52] wetter/ schloß/ hagel vndt krachen erregete.
Das liecht wardt schwartze nacht; der himmel lieff zuesammen
In dickes finsterniß; die wolcken gaben flammen Vndt eilten hefftig fort;
man sahe keinen tag Als wann der grimme plitz durch einen donnerschlag
Vorher gesendet kam; der winde starckes prausen Bewegte waldt vndt berg
mitt seinem wilden sausen; Die lufft wardt lauter see; der höllen gantzes reich
Erregte seine krafft; die bäwme wurden bleich;
vndt was mich das schrecken noch jetzo nicht erzehlen leßt. Ich/ wie ich zuevor am letzten mich niederlegen/ vndt dieser vierdten Furie zuehören wollen; also war ich der erste so von dannen vndt auff die nechste straße zue lieff. Die andern kamen hernach ge- rennet/ vndt hatten mitt dem athem auch fast die sprache verloh- ren/ wolten den blättern der espen so vmbher stunden am zittern nichts bevor geben. Eine seltzame sache: es stundt der hügel/ auff dem wir vns damals befunden/ so ferren nicht von dem vorigen orte/ dennoch blickte vns die Sonne mitt so einem gnädigen auge an/ vndt das graß vmbher war dermaßen trucken/ daß wir leicht verstehen kundten/ wie der teuffel nicht allenthalben zue gebieten + + + + + + + +
Als wir nun beydes von dem verlauffe ietziger schrecklichen künste/ vndt sonsten diesem vndt jenem vnterredung hielten/ ge- fiel vns die landtart gegenüber liegenden Königreiches sonder- lich/ als deßen ebene von dem gemach vndt gemach auffsteigen- den gebirge gleich wie von einem krantze vmbgeben ist/ vndt daß außsehen eines künstlichen schawplatzes hatt/ darinnen etwan die alten jhre spiele zue zeigen gewohnt gewesen. Hierüber dann meine drey mitgesellen/ in erwegung ietziger betrübter läufften/ auff folgendes hirtenliedt oder gespreche geriehten.
Venator.
Ist jenes dann das feldt/ liegt dahinein das landt/
Wo vnlengst eine glut so hoch ist auffgebrandt/
Darvon wir schäffer auch bey vnserm klaren Reine/
Sindt worden angesteckt? wir saßen vor im weine/
5 Das vieh gieng in das graß biß an den bauch hinein;
Jetzt sehen wir den krieg für schaffe/ blut für wein.
Buchner.
Hatt diß gebirge dann den namen von den riesen?
Entspringt mein Landesstrom vmb diese schöne wiesen?
Du suchst dir ja den weg zur Mulde gar zur
weit/
10 Vndt hast auß jhr geschöpfft/ o Elbe/ noth vndt streit.
Nüßler.
Diß ist der Böhmerwaldt/ das heißen die Sudeten;
Wie hoch sie aber gehn/ so sindt doch angst vndt nöthen
Geflogen vber sie. du hast nur vnser landt
Vergebens/ o natur/ von diesem abgetrannt.
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Venator.
15 Wer hette diß gedacht! noch ist es so weit kommen/
Ein frembdes glücke hatt den Neckar eingenommen/
Sampt vnser hirtentrifft/ vndt mich hinweg gejagt
Von deßen bühels rhue wo Jette wargesagt.
Buchner.
Ich hette doch vermeint/ es solte ja dein singen/
15 Dein edler schäffer thon/ dir gunst vndt liebe bringen/
Vndt freye sicherheit.
Nüßler.
der Musen seiten spiel/
Es sey so guet es kan/ schafft eben also viel
Bey einer heereskrafft/ als etwan eine taube
Für einem adler gilt der außfleugt nach dem raube.
Venator.
Es ist ein
berg bey vns/ vom Neckar nicht sehr weit/
26 Der heißt der königstul/ da hatt zue mancher zeit/
Von einer eichen her/ die schildtkrae angekündet
Was eben ietzt mein landt (nicht ietzt mein landt) empfindet:
Sie hatt vns wol gesagt: jhr schäffer/ seht euch für:
30 Nun milckt man vnser vieh auff eine stunde zwier;
Die euter werden schlaff.
Buchner.
es bleibet nichts bestehen
In dieser gantzen welt: muß doch zue rüste gehen/
So offt es abendt wirdt/ der schöne himmelsschildt.
Nüßler.
Wo häuser sindt war feldt: es leufft viel mal ein wildt/
35 Da etwan für der zeit ist eine Stadt gewesen.
Venator.
Das obst ist abgerupfft/ der reiffe wein gelesen;
Die eicheln fallen selbst; die zarten bircken hier/
Die fichten laßen gehn jhr laub die grüne ziehr.
Nüßler.
40 Man schlacht’ es oder nicht/ so muß das vieh doch sterben.
Venator.
Den leichten vögeln wirdt jhr leben gar nicht schwer;
Sie fischen in der lufft gesichert hin vndt her/
Vndt können stets daheim vndt in dem jhren reisen;
Ein quell giebt jhnen tranck/ der pusch vndt acker speisen;
45 Doch mußen sie dar von.
Buchner.
der rawen kälte zeit
Die dringt vns auff den halß
Nüßler.
wann alles überschneyt
Vndt zuegewintert ist/ so kömpt der früling wieder.
Venator.
Dann hört man durch die lufft der vögel schöne lieder.
Buchner.
Das vieh verleßt den stall.
Nüßler.
die weide wirdt verjüngt:
+ + + +
Nüßler.
die frome bircke blühet.
Venator.
Die eiche schlaget auß.
Buchner.
der süße weinstock siehet
Sich nach den augen vmb
Nüßler.
der obstbawm zeucht sein kleidt
Die blätter wieder an.
Venator.
das stadtvolck ist erfrewt.
Buchner.
55 Das dorff geht auff das feldt.
Nüßler.
so laßt vns dem vertrawen
Der dorff stadt/ obst vndt wein/ der bäwme/ feldt vndt awen/
Der vieh vndt vögel hegt; sein werther Sonnenschein
Wirdt nach der strengen lufft vns desto lieber sein.
[56] Diß hirtengetichte ermunterte mich/ nicht gar leer auß zue gehen: damit ich aber nicht auß meiner alten gewohnheit schritte/ fieng ich also an zue singen:
Meine frewde die mich bindet
Ist der list vndt kräuter frey:
Zwar sie hatt mich angezündet/
Doch ohn all Zauberey:
5 Daß mein sinn sich jhr ergiebt/
Kömpt daher weil sie mich liebt.
Diese Circe hatt beysammen
Ihrer augen plitz vndt glantz/
Des gesichtes helle flammen
10 Das mir meines nicht leßt gantz;
Ihre wörter die sie weiß
Nemen aller kunst den preiß.
Ihre ziehr darff nichts begehren
Was man sonst zue hülffe rufft/
15 Darff den monden nicht beschweren/
Rhat nicht suchen bey der lufft:
Lufft vndt monden darff nicht sein/
Wo schon ist jhr tageschein.
Welchem nicht zue hertzen steigen
20 Dieser wangen milch vndt blut/
Dieses reden/ dieses schweigen/
Diese jugendt/ dieser muth
Der mir meinen muth zerbricht/
Den bekehrt kein Zaubern nicht.
Hiernach stunden wir auff/ vndt wanderten allgemach durch die gefilde vndt wiesen dißeits vndt nach mitternacht zue/ wo wir erst- lich hiesiger orte einander angetroffen. Im herunter steigen sahen wir zwischen den felsen vndt hügeln drey tieffe thäler/ darin- [57] nen der schnee/ welcher niemals ab zue gehen pflegt/ vns der- massen in die augen gläntzte/ daß wir gleichsam darvon geblendet wurden. Wir gerhieten auch an einem heckichten vndt wüsten orte zue einem see/ deßen schwartzes vndt finsteres waßer/ darin- nen weder fisch noch geflügel gespüret wardt/ vns fast ein grausen + + +
Sechstine.
Wo ist mein auffenthalt/ mein trost vndt schönes liecht?
Der trübe winter kömpt/ die nacht verkürtzt den tag:
Ich irre gantz betrübt vmb diesen öden waldt:
Doch were gleich ietzt lentz/ vndt tag ohn alle nacht/
5 Vndt hett’ ich für den waldt die lust der gantzen welt/
Was ist welt tag vndt lentz/ wo nicht ist meine ziehr?
Ein schönes frisches quell giebt blumen jhre ziehr/
Dem starcken adler ist nichts liebers als das liecht/
Die süße nachtigal singt frölich auff den tag/
10 Die lerche suchet korn/ die ringeltaube waldt/
Der reiger einen teich/ die eule trübe nacht;
Mein Lieb/ ich suche dich für allem auff der welt.
So lange bist du mir das liebste von der welt/
So lange Pales hegt der grünen weide ziehr/
16 So lange Titans glantz bescheint den hellen tag/
So lange Bacchus liebt den wein/ vndt Pan den waldt/
So lange Cynthia vns leuchtet bey der nacht.
Die schnelle hindinn sucht den hirschen in der nacht/
20 Was schwimmt/ vndt geht/ vndt kreucht liebt durch die gantze welt/
Die grimme wölffinn schätzt den wolff für jhre ziehr/
Die sternen leihen vns zum lieben selbst jhr liecht;
Ich aber gehe nun allhier schon manchen tag/
O Schwester/ ohne dich durch berge/ wildt vndt waldt.
25 Was ist wo du nicht bist? so viel der kühle waldt
Ein sandtfeldt übertrifft/ der morgen für der nacht
Vns angenemer ist/ der mahler dieser welt
Der lentz für winterlufft/ so viel ist deine ziehr/
Die Schönheit/ diese lust mir lieber/ o mein liecht/
30 Als das so weit vndt breit bestralt wirdt durch den tag.
Der trost erquickt mich doch es komme fast der tag/
Da ich nicht werde mehr bewohnen berg vndt waldt/
Da deine gegenwart/ vndt die gewündtschte nacht
Der trew noch lohnen soll: in deßen wirdt die welt
35 Vergeßen jhrer selbst/ eh’ als ich deiner ziehr/
Mein höchster auffenthalt/ mein trost vndt schönes liecht.
Laß wachsen/ edler waldt/ mitt dir mein trewes liecht/
Die liebste von der welt; es schade deiner ziehr/
O bawm/ kein heißer tag/ vndt keine kalte nacht.
Die andern drey lobten das
Sonnet
über die augen der Astree.
Diß sindt die augen: was? die götter; sie gewinnen
Der helden krafft vndt muth mitt jhrer schönheit macht:
Nicht götter; himmel mehr; dann jhrer farbe pracht
4 Ist himmelblaw/ jhr lauff ist über menschen sinnen:
Daß wir vmb mittagszeit nur sehen lauter nacht:
Nicht sonnen; sondern plitz/ der schnell vndt vnbedacht
Herab schlegt wann es ie zue donnern wil beginnen.
Doch keines: götter nicht/ die böses nie begehen;
10 Nicht himmel/ dann der lauff des himmels wancket nicht;
Nicht sonnen/ dann es ist nur einer Sonne liecht;
Plitz auch nicht/ weil kein plitz so lange kan bestehen:
Jedennoch siehet sie des volckes blinder wahn
Für himmel/ sonnen/ plitz vndt götter selber an.
Die vnterschrifft war: Der vnwürdig Gekrönte zue ehren dem Nutzbaren. Daher wir abnemen kundten/ daß es auff personen auß dem edelen mittel der vnsterblichen Fruchtbringenden Ge- sellschafft gemeinet were. Ob wir nun gleich des kletterns vndt steigens halben fast müde waren/ schätzten wir doch den gang von dieser lust wol bezahlt zue sein; namen vns aber für/ nunmehr ohn vmbschweiff gerichts ein zue gehen/ vndt den tag mitt besichti- gung des warmen brunnens/ deßen vrsprung vns von der holdtseli- gen Hercinie erzehlt worden/ zue beschließen. Vnter weges hiel- ten wir allerhandt gespreche/ von der miltreichen versehung vndt güte Gottes/ deßen gnädigste außtheilung ein landt mitt dieser/ das andere mitt jener eigenschafft vndt güte begabet hatt.
sagte Nüßler. Sonderlich/ fieng Buchner an/ hatt sich die magdt des Höchsten/ die gütige natur/ an der see/ den flüßen vnd quellen außgelaßen/ vndt ihr bestes meisterstück erwiesen. Das meer ist ein stetswehrender gefährte des Mondens/ wächst mitt ihm auff/ vndt wirdt auch mitt jhm alt: des waßers gaben aber sindt so viel- fältig/ daß es vom Thales das stärckste element/ aller [60] dinge vrsprung/ eine geseelete welt/ die voller geister sey/ ist genennt worden. In Beotien sollen zwey flüße sein/ deren einer alle schaffe so darauß trincken schwartz/ der andere weiß macht. In + + + + + + +
Man sagt von einem brunnen in vnserm Deutschlande/ daß wann iemandt eine henne hinein steckt die er mitt guetem titul bekommen/ so sollen jhr die federn stracks gebrühet werden vndt abgehen; hatt er sie aber gestolen/ so bleibt sie wie sie zuevor ge- wesen. Vnsere reiseleute auß Italien wißen von den zweyen brunnen zue sagen/ in deren einem ein hundt stracks sterben/ in dem andern baldt wiederumb lebendig werden soll. In Schott- landt soll sich ein waßer in stein verwandeln. Das habe ich/ fieng ich an/ im Zips an etlichen brunnen mitt meinen augen gesehen. Doch ist mir noch seltzamer fürkommen die pfütze oder das see bey Thorda in Siebenbürgen/ welches/ ob es zwar von vnglaubli- + + + +
Dieses sindt kunstwäßer/ sagte Nüßler/ derer eigenschafften auch jhrer natürlichen vrsachen sonder zweiffel nicht mangeln/ wiewol sie bey einem leichter zue ergründen sindt als bey dem andern; aber dennoch kommen sie der fabel des elendes dem menschen also nicht zue staten wie andere/ denen die Göttinn Hi- gia vndt die [61] heilsamen Nimfen eine solche krafft vndt art eingepflantzet/ welche nutzbarkeit vndt fromen bringt. Auß denen auch ist das liebliche augenquell bey Cicerons Mayerguete so Aca- demie geheißen/ darvon sein frey gelaßener Laurea Tullius fast deßen innhalts geschrieben:
Du Hochberedter mann/ dem Rom muß schuldig sein
Die freyheit/ vndt sich selbst/ vndt alle sein Latein/
Der waldt hier der durch dich in newen baw ist kommen/
Diß Vorwerg wo du dir zue schreiben fürgenommen/
5 Zue suchen deine rhue/ ist schöner als zuevor:
Vndt diß noch nicht genug; es springt ein quell empor/
Ein newes wunderquell/ das vnter andern sachen
Ein blödes angesicht kan klar vndt lauter machen.
Der ort/ o Cicero/ thut dieses alles dir/
10 Der edle brunnen quillt nur wegen dein herfür:
Dann weil man weit vndt breit dich lesen wirdt auff erden/
So muß das waßer auch der augen artzney werden.
Zur Schmelnitz/ fieng ich an/ etzliche meilen von Caschaw wirdt das eisen durch ein quell innerhalb wenig stunden in schlich/ vndt dieser in kupffer verwandelt. Aber wir haben fast gewonnen; redte ich weiter. Schawet das feste schloß zur rechten handt auff dem hohen berge ist vorgemeldeter Kinast; dort hinein zur link- ken liegt die Kemnitz/ welche Ihr Gn. Herr Obrister Schaffgotsch mitt einem herrlichen hause vndt lustigen gebäwden nicht wenig geziehret hatt. Gleich für vns ist der Warme brunnen/ den wir vns + + +
Du bist/ fieng Buchner zue mir an/ dieser orten nicht vnbekandt. Freylich nicht/ sagte ich; ich habe mich vor etzlichen jharen bey einer hochansehlichen gesellschafft zwey monat vber allhier zim- lich wol befunden/ vndt nicht allein das leben des stattli- + + +
[63] Vnter wehrendem gespreche kamen wir durch daß dorff an den brunnen von dem wir reden; betrachteten die newe art des bawes/ der seiner runde vndt anderer weise halben einem heidni- schen tempel nicht vngleich sahe/ inwendig aber mitt gemä- chern vndt stuben also eingetheilet war/ daß jhrer mehr zue sein schienen/ weder fast der raum des ortes solte leiden können. Mit- ten innen nun war das berhümbte quell selbst/ daß im auffschie- ßen viel kleine blasen empor warff/ an der farbe aber helle/ durch- scheinendt vndt auff art eines weißen saffirs etwas bläwlicht an zue schawen war. Nach dem wir vns nun genungsam ersehen/ vndt an dem wunderwercke der natur augen vndt gemüte gesättigt hatten/ ehreten wir des glückseligen quelles halben die einheimischen Nimfen vndt waßergöttinnen dieses ortes/ des schönen bawes we- gen aber den Hochwolgebornen vndt werthen Helden Hansen Vlrichen von Schaffgotsch; zue deßen billichem lobe wir folgen- den innhalts tafeln an die eußere wandt des edelen bawes auff + + + +
I.
Nüßler.
Hier wo das klare quell mitt einfalt war vmbringet/
Das seiner adern krafft in vnsern adern regt/
Vndt beydes sinnen trost vndt leibes wolfarth hegt/
Hier wo jhr Najades in schlechter einfalt gienget/
5 Vndt ewren jägerzeug an faule wände hienget/
Ist worden vmb euch her ein newer grundt gelegt/
Der jetzt das edle hauß zue ewren ehren tregt/
Vndt der Natur auch selbst nicht wenig Schönheit bringet.
10 Der seinen namen zwar mitt großen thaten mehret/
Doch gleichwol wirdt von jhm nicht minder auff die noth
Vndt lust der lebens zeit durch dieses werck geschawet.
Fragt jhr/ warumb er es nach tempelsart gebawet?
Er meint gesundtheit sey der siechen leute Gott.
II.
An Ihr Fürstliche Gnaden/
Ihr Gn. Gemahlinn.
Buchner.
Solt ich das große lob/ den Königlichen schein/
Die thaten vndt verdienst/ so von dem werthen stande/
Der dich erzeuget hatt/ durch alle ferne lande
Am liechten tage sindt/ recht preisen können? nein;
5 Mir sey die faust dann stahl/ die feder demantstein/
Die tinte hergeholt von dem gelehrten strande
Der beym Parnaß entspringt: mein schiff bleibt an dem rande/
Vndt leßt sich kühnlich nicht in solche wellen ein.
Wann einer ferner auch die sitten/ den verstandt/
10 Die tugendt so du hast/ der edlen gaben pfandt
Die dir der himmel schenckt/ der gantzen welt wil zeigen/
Muß höher gehn als ich/ wiewol Apollo mir
Mitt milden handen reicht die leyer meine ziehr/
Muß/ heldinn/ überauß wol singen oder schweigen.
III.
Venator.
Ihr Schwestern/ derer geist auff vns Poeten schwebet/
Anietzt begehr ich nicht zue ewrem Helicon;
Damit jhr deßen rhum der euch auch ziehrt erhebet.
5 Ihm dancket daß jhr ietzt das quell noch schöner gebet/
Seht jung auß wie jhr seidt/ besitzet einen thron
Der schawens würdig ist/ da Venus vndt jhr Sohn/
Vndt alle Gratien/ vndt rhue/ vndt frewde lebet.
Du heldt/ dem dieses Badt von alters zuegehört/
10 Du hast jhm seine ziehr durch deinen baw vermehrt/
Drumb hebt ein weiser sinn dich billich hoch auff erden.
Nach dem durch dein verdienst/ durch thaten/ durch verstandt/
Dein Schuldner worden ist das gantze Vaterlandt/
So muß das waßer auch von dir begabet werden.
IIII.
Opitz.
Auff jhr klugen Pierinnen+/
Laßet vns ein liedt beginnen
Einem Helden der euch liebt/
Der bey seinen schönen flüßen/
5 Welche sich herumb ergießen/
Vns auch eine stelle giebt.
Weiß er gleich mitt rittersachen
Ihm ein solches lob zue machen
Das der alten namen gleicht/
10 So erkennt er doch daß thaten
In die lange nacht gerathen/
Wann jhr nicht die hände reicht.
Keine heereskrafft kan streiten
Wieder die gewalt der zeiten;
15
Kron vndt Zepter legt sich nieder;
Aber ewre schöne lieder
Wißen von dem tode nicht.
Herr/ wo sindt die strengen kriege
20 Deiner Ahnen? jhre siege/
Ihr verdienst liegt vnbeklagt.
Was schon bleibet vnbesungen
Von der schwestern weiser zungen/
Wirdt nicht lange nachgesagt.
25 Vnser Phebus muß es bringen/
Vndt mitt grüner jugendt dringen
Durch der eitelkeiten wahn/
Phebus der mich angetrieben
Daß ich diß von dir geschrieben
30 Was des grabes lachen kan.
Deine blüte/ deine wercke/
Diese ritterliche stärcke
Fühlet endtlich doch die zeit:
Komm/ heldt/ friste dir das leben/
35 Komm/ Thalia wirdt dir geben
Einen krantz der ewigkeit.